BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 16.11.2011, 4 AZR 246/10 Anforderung an Revisionsbegründung – ergänzende Auslegung einer vertraglichen Bezugnahmeklausel – tarifliche Ansprüche auf Urlaubsgeld und Sonderzuwendung

September 10, 2019

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 16.11.2011, 4 AZR 246/10

Anforderung an Revisionsbegründung – ergänzende Auslegung einer vertraglichen Bezugnahmeklausel – tarifliche Ansprüche auf Urlaubsgeld und Sonderzuwendung

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 21. Oktober 2009 – 18 Sa 1751/08 – aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 13. Oktober 2008 – 4 Ca 895/08 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel und sich daraus ergebende Ansprüche des Klägers und einen Anspruch auf Zusatzurlaub.
2

Der Kläger, Mitglied der Gewerkschaft ver.di, ist seit dem 1. Januar 2002 bei der Beklagten beschäftigt. Im maßgebenden Arbeitsvertrag vom 2. Januar 2003 heißt es in § 2:

„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 (mit Ausnahme der §§ 1; 2; 3; 6; 11; 23; 23a; 23b; 25; 26a; 69 und 73 BAT) und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.“
3

Die Beklagte betreibt für das Deutsche Rote Kreuz (DRK) den Blutspendedienst ua. im Land Nordrhein-Westfalen. Die Beklagte, die nicht Mitglied der Tarifgemeinschaft des DRK ist, war zunächst nicht tarifgebunden. Sie schloss, auch vor dem Hintergrund der Ablösung des BAT durch die Nachfolgetarifverträge im öffentlichen Dienst, am 31. Oktober 2006 mit dem Deutschen Handels- und Industrieangestellten-Verband (DHV, nunmehr DHV – Die Berufsgewerkschaft) einen Haustarifvertrag. Aufgrund von nachfolgenden Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft ver.di kam es am 18. Januar 2007 zur Vereinbarung eines weiteren Haustarifvertrages (nachfolgend: Haustarifvertrag), der am 1. Januar 2007 in Kraft trat und der ua. folgende Regelungen enthält:

㤠2

Anwendung von Tarifverträgen

1.

Auf die Rechtsverhältnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer … wird das zwischen der DRK-Bundestarifgemeinschaft und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di – vereinbarte Tarifvertragsrecht, beginnend mit dem 27. Änderungstarifvertrag, dem sogenannten ‚DRK-Reformtarifvertrag’ vom 22. Dezember 2006, einschließlich aller ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge und besonderen Tarifvertragsteile in seiner jeweils gültigen Fassung angewandt, soweit in diesem Tarifvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist.

§ 4

Vertrauensschutz / Besitzstandswahrung

Soweit für einzelne Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen …, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen, für sie günstigere Regelungen aus Vereinbarungen arbeitsvertraglicher Art mit dem Arbeitgeber gelten, als in diesem Tarifvertrag vereinbart, behalten sie alle Ansprüche, die sich aus diesen Vereinbarungen ergeben. Der Abschluss dieses Tarifvertrages ist kein Rechtsgrund für den Wegfall oder die Einschränkung oder die Kündigung solcher Vereinbarungen.“
4

Nach verschiedenen Informationen der Beklagten an die bei ihr tätigen Beschäftigten über die Tarifvertragsverhandlungen und -abschlüsse teilte sie diesen ua. mit Schreiben vom 4. Januar 2007 mit:

„Sie haben ab sofort drei Wahlmöglichkeiten

– Verbleib im alten BAT

– dem DHV-Haustarifvertrag

– und dem DRK-Reformtarifvertrag …“
5

Mit Schreiben vom 28. März 2007 reagierte der Kläger gegenüber der Beklagten:

„Arbeitsverhältnis/Abrechnung gemäß ver.di-Haustarif-vertrag

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit erkläre ich, dass mein Arbeitsverhältnis tarifgerecht in den neuen ver.di-Haustarifvertrag übergeleitet und gemäß ver.di-Haustarifvertrag abgerechnet werden soll.

