BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 18.5.2011, 4 ABR 82/09 Eingruppierung von Kassierern in einem Einrichtungshaus nach dem Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel in Baden-Württemberg – Begriff des Verbrauchermarktes

September 6, 2019

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 18.5.2011, 4 ABR 82/09

Eingruppierung von Kassierern in einem Einrichtungshaus nach dem Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel in Baden-Württemberg – Begriff des Verbrauchermarktes

Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – vom 12. März 2009 – 16 TaBV 5/08 – aufgehoben.

II. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mannheim vom 8. April 2008 – 8 BV 27/07 – abgeändert:

Die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung

1. des Herrn S C in die Tarifgruppe II, 1. Berufs-/Tätigkeitsjahr GTV,

2. der Frau Y K in die Tarifgruppe II, 2. Berufs-/Tätigkeitsjahr GTV,

3. des Herrn Se C in die Tarifgruppe II, 5. Berufs-/Tätigkeitsjahr GTV,

4. des Herrn J R in die Tarifgruppe II, 1. Berufs-/Tätigkeitsjahr GTV,

5. der Frau R O in die Tarifgruppe II, 1. Berufs-/Tätigkeitsjahr GTV,

wird ersetzt.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des bei der Arbeitgeberin (Antragstellerin) bestehenden Betriebsrats (Beteiligter zu 2) zur Eingruppierung von Arbeitnehmern in die Vergütungsordnung nach dem Tarifvertrag über die Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialleistungen für die Arbeitnehmer/-innen und Auszubildenden des Einzelhandels in Baden-Württemberg (vom 22. März 2006, nachfolgend GTV).
2

Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit Einrichtungshäuser, darunter die Niederlassung in W, in der etwa 400 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dieser Betrieb verfügt über eine Verkaufsfläche von über 10.000 m². Es werden neben Möbeln Hausrat, Kunstgewerbe, Heimtextilien, Bettwaren, Beleuchtungskörper, Teppiche, Pflanzen und Tierbedarfsartikel verkauft. Die Arbeitgeberin erzielt etwa 50 vH ihres Gesamtumsatzes mit dem Verkauf von Möbeln und etwa 50 vH aus den weiteren genannten Verkaufsbereichen. In geringem Umfang werden im Kassenbereich auf einer Verkaufsfläche von 10 m² Lebensmittel und je nach Saison bestimmte Genussmittel angeboten, wobei dieser Warenbereich mit weniger als 1 vH am Gesamtumsatz beteiligt ist und an separaten Kassen abgerechnet wird. Im gesamten Markt gibt es mit Ausnahme des Restaurants und des sog. Schweden-Shops keine Kassen in den einzelnen Fachabteilungen, sondern nur Zentralkassen im Ausgangsbereich.
3

Die Arbeitgeberin beantragte bei dem zuständigen Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung und zur Eingruppierung von mehreren Arbeitnehmern in die Beschäftigungsgruppe II GTV, auf deren Arbeitsverhältnis nach der vertraglichen Abrede die einschlägigen Tarifverträge für den Einzelhandel Anwendung finden. Die Arbeitnehmer werden an den Zentralkassen im Ausgangsbereich eingesetzt. Sie scannen dort mittels eines Handscanners die auf den Verpackungen der Verkaufsgegenstände befindlichen Strichcodes ein und erhalten vom Kunden den von den Kassenautomaten errechneten Endbetrag. Eventuelle Wechselgeldbeträge werden auch von den Kassenautomaten nach Eingabe des vom Kunden übergebenen Barbetrages ermittelt.
4

Der Betriebsrat erteilte die Zustimmung zur Einstellung, verweigerte sie aber zur Eingruppierung, weil er die Beschäftigungsgruppe III GTV für zutreffend hielt. Bei dem Einrichtungshaus handele es sich um einen Verbrauchermarkt, weshalb das Tätigkeitsbeispiel der Kassierer/-innen „z.B. … an Verbrauchermarkt- und sonstigen SB-Kassen“ einschlägig sei.
5

