BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 10.11.2011, 6 AZR 342/10 Rücktritt vom Aufhebungsvertrag wegen Nichtleistung der vereinbarten Abfindungszahlung – Rücktritt nach Insolvenzeröffnung

September 10, 2019

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 10.11.2011, 6 AZR 342/10

Rücktritt vom Aufhebungsvertrag wegen Nichtleistung der vereinbarten Abfindungszahlung – Rücktritt nach Insolvenzeröffnung

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. März 2010 – 9 Sa 1138/09 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des vom Kläger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärten Rücktritts von einem noch mit der Schuldnerin geschlossenen Aufhebungsvertrag.
2

Der Kläger war seit dem 2. Januar 1995 bei der Schuldnerin bzw. deren Rechtsvorgängern beschäftigt. Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 1. März 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1. zum Insolvenzverwalter bestellt. Bereits am 5. August 2008 hatten die Schuldnerin und der Kläger einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Danach sollte das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. März 2009 enden. § 5 des Aufhebungsvertrags lautet:

㤠5

Abfindung

Wegen Verlustes des Arbeitsplatzes erhält der Arbeitnehmer eine soziale Abfindung iHv. 23.900,- (dreiundzwanzigtausendneunhundert) Euro brutto. …

Der Abfindungsanspruch entsteht zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 1 und ist mit der letzten Entgeltzahlung zur Zahlung fällig.“
3

Dieser Aufhebungsvertrag wurde im Rahmen eines Personalabbaus der Schuldnerin geschlossen. Ein am 31. August 2007 vereinbarter Sozialplan sah vor, dass bis zu 50 Arbeitnehmer von einem Angebot der Schuldnerin für ein freiwilliges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu festgelegten Bedingungen Gebrauch machen konnten. Neben dem Kläger schlossen noch neun andere Arbeitnehmer über 50 Jahren zu diesen Konditionen Aufhebungsverträge ab.
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Der Beklagte zu 1. zahlte die Abfindung am 31. März 2009 nicht an den Kläger aus. Der Kläger forderte ihn mit Schreiben vom 1. April 2009 unter Fristsetzung bis zum 8. April 2009 zur Zahlung auf und kündigte für den Fall der Nichterfüllung seinen Rücktritt von dem Aufhebungsvertrag an. Mit Schreiben vom 8. April 2009, das dem Beklagten zu 1. am 9. April 2009 zuging, trat der Kläger vom Aufhebungsvertrag zurück und bot seine Arbeitskraft an. Die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung meldete er gleichwohl zur Insolvenztabelle an. Der Abfindungsanspruch des Klägers wurde als Insolvenzforderung festgestellt.
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Mit seiner am 20. April 2009 rechtshängig gewordenen, zunächst ausschließlich gegen den Beklagten zu 1. gerichteten Klage begehrt der Kläger – soweit für die Revision noch von Relevanz – die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag nicht beendet worden ist, hilfsweise seine Wiedereinstellung. Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Kläger die Klage gegen die Beklagte zu 2. als Betriebserwerberin erweitert. Ausweislich des Protokolls des Arbeitsgerichts ist im Kammertermin nur der gegen den Beklagten zu 1. gerichtete Antrag gestellt worden. Der in erster Instanz unterlegene Kläger hat Berufung gegen beide Beklagten eingelegt und seine erstinstanzlich mit der Klagerweiterung angekündigten Anträge weiterverfolgt. Im Berufungsverfahren hat er die Klage wegen eines zwischenzeitlich erfolgten Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 3. erweitert mit dem Ziel der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 1. Januar 2010 von der Beklagten zu 2. auf die Beklagte zu 3. übergegangen ist. Vor dem Landesarbeitsgericht hat er im dortigen Termin zur mündlichen Verhandlung hilfsweise einen Wiedereinstellungsantrag gestellt.
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Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe nicht zum Verlust seines gesetzlichen Rücktrittsrechts geführt.
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Der Kläger hat zuletzt – soweit für die Revision noch von Bedeutung – beantragt,

festzustellen, dass das zwischen dem Kläger und der GmbH begründete Arbeitsverhältnis, das seit Insolvenzeröffnung am 1. März 2009 mit dem Beklagten zu 1. bestanden hat, durch die Aufhebungsvereinbarung vom 5. August 2008 nicht zum 31. März 2009 beendet worden ist;

