BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 18.9.2019, 5 AZR 240/18 Annahmeverzug – Ausschlussfrist – Beschäftigungsklage

Januar 16, 2020

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 18.9.2019, 5 AZR 240/18
Annahmeverzug – Ausschlussfrist – Beschäftigungsklage

Leitsätze

Mit einer Klage auf vertragsgemäße Beschäftigung macht der Arbeitnehmer zugleich die für diese Beschäftigung vereinbarten Entgeltansprüche im Sinne der ersten Stufe einer (tarif-)vertraglichen Ausschlussfrist geltend.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird festgestellt, dass das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 14. März 2018 – 7 Sa 464/17 – insoweit gegenstandslos ist, als es die Berufung der Klägerin wegen Annahmeverzugsansprüchen für den Monat Juni 2010 zurückgewiesen hat.

2. Im Übrigen wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 14. März 2018 – 7 Sa 464/17 – aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, soweit es die Berufung der Klägerin hinsichtlich der eingeklagten Annahmeverzugsvergütung vom 1. Juli 2010 bis zum 30. April 2011 zurückgewiesen hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten – soweit für die Revision von Belang – über Vergütung wegen Annahmeverzugs bezogen auf Rufbereitschaftsdienste für den Zeitraum 1. Juli 2010 bis einschließlich 30. April 2011.
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Die Klägerin ist seit Januar 1991 als Fachärztin für Innere Medizin bei der Beklagten im Universitätsklinikum E beschäftigt. Seit November 2006 ist ihr gemäß Arbeitsvertrag vom 14. Februar 2007 die Tätigkeit als vollbeschäftigte Oberärztin für den ambulanten Bereich der Klinik für Knochenmarktransplantation übertragen worden. Der Arbeitsvertrag nimmt Bezug auf den Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken in der jeweils geltenden Fassung (iF TV-Ärzte) und enthält in § 7, einer sog. Nebenabrede, das Einvernehmen der Parteien, dass die Klägerin an dem in der Klinik für Knochenmarktransplantation eingerichteten Bereitschaftsdienst teilnimmt. § 37 TV-Ärzte enthält eine Ausschlussfrist, die Folgendes bestimmt:

„§ 37 Ausschlussfrist. (1) 1Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Ärzten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. 2Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus.