Darüber hinaus bitte ich Sie, die im ver.di-Haustarifvertrag (bzw. DRK-Reformtarifvertrag) festgelegten Einmalzahlungen mit der Abrechnung für den Monat April 2007 auszuzahlen, aber abgabenrechtlich auf die Monate Februar 2007 und April 2007 rückzurechnen, wie es im Unternehmen in solchen Fällen auch sonst üblich ist.“
6

Einen von der Beklagten im April 2007 übersandten Änderungsvertrag zum bestehenden Arbeitsvertrag, wonach ab dem 1. Januar 2007 der Haustarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet und etwaige „Verweisungen auf andere Tarifverträge“ aufgehoben werden, unterzeichnete der Kläger nicht. Die Beklagte rechnete für die Zeit ab dem 1. Januar 2007 das Arbeitsverhältnis auf Grundlage des Haustarifvertrages ab. Ein in den Vorjahren geleistetes Urlaubsgeld nach Maßgabe des Tarifvertrages über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16. März 1977 (TV-Urlaubsgeld), eine Zuwendung nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973 (TV-Zuwendung) sowie einen sog. Winterzusatzurlaub gewährte die Beklagte nicht mehr.
7

Mit Schreiben vom 23. September 2007 machte der Kläger „für das Jahr 2007 und für die Folgezeit“ ua. Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld „gemäß BAT“ und mit weiterem Schreiben vom 25. März 2008 „entsprechend der Urlaubsregelung ‚Zusatzurlaub während bestimmter Zeiten‘ “ zusätzliche Urlaubstage aufgrund eines in der Zeit vom 2. bis 10. Januar 2008 in Anspruch genommenen Urlaubs erfolglos geltend.
8

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Nach dem TV-Zuwendung könne er eine höhere Zahlung beanspruchen als die von der Beklagten auf Grundlage des Haustarifvertrages geleistete. Aufgrund der Bezugnahmeklausel seien die Regelungen des BAT und der hierzu geschlossenen Zusatztarifverträge als günstigere Bestimmungen auf das Arbeitsverhältnis nach wie vor anzuwenden. Das folge auch aus § 4 Satz 1 Haustarifvertrag. Mit dem Schreiben vom 28. März 2007 habe er lediglich seine Gewerkschaftszugehörigkeit klarstellen, nicht aber die bestehende Bezugnahmeklausel einzelvertraglich abändern wollen. Darüber hinaus müsse die Beklagte auch eine Urlaubsregelung vom 2. Dezember 1977 anwenden. Danach erhielten Arbeitnehmer ua. dann Zusatzurlaub, wenn sie ihren Urlaub aus einem Kalenderjahr in der Zeit vom 1. November des Jahres bis zum 31. März des Folgejahres in Anspruch nähmen.
9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Urlaubsgeld in Höhe von 255,65 Euro brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 26. April 2008 zu zahlen,

2.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger im Jahre 2008 und auch in den Folgejahren das Urlaubsgeld in Höhe von 255,65 Euro brutto zu zahlen,

3.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu wenig gezahlte Zuwendung in Höhe von 978,12 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26. April 2008 zu zahlen,

4.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 2 (zwei) zusätzliche Urlaubstage zu gewähren.
10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach § 2 Haustarifvertrag sei die Anwendung der bisher aufgrund individualvertraglicher Vereinbarung anwendbaren Tarifverträge ersetzt worden. Zudem hätten die Parteien aufgrund des schriftlichen Antrages des Klägers vom 28. März 2007 die frühere arbeitsvertragliche Bezugnahme aufgehoben und den Haustarifvertrag als maßgebend vereinbart. Jedenfalls sei die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel dahingehend auszulegen, dass die beiden Haustarifverträge an deren Stelle treten sollten. Der Kläger könne auch keinen Zusatzurlaub beanspruchen. Die vom Kläger angeführte „Urlaubsregelung“ und die Betriebsvereinbarung, auf die er sich stütze, gestalteten nur einen nach § 49 BAT bestehenden Anspruch aus, begründeten aber selbst keinen solchen. Zudem habe der Kläger seinen Urlaub nicht aufgrund betrieblicher Gründe in der besagten Zeit in Anspruch genommen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht ihr bis auf einen geringen Teil des zusätzlichen Urlaubs stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.
13

I. Die Revision der Beklagten ist entgegen der Auffassung des Klägers auch hinsichtlich des Klageantrages zu 4) zulässig.
14