hilfsweise, den Beklagten zu 1. zu verurteilen, das Angebot des Klägers, ihn mit Wirkung vom 1. April 2009 unter Anerkennung der bisherigen Betriebszugehörigkeit wieder einzustellen, anzunehmen.
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Die Beklagten zu 1. bis 3. haben im Umfang ihrer jeweiligen Beteiligung beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte zu 1. hat geltend gemacht, das insolvenzrechtliche Leistungsstörungsrecht sei gegenüber dem des Bürgerlichen Gesetzbuchs eigenständig. Das Rücktrittsrecht des § 323 BGB werde durch die Insolvenz blockiert. Die Beklagten zu 2. und zu 3. haben die Auffassung vertreten, als einfache Insolvenzforderung sei die Abfindungsforderung im Zeitpunkt der Ausübung des Rücktritts nicht mehr durchsetzbar gewesen. Ohnehin sei § 323 BGB nicht anwendbar, weil die Auflösung des Arbeitsverhältnisses und der Anspruch auf Abfindungszahlung nicht synallagmatisch verknüpft seien. Darüber hinaus hätten die Parteien im Aufhebungsvertrag konkludent ein etwaig dem Kläger zustehendes Rücktrittsrecht abbedungen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat durch Teilurteil die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen, soweit dieses die Klage gegen den Beklagten zu 1. abgewiesen hatte, sowie den Hilfsantrag abgewiesen.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Kläger am 8. April 2009 nicht wirksam von dem am 5. August 2008 geschlossenen Aufhebungsvertrag zurückgetreten ist und nach wie vor an diesen Vertrag gebunden ist. Es hat deshalb rechtsfehlerfrei die Klage gegen den Beklagten zu 1. abgewiesen.
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I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht durch Teilurteil über die Berufung gegen den Beklagten zu 1. erkannt. Dies ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Gleichwohl kann der Senat in der Sache entscheiden.
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1. Das Landesarbeitsgericht hat tatsächlich nur über einen Teil des bei ihm zur Entscheidung angefallenen Berufungsrechtsstreits entschieden. Es liegt kein (unerkanntes) Endurteil vor. Zwar hat das Arbeitsgericht im Kammertermin den Kläger nur den Antrag gegen den Beklagten zu 1. stellen lassen. Es kann dahinstehen, ob der Antrag gegen die Beklagte zu 2. jedenfalls konkludent gestellt worden ist (zur Zulässigkeit einer solchen konkludenten Antragstellung: BAG 4. Dezember 2002 – 5 AZR 556/01 – zu I 2 b cc (2) der Gründe, BAGE 104, 86; offengelassen BAG 18. Mai 2004 – 9 AZR 319/03 – zu A III 1 der Gründe, BAGE 110, 356). In jedem Fall ist der Antrag gegen die Beklagte zu 2. durch Parteierweiterung in der Berufungsinstanz (wieder) eingeführt worden. Der Kläger hat ausdrücklich Berufung auch gegen die Beklagte zu 2. eingelegt, den Antrag gegen diese für die zweite Instanz angekündigt, ihn im Verlauf des Berufungsverfahrens modifiziert sowie auf die Beklagte zu 3. erweitert und diese Anträge zu Protokoll des Landesarbeitsgerichts gestellt. Sie waren damit als neuer Antrag zu werten (vgl. RG 23. Dezember 1904 – VII 281/04 – RGZ 59, 397, 399).
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Hätte das Landesarbeitsgericht diese Rechtslage erkannt, hätte es die Berufung des Klägers gegen die Beklagte zu 2. als Parteierweiterung werten und diese zulassen müssen. Eine Parteierweiterung auf der Beklagtenseite ist zulässig, wenn der neue Beklagte zustimmt oder die Zustimmung rechtsmissbräuchlich verweigert (BGH 4. Oktober 1985 – V ZR 136/84 – zu 1 der Gründe, MDR 1986, 304). Hier haben die Beklagten zu 2. und zu 3. zur Sache verhandelt und Sachanträge gestellt. Sie haben dadurch zumindest konkludent ihre Zustimmung zur Parteierweiterung erteilt. Der Umstand, dass das Landesarbeitsgericht die Parteierweiterung nicht ausdrücklich geprüft und zugelassen hat, erfordert keine Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Das wäre eine bloße Förmelei (vgl. BGH 23. November 1964 – II ZR 200/62 – zu I der Gründe, MDR 1965, 193).
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2. Die prozessualen Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils lagen nicht vor. Bei einer einfachen Streitgenossenschaft wie der hier vorliegenden ist der Erlass eines Teilurteils grundsätzlich zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 301 Abs. 1 ZPO vorliegen (BAG 20. November 2003 – 8 AZR 580/02 – zu II 1 der Gründe mwN, NZA 2004, 489). Das Landesarbeitsgericht hat nicht beachtet, dass nach seiner eigenen Rechtsauffassung diese Voraussetzungen nicht vorlagen. Der Rechtsstreit war insgesamt zur Entscheidung reif.
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a) Zwar hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, dass keine Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen, auch durch das Rechtsmittelgericht, bestand. Die Rechtskraft eines gegen den früheren Arbeitgeber ergehenden Urteils wirkt in entsprechender Anwendung der §§ 265, 325 Abs. 1 ZPO für und gegen den neuen Arbeitgeber, wenn der Betriebsübergang nach Rechtshängigkeit erfolgt (BAG 18. Mai 2010 – 1 AZR 864/08 – Rn. 17 mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 102). Das ist hier der Fall. Der Betriebsübergang zunächst auf die Beklagte zu 2. und von dieser auf die Beklagte zu 3. ist unstreitig. Der Betriebsübergang vom Beklagten zu 1. auf die Beklagte zu 2. ist am 22. April 2009 und damit zwei Tage nach Rechtshängigkeit des Rechtsstreits erfolgt. Deshalb besteht keine Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen gegenüber dem Beklagten zu 1. einerseits und den Beklagten zu 2. und zu 3. andererseits.
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b) Das Landesarbeitsgericht ist jedoch zu Unrecht von der Entscheidungsreife nur gegenüber dem Beklagten zu 1. und der fehlenden Entscheidungsreife gegenüber den Beklagten zu 2. und zu 3. ausgegangen. Es hat die Entscheidungsreife gegenüber Letzteren verneint, weil es angenommen hat, wenn es dem Antrag auf Wiedereinstellung stattgebe, gelte nach § 894 ZPO ein neuer Arbeitsvertrag noch nicht als zustande gekommen, solange das Urteil (noch) nicht rechtskräftig sei. Es hat bei dieser Argumentation nicht berücksichtigt, dass es den Hilfsantrag aus Gründen des Insolvenzrechts als unbegründet angesehen, ihm also gerade nicht stattgegeben hat. Nach seinem eigenen Rechtsstandpunkt (zur Maßgeblichkeit dieses Standpunkts für die Beurteilung der Entscheidungsreife: BFH 30. November 1993 – IX R 92/91 – BFHE 173, 204) war die Klage also insgesamt unbegründet und daher im Sinne einer Klageabweisung auch gegenüber den Beklagten zu 2. und zu 3. zur Entscheidung reif.
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3. Die Unzulässigkeit eines in den Vorinstanzen verkündeten Teilurteils ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Dies führt hier jedoch nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits.
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a) Die Zulässigkeit eines in den Vorinstanzen verkündeten Teilurteils ist auch ohne Verfahrensrüge durch das Revisionsgericht zu überprüfen. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 301 ZPO und damit die Frage, ob ein Teilurteil ergehen darf oder nicht, unterliegen nicht der Dispositionsbefugnis der Parteien (BGH 17. Februar 1999 – X ZR 101/97 – zu I 2 der Gründe, MDR 1999, 1379; 12. Januar 1999 – VI ZR 77/98 – zu II der Gründe, NJW 1999, 1035; vgl. auch bereits BAG 21. März 1978 – 1 AZR 11/76 – zu I der Gründe, BAGE 30, 189). Ein unzulässiges Teilurteil findet im Prozessrecht keine Grundlage und ist daher grundsätzlich von Amts wegen aufzuheben. Nur hierdurch wird im Allgemeinen sichergestellt, dass das weitere Verfahren nicht auf einer als unrichtig erkannten Grundlage aufbaut, im weiteren Verfahren der erkannte Verfahrensfehler nicht vertieft wird und das Urteil nicht dazu führt, dass die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen aufrecht erhalten bleibt (BGH 11. Mai 2011 – VIII ZR 42/10 – Rn. 19 ff., NJW 2011, 2736 unter Aufgabe der Entscheidungen des Achten Senats vom 6. März 1996 – VIII ZR 212/94 – NJW 1996, 2165 und 17. Mai 2000 – VIII ZR 216/99 – NJW 2000, 3007; 13. Juli 2011 – VIII ZR 342/09 – Rn. 31 f., NJW 2011, 2800).
