BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 19.11.2019, 3 AZR 142/18 Betriebliche Altersversorgung – Gesamtversorgung – Anpassung – Auslegung einer Aufhebungsvereinbarung

Februar 15, 2020

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 19.11.2019, 3 AZR 142/18
Betriebliche Altersversorgung – Gesamtversorgung – Anpassung – Auslegung einer Aufhebungsvereinbarung

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 6. Oktober 2017 – 10 Sa 110/17 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte nach Nr. 3 des Tenors Zinsen aus jeweils „23,88 Euro“ anstatt aus jeweils „26,87 Euro“ zu zahlen hat.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung einer dem Kläger von der Beklagten gewährten Betriebsrente.
2
Der Kläger war vom 1. August 1980 bis zum 31. Dezember 2001 bei der Beklagten – ein in den deutschen G-Konzern eingebundenes Lebensversicherungsunternehmen – tätig. Ihm wurden zunächst Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach den „Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes“ (im Folgenden BVW) zugesagt. Diese lauten auszugsweise:
Ausführungsbestimmungen des betrieblichen Versorgungswerkes
§ 6
Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse
1.
Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepaßt.
(Der § 49 AVG ist durch Artikel 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefaßt worden. Die Änderung ist am 01.01.92 in Kraft getreten).
2.
Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
3.
Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlußfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.
Der Beschluß ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.
4.
Eine Erhöhung der Pensionsergänzungszahlung kann im Einzelfall nicht durchgeführt werden, soweit und solange die nach § 5 der Ausführungsbestimmungen anzurechnenden Bezüge und die nach § 4 der Ausführungsbestimmungen vorgesehenen Gesamtversorgungsbezüge, erreichen oder überschreiten.
Betriebsangehörige, die eine Pensionsergänzung zu den Leistungen der Versorgungskasse zunächst nicht bekommen haben, weil ihre anzurechnenden Bezüge die vorgesehenen Gesamtversorgungsbezüge erreichen oder überschreiten, erhalten gegebenenfalls bei Veränderungen nach der Ziffer 1 oder 3 später eine Pensionsergänzung allein durch das in der Ziffer 1 oder 3 dargestellte Verfahren.“
3
Der Kläger schied auf der Grundlage einer Aufhebungsvereinbarung vom 13. November 2001 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 31. Dezember 2001 aus. Diese bestimmt auszugsweise:
8.
Die Volksfürsorge Deutsche Lebensversicherung AG gewährt Herrn H, unabhängig von der Höhe außerbetrieblicher Leistungen oder Leistungen der Versorgungskasse der Volksfürsorge VVaG., mit Beginn des Kalendermonats, von dem ab erstmals der Bezug einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung – ggf. auch mit Abschlägen – möglich ist, eine monatliche Rente von 2.610,98 DM brutto. Diese Rente wird nach den betrieblichen Bestimmungen angepaßt.“
4
Der Kläger trat nach der Vollendung seines 60. Lebensjahres zum 1. Dezember 2007 in den Altersruhestand und erhielt – neben seiner Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung – von der Beklagten nach der Regelung in Nr. 8 Satz 1 Aufhebungsvereinbarung eine Betriebsrente, die sich zum 30. Juni 2015 auf 1.496,12 Euro brutto erhöhte. Des Weiteren bezog er eine Rente der Versorgungskasse iHv. 561,35 Euro brutto.
5
Zum 1. Juli 2015 wurden die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,09717 vH erhöht.
6
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 16. Oktober 2015 mit, dass die Geschäftsführung der Beklagten beschlossen hatte, die „Gesamtversorgungsbezüge bzw. Renten unter Anwendung der in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes normierten Regelung zum 01.07.2015 für diesen Stichtag um 0,5 % zu erhöhen“.
7
Nach der Entscheidung der Beklagten sollten im Geltungsbereich des BVW entweder die Gesamtversorgungsbezüge um 0,5 vH erhöht und sodann die erhöhte gesetzliche Rente sowie die Versorgungskassenrente abgezogen werden oder, wenn dies für den Versorgungsempfänger günstiger war, lediglich die Pensionsergänzung um 0,5 vH erhöht werden. Demgemäß gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Juli 2015 eine Pensionsergänzung iHv. 1.503,60 Euro brutto. Zudem erhielt er weiterhin die Rente der Versorgungskasse unverändert iHv. 561,35 Euro brutto.