1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dabei muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll. Bei mehreren Streitgegenständen muss bei einer unbeschränkt eingelegten Revision für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig (BAG 24. Februar 2010 – 4 AZR 657/08 – Rn. 21 f. mwN, AP ZPO § 551 Nr. 68). Eine eigenständige Begründung ist allerdings dann nicht erforderlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt, so dass mit der Begründung der Revision über den einen Streitgegenstand gleichzeitig auch dargelegt ist, inwiefern die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 9. April 1991 – 1 AZR 488/90 – BAGE 68, 1).
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2. Diesen Anforderungen genügt die Revision der Beklagten auch hinsichtlich des Klageantrages zu 4). Nach den Entscheidungsgründen des Landesarbeitsgerichts hängt die Entscheidung über diesen Anspruch von der über die anderen, mit den Anträgen zu 1) bis 3) verfolgten Begehren ab. Deshalb war eine eigenständige Begründung der Revision hinsichtlich des Antrages zu 4) entbehrlich.
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Das Landesarbeitsgericht hat der Forderung des Klägers auf Zusatzurlaub aus den gleichen Gründen stattgegeben wie den anderen Klageanträgen. Das ergibt die Auslegung der Entscheidungsgründe im Zusammenhang mit denen des erstinstanzlichen Urteils. Das Berufungsgericht geht wie schon das Arbeitsgericht davon aus, die Ansprüche des Klägers seien „von der Weitergeltung der BAT-Regelungen nach § 2 des Arbeitsvertrages abhängig“. Dem entsprechen auch die erstinstanzlichen Gründe. Das Arbeitsgericht hatte als Anspruchsgrundlage § 49 BAT herangezogen und, weil die Bestimmungen des BAT auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung mehr fänden, die Klage auch insoweit abgewiesen. Ist danach die weitere Anwendbarkeit der Bestimmungen des BAT nach den Entscheidungsgründen für alle Anträge maßgebend, ist es ausreichend, wenn sich die Revisionsbegründung in diesem zentralen Punkt mit den Urteilsgründen auseinandersetzt, wie dies vorliegend geschehen ist.
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II. Die Klage ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts insgesamt unbegründet.
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1. Die Anträge zu 1) bis 3) sind unbegründet. Der Kläger kann weder ein Urlaubsgeld nach dem TV-Urlaubsgeld noch eine Zuwendung auf der Grundlage des TV-Zuwendung als den BAT ergänzende Tarifverträge beanspruchen. Dabei kann es dahinstehen, ob es aufgrund des Schreibens des Klägers vom 28. März 2007 zu einer Änderung der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages gekommen und die Klage schon deshalb unbegründet ist. Selbst wenn man hiervon nicht ausgeht, sind die beiden hier streitgegenständlichen Tarifverträge infolge ihrer Ablösung durch die an ihre Stelle getretenen Tarifwerke nicht mehr von der Bezugnahmeklausel erfasst, die zwischen den Parteien im Jahre 2003 vereinbart wurde.
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a) Nach § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis „nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 … und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen“. Diese Abrede (zu den Maßstäben der Auslegung einer solchen Allgemeinen Geschäftsbedingung BAG 25. August 2010 – 4 AZR 14/09 – Rn. 24 ff., AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 21; 19. Mai 2010 – 4 AZR 796/08 – Rn. 15, BAGE 134, 283) enthält eine dynamische Bezugnahme, die den jeweiligen BAT und die ihn ergänzenden Tarifverträge erfasst, wozu auch der TV-Urlaubsgeld und der TV-Zuwendung in ihrer jeweils geltenden Fassung gehören. Von diesem Verständnis der Bezugnahmeklausel gehen auch die Parteien im Grundsatz übereinstimmend aus.
20

b) Die unbedingte dynamische Bezugnahme führt vorliegend allerdings dazu, dass spätestens ab dem 1. November 2006 und damit für den streitgegenständlichen Zeitraum die Nachfolgetarifverträge zum BAT kraft vertraglicher Vereinbarung Anwendung finden.
21