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b) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist jedoch geboten, wenn wie hier bei Aufrechterhaltung des Teilurteils weder die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht noch der Verfahrensfehler weiter vertieft wird. § 301 ZPO ermöglicht es dem Gericht, zur Vereinfachung der Entscheidung und Beschleunigung der Durchsetzung der Rechte der obsiegenden Partei über den entscheidungsreifen Teil des Rechtsstreits vorab zu entscheiden (MünchKommZPO/Musielak 3. Aufl. § 301 Rn. 1 unter Bezug auf die Begründung des Entwurfs zur ZPO; Zöller/Vollkommer ZPO 27. Aufl. § 301 Rn. 1; Klose MDR 2007, 1351, 1354). Die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht unter Aufhebung des Teilurteils, damit es unter Bindung an die Auffassung des Revisionsgerichts über den gesamten Rechtsstreit entscheidet, führte zu einer Verzögerung der endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits. In der hier vorliegenden Konstellation widerspräche eine solche Verzögerung dem Gebot eines prozessökonomischen Verfahrens, dem arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz und dem Normzweck des § 301 ZPO (vgl. BAG 21. März 1978 – 1 AZR 11/76 – zu I der Gründe, BAGE 30, 189). Dies gilt umso mehr, als bei Bestand des Teilurteils das Landesarbeitsgericht im weiteren Verfahren an den Urteilsausspruch gebunden ist (§ 318 ZPO).
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II. Der Umstand, dass der Kläger bereits am 5. August 2008 der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. März 2009 zugestimmt hat und die Schuldnerin nach § 5 des Aufhebungsvertrags die Abfindung erst mit der Vergütung des Klägers für März 2009 zu zahlen hatte, berührt die Rechtswirksamkeit der Aufhebungsvereinbarung nicht. Die Regelung in § 5 des Aufhebungsvertrags, wonach der Abfindungsanspruch erst über sechs Monate nach dem Abschluss des Aufhebungsvertrags vom 5. August 2008 entsteht und mit der Vergütung des Klägers für März 2009 fällig ist, führte zwar dazu, dass der Kläger die Annahme des Aufhebungsangebots der Schuldnerin als Vorleistung zu erbringen hatte. Das verstieß jedoch weder gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB noch gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) noch benachteiligte die Vorleistungspflicht den Kläger unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Vereinbarung einer Vorleistung des Arbeitnehmers bei Abschluss eines außergerichtlichen Aufhebungsvertrags durch die Festlegung von Entstehen und Fälligkeit der Abfindung auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weicht nicht für den Arbeitnehmer nachteilig vom Leitbild eines Aufhebungsvertrags, durch den der Arbeitnehmer gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ab (vgl. Roth Anm. EWiR 2010, 449, 450). Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses stand der Kläger wirtschaftlich so, wie er ohne den Abschluss des Aufhebungsvertrags gestanden hätte. Dieser wirtschaftlichen Situation hätte es nicht entsprochen, wenn die Schuldnerin durch die Zahlung der Abfindung vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Vorleistung getreten wäre. Nach ganz überwiegender Ansicht in der Rechtsprechung und im Schrifttum kann eine vertraglich vereinbarte Abfindung auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig gestellt werden (vgl. Bauer Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge 8. Aufl. IV Rn. 341 und für den Prozessvergleich BAG 15. Juli 2004 – 2 AZR 630/03 – zu B II 2 g der Gründe mwN, BAGE 111, 240). Hinzu kommt, dass nach der Regelung in § 5 des Aufhebungsvertrags kein Anspruch des Klägers auf die Abfindung entstanden wäre, wenn das Arbeitsverhältnis aus einem anderen als dem in § 1 des Aufhebungsvertrags genannten Grund vor dem oder am 31. März 2009 geendet hätte. Ein Aufhebungsvertrag steht regelmäßig unter der aufschiebenden Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dem vereinbarten Auflösungszeitpunkt fortgesetzt wird (BAG 5. April 2001 – 2 AZR 217/00 – zu II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 34 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 29. Januar 1997 – 2 AZR 292/96 – BAGE 85, 114). Löst später zB eine außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis vor dem im Aufhebungsvertrag vorgesehenen Zeitpunkt auf, wird der Aufhebungsvertrag einschließlich einer darin vereinbarten Abfindungszahlung gegenstandslos (DFL/Fischermeier 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 32).
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III. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht erkannt, dass der Kläger nicht wirksam von dem am 5. August 2008 geschlossenen Aufhebungsvertrag zurückgetreten ist. Das folgt allerdings entgegen der Ansicht des Beklagten zu 1. und des Landesarbeitsgerichts weder aus einer unmittelbaren noch einer analogen Anwendung des § 103 InsO oder des § 105 Satz 2 InsO, sondern daraus, dass der Umstand, dass der Abfindungsanspruch des Klägers durch die Insolvenzeröffnung zu einer Insolvenzforderung geworden ist, kein Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB begründet. Darum bedarf die Frage keiner Entscheidung, ob gemäß der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und eines Teils des Schrifttums ein bei Ausübung des Rücktrittsrechts bereits beendetes Arbeitsverhältnis im Wege der Rückabwicklung des Aufhebungsvertrags neu begründet werden muss (vgl. LAG Niedersachsen 15. Dezember 2010 – 2 Sa 742/10 – Rn. 60, LAGE BGB 2002 § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 9; ArbG Siegburg 9. Februar 2010 – 5 Ca 2017/09 – ZIP 2010, 1101, 1102; Besgen/Velten NZA-RR 2010, 561, 562 f.; Roth Anm. EWiR 2010, 449, 450) oder ob bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB Rechtsfolge des Rücktritts von einem Aufhebungsvertrag der rückwirkende Wegfall dieses Vertrags ist (Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 122 Rn. 37; Moll/Bengelsdorf MAH Arbeitsrecht § 46 Rn. 348; Bauer NZA 2002, 169, 171; ders. Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge 8. Aufl. I Rn. 164; KR/Spilger 9. Aufl. AufhebungsV Rn. 26).
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1. Dem Kläger ist einzuräumen, dass ein Arbeitnehmer entgegen der Auffassung der Beklagten grundsätzlich von einer Aufhebungsvereinbarung gemäß § 323 Abs. 1 BGB wegen Nichtleistung zurücktreten kann, wenn sein Arbeitgeber die im Aufhebungsvertrag für den Verlust des Arbeitsplatzes zugesagte Abfindung nicht zahlt (ErfK/Müller-Glöge 12. Aufl. § 620 BGB Rn. 15; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 122 Rn. 37; HWK/Kliemt 4. Aufl. Anh. § 9 KSchG Rn. 30; MünchKommBGB/Hesse 5. Aufl. Vor § 620 BGB Rn. 33; Moll/Bengelsdorf MAH Arbeitsrecht § 46 Rn. 348; Preis/Rolfs Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II A 100 Rn. 33; Besgen/Velten NZA-RR 2010, 561, 562; Lingemann/Groneberg NJW 2010, 3496, 3497; Bauer NZA 2002, 169, 170 f.; vgl. zum Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers nach § 326 BGB aF auch LAG Köln 5. Januar 1996 – 4 Sa 909/94 – BB 1996, 907 und Bauer/Haußmann BB 1996, 901; aA v. Puttkamer Anm. BB 1996, 1440, der einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung als Vergleich im Sinne von § 779 BGB einordnet). Der außergerichtliche Aufhebungsvertrag, mit dem das Arbeitsverhältnis gegen die Zahlung einer Abfindung beendet wird, ist ein gegenseitiger Vertrag im Sinne von § 323 BGB. Die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht grundsätzlich im Gegenseitigkeitsverhältnis zu der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der zugesagten Abfindung. Diese ist bei einem außergerichtlichen, auf Initiative des Arbeitgebers zustande gekommenen Aufhebungsvertrag die Gegenleistung des Arbeitgebers für die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (st. Rspr. seit BAG 25. Juni 1987 – 2 AZR 504/86 – zu II 4 der Gründe, EzA KSchG 1969 § 9 nF Nr. 23; vgl. auch 26. August 1997 – 9 AZR 227/96 – zu 3 der Gründe, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 8 = EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 29; 26. September 2001 – 4 AZR 497/00 – zu I 2 b der Gründe, EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 51; aA v. Puttkamer Anm. BB 1996, 1440). Die von den Beklagten zu 2. und zu 3. angeführte Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, wie sie im Urteil vom 16. Oktober 1969 (- 2 AZR 373/68 – AP ZPO § 794 Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Nr. 15) Niederschlag gefunden hatte, wonach die Gegenseitigkeit zweifelhaft sei, ist mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Juni 1987 (- 2 AZR 504/86 – EzA KSchG 1969 § 9 nF Nr. 23) ausdrücklich aufgegeben worden.