8
Zum 1. Juli 2016 stiegen die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung um 4,2451 vH.
9
Der Vorstand der Beklagten beschloss nach Anhörung der Betriebsräte und des Gesamtbetriebsrats am 20. Juni 2016, die Gesamtversorgungsbezüge bzw. Renten zum 1. Juli 2016 um 0,5 vH zu erhöhen; sofern eine Anpassung der Pensionsergänzung um 0,5 vH für den Versorgungsempfänger günstiger sein sollte, sollte diese vorgenommen werden. Der Aufsichtsrat der Beklagten fasste am 22. Juni 2016 einen entsprechenden Beschluss. Hierüber wurde der Kläger mit einem Schreiben aus August 2016 informiert. Ab dem 1. Juli 2016 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Pensionsergänzung iHv. 1.511,12 Euro brutto. Von der Versorgungskasse erhielt der Kläger ab dem 1. Juli 2016 eine Rente iHv. 564,21 Euro brutto.
10
Zum 1. Juli 2017 stiegen die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung um 1,90476 vH. Der Kläger bezieht seitdem eine Rente aus der Pensionskasse iHv. 564,77 Euro sowie eine Pensionsergänzung iHv. 1.539,90 Euro brutto.
11
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse ihm ab dem 1. Juli 2015 eine höhere Betriebsrente zahlen. Nach § 6 Ziff. 1 der Ausführungsbestimmungen (im Folgenden AB) BVW hätte seine Versorgungsleistung zu diesem Zeitpunkt um 2,09717 vH angehoben werden und die Beklagte ihm monatlich weitere 23,88 Euro brutto und ab dem 1. Juli 2016 weitere 81,28 Euro brutto zahlen müssen. Die Regelung in AB § 6 Ziff. 3 BVW sei mangels Bestimmtheit unwirksam. Jedenfalls seien ihre Voraussetzungen nicht erfüllt.
12
Die Aufhebungsvereinbarung habe das Gesamtversorgungssystem nicht abgeändert. Die Zahlung der Pensionsergänzung habe innerhalb des Systems der Versorgungsordnung erfolgen sollen. Andernfalls würde dies einen unzulässigen Verzicht auf Rechte aus einer Betriebsvereinbarung darstellen. Er würde durch eine derartige Regelung schlechter gestellt, da die Rente aus der Versorgungskasse nicht gesteigert werde. Zudem sei die Klausel unklar iSd. § 305c Abs. 2 BGB. Zumindest sei aber die Pensionsergänzung zu steigern.
13
Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn beginnend mit dem 1. September 2016 bis zum 30. Juni 2017 über den Betrag von 2.075,33 Euro brutto monatlich hinaus jeweils zum Ersten eines Monats einen Betrag iHv. 81,28 Euro brutto und ab dem 1. Juli 2017 über den Betrag von 2.104,67 Euro brutto monatlich hinaus jeweils zum Ersten eines Monats einen Betrag iHv. ebenfalls 81,28 Euro brutto hinaus zu zahlen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag iHv. 162,56 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 81,28 Euro seit dem 2. Juli 2016 sowie dem 2. August 2016 zu zahlen;
3.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag iHv. 286,56 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 23,88 Euro ab dem jeweiligen Zweiten eines Monats beginnend mit dem 2. Juli 2015 und endend mit dem 2. Juni 2016 zu zahlen.
14
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Anpassungen zum 1. Juli 2015 und zum 1. Juli 2016 seien auf der Grundlage von AB § 6 Ziff. 3 BVW erfolgt. Die Regelung sei ausreichend bestimmt. Eine Anpassung nach AB § 6 Ziff. 1 BVW sei aufgrund der veränderten rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht vertretbar.
15
Die Aufhebungsvereinbarung habe die Systematik der Gesamtversorgung nach den Regelungen des BVW beendet. Die Leistungen der gesetzlichen Rente sowie der Versorgungskasse würden nicht mehr angerechnet. Durch die Festlegung eines bestimmten Betrags der Pensionsergänzung sei der Kläger nicht ungünstiger gestellt als Betriebsrentner, die nach dem BVW anspruchsberechtigt seien. Die Aufhebungsvereinbarung sei wirksam. Die Regelung der AB § 6 BVW fände allerdings auch auf den Kläger Anwendung, da sich die Anpassung gemäß Nr. 8 Satz 2 Aufhebungsvereinbarung nach den Regelungen des BVW richte.