Mit ihrem Antrag begehrt die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung zu der von ihr für zutreffend befundenen Eingruppierung. Die Arbeitnehmer übten Tätigkeiten nach dem Beispiel der Beschäftigungsgruppe II GTV – „Kassier/-innen mit einfacher Tätigkeit, auch an SB-Kassen“ aus. Bei dem Betrieb handele es sich nicht um einen Verbrauchermarkt. Der Begriff des Verbrauchermarktes habe seinen Ursprung in der Tätigkeit des „Verbrauchens“ von Produkten. Im Einzelhandel könnten dies nur Nahrungs- und Genussmittel oder andere Waren des kurz- und mittelfristigen Bedarfs sein. Solche Waren würden nicht oder nur in geringer Menge angeboten. Zudem erfolge dies nur im Restaurant und in dem „Schweden-Shop“. Im Übrigen würden fast ausschließlich Waren des mittel- und langfristigen Bedarfs verkauft. Im Einrichtungshaus befänden sich in den einzelnen Abteilungen Verkäufer, die Kunden informieren und beraten könnten. An den Kassen werde nur der – einfache – Kassiervorgang durchgeführt. Anderenfalls wäre jeder Einzelhandelsbetrieb ein Verbrauchermarkt. Die Kassiererinnen übten keine selbständigen Tätigkeiten im Rahmen allgemeiner Anweisungen aus und seien auch nicht mit der Reklamationsbearbeitung betraut.
6

Die Arbeitgeberin hat – soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung – zuletzt beantragt,

die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung

1.

des Herrn S C in die Tarifgruppe II, 1. Berufs-/Tätigkeitsjahr GTV,

2.

der Frau Y K in die Tarifgruppe II, 2. Berufs-/Tätigkeitsjahr GTV,

3.

des Herrn Se C in die Tarifgruppe II, 5. Berufs-/Tätigkeitsjahr GTV,

4.

des Herrn J R in die Tarifgruppe II, 1. Berufs-/Tätigkeitsjahr GTV,

5.

der Frau R O in die Tarifgruppe II, 1. Berufs-/Tätigkeitsjahr GTV,

wird ersetzt.
7

Der Betriebsrat hat die Abweisung der Anträge beantragt. Bei dem Betrieb handele es sich um einen Verbrauchermarkt. Dies folge aus dem angebotenen Warensortiment, zu dem, wenn auch in geringem Umfang, Lebensmittel gehörten. Auch bei Pflanzen oder Blumentöpfen, Körben, Kerzen, Vasen, Glühbirnen handele es sich um Waren für den kurzfristigen, bei Heimtextilien, Badutensilien, Lampen, Töpfen und Küchengeräten um solche des mittelfristigen Bedarfs. Die Kassierer müssten Produktkenntnisse haben. Sie müssten mit verschiedenen Vorgängen vertraut sein, insbesondere mit den Bestellungen für auf Lager befindliche Möbel, die nicht vom Kunden in der Selbstbedienungshalle geholt werden könnten, sondern mittels eines Bestellformulars und des Kassenzettels dann vom Lager im Einrichtungshaus abgeholt werden müssten.
8

Das Arbeitsgericht hat den Zustimmungsersetzungsantrag zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihr Zustimmungsersetzungsbegehren weiter. Der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
9

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Die Vorinstanzen haben den Zustimmungsersetzungsantrag rechtsfehlerhaft abgewiesen.
10

Der Antrag der Arbeitgeberin ist begründet. Der Betriebsrat hat die Zustimmung gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wegen eines Verstoßes gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag zu Unrecht verweigert. Die von der Arbeitgeberin beabsichtigte Einreihung entspricht den tariflichen Vorgaben. Die Arbeitnehmer üben keine Tätigkeit an einer Kasse in einem „Verbrauchermarkt“ aus und sind deshalb nach der Beschäftigungsgruppe II GTV zu vergüten.
11

I. Die Einreihung der Arbeitnehmer richtet sich aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme nach den Tarifverträgen des Einzelhandels in Baden-Württemberg.
12

II. Maßgebend für die Einreihung der betroffenen Arbeitnehmer sind der Manteltarifvertrag für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer/innen des Einzelhandels Baden-Württemberg (vom 13. Januar 1994 in der Fassung vom 22. März 2006, nachfolgend MTV) und der GTV. Der MTV bestimmt hierzu:

„§ 11 Einreihung der Arbeitnehmer/innen in Beschäftigungsgruppen und Lohnstufen

1.

Die Angestellten werden in Beschäftigungsgruppen, die gewerblichen Arbeitnehmer/innen in Lohnstufen eingereiht, die Bestandteile des Gehalts- und Lohntarifvertrages sind.

2.