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2. Allerdings ist § 323 BGB dispositiv, so dass die Regelungen dieser Vorschrift grundsätzlich durch Individualvereinbarungen in jeder Hinsicht abgeändert oder abbedungen werden können (MünchKommBGB/Ernst 5. Aufl. § 323 Rn. 266; Bamberger/Roth/Grohe BGB 2. Aufl. Bd. 1 § 323 Rn. 3). Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, dass die Vertragsparteien bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einer Abfindungsvereinbarung das gesetzliche Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers in aller Regel konkludent abbedingen (Preis/Rolfs Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II A 100 Rn. 34; für den Fall einer Beendigungs- und Abfindungsvereinbarung in einem gerichtlichen Vergleich LAG Köln 5. Januar 1996 – 4 Sa 909/94 – BB 1996, 907; aA auch für den Fall eines Aufhebungsvertrags in der Form eines Prozessvergleichs Bauer/Haußmann BB 1996, 901 und Bauer NZA 2002, 169, 171). Ob dies ohne weiteres angenommen werden kann oder ob dafür besondere Anhaltspunkte im Aufhebungsvertrag vorliegen müssen (so Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 122 Rn. 37), bedarf hier keiner Entscheidung. Zugunsten des Klägers kann davon ausgegangen werden, dass sein gesetzliches Rücktrittsrecht beim Abschluss des Aufhebungsvertrags mit der Schuldnerin am 5. August 2008 nicht konkludent abbedungen wurde.
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3. Die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts aus § 323 Abs. 1 BGB wegen Nichtleistung lagen am 8. April 2009 nicht vor. Nach Eröffnung der Insolvenz war die Abfindungsforderung des Klägers aus dem noch mit der Schuldnerin geschlossenen Aufhebungsvertrag vom 5. August 2008 nicht mehr durchsetzbar. Für die Anwendung des § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB war damit kein Raum mehr.
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a) Es erscheint bereits fraglich, ob bei Erklärung des Rücktritts nach Insolvenzeröffnung überhaupt die für das gesetzliche Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB erforderliche „Nichtleistung“ vorlag bzw. ob das Rücktrittsrecht nicht zumindest nachträglich untergegangen ist.
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aa) Der Schuldner leistet dann nicht, wenn die nach dem Schuldinhalt zu erbringende Leistung zum Zeitpunkt der Fälligkeit ausbleibt. Schuldet er eine Handlung ohne besonderen Erfolg, besteht die Nichterfüllung in der Nichtvornahme der Leistungshandlung (Staudinger/Otto/Schwarze [2009] § 323 Rn. B 29). Wegen der vor Entstehung und Fälligkeit der Abfindungsforderung erfolgten Insolvenzeröffnung war der Anspruch des Klägers auf die aus § 5 des Aufhebungsvertrags geschuldete Abfindung von vornherein als Insolvenzforderung entstanden (BAG 27. September 2007 – 6 AZR 975/06 – Rn. 21, BAGE 124, 150). Die Anerkennung der Insolvenzforderung zur Tabelle ist jedenfalls der erste Akt der insolvenzspezifischen Erfüllung von Forderungen. Es spricht deshalb viel dafür, dass es in Fällen, in denen wie hier der Insolvenzverwalter vor der Erklärung des Rücktritts durch den Arbeitnehmer die Anmeldung der Abfindung zur Tabelle nicht abgelehnt hat, bereits an der Nichterfüllung der Verpflichtung des Insolvenzverwalters aus dem Aufhebungsvertrag fehlt.
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bb) Unabhängig davon könnte dem Rücktrittsrecht des Klägers entgegenstehen, dass er trotz des erklärten Rücktritts die im Aufhebungsvertrag vom 5. August 2008 vereinbarte Abfindung beim Beklagten zu 1. angemeldet hat und dass sein Abfindungsanspruch als Insolvenzforderung festgestellt worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (20. Januar 2006 – V ZR 124/05 – zu II 2 b aa der Gründe, NJW 2006, 1198) kann zwar die Vorschrift des § 281 Abs. 4 BGB nicht „reziprok“ angewendet werden, wenn der Gläubiger weiter Erfüllung begehrt. Vielmehr ist aus § 281 Abs. 4 BGB der Umkehrschluss zu ziehen, dass nur der Anspruch auf Erfüllung durch die Entscheidung des Gläubigers für einen der sekundären Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 Abs. 1 BGB oder auf Rückabwicklung des Vertrags ausgeschlossen wird. Es erscheint aber fraglich, ob ein einmal begründetes Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 BGB auch dann nicht untergeht, wenn der Gläubiger nicht nur weiterhin Erfüllung verlangt, sondern darüber hinaus sein Anspruch nach der Rücktrittserklärung als Insolvenzforderung festgestellt wird.
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cc) Diese Fragen müssen hier jedoch nicht beantwortet werden. Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass die Anmeldung und Anerkennung seiner Abfindungsforderung zur Insolvenztabelle einem Rücktritt gemäß § 323 Abs. 1 BGB nicht entgegenstehen.
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b) Der Kläger konnte jedenfalls deshalb mit Schreiben vom 8. April 2009 nicht mehr wirksam vom Aufhebungsvertrag zurücktreten, weil zu diesem Zeitpunkt der Abfindungsanspruch aus § 5 des Aufhebungsvertrags nicht (mehr) durchsetzbar war.
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aa) § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB verlangt anders als § 326 Abs. 1 BGB aF weder den Verzug des Schuldners mit der Leistung noch ein Vertretenmüssen. Nach dem Gesetzeswortlaut reicht es vielmehr aus, wenn eine fällige Leistung trotz Fristsetzung, soweit eine solche nach § 323 Abs. 2 BGB nicht entbehrlich ist, nicht erbracht worden ist. Gleichwohl ist nach allgemeiner Meinung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal (zu diesem Begriff: Herresthal JURA 2008, 561) die Durchsetzbarkeit der Forderung Voraussetzung für das gesetzliche Rücktrittsrecht nach § 323 BGB (Staudinger/Otto/Schwarze [2009] § 323 Rn. B 28; Soergel/Gsell 13. Aufl. § 323 Rn. 50; Bamberger/Roth/Grothe BGB 2. Aufl. Bd. 1 § 323 Rn. 5; MünchKommBGB/Ernst 5. Aufl. § 323 Rn. 47). § 323 BGB ermöglicht dem Gläubiger die Wahl, von der Durchsetzung der Forderung durch Leistungsklage abzusehen und sich stattdessen für eine Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses zu entscheiden. Das gesetzliche Rücktrittsrecht setzt damit voraus, dass der Schuldner die geschuldete Leistung ordnungsgemäß erbringen kann und muss, dies aber – warum auch immer – nicht tut (vgl. Staudinger/Otto/Schwarze [2009] § 323 Rn. A 8). Die von § 323 BGB nach wie vor vorausgesetzte Verletzung der Leistungspflicht ist begriffsnotwendig ausgeschlossen, wenn der Schuldner nicht leisten muss oder unter Umständen auch gar nicht leisten darf, die Forderung also nicht durchsetzbar ist (vgl. Herresthal JURA 2008, 561). In der Literatur wird eine fehlende Durchsetzbarkeit bei Vorliegen von Einreden und Einwendungen, insbesondere der Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB), der Verjährung oder des Vorliegens eines Zurückbehaltungsrechts (§ 273 BGB) angenommen (ausführlich mwN: Herresthal JURA 2008, 561, 564 ff.).
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bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Durchsetzbarkeit eines Abfindungsanspruchs aus einem noch mit dem Schuldner geschlossenen Aufhebungsvertrag, der im Zeitpunkt der Ausübung des Rücktrittsrechts wegen der zwischen Vertragsschluss und Fälligkeit der Abfindung erfolgten Insolvenzeröffnung nur noch eine Insolvenzforderung ist, zu verneinen. Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen nicht mehr die ursprünglich geschuldete Zahlung der Abfindung mit der Leistungsklage verfolgen, sondern nur noch die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle verlangen. Die Abfindungsforderung ist damit nicht mehr durchsetzbar iSd. § 323 BGB.
33

