BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 26.9.2013, 8 AZR 775/12 (A) Jobcenter – gesetzlicher Übergang eines Arbeitsverhältnisses

Dezember 4, 2019

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 26.9.2013, 8 AZR 775/12 (A)

Jobcenter – gesetzlicher Übergang eines Arbeitsverhältnisses

Tenor

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

2. Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 3. August 2010 bezüglich des Übertritts von Arbeitnehmern auf weitere kommunale Träger wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG nichtig ist.

Gründe

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A. Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 31. Dezember 2010 hinaus ein Arbeitsverhältnis fortbesteht.
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Die Klägerin war seit dem 15. Januar 2003 bei der Beklagten zunächst am Arbeitsamt S beschäftigt. Gemäß arbeitsvertraglicher Vereinbarung bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesagentur für Arbeit (BA) vom 21. April 1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweiligen Fassung. Außerdem sollen die für die BA jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung finden.
3

Nach einer erfolgreichen Bewerbung wurde der Klägerin zur Erprobung ab 1. November 2008 die Aufgabe einer „Teamleiterin im Bereich SGB II in der Agentur für Arbeit Sa (in der ARGE SGB II A)“ übertragen. Mit Bescheid vom 30. April 2009 erfolgte dann die Versetzung der Klägerin von der Agentur für Arbeit S zur Agentur für Arbeit Sa ab dem 1. Mai 2009. Ihr oblag die Leitung des sogenannten gemeinsamen Arbeitgeberserviceteams (AGS), welches bei der Agentur für Arbeit gemeldete Arbeitsuchende sowohl aus dem Bereich des SGB II als auch aus dem des SGB III an interessierte Arbeitgeber vermittelt.
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Mit Schreiben vom 27. Oktober 2010 teilte die Agentur für Arbeit H der Klägerin ua. mit:

„nach dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 03. August 2010 gehen alle Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit, die am Tag vor der Zulassung eines kommunalen Trägers Aufgaben der BA als Träger der Grundsicherung wahrnehmen und insgesamt mindestens 24 Monate solche Aufgaben in dem Gebiet des kommunalen Trägers wahrgenommen haben, kraft Gesetz in den Dienst des kommunalen Trägers über.

Sie erfüllen die vom Gesetzgeber festgelegten Übergangskriterien. Ihr Arbeitsverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit endet daher mit Ablauf des 31.12.2010. Ab 01.01.2011 wird Ihr bisheriges Arbeitsverhältnis mit dem Landkreis Sal als Arbeitgeber fortgesetzt.

Der Landkreis Sal hat das Recht, der BA innerhalb der ersten drei Monate bis zu 10% des übergegangenen Personals wieder zur Verfügung zu stellen. Macht er in Ihrem Fall davon Gebrauch, werden Sie zu den gleichen arbeitsvertraglichen Bedingungen wie vor dem Übergang bei der Bundesagentur für Arbeit weiterbeschäftigt, sofern Sie Ihrer Wiedereinstellung zustimmen.“

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Der Landrat des Sal richtete unter dem 24. November 2010 ein Schreiben an die Klägerin, in dem es ua. heißt:

„gemäß § 6c des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 03. August 2010 gehen alle Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit, die am Tag vor der Zulassung eines kommunalen Trägers Aufgaben der BA als Träger der Grundsicherung wahrnehmen und insgesamt 24 Monate solche Aufgaben in dem Gebiet des kommunalen Trägers wahrgenommen haben, kraft Gesetz in den Dienst des kommunalen Trägers über.

Sie erfüllen die vom Gesetzgeber festgelegten Übergangskriterien. Ihr Arbeitsverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit endet daher mit Ablauf des 31.12. 2010. Ab 01.01. 2011 wird Ihr bisheriges Arbeitsverhältnis mit dem Eigenbetrieb Jobcenter Sal als neuer Arbeitgeber fortgesetzt. Der Eigenbetrieb hat seinen Sitz in B und unterhält weitere Betriebsstätten in A, in B, in Sch und in St.

Mit diesem Schreiben bestätige ich Ihnen die Fortsetzung Ihres bisherigen Arbeitsverhältnisses.