(2) Absatz 1 gilt nicht für Ansprüche aus einem Sozialplan.“
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Die Klägerin war – wie die anderen Oberärzte auch – im ärztlichen Rufbereitschaftsdienst eingesetzt und wurde hierfür zusätzlich vergütet. Die Vergütung für die Rufbereitschaftsdienste variierte sowohl nach der Anzahl der monatlich geleisteten Dienste als auch in der Höhe der Vergütung. Sie belief sich im Jahr 2009 auf durchschnittlich 1.973,96 Euro brutto. In der Klinik für Knochenmarktransplantation war die Klägerin letztmalig im Januar 2010 für Rufbereitschaftsdienste eingeteilt. In der Zeit vom 5. Februar bis zum 21. Mai 2010 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Vom 25. Mai bis 29. Juni 2010 wurde ihr Urlaub erteilt. Zum 1. Juli 2010 wurde die Klägerin als Oberärztin in die Medizinische Klinik/Nephrologie versetzt. Rufbereitschaftsdienste wurden ihr nicht mehr zugeteilt.
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Mit Klage vom 3. Mai 2010 hat die Klägerin ua. Beschäftigung in der vormaligen Position als Oberärztin in der Klinik für Knochenmarktransplantation gefordert. Am 30. Juni 2010 hat sie einen entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt. Während dieser Antrag rechtskräftig abgewiesen wurde (Landesarbeitsgericht Düsseldorf – 11 SaGa 21/10 -), hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 15. Juli 2011 (- 9 Sa 343/11 -) der Beschäftigungsklage stattgegeben. Das Urteil ist in Rechtskraft erwachsen. Die Beklagte setzt die Klägerin gleichwohl nach wie vor in der Klinik für Nephrologie ein, ohne dass eine weitere Versetzung erfolgt ist. Die Klägerin hat bisher keine Vollstreckung aus dem Urteil vom 15. Juli 2011 betrieben und arbeitet seither in der Klinik für Nephrologie. Seit Juni 2010 zahlt die Beklagte an die Klägerin lediglich die regelmäßige Vergütung.
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Soweit für die Revision von Relevanz, fordert die Klägerin Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 30. April 2011 nebst Zinsen. Sie ist der Auffassung, angesichts der widerrechtlichen Versetzung in die Klinik für Nephrologie bestehe ein Anspruch auf Einteilung zu Rufbereitschaftsdiensten in der Klinik für Knochenmarktransplantation. Die Höhe der hierbei erzielten Vergütung sei auf Basis vorangegangener Dienste zu schätzen. Die Ausschlussfrist des § 37 TV-Ärzte sei durch die Klage auf Beschäftigung gewahrt.
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Die Klägerin hat, soweit für die Revision von Bedeutung, zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 19.087,61 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach näherer betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Etwaige Ansprüche seien jedenfalls verfallen. Die Klage auf Beschäftigung genüge zur Wahrung der Ausschlussfrist nicht. Die Versetzung in die Nephrologie sei auch nicht kausal für die Nichtzahlung von Rufbereitschaftsdienstvergütungen. Schon vor der Versetzung sei wegen einer irreparablen Störung des Vertrauensverhältnisses zur Klägerin die Entscheidung getroffen worden, diese in der Klinik für Knochenmarktransplantation nicht weiter im Rufbereitschaftsdienst einzusetzen. Im Hintergrunddienst der Nephrologie könne die Klägerin mangels Weiterbildung zur Fachärztin für Nephrologie nicht tätig werden.
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Mit Klage vom 14. November 2011 hat die Klägerin – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – zunächst ua. die Feststellung der Vergütungspflicht, hilfsweise im Wege der Stufenklage Auskunft und Leistung verlangt. Mit Klageerweiterung vom 9. Mai 2012 hat sie hilfsweise einen bezifferten Leistungsantrag erhoben, den sie später erweitert hat. Das Arbeitsgericht hat – soweit für das Revisionsverfahren von Belang – der Klage teilweise stattgegeben und der Klägerin Annahmeverzugsvergütung für die Zeit von November 2011 bis Dezember 2015 zuerkannt; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin weitere Vergütung für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 2011 sowie für die Zeit vom 1. Januar 2016 bis 28. Februar 2017 zuerkannt. Bezogen auf den Zeitraum 1. Juni 2010 bis zum 30. April 2011 hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht beschränkt zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Zahlungsansprüche bzgl. der Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 30. April 2011 weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das Berufungsurteil ist von Amts wegen zu korrigieren, soweit es die Berufung der Klägerin in Bezug auf einen Annahmeverzugslohnanspruch für den Monat Juni 2010 zurückgewiesen hat. Im Übrigen kann der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 30. April 2011 Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs zustehen. Dieser ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht verfallen. Über dessen tatsächliches Bestehen und seine Höhe kann der Senat auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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I. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist rechtsfehlerhaft, soweit es über eine Berufung der Klägerin in Bezug auf einen Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs für den Monat Juni 2010 entschieden hat. Dies hat die Klägerin in der Berufung (nicht mehr) begehrt. Es liegt ein von Amts wegen zu beachtender Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO vor. Das Urteil ist insoweit gegenstandslos.
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1. Eine Verletzung des Antragsgrundsatzes nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt nicht nur dann vor, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dies beantragt zu haben, sondern auch, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat (vgl. BAG 23. Januar 2019 – 4 AZR 445/17 – Rn. 18; 15. April 2015 – 4 AZR 796/13 – Rn. 21, BAGE 151, 235). Ein Verstoß der Vorinstanzen gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten (BAG 9. Dezember 2014 – 1 AZR 146/13 – Rn. 22 mwN).