(1) § 323 BGB liegt als Grundgedanke eine objektive Risikozuordnung zugrunde. Ein Schuldner, der trotz Ablaufs einer angemessenen Nachfrist nicht leistet, darf grundsätzlich nicht erwarten, dass der Gläubiger weiterhin an den Vertrag gebunden bleiben will. Ihm wird deshalb unabhängig vom Grund des Ausbleibens der Leistung das Risiko der Vertragsaufhebung für den Fall auferlegt, dass er nicht wie geschuldet leistet (Herresthal JURA 2008, 561, 562). Diese in § 323 BGB zum Ausdruck kommende Verteilung des Risikos von Vertragsstörungen entspricht der Rechtslage bei einer vor Fälligkeit der Abfindung erfolgten Insolvenzeröffnung nicht. Die insolvenzrechtliche Einstufung als Insolvenzforderung, die zum Verlust der Möglichkeit des Arbeitnehmers, die Abfindung im Wege der Leistungsklage geltend zu machen, führt und ihn auf die Anmeldung dieser Forderung zur Insolvenztabelle verweist, hat zugleich eine Verlagerung des Risikos dieser Vertragsstörung auf den Arbeitnehmer als Gläubiger zur Folge. Dem Insolvenzverwalter ist es verwehrt, den erst nach Insolvenzeröffnung entstandenen oder fällig gewordenen Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers durch Auszahlung der vereinbarten Abfindungssumme zu erfüllen. Dieses insolvenzrechtlich begründete Durchsetzungshindernis hebt die objektive Verantwortung des Insolvenzverwalters als Schuldner für die nicht erfolgte tatsächliche Zahlung der Abfindung auf. Deswegen kann das Risiko der Nichtleistung nicht dem Insolvenzverwalter zugeordnet werden (vgl. zu diesen Grundsätzen der Risikotragung und -verlagerung: Herresthal JURA 2008, 561, 562 f.). Vielmehr hat der Arbeitnehmer als Gläubiger die Nachteile zu tragen, die sich daraus ergeben, dass die Abfindung zunächst nicht gezahlt und nach Abschluss des Insolvenzverfahrens nur in Höhe der Quote erfüllt wird. Er bleibt deshalb an den einmal geschlossenen Aufhebungsvertrag gebunden.
34