16
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen, soweit der Kläger für die Zeit ab Juli 2016 eine monatliche Differenz von mehr als 81,22 Euro brutto und damit monatlich eine Differenz iHv. 0,06 Euro brutto zu viel verlangt hat und im Übrigen die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

17
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden. Die zulässige Klage ist im noch rechtshängigen Umfang begründet.
18
1. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Klageantrag zu 1. Er ist auf Zahlung wiederkehrender Leistungen iSd. § 258 ZPO gerichtet. Bei wiederkehrenden Leistungen, die – wie Betriebsrentenansprüche – von keiner Gegenleistung abhängen, können gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird (BAG 25. September 2018 – 3 AZR 485/17 – Rn. 13).
19
2. Die Klage ist im noch rechtshängigen Umfang begründet. Die Beklagte ist aufgrund der Aufhebungsvereinbarung vom 13. November 2001 verpflichtet, die Pensionsergänzung des Klägers nach Nr. 8 Satz 2 Aufhebungsvereinbarung iVm. AB § 6 Ziff. 1 und Ziff. 2 BVW entsprechend der Steigerung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Juli 2015 um 2,09717 vH und zum 1. Juli 2016 um 4,2451 vH zu erhöhen. Das Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger jedenfalls hinsichtlich der Anpassung seiner Pensionsergänzung so zu behandeln ist, wie die den BVW unmittelbar unterfallenden Versorgungsberechtigten hinsichtlich ihrer Gesamtversorgung. Dies folgt aus der Auslegung von Nr. 8 Satz 2 Aufhebungsvereinbarung. Die Beklagte hat keine wirksame Anpassungsentscheidung iSd. AB § 6 Ziff. 3 BVW getroffen. Der Kläger hat deshalb ab dem 1. September 2016 Anspruch auf Zahlung weiterer 81,22 Euro brutto monatlich zum jeweiligen Ersten eines Monats und auf Zahlung rückständiger Leistungen für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis zum 31. August 2016 iHv. insgesamt 449,00 Euro brutto.
20
a) Die Anpassung der Pensionsergänzung des Klägers nach Nr. 8 Satz 1 Aufhebungsvereinbarung richtet sich aufgrund vertraglicher Vereinbarung nach AB § 6 BVW; seine Pensionsergänzung ist so anzupassen wie die Gesamtversorgung der direkt unter AB § 6 BVW fallenden Versorgungsempfänger. Auch das ergibt die Auslegung von Nr. 8 Satz 2 Aufhebungsvereinbarung (vgl. BAG 25. September 2018 – 3 AZR 485/17 – Rn. 15).
21
aa) Es kann dahinstehen, ob es sich bei der Regelung in Nr. 8 Aufhebungsvereinbarung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB (iVm. Art. 229 § 5 EGBGB), eine Einmalklausel iSd. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB (iVm. Art. 229 § 5 EGBGB) oder um eine individuelle Vertragsabrede und damit eine nichttypische Willenserklärung handelt. Selbst wenn Letzteres der Fall sein sollte, kann der Senat die Klausel auslegen. Zwar obliegt die Auslegung nichttypischer Erklärungen in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat. Das Revisionsgericht kann nichttypische Willenserklärungen aber selbst auslegen, wenn das Landesarbeitsgericht – wie vorliegend – den erforderlichen Sachverhalt vollständig festgestellt hat und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (vgl. dazu etwa BAG 15. Februar 2017 – 7 AZR 223/15 – Rn. 27 mwN) und das Revisionsgericht dem Landesarbeitsgericht folgt.
22
bb) Danach ist die Aufhebungsvereinbarung so auszulegen, dass jedenfalls die Pensionsergänzung so zu erhöhen ist wie die Gesamtversorgung der unmittelbar dem BVW unterfallenden Betriebsrentner.