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2. Mit dem in der Klageschrift angebrachten Feststellungsantrag hat die Klägerin Vergütung wegen Annahmeverzugs seit Juni 2010 begehrt. Hierüber hat das Arbeitsgericht entschieden und die Klage auch bezogen auf diesen Monat abgewiesen. Mit der Berufungsbegründung hat die Klägerin den Monat Juni 2010 jedoch nicht mehr in ihren Antrag einbezogen und das Urteil des Arbeitsgerichts insoweit nicht angegriffen. Dies folgt aus der Darstellung der Berechnung ihrer Klageforderung in der Berufungsbegründung, aus der ersichtlich ist, dass Ansprüche – nunmehr – erst ab Juli 2010 geltend gemacht werden. Das Landesarbeitsgericht hat gleichwohl auch über einen Anspruch für Juni 2010 entschieden. Denn es hat in den Entscheidungsgründen angegeben, dass „ein Vergütungsanspruch für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis zum 30.04.2011 […] nach § 37 TV-Ärzte verfallen“ sei. Damit hat das Landesarbeitsgericht über einen Anspruch entschieden, der nicht – mehr – Gegenstand des Antrags gewesen ist. Der Verstoß des Landesarbeitsgerichts gegen § 308 Abs. 1 ZPO bewirkt, dass die Entscheidung insoweit gegenstandslos ist (vgl. BAG 9. Dezember 2014 – 1 AZR 146/13 – Rn. 23 mwN).
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II. Im Übrigen ist die Revision begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte nicht annehmen, dass etwaige Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs von Juli 2010 bis April 2011 aufgrund der arbeitsvertraglich einbezogenen Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TV-Ärzte verfallen sind. Die Klägerin hat die Ansprüche mit der Klage auf Beschäftigung innerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist seit Fälligkeit geltend gemacht. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Vergütungsklage kann dem Grunde nach begründet sein. Der Senat kann jedoch auf Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht endentscheiden. Daher ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), das zu prüfen haben wird, ob allein die Versetzung kausal für den Verdienstausfall war und wenn ja, in welcher Höhe Ansprüche bestehen.
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1. Die Klägerin kann dem Grunde nach einen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB für die Zeit von Juli 2010 bis April 2011 wegen unterbliebener Einteilung zu Rufbereitschaftsdiensten haben.
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a) Die Klägerin hat Anspruch auf Teilnahme an den Rufbereitschaftsdiensten.
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Seit dem Jahr 2006 sind sich die Parteien darüber einig, dass zu den Arbeitsaufgaben der Klägerin, wie der anderen Oberärzte auch, die Teilnahme am Rufbereitschaftsdienst zählt. Die Leistung dieser Dienste gehört sowohl nach Auffassung der Klägerin als auch nach eigenem Vortrag der Beklagten – jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum – zum Berufsbild eines bei der Beklagten beschäftigten Oberarztes. Dieses Verständnis der Beklagten wird bestätigt durch ein internes Schreiben des Dezernats Personalwesen der Beklagten vom 22. November 2010, mit dem die Klinikleitung darauf hingewiesen wird, dass ein Oberarzt auch an den Rufbereitschaftsdiensten teilzunehmen berechtigt ist. Die konkrete Einteilung hat die Beklagte in Ausübung ihres Direktionsrechts nach § 106 GewO vorzunehmen.
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b) Ob die Klägerin Vergütung verlangen kann, weil die Beklagte mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug gekommen ist, indem sie im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihr angebotene Leistung nicht angenommen hat (§ 615 Satz 1, § 293 BGB), ist durch das Landesarbeitsgericht erneut zu prüfen. Der Senat kann insoweit nicht endentscheiden, weil es an Feststellungen zur Kausalität fehlt.
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aa) Die Beklagte kann in Annahmeverzug geraten sein, nachdem sie die von der Klägerin angebotene Arbeitsleistung abgelehnt hat (§§ 293, 294 ff. BGB).
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(1) Der Arbeitgeber kommt gemäß § 293 BGB in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung grundsätzlich tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers (§ 295 BGB) genügt, wenn der Arbeitgeber ihm zuvor erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder er sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen (BAG 25. Februar 2015 – 1 AZR 642/13 – Rn. 41, BAGE 151, 35; 25. Februar 2015 – 5 AZR 886/12 – Rn. 41, BAGE 151, 45). Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich (BAG 15. Mai 2013 – 5 AZR 130/12 – Rn. 22; 19. September 2012 – 5 AZR 627/11 – Rn. 28, BAGE 143, 119). Zudem kann ein Angebot der Arbeitsleistung ausnahmsweise nicht erforderlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt (vgl. BAG 24. September 2014 – 5 AZR 611/12 – Rn. 22 mwN, BAGE 149, 144; 16. April 2013 – 9 AZR 554/11 – Rn. 17; BGH 9. Oktober 2000 – II ZR 75/99 – zu 1 der Gründe).
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(2) Ein tatsächliches Angebot iSv. § 294 BGB war im Streitfall gemäß § 295 BGB entbehrlich. Die Beklagte hat zwar nicht wörtlich erklärt, sie werde die Arbeitsleistung der Klägerin in der Klinik für Knochenmarktransplantation mit den dort stattfindenden Rufbereitschaftsdiensten nicht annehmen. Sie hat dies jedoch darin hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Klägerin mit Wirkung vom 1. Juli 2010 dort nicht mehr eingesetzt, sondern – unwirksam, wie vom Landesarbeitsgericht rechtskräftig festgestellt – auf die Position einer Oberärztin in die Medizinische Klinik/Nephrologie ohne Möglichkeit der Leistung von Rufbereitschaftsdiensten versetzt hat. Die Klägerin musste dies als Weigerung verstehen, sie entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarung als Oberärztin für den ambulanten Bereich der Klinik für Knochenmarktransplantation mit den dort üblichen Rufbereitschaftsdiensten zu beschäftigen.
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(3) Die Klägerin hat ihre Arbeitsleistung den Anforderungen des § 295 BGB entsprechend angeboten. Dieses Angebot liegt in der im Mai 2010 erhobenen Klage auf Beschäftigung als vollbeschäftigte Oberärztin für den ambulanten Bereich der Klinik für Knochenmarktransplantation und wird nochmals wiederholt in dem entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 30. Juni 2010. Das Angebot umfasst auch die Ableistung von Rufbereitschaftsdiensten.
