BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 10.12.2013, 3 AZR 595/12 Betriebliche Altersversorgung – Zinsen auf Anpassungsforderungen

Dezember 15, 2019

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 10.12.2013, 3 AZR 595/12

Betriebliche Altersversorgung – Zinsen auf Anpassungsforderungen

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. August 2011 – 22 Sa 897/11 -, – 22 Sa 1503/11 – teilweise aufgehoben, soweit die Beklagte zur Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 39,36 Euro seit dem jeweils 1. eines jeden Monats, beginnend ab dem 1. Juli 2008 bis zum 6. Juli 2012 verurteilt wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Februar 2011 – 52 Ca 11920/10 – abgeändert.

Die Klage wird auch insoweit abgewiesen, als die Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.416,96 Euro für Zeiträume vor dem 7. Juli 2012 zu zahlen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch darüber, ab wann die Beklagte verpflichtet ist Verzugszinsen auf Anpassungsforderungen zu zahlen.
2

Der Kläger bezieht von der Beklagten seit dem 1. Juli 2002 eine Betriebsrente iHv. zunächst 639,63 Euro. Die Beklagte passte die Betriebsrente zum Anpassungsstichtag 1. Juli 2005 auf 659,63 Euro und zum 1. Juli 2008 um den Prozentsatz an, um den die Gehälter der aktiven Beschäftigten in den letzten drei Jahren vor dem Anpassungsstichtag gestiegen waren. Der Kläger hat die Beklagte auf Anpassung seiner Betriebsrente in Höhe des seit seinem Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlusts in Anspruch genommen. Zudem hat er die Zahlung von Verzugszinsen auf den jeweiligen monatlichen Erhöhungsbetrag seit dem jeweiligen Monatsersten des jeweiligen Auszahlungsmonats, beginnend ab dem 1. Juli 2008, mithin für einen Zeitraum vor der Rechtskraft der Entscheidung über die Anpassungsverpflichtungen verlangt.
3

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei zur Zahlung von Zinsen auf den monatlichen Erhöhungsbetrag iHv. 39,36 Euro ab dem jeweiligen Monatsersten des jeweiligen Auszahlungsmonats, beginnend mit dem 1. Juli 2008, verpflichtet.
4

Der Kläger hat – soweit für die Revision von Interesse – zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 39,36 Euro seit dem jeweils 1. eines jeden Monats, beginnend ab dem 1. Juli 2008, zu zahlen.
5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, sie sei zur Zahlung von Zinsen auf Anpassungsforderungen vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Anpassung der Betriebsrente nicht verpflichtet.
6

Das Arbeitsgericht hat der Klage im noch rechtshängigen Umfang stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten insoweit zurückgewiesen. Hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung von Zinsen hat der Senat mit Beschluss vom 19. Juni 2012 die Revision zugelassen und die Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich der Verurteilung zur Anpassung der Betriebsrente an den Kaufkraftverlust zum 1. Juli 2008 zurückgewiesen. Der Beschluss wurde der Beklagten am 6. Juli 2012 zugestellt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung hinsichtlich der Zinsforderung für Zeiträume vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Anpassungsforderungen weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen auf Anpassungsforderungen für Zeiträume vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Anpassung der Betriebsrente zum 1. Juli 2008 und damit für Zeiten, die vor dem 7. Juli 2012 liegen, dem Tag nach der Zustellung des Beschlusses über die Nichtzulassungsbeschwerde, mit dem die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich der Anpassung der Betriebsrente an den Kaufkraftverlust zum 1. Juli 2008 rechtskräftig wurde.
8

I. Entgegen der Rechtsaufassung der Vorinstanzen stehen dem Kläger Zinsen auf die geltend gemachten monatlichen Erhöhungsbeträge iHv. 39,36 Euro nicht bereits seit dem 1. Juli 2008 und den Folgemonaten zu, sondern erst ab dem Folgetag des Tages, an dem das Urteil hinsichtlich der Anpassungsverpflichtung rechtskräftig wurde. Das ist der 7. Juli 2012. Für die davorliegenden Zeiträume fehlt es an der für den Zinsanspruch notwendigen Fälligkeit der Forderungen.
9

1. Der Anspruch auf Verzugszinsen entsteht – da Verzug erst ab Fälligkeit eintreten kann – frühestens ab der Fälligkeit der Forderung (vgl. Palandt/ Grüneberg 72. Aufl. § 286 Rn. 13). Die Fälligkeit der Anpassungsforderungen des Klägers tritt nicht vor der Rechtskraft des klagestattgebenden Urteils ein. Leistungen, die nach billigem Ermessen zu bestimmen sind, werden bei gerichtlicher Bestimmung erst aufgrund eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils nach § 315 Abs. 3 BGB fällig. Dazu gehören auch die aufgrund einer Anpassungsentscheidung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG zu gewährenden Leistungen (vgl. etwa BAG 19. Juni 2012 – 3 AZR 464/11 – Rn. 49; 28. Juni 2011 – 3 AZR 859/09 – Rn. 32, BAGE 138, 213).
10

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. August 2011 ist hinsichtlich der Anpassungsforderungen mit der Zustellung des Beschlusses über die Nichtzulassungsbeschwerde vom 19. Juni 2012 – 3 AZN 422/12 – an die Beklagte am 6. Juli 2012 rechtskräftig geworden. Verzugszinsen stehen dem Kläger deshalb erst ab dem 7. Juli 2012 zu.
11

2. Es kann offenbleiben, ob Prozesszinsen nach § 291 BGB im Falle der Bestimmung der Leistung durch Gestaltungsurteil überhaupt zugesprochen werden können (dagegen BGH 4. April 2006 – X ZR 122/05 – Rn. 23, BGHZ 167, 139; 4. April 2006 – X ZR 80/05 – Rn. 24). Dem könnte entgegenstehen, dass Prozesszinsen keinen Schuldnerverzug voraussetzen, der Schuldner vielmehr durch § 291 BGB schon deshalb einer Zinspflicht unterworfen wird, weil er es zum Prozess hat kommen lassen und für das damit verbundene Risiko einstehen soll; dieses Risiko kann sich nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens nicht mehr verwirklichen. Jedenfalls könnte auch der Anspruch auf Prozesszinsen frühestens ab der Fälligkeit der Forderung (§ 291 Satz 1 Halbs. 2 BGB) entstehen (BAG 19. Juni 2012 – 3 AZR 464/11 – Rn. 50).
12

II. Der Kläger hat die Kosten der Revision nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen. Für die Vorinstanzen trifft ihn keine weitergehende Kostenlast. In den Vorinstanzen stellte die Zinsforderung lediglich eine Nebenforderung iSd. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO dar. Sie blieb bei der Wertberechnung deshalb unberücksichtigt und löste auch keine Kosten aus. Erst durch die Zulassung der Revision wurde die Zinsforderung zur Hauptforderung verselbständigt (vgl. Zöller/Herget ZPO 29. Aufl. § 4 Rn. 11). Ab diesem Zeitpunkt fiel sie nicht mehr unter § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO. Die ursprüngliche Hauptforderung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens. Der Zinsforderung ist ab dem Zeitpunkt der Zulassung der Revision ein eigenständiger Wert beizumessen. In diesem Umfang hat der Kläger aufgrund seines Unterliegens die Kosten zu tragen. Dies sind jedoch nur die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gräfl

Schlewing

Spinner

Gerda Kanzleiter

H. Kaiser

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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