aa) Dabei kann es dahinstehen, ob bereits die Auslegung der Bezugnahmeklausel, die nicht nur den „jeweiligen BAT“ nennt (so in den Entscheidungen des Senats 19. Mai 2010 – 4 AZR 796/08 – BAGE 134, 283; 16. Juni 2010 – 4 AZR 924/08 – Rn. 24, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 79; ebenso 10. Juni 2009 – 4 AZR 194/08 – Rn. 38, AP BGB § 157 Nr. 38), sondern neben den „ergänzenden“ auch die „ändernden“ Tarifverträge, zu einer Anwendung der Nachfolgetarifverträge zum BAT – dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und dem Tarifvertrag für die Länder (TV-L) – führt (so Henssler/Seidensticker RdA 2011, 247, 249 mit dem zutreffenden Hinweis, dass die Neubezeichnungen im Wesentlichen der Zusammenführung der vormals getrennten Tarifregelungen für Arbeiter und Angestellte geschuldet sind; offengelassen in BAG 25. August 2010 – 4 AZR 14/09 – Rn. 23, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 21). Ausgehend vom vertraglichen Regelungszweck der vorliegenden Bezugnahmeklausel – der Ausgestaltung der Arbeitsvertragsbedingungen nach Maßgabe der jeweiligen Tarifbedingungen des öffentlichen Dienstes (s. nur BAG 19. Mai 2010 – 4 AZR 796/08 – Rn. 34 mwN, aaO) – kann eine Bezugnahme der Nachfolgetarifverträge auch dann anzunehmen sein, wenn zwar nicht die „ersetzenden“, sondern lediglich die „ändernden“ Tarifverträge in der vertraglichen Abrede genannt sind. Dass die Parteien bewusst auf das Wort „ersetzend“ verzichtet haben, ist weder dargetan noch ersichtlich.
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bb) Selbst wenn man mit dem Kläger der Auffassung ist, dass mit einem solchen Vertragsverständnis die Grenzen der Auslegung überschritten sein sollten, folgt das genannte Ergebnis jedenfalls aus einer ergänzender Auslegung (ausf. zu den Voraussetzungen und Maßstäben BAG 19. Mai 2010 – 4 AZR 796/08 – Rn. 23, 31 ff., BAGE 134, 283; 6. Juli 2011 – 4 AZR 706/09 – Rn. 27, 31 ff., NZA 2012, 100) der Bezugnahmeregelung in § 2 des Arbeitsvertrages.
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(1) Die dynamische Bezugnahmeregelung in § 2 des Arbeitsvertrages ist lückenhaft. Aus der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme auf das jeweils geltende tarifliche Regelungswerk ergibt sich der Wille der Parteien, die Arbeitsbedingungen des Arbeitsverhältnisses nicht in einer bestimmten Weise festzuschreiben, sondern sie dynamisch an der Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst auszurichten. Durch die weitestgehende Ersetzung des BAT für den Bereich des Bundes und der Kommunen zum 1. Oktober 2005 durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13. September 2005 (§ 2 Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts [TVÜ-Bund]; § 2 Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts [TVÜ-VKA], jew. vom 13. September 2005) sowie – vorliegend allerdings nicht einschlägig – den Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) vom 17. August 2006 (§ 2 Abs. 1 Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern in den TV-Ärzte/VKA und zur Regelung des Übergangsrechts [TVÜ-Ärzte/VKA] vom 17. August 2006) und für den Bereich der Länder zum 1. November 2006 durch den TV-L vom 12. Oktober 2006 nach § 2 TVÜ-Länder sowie – gleichfalls hier nicht einschlägig – durch den Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30. Oktober 2006 (TV-Ärzte/TdL) nach § 2 Abs. 1 Satz 1 iVm. der Anlage 1 Teil A des Tarifvertrages zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TVÜ-Ärzte/TdL) vom 30. Oktober 2006 hat die dynamische Entwicklung des BAT und die zu seiner Ergänzung abgeschlossenen Tarifverträge ihr Ende gefunden. Da die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf dieser Dynamik aufbaut, ist der Vertrag spätestens seit dem 1. November 2006 lückenhaft geworden.
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(2) Eine nachträgliche Regelungslücke kann nicht deshalb verneint werden, weil der BAT noch fortbesteht und mit seinem – statischen – Inhalt das Arbeitsverhältnis der Parteien noch regeln könnte. Ein solches Verständnis ist weder mit dem Wortlaut der Klausel noch mit dem Zweck einer zeitdynamischen Bezugnahme vereinbar (ausf. BAG 25. August 2010 – 4 AZR 14/09 – Rn. 26 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 21). Das zeigt auch das unwidersprochene Vorbringen der Beklagten, die Tarifvertragsverhandlungen über einen Haustarifvertrag seien auch deshalb aufgenommen worden, weil der „BAT nicht mehr fortgeführt wurde“.
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(3) Die mit der Ersetzung des BAT und der ihn ergänzenden und ändernden Tarifverträge entstandene nachträgliche Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen (zu den Voraussetzungen ausf. BAG 19. Mai 2010 – 4 AZR 796/08 – Rn. 31 mwN, BAGE 134, 283).
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(a) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann allerdings nicht angenommen werden, die Parteien hätten für diesen Fall die Anwendung des von ihr geschlossenen Haustarifvertrages vereinbart. Für die Annahme der Beklagten, lückenfüllend solle anstelle eines Tarifvertrages mit einem bundesweiten Geltungsbereich ein für das Unternehmen der Beklagten in einigen Bundesländern geltender Haustarifvertrag zur Anwendung kommen, der im Wesentlichen auf den sog. DRK-Reformtarifvertrag verweist, fehlt es an Anhaltspunkten. Gegen einen Willen der Parteien des Arbeitsvertrages, eine etwaige Regelungslücke durch dann bestehende speziellere Tarifregelungen zu schließen, spricht im Übrigen auch, dass sie für das im Jahre 2002 begründete Arbeitsverhältnis nicht auf die (Vorgänger-)Regelungen des Tarifvertrages über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes vom 31. Januar 1984 und dessen Änderungstarifverträge verwiesen haben. Darüber hinaus bestand bei Eintritt der vertraglichen Regelungslücke spätestens am 1. November 2006 der Haustarifvertrag noch nicht. Auch fehlt es an Anhaltspunkten, die Parteien hätten – wie es die Beklagte meint – in einem solchen Fall dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht zwischen den später geschlossenen Haustarifverträgen eingeräumt.
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Ein anderes Auslegungsergebnis lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht damit begründen, der Haustarifvertrag sei gegenüber den Nachfolgetarifverträgen für den öffentlichen Dienst der „speziellere“ Tarifvertrag. Es handelt sich bei dem Prinzip der Sachnähe oder Spezialität um eine tarifrechtliche Kollisionsregel, die dazu dient, eine Tarifkonkurrenz aufzulösen (BAG 9. Dezember 2009 – 4 AZR 190/08 – Rn. 49, AP TVG § 3 Nr. 48 = EzA TVG § 3 Nr. 34). Für die ergänzende Vertragsauslegung ist das tarifrechtliche Prinzip der Spezialität ohne Belang, sofern sich nicht aus dem Regelungsplan des Arbeitsvertrages mit hinreichender Deutlichkeit Gegenteiliges ergibt (BAG 9. Juni 2010 – 5 AZR 122/09 – Rn. 24).
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Weiterhin folgt auch aus § 2 Haustarifvertrag kein anderes Ergebnis. Der Inhalt der vertraglichen Abrede in § 2 des Arbeitsvertrages wird hierdurch nicht verändert. Es steht außerhalb der Regelungsmacht von Tarifvertragsparteien, individualvertragliche Bezugnahmeregelungen durch tarifliche Abreden abzuändern. Gegenstand kollektiver Regelungen durch tarifliche Inhaltsnormen ist die Festsetzung allgemeiner und gleicher Mindestarbeitsbedingungen. Die Möglichkeit, demgegenüber günstigere Arbeitsbedingungen einzelvertraglich zu vereinbaren, kann ein Tarifvertrag auch für tarifgebundene Arbeitsverhältnisse nicht einschränken. Ebenso wenig kann ein Tarifvertrag bestehende individualvertraglich vereinbarte Rechte abändern oder verkürzen (s. nur BAG 6. Juli 2011 – 4 AZR 706/09 – Rn. 55 mwN, NZA 2012, 100).
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(b) Die ergänzende Vertragsauslegung ergibt, dass die Parteien für den Fall der hier vorliegenden Tarifsukzession des im Arbeitsvertrag benannten tariflichen Regelungswerks das nachfolgende tarifliche Regelungswerk des öffentlichen Dienstes vereinbart hätten, weil eine statische Regelung der Arbeitsbedingungen auf den Zeitpunkt der hier vorliegenden Tarifsukzession nicht ihren Interessen entsprach. Dies wären vorliegend zumindest die Tarifregelungen für den öffentlichen Dienst gewesen, die den BAT und die ihn ergänzenden Tarifverträge ersetzten (ausf. BAG 25. August 2010 – 4 AZR 14/09 – Rn. 26 ff. mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 21). Der TV-Zuwendung und der TV-Urlaubsgeld, auf die der Kläger seine Ansprüche stützt, sind keine Tarifverträge, die den TVöD, den TV-L oder den TV-Ärzte ergänzen. Sie waren deshalb im Streitzeitraum nicht mehr Vertragsgegenstand.
30

