Hessisches LAG, Urteil vom 11.06.2021 – 10 Sa 1221/20

September 7, 2021

Hessisches LAG, Urteil vom 11.06.2021 – 10 Sa 1221/20

1. Ein elektronisch eingereichtes Dokument ist nicht ungeeignet für die gerichtliche Bearbeitung i.S.d. § 130a Abs. 2 ZPO i.V.m. § 2 Abs. 1 Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV), wenn sich die fehlende Durchsuchbarkeit nur auf den verwendeten Kanzleibriefkopf, nicht aber auf den Text des Dokuments bezieht.

2. Gegen das Gebot des fairen Verhandelns wird nicht dadurch verstoßen, dass Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag während einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers geführt werden. Gegen eine unfaire Verhandlungsführung sprach im konkreten Fall, dass sich die Verhandlungen über mehrere Wochen hinzogen, dem Kläger eine Überlegungsfrist von mehreren Tagen gesetzt worden ist, dass er diese Zeit auch nutzte, um den Entwurf des Arbeitgebers einem Rechtsanwalt zur Prüfung vorzulegen und er jederzeit auf den Inhalt des Aufhebungsvertrags Einfluss nehmen konnte und auch Einfluss ausgeübt hat

Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 2. Juli 2020 – 19 Ca 440/20 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines zwischen ihnen Ende 2017 geschlossenen Aufhebungsvertrages.

Der Kläger ist am XX.XX.1959 geboren und war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin ab dem 1. Juli 2014, zunächst auf Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrages, als “Projektingenieur Windenergie” tätig. Das Bruttomonatsentgelt belief sich auf ca. 9.833 Euro.

Das Arbeitsverhältnis verlief nicht störungsfrei. Im April 2016 teilte sich der Kläger dem Betriebsarzt Dr. A mit und erklärte, er werde seit ca. einem halben Jahr gemobbt und leide unter Schlafstörungen (Bl. 122 der Akte). Er litt – nach eigenem Vortrag – unter nicht unerheblichen psychischen Problemen. In der Zeit vom 5. Oktober bis zum 8. Oktober 2016 befand er sich in einer stationären Behandlung wegen einer Beinvenenthrombose. Auf das Schreiben des Klinikums B vom 8. Oktober 2016 (Bl. 116 – 117 der Akte) wird verwiesen.

Mit Schreiben vom 2. November 2017 sprach die Beklagte eine Ermahnung aus, da der Kläger Dokumente an den falschen Adressaten gesandt habe (Bl. 123 – 124 der Akte). Mit Schreiben vom 10. November 2017 sprach sie eine Abmahnung aus, weil sich der Kläger im Rahmen eines Personalgesprächs angeblich unangemessen geäußert habe (Bl. 125 – 126 der Akte). Mit einer weiteren Abmahnung vom 2. November 2017 wurde dem Kläger vorgeworfen, Abgabetermine nicht eingehalten zu haben (Bl. 127 – 128 der Akte).

Ab November 2017 verhandelten die Parteien über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags. Mit E-Mail vom 7. Dezember 2017 wurde dem Kläger der Entwurf eines Aufhebungsvertrages zugesandt und um eine Rückmeldung bis zum 12. Dezember 2017 gebeten. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2017 teilte der Kläger mit, dass er einen Anwalt erreicht habe und dieser nach einer Prüfung für den Vertrag grünes Licht gegeben habe. Wegen des E-Mail-Verkehrs im Einzelnen wird Bezug genommen auf Bl. 73 – 76 der Akte.

Am 17. Januar 2018 gab es ein Gespräch zwischen den Parteien, in dem noch einzelne Punkte, z.B. die Frage der Rückgabe des Dienstwagens, nachverhandelt wurden. Daraufhin wurde der Aufhebungsvertrag von beiden Seiten unterschrieben. Ob der Kläger bereits am 7. Dezember 2017 seine Unterschrift ein weiteres Mal geleistet hat, ist zwischen den Parteien streitig. Der – jedenfalls im Januar 2018 zustande gekommene – Aufhebungsvertrag lautet auszugsweise wie folgt (Bl. 25 – 26 der Akte):

“Aufhebungsvertrag:

§ 1 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Das seit dem 01.07.2014 bestehende Anstellungsverhältnis zwischen der C und Herrn D wird im gegenseitigen Einvernehmen zum 31.12.2019 beendet.

§ 2 Vorzeitige Freistellung/Jahresurlaub

Die C stellt Herrn D ab 01.01.2018 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung der laufenden Arbeitsbezüge von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Bestehende Urlaubskontingente werden auf die Freistellung angerechnet. ….”

In der Folge wurde der Kläger freigestellt und erhielt bis zum 31. Dezember 2019 das Entgelt weitergezahlt.

Die behandelnde Fachärztin des Klägers, Frau Dr. E, erstellte unter dem 30. April 2020 ein ärztliches Attest. Darin heißt es wie folgt (Bl. 129 der Akte):

“Herr D ist seit vielen Jahren in meiner hausärztlichen Praxis bekannt.