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(a) Der Anspruch auf Annahmeverzugslohn in Bezug auf eine vor einer Versetzung ausgeübten Tätigkeit setzt voraus, dass der Arbeitnehmer erkennbar gegen die Versetzung selbst protestiert. Im Rahmen der Geltendmachung von Annahmeverzug kann er nicht die Versetzung und seinen dementsprechenden Arbeitseinsatz tatsächlich hinnehmen, jedoch in vergütungsrechtlicher Hinsicht auf seine Tätigkeit vor der Versetzung verweisen. Es fehlt dann an dem Angebot der Arbeitsleistung für die Tätigkeit, für die Vergütung begehrt wird (vgl. BAG 23. November 2006 – 6 AZR 317/06 – Rn. 47, BAGE 120, 239; 12. Mai 2004 – 4 AZR 338/03 – zu I 1 b der Gründe).
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(b) Danach hat die Klägerin mit ihrer Klage auf Verurteilung zur Beschäftigung als vollbeschäftigte Oberärztin für den ambulanten Bereich in der Klinik für Knochenmarktransplantation vom 3. Mai 2010 bezogen auf diese Tätigkeit ein taugliches Angebot unterbreitet. Sie hat hiermit deutlich erkennbar gegen die von der Beklagten ausgesprochene Versetzung protestiert. Dieser Protest und damit das wörtliche Angebot der Klägerin umfassen die gesamte vor der Versetzung ausgeübte Tätigkeit, mithin auch die Ableistung von Rufbereitschaftsdiensten. Die Klage auf Beschäftigung in der Klinik für Knochenmarktransplantation kann nicht so verstanden werden, dass die Klägerin die Übertragung nur eines Teils der bisher ausgeübten Aufgaben gerichtlich durchsetzen wollte. Hierfür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Für die Beklagte war vielmehr ohne Weiteres ersichtlich, dass die Klägerin die Zuweisung von Arbeit begehrt, wie sie von ihr bis zur Versetzung ausgeübt worden ist. Dies umfasst auch die Leistung von Rufbereitschaftsdiensten, wie sie von der Klägerin unstreitig noch im Januar 2010 erbracht wurden.
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bb) Die Klägerin kann von der Beklagten allerdings nur dann die entgangene Vergütung für die nicht geleisteten Rufbereitschaftsdienste verlangen, wenn sie diese Dienste auch ohne die Versetzung in die Medizinische Klinik/Nephrologie geleistet hätte. Denn Rechtsfolge des § 615 Satz 1 BGB ist, dass der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch in Art und Umfang wie vertraglich vereinbart „behält“. § 615 BGB ist damit keine eigenständige Anspruchsgrundlage, sondern hält den vereinbarten Vergütungsanspruch im Falle des Annahmeverzugs aufrecht (BAG 27. Januar 2016 – 5 AZR 9/15 – Rn. 16, BAGE 154, 100). Ob die Versetzung in diesem Sinne kausal für den Verdienstausfall war, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Dies wird es im fortgesetzten Berufungsverfahren nachzuholen haben.
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(1) Die Beklagte hat in den Vorinstanzen behauptet, sie hätte die Klägerin in der Klinik für Knochenmarktransplantation nicht mehr zu Rufbereitschaftsdiensten herangezogen, weil sie – zusammengefasst formuliert – diese Dienste in der Vergangenheit nicht ordnungsgemäß und zuverlässig ausgeführt habe. Hierzu hat die Beklagte im Einzelnen näher vorgetragen. Diese – von der Klägerin jedoch bestrittenen – Gründe sind an sich geeignet, die Klägerin von der Heranziehung zu Rufbereitschaftsdiensten auszuschließen. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb den streitigen Sachverhalt, ggf. durch Erhebung der angebotenen Beweise, aufzuklären und im Anschluss zu prüfen haben, ob auf der Grundlage der hiernach festgestellten Tatsachen die Entscheidung der Beklagten, die Klägerin nicht mehr zu Rufbereitschaftsdiensten heranzuziehen, billigem Ermessen iSv. § 106 GewO entsprach.
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(2) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist diese Prüfung nicht obsolet, weil die Beklagte in der Berufungsinstanz ihren diesbezüglichen Vortrag nicht mehr weiterverfolgt, im Ergebnis also fallen gelassen habe. Diese Annahme des Berufungsgerichts ist unzutreffend.
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(a) Das Landesarbeitsgericht berücksichtigt nicht, dass nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO mit dem zulässigen Rechtsmittel der gesamte aus den Akten ersichtliche Prozessstoff des ersten Rechtszugs in die Berufungsinstanz gelangt. Das gilt auch dann, wenn ihn das erstinstanzliche Gericht als unerheblich angesehen und es daher keine Feststellungen getroffen hat (st. Rspr., vgl. BGH 13. Januar 2012 – V ZR 183/10 – Rn. 11 mwN; 13. April 2011 – XII ZR 110/09 – Rn. 35, BGHZ 189, 182; 27. September 2006 – VIII ZR 19/04 – Rn. 16; Musielak/Voit/Ball ZPO 16. Aufl. § 529 Rn. 3). Das Berufungsgericht hat deshalb auch schriftsätzlich angekündigtes, entscheidungserhebliches Parteivorbringen zu berücksichtigen, das von dem erstinstanzlichen Gericht für unerheblich erachtet worden ist, selbst wenn es im Urteilstatbestand des Erstgerichts keine Erwähnung gefunden hat (BGH 13. April 2011 – XII ZR 110/09 – Rn. 35, aaO; MüKoZPO/Rimmelspacher 5. Aufl. § 529 Rn. 4). Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine Partei den im ersten Rechtszug gehaltenen Vortrag in der Berufung nicht weiterverfolgt, also „fallen lässt“. Dies kann ausdrücklich, aber auch konkludent erfolgen. Insoweit ist zu beachten, dass ein Verzicht auf Rechte im Allgemeinen nicht zu vermuten ist, so dass deren Aufgabe nur unter strengen Voraussetzungen, nämlich bei einem dahingehenden unzweideutigen Verhalten oder sonst eindeutigen Anhaltspunkten angenommen werden kann. Das gilt in gleicher Weise für prozessuales Vorbringen, bei dem hinzukommt, dass etwaige Zweifel über seinen Fortbestand eine Aufklärung nach § 139 Abs. 1 ZPO gebieten (BGH 14. November 2017 – VIII ZR 101/17 – Rn. 17).
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(b) Hiernach kann entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe ihr Vorbringen zu den Gründen für die Nichtberücksichtigung der Klägerin bei den Rufbereitschaftsdiensten im zweiten Rechtszug nicht weiterverfolgt. Einen ausdrücklichen Verzicht hat die Beklagte nicht erklärt. Vielmehr hat sie sich in der Berufungserwiderung ausdrücklich auf die Gründe für eine Nichteinteilung zu Rufbereitschaftsdiensten berufen. Damit scheidet auch ein konkludenter Verzicht aus.
29