(4) Ein anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte, wie er geltend macht, keinerlei Leistungen nach dem TVöD oder dem TV-L an den Kläger oder die übrigen Beschäftigten erbracht hat.
31

(a) Zwar darf sich das Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht in Widerspruch zum Parteiwillen setzen (st. Rspr., BGH 1. Februar 1984 – VIII ZR 54/83 – BGHZ 90, 69). Dieser Grundsatz ist aber dahingehend zu präzisieren, dass eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Widerspruch zu dem im Vertrag zum Ausdruck gebrachten Parteiwillen stehen und nicht zu einer unzulässigen Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen darf (BGH 22. April 1953 – II ZR 143/52 – BGHZ 9, 273). Ohne Bedeutung sind hingegen unterschiedliche Auffassungen der Parteien, wie eine Regelungslücke zu schließen ist. Bei den Begleitumständen, die Rückschlüsse auf den erklärten Geschäftswillen haben können, sind bei der Auslegung grundsätzlich nur diejenigen zu berücksichtigen, die bei Abschluss des Rechtsgeschäfts erkennbar waren. Dies gilt auch im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung. Maßgebend sind die Umstände bei Vertragsschluss. Soweit gleichwohl ein nachträgliches Verhalten der Parteien bei der Auslegung von Willenserklärungen berücksichtigt wird (vgl. Staudinger/Singer BGB 2004 § 133 Rn. 50 mwN), muss es „Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der an dem Rechtsgeschäft Beteiligten zulassen“ (BGH 24. Juni 1988 – V ZR 49/87 – NJW 1988, 2878). Hierzu bedarf es aber einer über längere Zeit geübten einverständlichen Vertrags- und Zahlungspraxis (BGH 29. April 1993 – III ZR 115/91 – BGHZ 122, 287).
32