Sie nehmen im Eigenbetrieb Jobcenter Sal eine Planstelle in der Entgeltgruppe 11 TVöD ein und werden zum Zeitpunkt des Übergangs als Bereichsleiter Arbeitgeberservice beschäftigt.“

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Zwischen den Parteien ist streitig, in welchem Umfange die Leitungstätigkeit der Klägerin den Bereichen SGB II und SGB III zuzuordnen war. Die Klägerin vertritt die Ansicht, ihr Arbeitsverhältnis sei nicht auf den Sal übergegangen. So unterfalle sie bereits nicht dem von § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II betroffenen Personenkreis. Sie sei erst mit Wirkung vom 1. Mai 2009 in den räumlichen Wirkungskreis des Sal versetzt worden und erfülle daher nicht das Kriterium einer 24-monatigen Tätigkeit im Gebiet dieses Landkreises. Auch sei sie nur mit ca. 20 % ihrer Tätigkeit für den Bereich SGB II tätig gewesen. Im Übrigen hält sie § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II für unwirksam. Er sei zu unbestimmt, sehe kein Widerspruchsrecht für die betroffenen Arbeitnehmer vor und verstoße gegen Art. 12 GG sowie die RL 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 (Betriebsübergangs-RL).
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien über den 31. Dezember 2010 hinaus ein Arbeitsverhältnis zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen fortbesteht.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den 31. Dezember 2010 hinaus zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als vollzeitbeschäftigte Angestellte in der Tätigkeitsebene III TV-BA zu beschäftigen.

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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
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Sie hält die Regelung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II für wirksam. Sinn und Zweck dieser Bestimmung sei es, dass „das Personal der Arbeit folgen“ solle. Zwar sei die Klägerin als Teamleiterin nicht in vollem Umfange mit Tätigkeiten nach dem SGB II betraut gewesen. Jedoch habe sich ihre Tätigkeit in den letzten 24 Monaten vor der Gründung des kommunalen Trägers zu mehr als 50 % auf das SGB II bezogen, weil die Arbeitsuchenden, deren Vermittlung dem AGS oblegen habe, überwiegend dem vom SGB II erfassten Personenkreis zuzuordnen gewesen seien. Dies reiche aus, dass die Klägerin vom Geltungsbereich des § 6c SGB II erfasst werde.
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Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2010 hat die Klägerin dem Sal – Eigenbetrieb Jobcenter Sal – den Streit verkündet. Dieser ist dem Rechtsstreit nicht beigetreten. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.
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B. Die Revision der Beklagten ist nach Ansicht des Senats unbegründet, weil das Arbeitsverhältnis der Klägerin wegen Verfassungswidrigkeit des § 6c SGB II nicht auf den Sal übergegangen ist. Da der Senat über die Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes jedoch nicht selbst entscheiden darf, ist der Rechtsstreit auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
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I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt Begründet:
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Es könne dahinstehen, ob § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II wegen Verstoßes gegen Art. 12 GG verfassungswidrig sei. Eine verfassungskonforme Auslegung dieser Norm ergebe, dass nur die Arbeitsverhältnisse solcher Arbeitnehmer auf den kommunalen Träger übergehen, die im maßgeblichen 24-Monats-Zeitraum vor dem Zeitpunkt der Zulassung des weiteren kommunalen Trägers nach § 6a Abs. 2 SGB II bezogen auf ihre arbeitsvertraglichen Pflichten ausschließlich Aufgaben der Grundsicherung (SGB II) wahrgenommen haben. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall gewesen, weil diese selbst nach dem Sachvortrag der Beklagten auch auf das SGB III bezogene Tätigkeiten ausgeübt habe. Es liege eine sogenannte Mischtätigkeit vor. Selbst eine 50 % übersteigende Aufgabenerledigung, welche den Bereich des SGB II betreffe, genüge nicht, um den Anwendungsbereich des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II zu eröffnen.
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II. Ob die Revision der Beklagten Erfolg hat, hängt davon ab, ob § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II verfassungskonform ist.
15