(c) Entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung handelt es sich bei der Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe ihren Vortrag zur Nichtberücksichtigung der Klägerin bei den Rufbereitschaftsdiensten nicht weiterverfolgt, nicht um eine den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO bindende tatsächliche Feststellung, sondern um eine rechtliche Schlussfolgerung, die das Berufungsgericht – rechtsfehlerhaft – aus dem Akteninhalt gezogen hat. Das Landesarbeitsgericht hat nicht berücksichtigt, dass mit dem zulässigen Rechtsmittel der gesamte aus den Akten ersichtliche Prozessstoff des ersten Rechtszugs in die Berufungsinstanz gelangt und nur bei unzweideutigem Verhalten oder sonst eindeutigen Anhaltspunkten, die Annahme gerechtfertigt ist, eine Partei verfolge bereits gehaltenen Vortrag nicht weiter.
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cc) Kommt das Landesarbeitsgericht im fortgesetzten Berufungsverfahren zu dem Ergebnis, dass ein Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs besteht, wird es Feststellungen zu dessen Höhe zu treffen haben. An diesen fehlt es – aus Sicht des Landesarbeitsgerichts konsequent – bisher.
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2. Etwaige Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit von Juli 2010 bis April 2011 sind, anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen, nicht aufgrund der Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TV-Ärzte verfallen. Die Klägerin hat diese mit Erhebung der Klage auf Beschäftigung innerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist seit Fälligkeit rechtzeitig geltend gemacht.
32