(b) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Aus der Tatsache, dass die Beklagte „bis zum 31. Dezember 2006“ ein tarifliches Urlaubsgeld und die Zuwendung für das Jahr 2006 nach dem TV-Zuwendung zahlte, kann nach den genannten Kriterien nicht auf einen Willen der Parteien bei Vertragsschluss geschlossen werden, es bestehe keine Regelungslücke oder eine solche solle durch eine statische Anwendung des BAT und der ergänzenden Tarifverträge geschlossen werden. Es fehlt an einer über längere Zeit einverständlich ausgeübten Vertrags- oder Zahlungspraxis.
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(aa) Nach der Aufspaltung der bis zum 30. September 2005 weitgehend gleichlautenden Regelungen für die Angestellten des öffentlichen Dienstes in die tariflichen Regelungen des TVöD (Bund und Kommunen) und des TV-L spricht vieles dafür, dass die Arbeitsvertragsparteien den TV-L in Bezug genommen hätten, wenn sie die eingetretene aufgespaltene Tarifsukzession bei Vertragsschluss bedacht hätten. Vorliegend bestehen ausreichende Hinweise, die eine Orientierung (zu diesem Kriterium BAG 19. Mai 2010 – 4 AZR 796/08 – Rn. 41, BAGE 134, 283) an den tariflichen Regelungen des öffentlichen Dienstes für die Angestellten der Länder erkennen lassen. Nach der von der Beklagten im hiesigen Verfahren angeführten Entscheidung des Arbeitsgerichts Münster (24. Oktober 2006 – 3 Ca 1023/06 – NZA-RR 2007, 24) hat sie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach einer Vergütungsgruppe des BAT vergütet, die wiederum allein Inhalt der Vergütungsordnung Bund/Länder gewesen ist. Weiterhin hat sie dabei geltend gemacht, dass bundesrechtliche Regelungen nicht angewendet worden seien, sondern Reisekosten nach dem Reisekostengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vergütet worden sind. Die Anwendung des BAT idF für die Länder ergibt sich nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch aus dem von der Beklagten im Jahre 2007 veröffentlichen Lagebericht. Zudem handelt es sich bei der Beklagten um eine Einrichtung auf der Ebene von mehreren Bundesländern, bei der nicht angenommen werden kann, der TVöD für den Bereich des Bundes oder für den der Kommunen wäre vereinbart worden, wenn die Parteien die Vertragslücke berücksichtigt hätten. Nach alledem kann mit guten Gründen angenommen werden, die Parteien hätten die für diesen Bereich geltenden Nachfolgeregelungen vereinbart.
34

(bb) Der den BAT und die hier maßgebenden Tarifverträge ablösende TV-L trat erst zum 1. November 2006 in Kraft. Schon deshalb erlaubt das diesem Datum zeitlich vorangegangene Vertragsverhalten der Parteien im Jahre 2006 keine Rückschlüsse auf einen einer Lückenfüllung durch den TV-L entgegenstehenden Parteiwillen. In der Folge ist die Zahlung eines Urlaubsentgelts nach dem TV-Urlaubsgeld im Juli des Jahres 2006 schon im Ansatz nicht geeignet, auf einen Willen der Parteien schließen zu können, auch über das Ende der dynamischen Entwicklung des eigentlichen BAT hinaus diesen weiterhin anzuwenden. Gleiches gilt im Ergebnis für die Zahlung einer Zuwendung. Zwar war zum maßgebenden Fälligkeitstermin nach dem TV-Zuwendung dieser bereits abgelöst worden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 iVm. Anlage 1 Teil B Nr. 18 TVÜ-Länder). Die einmalige Zahlung der Zuwendung an den Kläger in den ersten beiden Monaten nach Inkrafttreten des TV-L ist aber ohne weitere Anhaltspunkte nicht geeignet, auf einen Willen der Parteien schließen zu können, sie wollten unabhängig vom Regelungszweck der vereinbarten dynamischen Inbezugnahme es nunmehr bei einer statischen Anwendung des BAT und der (bisher) ergänzenden und ändernden Tarifverträge belassen. Es fehlt bereits an einer über längere Zeit andauernden einverständlichen Vertrags- und Zahlungspraxis.
35

