BGH, Urteil vom 29. Januar 1981 – II ZR 92/80 –, BGHZ 79, 291-295 GmbH-Geschäftsführer – Kündigungsfrist

April 3, 2019

BGH, Urteil vom 29. Januar 1981 – II ZR 92/80 –, BGHZ 79, 291-295
GmbH-Geschäftsführer – Kündigungsfrist
Für die Kündigung des Dienstverhältnisses des Geschäftsführers einer GmbH gilt – mindestens dann, wenn dieser am Kapital der GmbH nicht beteiligt ist – in entsprechender Anwendung des BGB § 622 Abs 1 die Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres.
Verfahrensgang
vorgehend LG Frankfurt, 26. September 1979, 2/20 O 393/78
vorgehend OLG Frankfurt, 19. März 1980, 7 U 192/79
Tatbestand
Der Kläger war aufgrund Vertrages vom 1. September 1976 alleiniger Geschäftsführer der H.-H. Werbung GmbH (HWG) mit einem monatlichen Bruttogehalt von 7.000 DM, am Stammkapital dieser Gesellschaft aber nicht beteiligt. Am 11. Oktober 1978 wurde über das Vermögen der HWG das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. Dieser stellte den Kläger mit Schreiben vom 11. Oktober 1978 ab sofort von jeder Arbeit frei und kündigte zum nächst zulässigen Zeitpunkt das Dienstverhältnis.
Die Parteien streiten darüber, ob dieses zum 31. Oktober 1978 oder 31. Dezember 1978 beendet worden ist. Der Kläger verlangt die Vergütung für die Monate Oktober bis Dezember 1978 sowie ein Weihnachtsgeld in Höhe von 4.200 DM. Das Landgericht hat das Gehalt für Oktober zuerkannt und im übrigen die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit der zugelassenen Revision verfolgt dieser seinen Antrag auf Klageabweisung hinsichtlich der Ansprüche aus der Zeit ab 1. November 1978 weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
Allein entscheidungserheblich ist die Frage, welche Vorschrift für die Kündigung des Dienstverhältnisses des Klägers maßgebend ist: § 621 Nr 3 BGB oder § 622 Abs 1 BGB. Der Kläger war zwar bis zum 31. Dezember 1981 fest angestellt. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens war der Beklagte als Konkursverwalter aber gemäß § 22 Abs 1 Satz 2 KO berechtigt, das in seinem Fortbestand durch den Konkurs nicht berührte Dienstverhältnis (vgl BGHZ 75, 209) unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen. Von dieser Möglichkeit hat er am 11. Oktober 1978 Gebrauch gemacht.
Die Geltung des § 622 Abs 1 BGB, also Kündigung mit einer Frist von sechs Wochen zum Ende eines Kalendervierteljahrs, würde voraussetzen, daß der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem Arbeitsverhältnis steht. Das ist, wie der Senat wiederholt entschieden hat (vgl Beschl v 15.6.78 – II ZR 120/77, WM 1978, 1106), nicht der Fall, so daß § 621 BGB nach dessen eindeutigem Wortlaut anzuwenden wäre, wenn nicht eine entsprechende Anwendung des § 622 BGB in Betracht käme.
Der Geschäftsführer einer GmbH hat mit dem Arbeitnehmer gemeinsam, daß er der Gesellschaft seine Arbeitskraft hauptberuflich zur Verfügung stellt. Schon eine derart vollständige oder hauptsächliche Inanspruchnahme der Erwerbstätigkeit in einem Dienstverhältnis mit festen Bezügen hat der Gesetzgeber in der bis zum Inkrafttreten des Ersten arbeitsrechtlichen Bereinigungsgesetzes vom 14. August 1969 geltenden Fassung des § 622 BGB ausreichen lassen, um daran – abweichend vom § 621 BGB, der dem heute geltenden entsprach – eine von zwei auf sechs Wochen verlängerte, jeweils auf das Quartalsende bezogene Kündigungsfrist zu knüpfen. Diese Regelung war sachgerecht, um dem zur Bestreitung seines und seiner Familie Lebensunterhalt auf die Einkünfte aus der hauptberuflichen Tätigkeit angewiesenen Dienstverpflichteten hinreichend Zeit zu geben, sich nach einer anderen hauptberuflichen Beschäftigung umzusehen. Folgerichtig galt der § 622 BGB seinem damaligen Wortlaut gemäß auch für die Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft und die Geschäftsführer einer GmbH als “zur Leistung von Diensten höherer Art