Für die Einreihung des/der Angestellten in eine Beschäftigungsgruppe ist ausschließlich die Art seiner/ihrer Tätigkeit entscheidend. Maßgeblich sind die jeder Gruppe vorangestellten Tätigkeitsmerkmale.

Die bei den Beschäftigungsgruppen aufgeführten Beispiele sind weder erschöpfend, noch für jeden Betrieb zutreffend.“
13

Der GTV enthält ua. folgende Beschäftigungsgruppen:

„Gruppe II

Tätigkeitsmerkmale

Einfache kaufmännische Tätigkeiten, für die die Tätigkeitsmerkmale einer höheren Beschäftigungsgruppe nicht zutreffen.

Beispiele:

Verkäufer und Verkäuferinnen, Kassierer/-innen mit einfacher Tätigkeit, auch an SB-Kassen, Angestellte am Packtisch mit Kontrolltätigkeit.

Gruppe III

Tätigkeitsmerkmale

Tätigkeiten, die selbständig im Rahmen allgemeiner Anweisungen ausgeübt werden.

Beispiele:

Erste Verkäufer/-innen (Lagererste), Sortimentskontrollen, Kassierer/-innen mit gehobener Tätigkeit, z.B. an Etagen-, Bereichs-, Regional- und Sammelkassen sowie an Verbrauchermarkt- und sonstigen SB-Kassen.

Kassenaufsichten.

…“
14

Nach § 11 Nr. 2 Satz 1 und Nr. 6 MTV richtet sich die Einreihung der Arbeitnehmer in die Beschäftigungsgruppen nach der von ihnen überwiegend ausgeübten Tätigkeit.
15

III. Bei der Tätigkeit der Arbeitnehmer handelt es sich um eine solche iSd. Tätigkeitsbeispiels „Kassierer/-innen mit einfacher Tätigkeit, auch an SB-Kassen“ iSd. Beschäftigungsgruppe II GTV. Die überwiegend ausgeübte Tätigkeit der Arbeitnehmer erfüllt weder das Tätigkeitsbeispiel „Kassierer/-innen an Verbrauchermarktkassen“ noch den allgemeinen Oberbegriff des Tätigkeitsmerkmals der Beschäftigungsgruppe III GTV.
16

1. Den in den Beschäftigungsgruppen jeweils ausdrücklich genannten Tätigkeitsbeispielen kommt dabei gegenüber den allgemeinen Oberbegriffen der Tätigkeitsmerkmale eigenständige Bedeutung zu. Das hat der Senat für den hier maßgebenden Tarifvertrag bereits ausführlich begründet (23. September 2009 – 4 AZR 333/08 – Rn. 20 ff. mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 95).
17

2. Die Voraussetzungen für eine Zuordnung zur Beschäftigungsgruppe III GTV liegen danach nicht vor.
18

a) Die Arbeitnehmer üben keine Tätigkeit iSd. Tätigkeitsbeispiels „Kassierer/-innen an Verbrauchermarktkassen“ aus.
19

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wollen die Tarifvertragsparteien des Einzelhandels den Begriff des Verbrauchermarktes mangels eigener Definition so anwenden, wie er üblicherweise im Handelsverkehr und Wirtschaftsleben verstanden wird und damit den Anschauungen der beteiligten Berufskreise und dem Handelsbrauch (§ 346 HGB) entspricht (vgl. ausf. 8. Februar 1984 – 4 AZR 158/83 – BAGE 45, 121, 129 f.; 8. Februar 1984 – 4 AZR 406/83 -; – 4 AZR 407/83 -; 9. Dezember 1987 – 4 AZR 461/87 -; 15. November 2001 – 8 AZR 113/01 -; 17. April 2003 – 8 AZR 482/01 -; zum branchenspezifischen Verständnis eines Tarifbegriffs vgl. nur 21. August 2002 – 4 AZR 223/01 – BAGE 102, 282, 289 ff.; 18. November 2004 – 8 AZR 540/03 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 88 zum Begriff des „Warenhauses“). Da sich zum Zeitpunkt der Entscheidungen des Senats vom 8. Februar 1984 (- 4 AZR 158/83 – aaO; – 4 AZR 406/83 -; – 4 AZR 407/83 -) und vom 9. Dezember 1987 (- 4 AZR 461/87 -) übereinstimmende Vorstellungen vom Begriff des Verbrauchermarktes in den einschlägigen Fachkreisen (noch) nicht feststellen ließen, hat der Senat seinerzeit zur weiteren Konkretisierung auf die überwiegende Meinung in den einschlägigen Fachkreisen, soweit sie im Fachschrifttum festzustellen war, zurückgegriffen. Danach ist unter einem Verbrauchermarkt ein Ladengeschäft des Einzelhandels zu verstehen, das eine Verkaufsfläche von mindestens 1.000 m² aufweist, sowohl Nahrungs- und Genussmittel als auch andere Waren des kurz- und mittelfristigen Bedarfs („Non-Food-Bereich“) anbietet, vorwiegend als Selbstbedienungsladen geführt wird und verkehrsgünstig mit guter Parkmöglichkeit gelegen ist, zB in Stadtrandlage (vgl. nur BAG 8. Februar 1984 – 4 AZR 158/83 – BAGE 45, 121, 131; 9. Dezember 1987 – 4 AZR 461/87 -).
20