Zudem war die Beklagte ua. aufgrund der von ihr im Verfahren angeführten Entscheidung des Arbeitsgerichts Münster (24. Oktober 2006 – 3 Ca 1023/06 – NZA-RR 2007, 24), welches eine Erstreckung einer von ihr verwendeten arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel – „Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen, soweit nicht einzelvertraglich etwas anderes geregelt wurde.“ – auf die Nachfolgetarifverträge abgelehnt hatte, der Auffassung, die Bezugnahmeabrede könne „ohne Beteiligung der Mitarbeiter“ nicht zu einer Anwendung der Nachfolgetarifverträge führen. Dieser Umstand sowie die von ihr angeführten Gründe zur Aufnahme von Tarifvertragsverhandlungen im Jahre 2006 sprechen gegen die Annahme, die Parteien seien übereinstimmend davon ausgegangen, die vertragliche Abrede enthalte keine Regelungslücke und eine ergänzende Vertragsauslegung widerspreche dem im Vertrag zum Ausdruck gebrachten Parteiwillen. Gleiches gilt für das Schreiben der Beklagten vom 4. Januar 2007. Aus der Formulierung „Ansonsten gehen wir davon aus, dass für sie der bisherige Arbeitsvertrag gemäß den BAT-Regeln weiterhin Bestand haben wird.“ kann nicht auf einen übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien bei Abschluss des Arbeitsvertrages geschlossen werden, es solle im Falle einer Tarifsukzession wie der vorliegenden bei einer statischen Geltung des BAT verbleiben. Die Beklagte gibt hier lediglich ihre Rechtsauffassung entsprechend der Entscheidung des Arbeitsgerichts Münster (24. Oktober 2006 – 3 Ca 1023/06 – aaO) wieder.
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(cc) Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch dann nicht, wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung sei der TVöD die arbeitsvertraglich in Bezug genommene Nachfolgeregelung. Allein die Rechtsauffassung der Beklagten, die Bezugnahmeregelung erfasse nicht die im Wege der Tarifsukzession vereinbarten Nachfolgetarifverträge, lässt vorliegend bereits nicht darauf schließen, sie sei davon ausgegangen, es liege keine Regelungslücke vor. Dagegen spricht ihr Vorbringen in den Tatsacheninstanzen, dass sie die Tarifvertragsverhandlungen im Jahre 2006 infolge der fehlenden Weiterführung des BAT aufgenommen hat. In der Folge kann auch die weitere Fortführung der Bestimmungen des BAT nicht – wie der Kläger meint – dahingehend verstanden werden, die Parteien hätten sich entgegen dem Regelungsplan der dauerhaften Anbindung an die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst in Kenntnis einer Regelungslücke auf die statische Beibehaltung der Tarifregelungen des BAT einschließlich des TV-Zuwendung und des TV-Urlaubsgeld (konkludent) verständigt. Allein die jeweils einmalige Leistung nach Maßgabe der Regelungen des BAT und der ihn ergänzenden Tarifverträge nach deren Ablösung lässt noch keine Rückschlüsse auf ein derartiges Verständnis der Parteien bei Abschluss des Vertrages zu.
37

c) Der ergänzenden Vertragsauslegung steht schließlich nicht entgegen, dass die arbeitsvertragliche Verweisung einzelne Bestimmungen des BAT ausnimmt. Die Parteien haben – anders als in der grundlegend anders gelagerten Fallgestaltung, die der Entscheidung des Senats vom 10. Juni 2009 (- 4 AZR 194/08 – AP BGB § 157 Nr. 38) zugrunde lag – nicht etwa mehrere Elemente aus verschiedenen Normenwerken in einer eigenständigen Vertragsregelung miteinander verbunden, die einer Grundvorstellung des Arbeitsvertrages entgegensteht, mit der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme auf das tarifliche Regelungswerk des BAT sollten für die Zukunft die arbeitsvertraglichen Bedingungen im Grundsatz der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes anvertraut werden (s. auch BAG 24. August 2011 – 4 AZR 683/09 – Rn. 32). Die Herausnahme der in § 2 des Arbeitsvertrages aufgeführten tariflichen Bestimmungen des BAT berühren das in Bezug genommene Regelungswerk nicht in seinem materiellen Gehalt. Die aufgeführten §§ 1 bis 3 BAT betreffen den Geltungsbereich oder Sonderregelungen für bestimmte Berufsgruppen, die bei einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme grundsätzlich entbehrlich sind. Das Gelöbnis nach § 6 BAT betrifft allein den öffentlichen Dienst. Gleiches gilt für die Nichtanwendung der §§ 11, 69 BAT über die Anwendbarkeit bestimmter beamtenrechtlicher Vorschriften für einen privaten Arbeitgeber. Die ebenfalls ausgenommenen Schlussvorschriften des § 73 BAT sind vorliegend ebenfalls ohne erkennbare Bedeutung wie dies auch für das in § 25 BAT genannte Prüfungserfordernis für Angestellte im kommunalen Verwaltungs-, Kassen- und Sparkassendienst nach der Anlage 3 zum BAT gilt. Trotz der Nichtanwendung der §§ 23, 23a, 23b BAT bleiben vorliegend insbesondere die Grundsätze der Tarifautomatik nach § 22 BAT anwendbar (anders etwa in dem Rechtsstreit, der der Entscheidung des Senats 26. Januar 2011 – 4 AZR 333/09 – Rn. 16, EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Bezugnahmeklausel Nr. 30, zugrunde lag).
38