(2) Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den Zwecken des Insolvenzverfahrens. Hauptzweck des Insolvenzverfahrens ist die bestmögliche und gemeinschaftliche, dh. gleichmäßige und anteilige Befriedigung der Insolvenzgläubiger (BGH 13. März 2003 – IX ZR 64/02 – zu II 2 c cc der Gründe, BGHZ 154, 190). Mit diesem Grundgedanken des Insolvenzrechts stünde es in unauflösbarem Widerspruch, wenn dem Arbeitnehmer als Gläubiger mit dem Rücktrittsrecht ein besonderes Zwangsmittel zur Durchsetzung der Abfindung als Insolvenzforderung zur Seite stünde. Für eine solche Bevorzugung einzelner Gläubiger gibt es im Insolvenzrecht keine Rechtsgrundlage (vgl. BGH 21. Januar 2010 – IX ZR 226/08 – Rn. 17, MDR 2010, 591 für die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts). Es hat sich lediglich das Risiko verwirklicht, das der Arbeitnehmer dadurch eingegangen ist, dass er ungesichert in Vorleistung getreten ist. Anspruch auf Besserstellung gegenüber anderen, ebenso ungesicherten Kreditgebern des Schuldners hat er nicht (vgl. MünchKommInsO/Huber 2. Aufl. § 103 Rn. 60).
35