Angestellten” (vgl BGHZ 12, 1, 9). Mit dem Ersten arbeitsrechtlichen Bereinigungsgesetz hat der Gesetzgeber nicht beabsichtigt, die bisher im § 622 BGB geregelten Anstellungsverhältnisse anders zu werten und nunmehr dem § 621 BGB zu unterstellen. Er hat mit der Neufassung des § 622 BGB allein den Zweck verfolgt, das Recht der Kündigung von Arbeitsverhältnissen zu vereinheitlichen und zu bereinigen. Dabei ist er davon ausgegangen, daß § 622 BGB in der bis dahin geltenden Fassung für selbständige Dienstverhältnisse ohne Bedeutung sei (BTDs V/3913, Begr zu Art 2 Nrn 3 bis 5, vgl auch Miller, BB 1977, 723, 724). Er hat nicht bedacht, daß die höhere Dienste leistenden Geschäftsführer der GmbH, die bisher als Angestellte unter § 622 BGB fielen, keine Arbeitnehmer sind. Somit liegt keine bewußte Entscheidung des Gesetzgebers in dem Sinne vor, daß künftig die Anstellungsverhältnisse der Geschäftsführer einer GmbH nicht mehr unter § 622 BGB fallen. Vielmehr handelt es sich um ein Redaktionsversehen (vgl Schwerdtner, GmbHRdsch 1976, 101, 108; Ganssmüller, GmbHRdsch 1977, 132, 133; Bauer, DB 1979, 2178), so daß kein Hindernis besteht, die bis 1969 allgemein für höhere Angestellte und seitdem für Arbeitnehmer geltende Wertung des Gesetzgebers für das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers als auch insoweit einzig sachgemäß zugrunde zu legen. Der Geschäftsführer übt zwar gegenüber dem Arbeiter und Angestellten die Funktionen des Arbeitgebers aus. Im Verhältnis zur Gesellschaft steht aber er in einem Anstellungsverhältnis, das ihn zu Diensten verpflichtet, das gekündigt werden kann und durch das er je nach Höhe seines Gehalts von der Gesellschaft mehr oder weniger wirtschaftlich abhängig ist. Darum ist es gerechtfertigt, § 622 BGB analog auf den Geschäftsführer als Organ der Gesellschaft anzuwenden. Der Senat hatte bereits andere Vorschriften des Rechts der sozialabhängigen Arbeitnehmer auf den GmbH-Geschäftsführer angewandt, soweit dies das Anstellungsverhältnis erforderte und die Organstellung es nicht verbot (vgl BGHZ 10, 187, 192 – Treuepflicht und Fürsorgepflicht; 49, 30 – Zeugniserteilung). Auch für die Frage der ordentlichen Kündigung in analoger Anwendung des § 622 BGB kommt es auf die im Vergleich zu den Arbeitnehmern unterschiedliche Rechtsstellung des Geschäftsführers einer GmbH nicht an.
Dahingestellt bleiben kann die Frage, ob § 621 BGB dann zu gelten hat, wenn der Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter an der GmbH maßgeblich beteiligt ist (so Hachenburg/Mertens, GmbHG, 7. Aufl 1979 § 38 Anm 15; Scholz/Uwe H. Schneider, GmbHG 6. Aufl 1980 § 35 Anm 183). Der Kläger ist an der GmbH überhaupt nicht beteiligt. Unerheblich ist entgegen der Ansicht der Revision, daß der Mehrheitsgesellschafter den Kläger hat schalten und walten lassen. Nicht der Grad der tatsächlichen Einflußnahme der Gesellschafter ist bei der Anwendung des § 622 BGB entscheidend für die Dauer der Kündigungsfrist, sondern die wirtschaftliche Abhängigkeit. Nur der Umstand, daß diese bei dem zugleich als Gesellschafter maßgeblich beteiligten Geschäftsführer nicht gegeben ist, könnte es rechtfertigen, insoweit von einer analogen Anwendung des § 622 BGB abzusehen.
Die entsprechende Anwendung des § 622 BGB ist aber nicht nur im Interesse des Geschäftsführers gerechtfertigt. Auch die Interessen der Gesellschaft fordern seine Anwendung. Qualifizierte Geschäftsführer sind nicht nach Belieben verfügbar. Die Gesellschafter müssen, falls sie solche nicht schon kennen, nach geeigneten Kandidaten suchen, müssen über diese Informationen einholen und mit ihnen die Bedingungen aushandeln. Dem hierfür erforderlichen Zeitaufwand wird eine Kündigung gemäß § 622 BGB eher gerecht als eine solche gemäß § 621 BGB.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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