d) Die Regelung zur Wahrung des arbeitsvertraglichen Besitzstandes in § 4 Satz 1 Haustarifvertrag führt entgegen der Auffassung des Klägers zu keinem anderen Ergebnis. Mit ihr wird lediglich die nach § 4 Abs. 3 TVG bestehende Rechtslage wiedergegeben. Was Inhalt der „Vereinbarungen arbeitsvertraglicher Art“ ist, ist unabhängig von § 4 Satz 1 Haustarifvertrag nach den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung und ergänzenden Vertragsauslegung zu bestimmen. Die Anwendung dieser Regeln führt – wie vorstehend dargelegt – dazu, dass der BAT sowie die ergänzenden Tarifverträge nicht mehr von der Bezugnahmeklausel erfasst sind und damit nicht mehr aufgrund einer „Vereinbarung arbeitsvertraglicher Art“ im Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.
39

2. Der Antrag zu 4) ist insgesamt unbegründet.
40

a) Die Klage ist, wie die gebotene Auslegung ergibt (vgl. BAG 20. Mai 2009 – 4 AZR 230/08 – Rn. 19 mwN, AP TVG § 3 Nr. 42 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 45; 26. Januar 2011 – 4 AZR 159/09 – Rn. 14, AP TVG § 3 Betriebsnormen Nr. 7 = EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 6), hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und daher zulässig. Ausweislich der Klagebegründung beansprucht der Kläger den Zusatzurlaub für das Jahr 2008 auf der Grundlage der in der Klageschrift beigefügten „Urlaubsregelung, hier: Zusatzurlaub während bestimmter Zeiten“ vom 2. Dezember 1977.
41

b) Der Klageantrag ist unbegründet.
42

aa) Die Klage auf Gewährung des Urlaubs ist bereits deshalb unbegründet, weil der Kläger eine Anspruchsgrundlage nicht schlüssig dargetan hat, wie es die Beklagte auch bereits erstinstanzlich gerügt hatte, so dass es nicht darauf ankommt, ob dem Kläger der Urlaub im Wege des Schadenersatzes zu gewähren ist.
43

Der Kläger, der sich zur Begründung seines Anspruchs auf eine in der „Urlaubsregelung“ genannte Betriebsvereinbarung vom 14. Dezember 1970/1. Dezember 1971 stützt, hat eine solche weder vorgelegt noch erschließt sich deren Inhalt aus der genannten Anlage zur Klageschrift. Zudem zielt der Kläger für sein Begehren nicht auf den in der „Urlaubsregelung“ genannten „betrieblichen Zusatzurlaub“, der zunächst einmal allein Inhalt einer Betriebsvereinbarung sein könnte, sondern auf einen „tariflichen Zusatzurlaub“. Dass dieser „tarifliche Zusatzurlaub“ hinsichtlich seiner Anspruchsvoraussetzungen durch eine Betriebsvereinbarung bei der Beklagten geregelt ist, wie es der Kläger zweitinstanzlich behauptet hat, ist von ihm weder näher dargetan noch ersichtlich.
44

bb) Darüber hinaus hat der Kläger in beiden Instanzen trotz eines entsprechenden Einwands der Beklagten nicht dargetan, dass er seinen Urlaub in der Zeit vom 2. Januar 2008 bis zum 10. Januar 2008 entsprechend den Bestimmungen der von ihm vorgelegten und wohl als Merkblatt zu verstehenden „Urlaubsregelung“ tatsächlich „aus betrieblichen Gründen“ in Anspruch genommen hat. Daher sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zusatzurlaub auch deshalb nicht ersichtlich.
45

III. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Bepler

Winter

Treber

von Dassel

J. Ratayczak

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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