Im Laufe der Behandlung war es nötig, Antidepressiva und Tranquilizer zu verordnen. Diese Medikamente verändern den Bewusstseinszustand, so dass der Patient unter Einfluss dieser Mittel nur eingeschränkt bis gar nicht einschätzen und entscheiden kann.

Herr D war auch in der Zeit vom 28.11.17 – 13.12.17 bei mir in Behandlung und hat eben diese Medikamente verordnet bekommen. Er war also in dieser Zeit nicht bzw. eingeschränkt geschäftsfähig.”

Das Arbeitsgericht Frankfurt a.M. hat mit Urteil vom 2. Juli 2020 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine Auslegung ergebe, dass es sich bei dem Vertrag vom 7. Dezember 2017 um einen Aufhebungsvertrag und nicht um einen befristeten Arbeitsvertrag handele. Vor diesem Hintergrund sei eine Kontrolle der vermeintlichen Befristung nicht veranlasst. Der Vertrag verstoße auch nicht gegen das Gebot des fairen Verhandelns nach § 241 Abs. 2 BGB. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass dem Kläger nach seinem eigenen Vortrag eine fünftägige Überlegungsfrist eingeräumt worden sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Urteils der ersten Instanz wird Bezug genommen auf Bl. 82 – 88 der Akte.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 22. September 2020 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist am 20. Oktober 2020 – per Telefax – eingelegt worden. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18. Januar 2021 ist die Berufungsbegründung am 11. Januar 2021 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht als elektronisches Dokument über das EGVP eingegangen.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines Sachvortrags aus der ersten Instanz ist der Kläger der Auffassung, dass das Arbeitsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen habe. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen sei. Es habe seine krankheitsbedingte Vorgeschichte nicht hinreichend berücksichtigt. Er sei bis zum 14. November 2016 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Nach seiner Rückkehr am ab Dezember 2016 habe ein Bossing bzw. Mobbing durch seinen Vorgesetzten eingesetzt. In der Zeit vom 4. April bis 6. April 2017 sei er wegen akuter Herz- und Kreislaufbeschwerden in einer Klinik gewesen. Dabei seien zusätzliche psychosomatische Beschwerden festgestellt worden, die auf den Stress zurückzuführen sein, dem er im Arbeitsumfeld ausgesetzt gewesen sei. Er sei bei abteilungsübergreifenden Sitzungen gar nicht mehr eingeladen worden. Er sei zu mehreren Personalgesprächen eingeladen worden, wobei ihm niemals richtig erklärt worden sei, welches Fehlverhalten ihm vorgeworfen werde. Seine Arbeitsleistungen seien immer überdurchschnittlich gewesen. Die Arbeitgeberin sei nicht an Gesprächen interessiert gewesen, sondern habe sich von ihm trennen wollen. Im Herbst 2017 habe sie mit dem Ausspruch von Abmahnungen begonnen. Nachdem er am 27. November 2017 aus einer ca. vierwöchigen Periode der Arbeitsunfähigkeit zurückgekommen sei, sei er um 11:00 Uhr ins Personalbüro zitiert worden, wo man ihn mit den Abmahnungen konfrontierte. Im Dezember 2017 seien ihm dann zwei Versionen eines Freistellungs-/Aufhebungsvertrags zur Durchsicht vorgelegt worden. Es sei ihm letztlich eine Frist von fünf Tagen gesetzt worden, diesen zu unterzeichnen, die Unterzeichnung sollte am 7. Dezember stattfinden. Der Kläger sei zu dieser Zeit – vom 28. November bis 13. Dezember 2017 – arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe Beruhigungsmittel und Antidepressiva genommen. Vor diesem Hintergrund bestünden sogar erhebliche Zweifel an seiner Geschäftsfähigkeit im maßgeblichen Zeitpunkt. Die behandelnde Ärztin Dr. E habe gemäß dem ärztlichen Attest vom 30. April 2020 bescheinigt, dass er in der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit nicht bzw. eingeschränkt geschäftsfähig gewesen sei.