23
(1) Der Wortlaut von Nr. 8 Satz 2 Aufhebungsvereinbarung bezieht sich auf die betrieblichen Bestimmungen und damit nicht ausdrücklich auf die Bestimmungen des BVW. Die Bezugnahme auf die „betrieblichen Bestimmungen“ lässt jedoch erkennen, dass es sich um ein im Betrieb der Beklagten allgemein geltendes Versorgungswerk – wie das BVW – handeln muss. Die nach der Aufhebungsvereinbarung zu gewährende Pensionsergänzung wird dann nach den betrieblichen Bestimmungen angepasst. Nr. 8 Satz 1 Aufhebungsvereinbarung zeigt, dass Nr. 8 Satz 2 Aufhebungsvereinbarung für die Anpassung der Pensionsergänzung des Klägers auf die betrieblichen Bestimmungen und damit diejenigen des BVW verweist. Dem Kläger war ursprünglich eine Gesamtversorgungszusage mit Gesamtrentenfortschreibung nach dem BVW zugesagt. Mit Abschluss der Aufhebungsvereinbarung haben die Vertragsparteien in Nr. 8 Satz 1 Aufhebungsvereinbarung vereinbart, dass der Kläger unabhängig von einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und einer Versorgungskassenrente eine in ihrer Ausgangshöhe festgelegte Pensionsergänzung erhält. Nr. 8 Satz 2 Aufhebungsvereinbarung sieht einen eigenständigen Anpassungsmechanismus für die Erhöhung der Pensionsergänzung allerdings nicht vor, sondern verweist auf die sonst maßgebenden Versorgungsregelungen. Daraus folgt, dass es für die Anpassung der Pensionsergänzung bei der Anwendung der bisherigen Anpassungsregelungen im BVW bleiben soll. Die Ansprüche des Klägers auf Anpassung seiner Pensionsergänzung sollen sich mithin nach denselben Regeln richten wie die Anpassung bei den dem BVW unterfallenden Betriebsrentnern. Der dort maßgebliche, die Gesamtversorgung betreffende Steigerungssatz soll auch für die Anpassung der Pensionsergänzung des Klägers gelten.
24
(2) Auch Sinn und Zweck von Nr. 8 Satz 2 Aufhebungsvereinbarung tragen dieses Verständnis. Der Kläger sollte hinsichtlich der Entwicklung seiner nach Nr. 8 Satz 1 Aufhebungsvereinbarung vereinbarten Pensionsergänzung so behandelt werden, wie die Versorgungsempfänger, die Versorgungsleistungen nach dem BVW erhalten; dies erfolgt, indem die Pensionsergänzung des Klägers um denselben Steigerungssatz erhöht wird wie die Gesamtversorgung nach dem BVW. Nur so wird eine entsprechende Behandlung sichergestellt.
25
(3) Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt eine Unwirksamkeit ihrer Anpassungsentscheidung nach AB § 6 Ziff. 3 BVW auch dem Kläger zugute. Nr. 8 Satz 2 Aufhebungsvereinbarung verweist auf den Anpassungsmechanismus in AB § 6 BVW insgesamt. Liegen die Voraussetzungen einer Abweichung in dem dortigen originären Anwendungsbereich nicht vor, so führt dies zwingend zur Unwirksamkeit der Anpassungsentscheidung auch für den Kläger. Er ist hinsichtlich der Anpassung so zu behandeln wie die Betriebsrentner, deren Versorgung sich insgesamt nach dem BVW richtet.
26
b) Der Kläger kann danach verlangen, dass seine Pensionsergänzung zum 1. Juli 2015 und zum 1. Juli 2016 entsprechend dem für die Gesamtversorgung geltenden Steigerungssatz nach AB § 6 Ziff. 1 BVW und damit nach der Steigerung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst wird.
27
aa) Die von der Beklagten in den Jahren 2015 und 2016 nach AB § 6 Ziff. 3 BVW getroffenen Anpassungsentscheidungen sind unwirksam. Dies hat der Senat in seinen Entscheidungen vom 25. September 2018 (etwa BAG 25. September 2018 – 3 AZR 485/17 – und – 3 AZR 333/17 -; vgl. auch BAG 11. April 2019 – 3 AZR 92/18 -) bereits erkannt.