bb) An dieser Auslegung hält der Senat im Anschluss an seine Entscheidung vom 23. September 2009 fest und verweist zur Begründung auf dieses Urteil (- 4 AZR 333/08 – Rn. 23 ff. mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 95).
21

cc) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist das Einrichtungshaus der Arbeitgeberin kein Verbrauchermarkt iSd. Tarifvertrages.
22

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein Verbrauchermarkt zeichne sich insbesondere durch seine Größe und die Vielfalt des Sortiments aus, während es auf die Anteile und die Qualität der auf die einzelnen Bereiche entfallenden Waren für die Eingruppierung der Kassierer nicht entscheidend ankomme.
23

(2) Damit hat es den Begriff des Verbrauchermarktes im Sinne des Tarifvertrages verkannt. Das Tätigkeitsbeispiel enthält mit der an der Definition des Bundesarbeitsgerichts in den genannten Entscheidungen orientierten, mehrfach bestätigten Voraussetzung, es müsse sich um einen Verbrauchermarkt handeln, ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal. Es geht dabei tariflich nicht um einen Typus einer bestimmten Form von Verkaufsstätte, die verschiedene Merkmale aufweist, von denen auch ein Verbrauchermarkt geprägt sein kann, sondern um die Merkmale eines Verbrauchermarktes, die sämtlich vorliegen müssen. Die Erfüllung des Tätigkeitsbeispiels ist für die entsprechende Eingruppierung ohne Rückgriff auf die allgemeinen Oberbegriffe ausreichend, aber auch erforderlich (ausf. BAG 23. September 2009 – 4 AZR 333/08 – Rn. 30 f. mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 95).
24

Insofern hat auch das Landesarbeitsgericht festgestellt, der Betrieb der Arbeitgeberin erfülle nicht alle Voraussetzungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an einen Verbrauchermarkt gestellt werden. Der Nahrungs- und Genussmittelbereich ist verschwindend gering. Auch der Großteil der sonstigen Güter ist für den mittel- und langfristigen Verbrauch bestimmt. Nach dem für die Auslegung des GTV maßgeblichen Verständnis sowohl der einschlägigen Fachkreise als auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zeichnet sich ein Verbrauchermarkt jedoch gerade dadurch aus, dass ein breites Sortiment vorhanden ist, welches sowohl Nahrungs- und Genussmittel als auch sonstige Waren aus dem sog. Non-Food-Bereich umfasst, die für eine Selbstbedienung geeignet sind und rasch umgeschlagen werden können. Dies bedeutet, dass beide Warenbereiche in einem nicht unerheblichen Umfang vorhanden sein müssen. Dies ist bei der Arbeitgeberin jedoch selbst nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht der Fall. Zudem handelt es sich bei den Waren aus dem Randsortiment nicht um Ge- und Verbrauchsgüter des kurz- und mittelfristigen Bedarfs. Das Randsortiment umfasst Haushaltswaren, Bilder, Kunstgegenstände, Heimtextilien, Bettwaren, Beleuchtungskörper, Teppiche und Fußböden. Bei diesen Gegenständen handelt es sich jedoch um Konsumgüter, die entweder dem dauerhaften oder zumindest dem mittel- bis längerfristigen Gebrauch dienen (so schon BAG 23. September 2009 – 4 AZR 333/08 – Rn. 31 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 95); hiervon geht auch das Landesarbeitsgericht aus.
25