a) Die Ausschlussfrist des § 37 TV-Ärzte ist aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme in § 1 des Arbeitsvertrags vom 14. Februar 2007 auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anwendbar. Die Klausel ist wirksam einbezogen. Die Bezugnahmeklausel genügt insbesondere dem Transparenzgebot iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine dynamische Verweisung auf Vorschriften eines anderen Regelwerks führt für sich genommen nicht zur Intransparenz. Die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung geltenden, in Bezug genommenen Regelungen sind bestimmbar (vgl. BAG 23. Januar 2019 – 4 AZR 541/17 – Rn. 42 mwN).
33

b) Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte verfallen „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Ärzten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Die Ausschlussfrist erfasst den Anspruch auf Annahmeverzugslohn für nicht geleistete Rufbereitschaftsdienste.
34

aa) Zu Ansprüchen „aus dem Arbeitsverhältnis“ gehören alle Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehungen gegeneinander haben, ohne dass es auf die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage ankommt. Erforderlich ist lediglich, dass das Arbeitsverhältnis die Grundlage für den Anspruch bildet (vgl. BAG 17. April 2019 – 5 AZR 331/18 – Rn. 14; vgl. zu § 37 TVöD-V BAG 11. April 2019 – 6 AZR 104/18 – Rn. 16).
35