1. Nach dem Wortlaut des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II wäre das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Wirkung ab 1. Januar 2011 von der Beklagten auf den Sal übergegangen.
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a) Träger der Leistungen nach dem SGB II waren im streitigen Zeitraum (bis 31. Dezember 2010) die Beklagte (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) sowie die kreisfreien Städte und Kreise für Leistungen nach §§ 16a, 22 und 23 Abs. 3 SGB II (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II).
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Die bei der Beklagten beschäftigte Klägerin hat als „Teamleiterin SGB II“ in der ARGE A Tätigkeiten verrichtet, welche sich sowohl auf den Bereich des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) als auch auf den des SGB III (Arbeitsförderung) bezogen. Streitig ist nur der Umfang dieser Tätigkeiten. Die Klägerin geht von etwa 20 % „SGB-II-Tätigkeiten“ aus, die Beklagte von mehr als 50 %. Da § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II nur verlangt, dass die betreffenden Arbeitnehmer „Aufgaben der Bundesagentur als Träger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1“ wahrgenommen haben, unterfällt die Klägerin nach dem Gesetzeswortlaut unabhängig vom zeitlichen Umfang ihrer „SGB-II-Tätigkeiten“ dem Geltungsbereich des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II. Entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts verlangt eine verfassungskonforme Auslegung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht, das Tatbestandsmerkmal „Aufgaben der Bundesagentur als Träger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 in dem Gebiet des kommunalen Trägers wahrgenommen haben“ so zu verstehen, dass nur Arbeitnehmer erfasst werden, welche ausschließlich solche Aufgaben wahrgenommen haben. Wie unten noch näher darzustellen sein wird, wäre die Regelung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II auch bei der vom Landesarbeitsgericht vorgenommenen Auslegung verfassungswidrig.
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b) Die Klägerin hat diese Aufgabe auch seit mindestens 24 Monaten vor der Zulassung des weiteren kommunalen Trägers, des Sal, ab 1. Januar 2011 wahrgenommen. Ihr Einwand, diese Wartezeit sei deshalb nicht erfüllt, weil sie erst mit Wirkung vom 1. Mai 2009 in den räumlichen Tätigkeitsbereich des Sal versetzt worden sei, ist unbeachtlich. Die Klägerin hat bereits seit 1. November 2008, wenn auch zunächst nur zur Erprobung, in der Agentur für Arbeit Sa – Beschäftigungsort St – und damit im Gebiet des Sal Tätigkeiten aus dem Bereich SGB II erledigt. Weder der Wortlaut des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II steht somit der Annahme entgegen, die Klägerin habe die zweijährige Wartezeit erfüllt, noch sprechen Sinn und Zweck der Wartezeit gegen eine solche Annahme. Die in § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II normierte Wartezeit soll nämlich gewährleisten, dass nur solche Beschäftigte auf den neu zugelassenen kommunalen Träger übergehen, welche eine hinreichende Berufserfahrung vorweisen (vgl. BT-Drucks. 17/1555 S. 20). Eine solche hat die Klägerin auch während der „Erprobungsphase“ gesammelt.
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c) Der Sal war mit Wirkung ab 1. Januar 2011 als weiterer kommunaler Träger iSd. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II nach § 6a Abs. 2 SGB II durch das Ministerium für Arbeit und Soziales durch Rechtsverordnung wirksam zugelassen worden.
20

2. § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II ist nach Ansicht des Senats wegen Verstoßes gegen Art. 12 GG verfassungswidrig.
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a) Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantiert neben der freien Berufswahl auch die freie Arbeitsplatzwahl. Dazu zählt bei abhängig Beschäftigten auch die Wahl des Vertragspartners. Dies gilt in gleicher Weise für Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft wie im öffentlichen Dienst. Das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG ist daher unbeschadet der Organisationsgewalt des Staates berührt, wenn der Gesetzgeber bestehende Arbeitsverhältnisse in der Weise normativ umgestaltet, dass er die Person des Arbeitgebers auswechselt. Neben Art. 12 Abs. 1 GG scheidet Art. 2 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit aus (BVerfG 25. Januar 2011 – 1 BvR 1741/09 – Rn. 69, 70, BVerfGE 128, 157).
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b) Damit ist die Klägerin in ihrer Berufsfreiheit betroffen. Nachdem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aufgrund gesetzlicher Ermächtigung durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates gemäß § 6a Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II den Sal als weiteren kommunalen Träger zugelassen hatte, erfolgte nach der Gesetzessystematik der Übertritt der bisher bei der Beklagten beschäftigten Klägerin in den Dienst des Sal (§ 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II), dh. der Arbeitgeber der Klägerin wurde letztlich durch den Bundesgesetzgeber, handelnd mittels einer Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, ausgewechselt. Es lag eine nach Art. 80 GG zulässige Rechtssetzung durch die Exekutive vor (vgl. BVerfG 9. Oktober 1968 – 2 BvE 2/66 – zu B II 2 c der Gründe, BVerfGE 24, 184). Damit handelt es sich nicht wie im Falle des Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB um einen Arbeitgeberwechsel durch Rechtsgeschäft. Vielmehr erfolgte ein unmittelbarer Eingriff des Gesetzgebers, der zu einem Ausscheiden der Klägerin aus den Diensten der Beklagten, einer rechtsfähigen bundesunmittelbaren Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 367 Abs. 1 SGB III), und zur Zuweisung eines neuen Arbeitgebers, des Sal, einer kommunalen Gebietskörperschaft, geführt hat.
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Dieser Eingriff erschöpft sich nicht darin, dass der Klägerin ein neuer, von ihr nicht frei gewählter Arbeitgeber aufgedrängt wird. Wenn nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II der Sal in die Arbeitgeberstellung einrückt, bedeutet dies zugleich, dass die Beklagte von ihrer bisherigen Arbeitgeberstellung unmittelbar kraft Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und damit letztlich kraft einer legislativen Entscheidung vom Arbeitsvertrag mit der Klägerin entbunden wird, durch den sie bisher mit der für sie tätigen Klägerin verbunden war. Diesem Eingriff konnte sich die Klägerin weder durch einen Widerspruch, wie ihn § 613a Abs. 6 BGB beim Betriebsübergang vorsieht, entziehen noch wurde ihr ein Rückkehrrecht eingeräumt, wie dies beispielsweise durch § 18 des Hamburger Gesetzes zur Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts „pflegen & wohnen“ vom 11. Juni 1997 (vgl. BAG 22. Oktober 2009 – 8 AZR 286/08 -) der Fall war.
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c) Ein Widerspruchsrecht oder ein Rückkehrrecht ist der Klägerin auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 6c SGB II einzuräumen. Der insoweit eindeutige Wortlaut dieser Norm sieht solche Rechte des betroffenen Arbeitnehmers nicht vor. Eine dem Wortlaut des § 6c SGB II widersprechende Auslegung widerspräche auch dem Willen des Gesetzgebers. So hat dieser die Möglichkeit einer Rückkehr eines übergeleiteten Arbeitnehmers vom kommunalen Träger zur Beklagten im Falle der Wiedereinstellung auf Vorschlag des kommunalen Trägers (§ 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II) und für den Fall der Beendigung der Trägerschaft des kommunalen Trägers (§ 6c Abs. 2 SGB II) ausdrücklich geregelt. Ein Rückkehrrecht des übergegangenen Arbeitnehmers sieht § 6c SGB II jedoch nicht vor. In diesem Zusammenhang ist der Gesetzgeber offensichtlich davon ausgegangen, dass ein Arbeitgeberwechsel der Zustimmung des Arbeitnehmers nur bedarf, wenn seine Rückkehr zur Bundesagentur aufgrund Vorschlages des kommunalen Trägers gemäß § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II erfolgt. § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II sieht nämlich eine Wiedereinstellung des Arbeitnehmers durch die Bundesagentur nur für den Fall vor, dass der Arbeitnehmer „dazu bereit ist“. Auch in der Gesetzesbegründung heißt es: „Bei Arbeitnehmern ist die Bundesagentur zu einer Wiedereinstellung zu den bisherigen Bedingungen verpflichtet. Arbeitsrechtlich ist das nicht ohne Zustimmung des jeweiligen Arbeitnehmers möglich“ (BT-Drucks. 17/1555 S. 20).