4. Die von den Parteien und dem Landesarbeitsgericht umfangreich erörterten §§ 103, 105 Satz 2 InsO sind für die vorliegende Konstellation nicht einschlägig (aA ohne jede Auseinandersetzung mit dem Anwendungsbereich der §§ 103, 105 InsO allein unter Berufung auf den Charakter des Aufhebungsvertrags als gegenseitiger Vertrag: Besgen/Velten NZA-RR 2010, 561, 563). Darauf, ob diese Bestimmungen, wie der Beklagte zu 1. annimmt, das gesetzliche Rücktrittsrecht nach § 323 BGB blockieren (Uhlenbruck/Wegener 13. Aufl. § 103 InsO Rn. 103) oder dieses verdrängen bzw. jedenfalls modifizieren (in diesem Sinne KPB/Tintelnot InsO Stand Mai 2011 § 103 Rn. 5 und § 108 Rn. 27; aA Marotzke in HK-InsO 5. Aufl. § 103 Rn. 35, der § 103 InsO auch im Fall des gesetzlichen Rücktrittsrechts anwenden will), kommt es deshalb nicht an.
36

a) § 103 InsO erfasst nach seinem eindeutigen Wortlaut nur solche Verträge, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch von keiner Vertragspartei vollständig erfüllt worden sind (BGH 10. August 2006 – IX ZR 28/05 – Rn. 13, BGHZ 169, 43; 7. März 2002 – IX ZR 457/99 – zu IV 2 e der Gründe, BGHZ 150, 138; MünchKommInsO/Kreft/Huber 2. Aufl. § 103 Rn. 1, 57; Uhlenbruck/Wegener 13. Aufl. § 103 InsO Rn. 94). Der Kläger hat jedoch – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat – seine ihm obliegende Leistung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. März 2009 bereits mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrags vollständig erbracht.
37