dd) Ein anderes kann entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus der durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (vom 26. November 2001 BGBl. I S. 3138) zum 1. Januar 2002 in § 13 BGB aufgenommenen Definition des „Verbrauchers“ gefolgert werden. Dass sich die Tarifvertragsparteien bei unverändertem Tarifwortlaut nunmehr an der Bedeutung des Verbraucherbegriffs im Bürgerlichen Gesetzbuch und nicht mehr an der Auffassung der beteiligten Fachkreise orientieren wollen, ist weder ersichtlich noch nachvollziehbar. Denn der Begriff des „Verbrauchers“ iSd. § 13 BGB bezeichnet nur einen rechtstechnischen Oberbegriff. Es wird schon kein konsumtiver Zweck verlangt. Mit der Definition des Verbrauchers hat sich der Gesetzgeber von dem allgemeinen Sprachgebrauch gelöst und eine eigenständige umfassende Begriffsbestimmung gewählt. Deren Sinn ergibt sich jeweils aus dem Zusammenhang der Normen, die auf die Eigenschaft als Verbrauchers abstellen (BAG 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04 – Rn. 42, BAGE 115, 19).
26

ee) Soweit der Betriebsrat auf die besonderen Belastungen der Arbeitnehmer an den Kassen verweist, sind diese von den Tarifvertragsparteien nicht für die Unterscheidung der hier im Streit stehenden Beschäftigungsgruppen berücksichtigt worden. An diese von den Tarifvertragsparteien selbst geschaffenen inhaltlichen Vorgaben ist der Senat gebunden.
27

b) Die Arbeitnehmer erfüllen auch nicht die allgemeinen Anforderungen aus dem Oberbegriff der Beschäftigungsgruppe III GTV.
28

Das Landesarbeitsgericht hat nach seiner Auffassung konsequenterweise nicht geprüft, ob die Tätigkeiten ohne Abstellen auf die Tätigkeitsbeispiele möglicherweise das im Oberbegriff bestimmte allgemeine Tätigkeitsmerkmal der Beschäftigungsgruppe III GTV erfüllen. Gleichwohl kann der Senat in der Sache selbst entscheiden. Denn nach dem Vortrag der Beteiligten sind die Arbeitnehmer nicht überwiegend (§ 11 Nr. 6 MTV) mit Tätigkeiten befasst, die das Erfordernis der Selbständigkeit im Tarifsinne erfüllen.
29

aa) Die Tarifvertragsparteien haben nicht näher erläutert, was sie unter dem Begriff „selbständig“ verstehen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Tarifvertrag ist deshalb vom allgemeinen, abstrakten Begriff der Selbständigkeit auszugehen. Danach verlangt Selbständigkeit eine gewisse eigene Entscheidungsbefugnis über den zur Erbringung seiner Leistungen jeweils einzuschlagenden Weg und das zu findende Ergebnis und damit zugleich auch eine gewisse Eigenständigkeit des Aufgabenbereichs, ohne dass dadurch die fachliche Anleitung oder die Abhängigkeit von Weisungen Vorgesetzter ausgeschlossen wird (BAG 23. September 2009 – 4 AZR 333/08 – Rn. 41 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 95).
30

bb) Bei Anwendung dieser Maßstäbe üben die Arbeitnehmer nicht überwiegend Tätigkeiten selbständig im Rahmen allgemeiner Anweisungen aus. Weder beim Vorgang der Warenerfassung noch beim eigentlichen Zahlungsvorgang sind nach dem Vortrag der Beteiligten die Arbeitnehmer befugt, eigene Entscheidungen über den Weg oder das Ergebnis der von ihnen zu erbringenden Leistungen zu treffen. Deren Tätigkeit besteht im Einscannen der Waren, dem Eintippen von Buchungsnummern oder Preisen und Kassieren – in bar oder per Karte – beim Kunden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Arbeitnehmer Produktkenntnisse haben oder mit Bestellungen für im Lager befindliche Möbel vertraut sein müssten. Dem pauschalen Vorbringen des Betriebsrats ist bereits nicht zu entnehmen, welche über die Tätigkeit des Scannens und Kassierens hinausgehende Produktkenntnisse aufgrund welcher Umstände – auch in Anbetracht der im Betrieb der Arbeitgeberin tätigen Verkäufer – dies sein könnten.
31

IV. Gegen die Richtigkeit der angegebenen Berufs-/Tätigkeitsjahre hat der Betriebsrat weder im Zustimmungsverfahren noch im Beschlussverfahren Einwände erhoben.

Bepler

Winter

Treber

Pieper

Plautz

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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