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Da in der Gesetzesbegründung ansonsten von der Zulässigkeit eines Arbeitnehmerwechsels zum kommunalen Träger ohne Zustimmung des Arbeitnehmers (zumindest stillschweigend) ausgegangen wird und ein Rückkehrrecht des Arbeitnehmers nicht erwähnt wird, kann nicht auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, er habe im Falle des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut dem Arbeitnehmer ein Recht zum Widerspruch gegen die Auswechslung seines Arbeitgebers oder ein Rückkehrrecht zur Bundesagentur gewähren wollen.
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Eine verfassungsgemäße Auslegung einer Norm mit dem Ziel, einen Verstoß gegen ein Grundrecht zu vermeiden, stößt dort an ihre Grenzen, wo einem bereits nach dem Wortlaut und dem gesetzgeberischen Willen eindeutigen Gesetz eine davon abweichende Bedeutung verliehen bzw. das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht würde (vgl. BVerfG 14. April 2010 – 1 BvL 8/08 – Rn. 50, BVerfGE 126, 29). Ein Normverständnis, welches nämlich zu dem erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers in Widerspruch steht, kann auch im Wege verfassungskonformer Auslegung nicht begründet werden (BVerfG 25. Januar 2011 – 1 BvR 1741/09 – Rn. 78, BVerfGE 128, 157).
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d) Die Regelung des § 6c Abs. 1 SGB II dient der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Grundsicherung bei Zulassung weiterer kommunaler Träger, die auf personelle Kontinuität und die Erfahrungen und Fachkompetenz der Beschäftigten der Bundesagentur angewiesen sind (BT-Drucks. 17/1555 S. 19). Damit ist der Streitfall nicht unmittelbar vergleichbar mit den Fällen, in denen ein Arbeitgeberwechsel kraft Gesetzes im Zusammenhang mit einer geplanten Privatisierung gestanden hatte (vgl. dazu: BVerfG 25. Januar 2011 – 1 BvR 1741/09 – BVerfGE 128, 157; BAG 22. Oktober 2009 – 8 AZR 286/08 -).
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Für dieses Ziel des § 6c SGB II kann die Norm als geeignet und erforderlich angesehen werden. Zwar konnte der Bund sein Ziel, einen Personalübergang von der Beklagten auf weitere kommunale Träger herbeizuführen, auch bei Ausschluss einer Widerspruchsmöglichkeit nicht gegen den Willen der Arbeitnehmer realisieren, weil diesen bei einem unerwünschten Vertragspartnerwechsel ein außerordentliches Kündigungsrecht zusteht. Somit könnte allenfalls die Tatsache, dass die Übertrittsregelung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II wegen der sozialrechtlichen Folgen einer Eigenkündigung und fehlender Rückkehrperspektive einen erheblichen Druck auf die Arbeitnehmer ausübt, trotz eines Arbeitgeberwechsels auf ihrem Arbeitsplatz zu verbleiben, die Eignung der Regelung begründen (vgl. BVerfG 25. Januar 2011 – 1 BvR 1741/09 – Rn. 83, BVerfGE 128, 157).
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Aus dem gleichen Grund kann die Überleitung der Arbeitsverhältnisse ohne Widerspruchs- und/oder Rückkehrrecht aus der Perspektive des Gesetzgebers bei der Verfolgung politischer und verwaltungstechnischer Ziele auch noch als erforderlich angesehen werden, weil die Ausschaltung der vom allgemeinen Recht gewährten Arbeitnehmerrechte den reibungslosen Vollzug der Ziele des Gesetzgebers erleichtert (vgl. zur Durchführung einer Privatisierung: BVerfG 25. Januar 2011 – 1 BvR 1741/09 – Rn. 84, BVerfGE 128, 157).
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e) Die durch § 6c Abs. 1 SGB II geschaffene Regelung ist jedoch für die von ihr betroffenen Arbeitnehmer unzumutbar.
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aa) Unter Berücksichtigung des mit der Regelung des § 6c SGB II verfolgten Zweckes (Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Grundsicherung bei der Zulassung weiterer kommunaler Träger) stellt allein der Arbeitgeberwechsel bei mit Aufgaben nach dem SGB II betrauten Arbeitnehmern der Beklagten von dieser auf den weiteren kommunalen Träger noch keine unangemessene Benachteiligung des betroffenen Arbeitnehmers dar. § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II bewirkt zwar, dass die Klägerin unmittelbar kraft Gesetzes einen Arbeitgeber erhält, den sie nicht selbst gewählt hat. Die Rechtsordnung trägt insoweit der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten freien Wahl des Vertragspartners jedoch hinreichend Rechnung, indem sie den von einem gesetzlichen Arbeitgeberwechsel betroffenen Arbeitnehmern das Recht einräumt, ihr Arbeitsverhältnis – gemäß § 626 BGB auch außerordentlich – zu kündigen. Die Arbeitnehmer sind damit unabhängig von einem Widerspruchsrecht, wie es § 613a BGB vorsieht, rechtlich davor geschützt, für einen Arbeitgeber arbeiten zu müssen, mit dem sie arbeitsvertraglich nicht verbunden sein wollen. Im Verhältnis zum gesetzlich bestimmten neuen Arbeitgeber sind die Rechtsfolgen eines Widerspruchs gegen den gesetzlichen Arbeitgeberwechsel und einer gegenüber dem neuen Arbeitgeber auszusprechenden fristlosen Kündigung identisch. Der neue Arbeitgeber scheidet als Vertragspartner des Arbeitnehmers aus (BVerfG 25. Januar 2011 – 1 BvR 1741/09 – Rn. 88, BVerfGE 128, 157).