aa) Nach § 362 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Unter „Schuldverhältnis“ ist dabei die einzelne Leistungspflicht einer Partei zu verstehen (BGH 17. Juli 2007 – X ZR 31/06 – Rn. 17, NJW 2007, 3488). Vollständige Erfüllung iSd. § 103 InsO setzt damit voraus, dass die geschuldete Leistung so, wie sie nach dem Inhalt des Vertrags zu erbringen ist, bewirkt worden ist. Dabei genügt nicht die Vornahme der Leistungshandlung allein, sondern ausschlaggebend ist der Eintritt des Leistungserfolges (BGH 25. März 1983 – V ZR 168/81 – zu II 2 a bb der Gründe, BGHZ 87, 156; MünchKommInsO/Huber 2. Aufl. § 103 Rn. 122).
38

bb) Bei Anlegung dieses Maßstabs hat der Kläger die ihm obliegende Leistung bereits mit Abschluss des Aufhebungsvertrags am 5. August 2008 und damit vor der am 1. März 2009 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt. Die Leistung des Klägers bestand in seinem Einverständnis mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Mit der Abgabe dieser Erklärung hatte er alles seinerseits zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses Erforderliche getan und seine Leistungspflicht vollständig erfüllt. Das Eingehen der Leistungspflicht, in die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einzuwilligen, und ihre Erfüllung erfolgten zeitgleich und fielen zusammen (vgl. Hueck Anm. AP ZPO § 794 Nr. 20; Thies Der Schutz des Arbeitnehmers bei Abschluss arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge S. 180 f.). Der vom Kläger geschuldete Leistungserfolg war damit bereits am 5. August 2008 eingetreten.
39

cc) Auch nach seinem Zweck erfasst § 103 InsO die vorliegende Konstellation nicht. Diese Bestimmung soll es dem Insolvenzverwalter ermöglichen, einen von keiner Seite bereits vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrag zum Vorteil der Masse und damit der Gläubigergesamtheit zu erfüllen, und soll zugleich dem Vertragspartner den durch das funktionelle Synallagma vermittelten Schutz erhalten. Der Sinn des Wahlrechts des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO besteht vornehmlich darin, ihm diejenigen noch ausstehenden Leistungen des Vertragspartners zu den bisherigen Vertragsbedingungen zu verschaffen, auf die er ohne die Erfüllungswahl keinen durchsetzbaren Anspruch hätte (BGH 27. Februar 1997 – IX ZR 5/96 – zu II 1 der Gründe, BGHZ 135, 25; MünchKommInsO/Kreft 2. Aufl. § 103 Rn. 2). Der Insolvenzverwalter muss aber bei einem vom Schuldner geschlossenen Aufhebungsvertrag, durch den erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Arbeitsverhältnis endet und ein Anspruch auf Abfindung entsteht oder zumindest fällig wird, nicht die Erfüllung dieses Vertrags wählen, damit die Masse von der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses profitiert. Dazu kommt es aufgrund des Aufhebungsvertrags bereits ohne sein weiteres Zutun (vgl. Thies Der Schutz des Arbeitnehmers bei Abschluss arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge S. 180 f.).
40

b) § 105 Satz 2 InsO ist ebenfalls nicht einschlägig. Der Kläger hat nicht lediglich eine Teilleistung, sondern, wie ausgeführt, seine Leistung vollständig erbracht. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung kommt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts in der vorliegenden Konstellation nicht in Betracht.
41

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fischermeier

Brühler

Spelge

Lauth

M. Jostes

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