bb) Der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs ist ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Denn § 615 Satz 1 BGB erhält dem Arbeitnehmer trotz Nichtleistung der Arbeit den Vergütungsanspruch aufrecht, unabhängig davon, ob sich dieser aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung aus § 611 Abs. 1 BGB bzw. nunmehr § 611a Abs. 2 BGB oder – bei Fehlen einer Vergütungsabrede – aus § 612 Abs. 1 BGB ergibt (BAG 19. August 2015 – 5 AZR 1000/13 – Rn. 21 mwN, BAGE 152, 221).
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c) Die Ausschlussfrist des § 37 TV-Ärzte ist wirksam. Ob die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TV-Ärzte wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB insoweit teilnichtig ist, als sie mangels ausdrücklicher anderweitiger Regelung auch durch vorsätzliches Handeln des Arbeitgebers selbst verursachte Ansprüche miteinbezieht (so BAG 23. Januar 2019 – 4 AZR 541/17 – Rn. 41 mwN), oder ob eine am Sinn und Zweck solcher Klauseln orientierte Auslegung ergibt, dass derartige Ausnahmefälle von der Klausel gar nicht erfasst sind (so BAG 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04 – zu III 2 der Gründe, BAGE 115, 19; 20. Juni 2013 – 8 AZR 280/12 – Rn. 21 zu vertraglich vereinbarten Ausschlussfristen), bedarf keiner Entscheidung. Nach beiden Auffassungen ist § 37 TV-Ärzte wirksam und erfasst die streitgegenständlichen Ansprüche.
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d) Rechtsfehlerhaft hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass Ansprüche der Klägerin von Juli 2010 bis April 2011 verfallen sind. Die Klägerin hat etwaige Ansprüche auf Annahmeverzugslohn wegen der Nichteinteilung zu Rufbereitschaftsdiensten durch Erhebung der Klage auf Beschäftigung vom 3. Mai 2010 innerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TV-Ärzte rechtzeitig geltend gemacht.
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aa) Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Wahrung von Ausschlussfristen durch die Erhebung einer Klage in Bestandsschutzverfahren ist im Streitfall auf die gerichtliche Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Versetzung übertragbar.
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(1) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört im Regelfall, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Dabei ist der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich zu bezeichnen und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich zu machen; die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, muss zu erkennen sein, während eine Bezifferung nicht stets erforderlich ist (vgl. BAG 11. April 2019 – 6 AZR 104/18 – Rn. 33 mwN; 19. August 2015 – 5 AZR 1000/13 – Rn. 24, BAGE 152, 221).
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(2) Für den Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung lässt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hiervon seit Jahrzehnten eine Ausnahme zu (vgl. BAG 19. August 2015 – 5 AZR 1000/13 – Rn. 26, BAGE 152, 221).
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(a) Mit der Kündigungsschutzklage wahrt der Arbeitnehmer eine einstufige bzw. die erste Stufe einer zweistufigen tariflichen Ausschlussfristenregelung für alle vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche. Denn mit einer solchen Klage erstrebt der Arbeitnehmer nicht nur die Erhaltung seines Arbeitsplatzes, sondern bezweckt darüber hinaus, sich die Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs zu erhalten. Die Ansprüche müssen weder ausdrücklich bezeichnet noch beziffert werden (vgl. BAG 19. August 2015 – 5 AZR 1000/13 – Rn. 26, BAGE 152, 221; st. Rspr. seit BAG 10. April 1963 – 4 AZR 95/62 – BAGE 14, 156; zu einer vergleichbaren Situation, wenn einem Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung nach bestandener Abschlussprüfung Beschäftigung und Vergütung verweigert wird vgl. BAG 24. August 2016 – 5 AZR 853/15 – Rn. 32; 19. August 2015 – 5 AZR 1000/13 – Rn. 27 ff., aaO). Wenn es Ziel einer Kündigungsschutzklage ist, dem Arbeitnehmer auch die ihm nach § 615 BGB zustehenden Vergütungsansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu erhalten und als Folge seines Obsiegens im Kündigungsschutzprozess zu sichern, beinhaltet diese auch den Willen des Arbeitnehmers, im Falle einer ihm günstigen Entscheidung wegen seiner Forderungen den Arbeitgeber in Anspruch zu nehmen. Das ist dem Arbeitgeber als Gegner der Kündigungsschutzklage erkennbar. Denn es widerspricht jeder Lebenserfahrung anzunehmen, dass der Arbeitgeber der Auffassung sein könnte, der Arbeitnehmer wolle im Falle seines Obsiegens das Arbeitsverhältnis fortsetzen, ohne die Vergütung für die Zwischenzeit zu verlangen (vgl. BAG 10. April 1963 – 4 AZR 95/62 – aaO). Für vertraglich vereinbarte Ausschlussfristen gilt dies gleichermaßen (vgl. BAG 19. Mai 2010 – 5 AZR 253/09 – Rn. 18).
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(b) Darüber hinaus sind tarifvertragliche Ausschlussfristen, die eine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung vorsehen, verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die vom Erfolg einer Bestandsstreitigkeit abhängigen Ansprüche bereits mit der Klage in der Bestandsstreitigkeit gerichtlich geltend gemacht sind (vgl. BAG 24. September 2014 – 5 AZR 593/12 – Rn. 28, BAGE 149, 169). Kann der Arbeitnehmer nicht das Obsiegen in der Bestandsschutzstreitigkeit abwarten, wird ihm ein prozessuales Risiko aufgebürdet, das die Durchsetzung des gesetzlichen Bestandsschutzes beeinträchtigen kann (BAG 19. September 2012 – 5 AZR 627/11 – Rn. 23, BAGE 143, 119). Das macht das Einklagen der Vergütungsansprüche unzumutbar und verletzt damit Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BVerfG 1. Dezember 2010 – 1 BvR 1682/07 – Rn. 26). Bei einer Bestandsschutzstreitigkeit sind § 4 Satz 1 KSchG, § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG als Ausprägungen des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG bei der Auslegung von Ausschlussfristen zu berücksichtigen. Sie sind Teil einer vom Gesetzgeber verfolgten Gesamtkonzeption, dem Arbeitnehmer beim Streit über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses den Weg zu den Gerichten für Arbeitssachen zu ebnen und nicht durch Kostenbarrieren zu versperren (vgl. BVerfG 1. Dezember 2010 – 1 BvR 1682/07 – Rn. 23).
43