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Allerdings hat eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers neben dem vorrangig zu berücksichtigenden Verlust von Erwerbseinkommen nicht zuletzt auch negative sozialrechtliche Folgen wie insbesondere die Verhängung einer Sperrzeit für den Bezug von Arbeitslosengeld (§ 159 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB III idF vom 20. Dezember 2011 bzw. § 144 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB III aF). Damit besteht ein erheblicher – vom Gesetzgeber auch gewollter – tatsächlicher Druck, den Arbeitsplatz bei dem neuen Arbeitgeber zu behalten (BVerfG 25. Januar 2011 – 1 BvR 1741/09 – Rn. 89, BVerfGE 128, 157).
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bb) Neben diesem Nachteil treten durch die gesetzliche Regelung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II weitere zu Lasten des betroffenen Arbeitnehmers ein.
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So verliert dieser durch den gesetzlichen Übergang seines Arbeitsverhältnisses seinen bisherigen Arbeitgeber, nämlich die Beklagte. Die Überleitung des Arbeitsverhältnisses auf den weiteren kommunalen Träger bewirkt die Loslösung der Beklagten von eingegangenen arbeitsvertraglichen Bindungen, ohne dass bei einem entgegenstehenden Willen des Arbeitnehmers die Einhaltung kündigungsrechtlicher Vorschriften, die in gesetzgeberischer Umsetzung der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht entstanden sind, sichergestellt werden muss. Dadurch wird dem Arbeitnehmer ein erhebliches Maß an Bestandsschutz entzogen (BVerfG 25. Januar 2011 – 1 BvR 1741/09 – Rn. 91, BVerfGE 128, 157).
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Die Ausübung eines vom Gesetzgeber bewusst nicht eingeräumten Widerspruchsrechts entsprechend § 613a Abs. 6 BGB würde es dem Arbeitnehmer ermöglichen, den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten herbeizuführen. Nur wenn bei dieser eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit weggefallen wäre, käme unter Beachtung des § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KSchG eine betriebsbedingte Kündigung durch die Beklagte in Betracht, wobei nach § 1 Abs. 3 KSchG auch die Grundsätze der Sozialauswahl zu berücksichtigen wären. Damit könnte der widersprechende Arbeitnehmer möglicherweise erreichen, dass sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten fortbesteht, obwohl die von ihm bisher (ganz oder teilweise) ausgeübten Tätigkeiten nach dem SGB II nunmehr von einem kommunalen Träger übernommen werden. Ob es dem widersprechenden Arbeitnehmer gelingt, seine Beschäftigung bei der Beklagten auf Dauer zu behalten, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Das Risiko einer wirksamen betriebsbedingten Kündigung oder sonstiger Nachteile kann größer oder kleiner sein. Demzufolge kann es objektiv mehr oder weniger vernünftig erscheinen, wenn sich der Arbeitnehmer durch Ausübung seines Widerspruchsrechts für die zumindest vorübergehende Beibehaltung der Beklagten als seiner Arbeitgeberin entscheidet. Die Abwägung dieser Risiken ist der privatautonomen Entscheidung des Arbeitnehmers vorbehalten (BVerfG 25. Januar 2011 – 1 BvR 1741/09 – Rn. 92, BVerfGE 128, 157).
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Die Sicherung des Rechts auf freie Wahl des Arbeitsplatzes als Ausprägung der Privatautonomie durch § 613a Abs. 6 BGB ist sowohl vom Gesetzgeber als auch von der Rechtsprechung (vgl. BAG 19. Februar 2009 – 8 AZR 176/08 – Rn. 27, BAGE 129, 343) im Wesentlichen auch mit den Grundrechten der Arbeitnehmer begründet worden. Das bedeutet zwar nicht, dass die Vorschrift des § 613a Abs. 6 BGB verfassungsrechtlich geboten ist. Der Gesetzgeber muss aber grundsätzlich das Grundrecht des Arbeitnehmers auf freie Wahl des Arbeitsplatzes bei einem ohne seinen Willen erfolgenden Arbeitgeberwechsel schützen (BVerfG 25. Januar 2011 – 1 BvR 1741/09 – Rn. 93, 94, BVerfGE 128, 157). Das heißt allerdings nicht, dass die Überleitung von Beschäftigten eines öffentlichen Arbeitgebers auf einen anderen öffentlichen Arbeitgeber nur unter Einräumung eines Widerspruchsrechts zu Gunsten des Arbeitnehmers zulässig wäre. Insoweit darf der Gesetzgeber (auch) berücksichtigen, dass dem Arbeitnehmer bei Fortbestand der übrigen arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten nicht nur der Arbeitsplatz erhalten bleibt, sondern er auch weiterhin „im öffentlichen Dienst“ beschäftigt bleibt (BVerfG 25. Januar 2011 – 1 BvR 1741/09 – Rn. 94, aaO).
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cc) Dennoch stellt sich die Überleitung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin von der Beklagten auf den Sal gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II als unzumutbare Beeinträchtigung der Klägerin in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG dar.