28
Dabei kann auch insoweit dahinstehen, ob es sich bei dem BVW um eine Betriebsvereinbarung oder um eine von der Beklagten einseitig aufgestellte Versorgungsordnung handelt, die den Arbeitnehmern in Form einer Gesamtzusage bekannt gegeben wurde. Danach erlaubt AB § 6 Ziff. 3 BVW der Beklagten lediglich, die Gesamtversorgungsbezüge der Versorgungsberechtigten nach einem – im Vergleich zur Erhöhung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung geringeren – einheitlichen Prozentsatz zu verändern (BAG 25. September 2018 – 3 AZR 333/17 – Rn. 18). Es kann deshalb offenbleiben, ob die Anpassungsentscheidungen der Beklagten auch deshalb unwirksam sind, weil die inhaltlichen Voraussetzungen nach AB § 6 Ziff. 3 BVW für eine Abweichung von AB § 6 Ziff. 1 BVW nicht vorlagen oder die Entscheidung wegen Verstoßes gegen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unwirksam ist.
29
bb) Damit verbleibt es bei der in Nr. 8 Satz 2 Aufhebungsvereinbarung iVm. AB § 6 Ziff. 1 und Ziff. 2 BVW vorgesehenen Anpassung. Der Kläger hat danach jedenfalls einen Anspruch auf Erhöhung seiner Pensionsergänzung entsprechend der Erhöhung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Juli 2015 um 2,09717 vH und zum 1. Juli 2016 um 4,2451 vH.
30
c) Dem Kläger stehen folglich ab dem 1. Juli 2015 monatlich jedenfalls weitere 23,88 Euro brutto und ab dem 1. Juli 2016 monatlich weitere 81,22 Euro brutto zu.
31
aa) Zum 1. Juli 2015 wurden die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,09717 vH angepasst. Daraus ergibt sich eine Pensionsergänzung iHv. 1.527,50 Euro brutto (1.496,12 Euro x 1,0209717). Die Beklagte zahlt dem Kläger seit dem 1. Juli 2015 jedoch lediglich eine solche iHv. 1.503,60 Euro brutto. Daraus folgt ein weiterer Anspruch des Klägers iHv. 23,90 Euro brutto (1.527,50 Euro – 1.503,60 Euro) monatlich. Der Kläger hat allerdings nur einen Differenzbetrag iHv. 23,88 Euro brutto monatlich ab dem 1. Juli 2015 geltend gemacht, weshalb es nach § 308 Abs. 1 ZPO bei dem beantragten Betrag verbleibt. Soweit das Landesarbeitsgericht hingegen Zinsen aus einem Betrag iHv. 26,87 Euro brutto monatlich ausgeurteilt hat, liegt eine offensichtliche Unrichtigkeit iSd. § 319 Abs. 1 ZPO vor, die von Amts wegen zu berichtigen ist. Das Landesarbeitsgericht hat den zutreffenden Gesamtbetrag iHv. 286,56 Euro ausgeurteilt (23,88 Euro/Monat x 12 Monate) und auf S. 27 des angefochtenen Urteils den monatlichen Differenzbetrag zutreffend mit 23,88 Euro angegeben.
32
bb) Zum 1. Juli 2016 wurden die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung um 4,2451 vH angepasst. Daraus ergibt sich eine Pensionsergänzung iHv. 1.592,34 Euro brutto (1.527,50 Euro x 1,042451). Die Beklagte zahlt dem Kläger seit dem 1. Juli 2016 jedoch lediglich eine solche iHv. 1.511,12 Euro brutto. Daraus folgt ein weiterer Anspruch des Klägers iHv. 81,22 Euro brutto (1.592,34 Euro – 1.511,12 Euro) monatlich.
33
cc) Dem Kläger stehen die Differenzen für den Zeitraum 1. Juli 2015 bis 30. Juni 2016 iHv. 286,56 Euro brutto (23,88 Euro/Monat x 12 Monate) sowie für den Zeitraum 1. Juli 2016 bis 31. August 2016 iHv. 162,44 Euro brutto (81,22 Euro/Monat x 2 Monate), mithin insgesamt 449,00 Euro brutto (286,56 Euro + 162,44 Euro) zu.
34
dd) Der rückständige Betrag ist nach § 286 Abs. 2, § 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen.
35
d) Die Frage der Wirksamkeit der in der Aufhebungsvereinbarung festgelegten Pensionsergänzung und der damit erfolgten Abweichung von den Regelungen des BVW stellt sich nicht.
36
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
  Zwanziger
   Spinner
   Wemheuer
   Metzner
  Schüßler

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Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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