(3) Diese Grundsätze sind gleichermaßen anzuwenden, wenn sich der Arbeitnehmer mit einem Leistungsantrag auf vertragsgemäße Beschäftigung gegen eine unwirksame Versetzung wendet. Damit macht er – für den Arbeitgeber erkennbar – jedenfalls zugleich Ansprüche im Sinne der ersten Stufe einer Ausschlussfrist geltend, die aus dieser Beschäftigung folgen. Auch in einem solchen Fall spricht – vorbehaltlich möglicher Besonderheiten der Klagebegründung – grundsätzlich nichts dafür, dass der Arbeitnehmer nur die ideelle Beschäftigung gerichtlich durchsetzen will und nicht auch zugleich die sich daraus ergebenden vertragsgemäßen Entgeltansprüche geltend macht. Nicht erfasst werden dagegen Ansprüche, die nicht von dem Ausgang der Klage auf Beschäftigung abhängen, wie beispielsweise Zahlungsansprüche, die zusätzlich auf eine unrichtige Eingruppierung gestützt werden. Diese bedürfen zur Wahrung der Ausschlussfrist einer gesonderten, hierauf gestützten Geltendmachung (vgl. BAG 14. Dezember 2005 – 10 AZR 70/05 – Rn. 25, BAGE 116, 307). Die Beschäftigungsklage erfasst deshalb nur die Ansprüche, die dem „Normalfall“ entsprechen, also beim Arbeitgeber, dem Empfänger der Geltendmachung, als nach Grund und Höhe bekannt vorauszusetzen sind. Ansprüche, die auf Abweichungen von der bisherigen, zwischen den Arbeitsvertragsparteien praktizierten Verfahrensweise beruhen, unterfallen nicht der fristwahrenden Wirkung der Klage (vgl. BAG 14. Dezember 2005 – 10 AZR 70/05 – Rn. 29, aaO).
44

bb) Die Klägerin hat hiernach mit ihrer am 3. Mai 2010 anhängig gemachten Klage auf Beschäftigung die Ansprüche auf Annahmeverzugslohn wegen Nichteinteilung zu Rufbereitschaftsdiensten geltend gemacht. Der Beklagten war damit erkennbar, dass die Klägerin auch die aus der begehrten Beschäftigung als vertragsgemäße Gegenleistung geschuldeten Entgeltansprüche iSd. der Ausschlussfrist verlangt. Diese umfassen auch die zusätzliche Vergütung für die Teilnahme an Rufbereitschaftsdiensten. Die Leistung von Rufbereitschaftsdiensten war Teil der geschuldeten Arbeitsleistung der Klägerin und die von ihr hierfür geforderte Vergütung die dafür zu entrichtende Gegenleistung. Es handelt sich hierbei somit um Ansprüche, die von dem Ausgang der Klage auf Beschäftigung abhängen.
45

III. Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.

Linck

Berger

Volk

Mattausch

Ilgenfritz-Donné

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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