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Ursache für den Eingriff in das Grundrecht der Klägerin ist lediglich eine politisch motivierte, nicht durch Sachzwänge bedingte Entscheidung des Gesetzgebers. Zunächst hängt die Zulassung weiterer kommunaler Träger von einem Antrag derselben ab (§ 6a Abs. 2 SGB II). Liegen solche Anträge nicht vor, so verbleibt es bei der Aufgabenerledigung gemäß § 6 SGB II, dh. gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II durch die Bundesagentur und deren Beschäftigte, soweit nicht Leistungen iSd. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II durch kommunale Träger erfolgen. Lediglich aufgrund einer „Experimentierklausel“ (vgl. BT-Drucks. 17/1555 S. 17) waren seit dem Jahre 2005 an Stelle der Agenturen für Arbeit 69 kommunale Träger der Leistungen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II zugelassen. Darüber hinaus können aufgrund des § 6a Abs. 2 SGB II ab 11. August 2010 weitere kommunale Träger zugelassen werden, wenn die Gesamtanzahl der neu zugelassenen kommunalen Träger ¼ der zum Antragszeitpunkt zugelassenen Aufgabenträger nicht übersteigt (§ 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II). Diese Regelungen zeigen, dass die Zulassung weiterer kommunaler Träger regelmäßig nicht aus zwingenden verwaltungstechnischen, sondern aus politisch motivierten Überlegungen, insbesondere der antragstellenden kommunalen Träger erfolgt. Dass dies auch der Gesetzgeber so sieht, zeigt § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II, der verlangt, dass der Zulassungsantrag „in den dafür zuständigen Vertretungskörperschaften der kommunalen Träger einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder sowie der Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde“ bedarf. Dadurch soll sichergestellt werden, „dass der weitreichenden Entscheidung für die alleinige Wahrnehmung der Aufgaben … eine sorgfältige und ausführliche politische Meinungsbildung vorausgegangen und ein hoher Grad an Akzeptanz vorhanden ist“ (BT-Drucks. 17/1555 S. 18).
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Damit hängt die Überleitung von Arbeitsverhältnissen nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II im Ergebnis von Zufälligkeiten ab, dh. davon, ob die Zulassungsquote des § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II bereits ausgeschöpft ist, ob ein kommunaler Träger, in dessen Gebiet der Arbeitnehmer Aufgaben der Beklagten als Träger nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II wahrgenommen hat, die politische Entscheidung für einen Zulassungsantrag trifft und ob dieser die Zulassungsvoraussetzungen des § 6a Abs. 2 Satz 1 SGB II erfüllt. Nicht jedoch erfolgt der Übergang des Arbeitsverhältnisses deshalb, weil durch die Zulassung weiterer kommunaler Träger die ordnungsgemäße Erledigung der Aufgaben nach dem SGB II sichergestellt werden soll. Es ist nicht ersichtlich, dass eine sachgerechte Aufgabenerfüllung durch die Beklagte bislang nicht erfolgt ist oder ohne die Zulassung weiterer kommunaler Träger künftig nicht erfolgen kann. Daher ist die Zulassung dieser Träger und der damit für die Klägerin verbundene Arbeitgeberwechsel von der Beklagten zum Sal letztlich nicht durch zwingende Gründe des Gemeinwohls bedingt.
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dd) Eine solche Fallgestaltung beseitigt zwar die Befugnis des Gesetzgebers nicht gänzlich, in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG des betroffenen Arbeitnehmers einzugreifen, führt aber im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau dazu, von einem unzulässigen Grundrechtseingriff auszugehen. Zu Gunsten der betroffenen Arbeitnehmer sind nämlich weitere durch § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II verursachte Nachteile zu berücksichtigen.
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Zunächst führt der Übertritt zu einem kommunalen Träger zu einem erheblichen Wechsel der Organisationsstrukturen, in denen die übergeleiteten Arbeitnehmer tätig werden müssen. Bei der Beklagten handelt es sich um eine bundesweit tätige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit etwa 108.000 Beschäftigten (vgl. Geschäftsbericht der Beklagten für das Jahr 2012). Dies beinhaltet breit gefächerte Einsatzmöglichkeiten für die Mitarbeiter sowohl in räumlicher als auch in funktionaler Hinsicht. Demgegenüber sind die Einsatzmöglichkeiten bei einem kommunalen Träger zwangsläufig räumlich deutlich eingeengter. Auch die Anzahl und Art der bei einer kommunalen Gebietskörperschaft für eine Beschäftigung zur Verfügung stehenden Stellen ist wesentlich geringer als bei der Beklagten. Dies hat zur Folge, dass die Möglichkeiten eines nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II übergegangenen Arbeitnehmers, sich auf anderweitige, gegebenenfalls höherwertige Stellen zu bewerben bzw. sich räumlich durch Anträge auf Versetzung zu verändern, erheblich eingeschränkt werden. Gleiches gilt für die Chance sich für eine völlig andersartige Tätigkeit zu bewerben. Dies ist bei der Beklagten angesichts der Vielzahl und Unterschiedlichkeit der von ihr wahrgenommenen Aufgaben wesentlich leichter als bei einem kommunalen Träger. Hinzu kommt, dass die Verwaltungsstrukturen und damit auch die Art der Personalführung und -organisation bei der Beklagten nicht mit der bei einem kommunalen Träger vergleichbar sind. Das gilt vor allem deshalb, weil bei Letzterem die Mitarbeiter betreffende Entscheidungen sowohl organisatorisch als auch in personeller Hinsicht grundsätzlich von Entscheidungsträgern gefällt werden, die aufgrund von öffentlichen Wahlen in ihre Positionen berufen worden sind (Bürgermeister, Landräte, Kreistage, Stadt- und Gemeinderäte) und die damit nicht selten (auch) nach politischen Gesichtspunkten getroffen werden. Solches ist bei der Beklagten als einer unmittelbaren Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem ihr zustehenden Selbstverwaltungsrecht (§ 367 Abs. 1 SGB III) nicht in gleichem Umfange der Fall. Bei einem Arbeitnehmer, der sich (ua.) aus diesen Gründen für eine Tätigkeit bei der Beklagten und nicht bei einer kommunalen Gebietskörperschaft entschieden hat, wird durch die Überleitung nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II in besonderer Weise die von ihm vorgenommene Berufswahlentscheidung berührt. Hinzu kommt, dass der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf einen kommunalen Träger mit einem Wechsel der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträge einhergeht. Während für die Beklagte ein eigenständiger Tarifvertrag gilt (Tarifvertrag für die Bundesagentur, TV-BA), sind für kommunale Träger die für den Bereich der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) maßgeblichen Tarifverträge einschlägig. Zwar sieht § 6c Abs. 5 Satz 1 SGB II vor, dass Arbeitnehmern, die in den Dienst eines anderen Trägers übergehen, grundsätzlich eine gleichwertige Tätigkeit übertragen werden soll und wenn dies ausnahmsweise nicht möglich ist, eine niedriger bewertete Tätigkeit übertragen werden darf. Führt Letzteres zu einer Verringerung des Arbeitsentgelts, so ist eine Ausgleichszahlung in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Arbeitsentgelt bei dem abgebenden Träger zum Zeitpunkt des Übertritts und dem jeweiligen Arbeitsentgelt bei dem aufnehmenden Träger zu zahlen (§ 6c Abs. 5 Satz 3 SGB II). Dadurch wird zwar im Regelfalle dem übergegangenen Arbeitnehmer das wirtschaftliche Äquivalent seiner bisherigen tariflichen Eingruppierung zunächst gewährleistet, allerdings ist es in Ausnahmefällen auch zulässig, ihn tarifmäßig niedriger einzugruppieren. Die für diesen Fall vorgesehene Ausgleichszahlung wird jedoch durch Tariflohnerhöhungen aufgezehrt, sodass nach einem bestimmten Zeitraum der übergegangene Arbeitnehmer einen geringeren Verdienst erzielt, als er ihn bei der Beklagten aufgrund seiner ehemaligen Eingruppierung erhalten hätte.
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Des Weiteren unterscheiden sich die bei der Beklagten geltenden Tarifsysteme auch in anderen Punkten von den für kommunale Arbeitgeber anwendbaren.
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Weiter spricht für einen unzumutbaren Eingriff des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II in das Grundrecht der betroffenen Arbeitnehmer aus Art. 12 Abs. 1 GG, dass die Arbeitnehmer nach ihrem Übertritt zu einem kommunalen Träger damit rechnen müssen, wiederum ohne ein Widerspruchsrecht von diesem wieder zur Bundesagentur übergeleitet zu werden. Dies ist dann der Fall, wenn die Trägerschaft des kommunalen Trägers gemäß § 6a SGB II endet (§ 6c Abs. 2 SGB II). Damit werden die betroffenen Arbeitnehmer im Ergebnis bezüglich ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Arbeitsplatzwahl zu „Spielbällen“ aufgrund politischer Entscheidungen über die Trägerschaft von Leistungen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II.
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3. Dieser unzulässige Eingriff in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG des Arbeitnehmers kann nicht dadurch vermieden werden, dass § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II gegen seinen Wortlaut dahin gehend ausgelegt wird, dass nur solche Arbeitnehmer von dem Übergang erfasst werden, welche ausschließlich Aufgaben der Bundesagentur als Träger nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II wahrgenommen haben. Der oben geschilderte unzumutbare Eingriff in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG liegt unabhängig davon vor, in welchem Umfange der Arbeitnehmer Tätigkeiten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II vor der Zulassung eines weiteren kommunalen Trägers wahrgenommen hat. Hinzu kommt, dass es wohl unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG kaum begründbar wäre, dass Arbeitnehmer, die bislang zu einem Prozentsatz von weniger als 100 Tätigkeiten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II als Arbeitnehmer der Bundesagentur wahrgenommen haben, nicht gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II auf einen weiteren kommunalen Träger übergehen, während dies bei den anderen Arbeitnehmern, die ausschließlich solche Tätigkeiten wahrgenommen haben, der Fall ist.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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