Der Kläger stellt den Antrag,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 2. Juli 2020 – 19 Ca 440/20 – festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristung des Aufhebungsvertrags vom 7. Dezember 2017 zum 31. Dezember 2019 beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und meint, bei der Berufungsbegründung seien die Vorgaben nach § 2 Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) nicht erfüllt, weil das Dokument nicht vollständig durchsuchbar gewesen sei. Dies beziehe sich insbesondere auf den Briefkopf der Kanzlei. Es sei auch ausreichend, wenn die fehlende Durchsuchbarkeit nur bei einem Teil des Dokumentes und insbesondere nur bei dem Briefkopf festzustellen sei. Auch in einem solchen Fall sei dann die Prozesshandlung insgesamt unwirksam. Jedenfalls sei die Berufung teilweise unzulässig, da sie sich nicht gegen die Abweisung der Befristungskontrollklage inhaltlich wende. Im Übrigen habe das Rechtsmittel keinen Erfolg, weil der Aufhebungsvertrag nicht gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen habe. Der Kläger behauptet zunächst selbst nicht, dass er bei Abschluss des Aufhebungsvertrages geschäftsunfähig gewesen sei. Etwas anderes ergebe sich mit der notwendigen Klarheit auch nicht aus dem vorgelegten ärztlichen Attest. Der Aufhebungsvertrag sei letztlich erst am 17. Januar 2018 unterschrieben worden. Wie der Gesundheitszustand des Klägers im Januar 2018 ausgesehen habe, werde nicht genau geschildert. Die Verhandlungen über den Aufhebungsvertrag hätten im November 2017 begonnen und im Januar 2018 geendet. Frühere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, etwa aus dem Jahr 2016, würden keine Rolle spielen. Die Beklagte habe nicht davon ausgehen müssen, dass der Kläger unter dem Einfluss von Antidepressiva oder ähnlichem gestanden habe. Jedenfalls sei er dadurch nicht in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt gewesen. Unzutreffend sei auch, dass er seit Dezember 2016 gemobbt worden sei. Richtig sei vielmehr, dass er zu allen Sitzungen eingeladen worden sei. Eine Aufforderung, den Vertrag sofort zu unterschreiben, habe es nicht gegeben. Vielmehr habe der Kläger ausreichend Zeit gehabt, sich dies zu überlegen. Der Kläger möge auch bedenken, dass er im Falle der Unwirksamkeit des Vertrages verpflichtet sei, einen Betrag in Höhe von 236.000 Euro zurückzuzahlen. Der Anspruch auf Schadensersatz bei Verletzung der Pflicht zu fairen Verhandeln wäre auch nach § 17 des Arbeitsvertrages längst verfallen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend Bezug genommen auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften.

Gründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache bleibt sie ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns kann hier nicht festgestellt werden.

I. Die Berufung ist zunächst zulässig.

1. Sie ist vom Wert her unproblematisch statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 519 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. ArbGG) sowie innerhalb der bis zum 18. Januar 2021 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch rechtzeitig begründet worden (§ 66 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., Abs. 1 Satz 5 ArbGG).

2. Sie genügte auch den gesetzlichen Formerfordernissen nach § 130a Abs. 2 ZPO, 64 Abs. 7 ArbGG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Elektronische-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV). Nach dieser Bestimmung ist das elektronische Dokument in druckbarer, kopierbarer und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF zu übermitteln. Diesen Anforderungen war im vorliegenden Falle Genüge getan.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat allerdings gerügt, dass die Berufungsbegründung, die in elektronischer Form übersandt worden ist, nicht (komplett) durchsuchbar gewesen sei. Aufgrund einer Funktionsprüfung, die der Vorsitzende selbst vorgenommen hat, steht fest, dass jedenfalls der Text und damit der sachliche Inhalt des Dokumentes durchsuchbar gewesen ist. Sofern die Durchsuchbarkeit nicht für den verwendeten Briefkopf gegeben war, schadet dies nicht. Die Durchsuchbarkeit bezieht sich auf eine texterkannte Form und dient der Weiterbearbeitung im Gericht (vgl. BAG 3. Juni 2020 – 3 AZR 730/19 – Rn. 28, NZA 2021, 347). Sinn und Zweck der Regelung ist es damit, die Bearbeitung von elektronisch eingereichten Dokumenten bei den Gerichten zu erleichtern. Dazu gehört es auch, dass die verwendeten Texte durchsuchbar sein müssen, weil auch dies für die Erleichterung der gerichtlichen Bearbeitung von Relevanz sein kann.

Dieser Aspekt bezieht sich aber nicht auf den verwendeten Geschäftsbogen eines Prozessbevollmächtigten. Wenn der Gesetzgeber den Gerichten erleichtern wollte, den Sachvortrag der Parteien zu strukturieren, indem auch mit Suchkriterien gearbeitet wird, kann sich dies nur auf den inhaltlichen Text beziehen, nicht aber auf den verwendeten Briefkopf. Im Übrigen gebietet auch die Rechtsprechung des BVerfG, dass formelle Prozessanforderungen nicht zu weit ausgelegt werden und keine formalistischen Hürden aufgebaut werden dürfen, die den Zugang der Parteien zu den Gerichten unverhältnismäßig erschweren (vgl. BVerfG 22. Oktober 2004 – 1 BvR 894/04 – NJW 2005, 814; jurisPK-ERV/Müller § 130a ZPO Stand: 17.06.2021 Rn. 43 ff.; GK-ArbGG/Horcher Stand: September 2019 § 46c Rn. 49; im Prinzip auch LG Mannheim 4. September 2020 – 1 S 29/20 – Juris). Auf dieser – weniger strengen – Linie liegt es, wenn der Gesetzgeber erwägt, bei den formellen Anforderungen im Wesentlichen nur noch das PDF-Format zu verlangen und auf die Erfordernisse der Druckbarkeit, Kopierbarkeit und Durchsuchbarkeit elektronisch eingereichter Dokumente in § 2 Abs. 1 ERVV zukünftig zu verzichten (vgl. Art. 4 des Gesetzesentwurfs vom 13. April 2021 BT-Drucks. 19/28399; hierzu auch Müller FA 2021, 34 ff. sowie 101 ff.).

Die Entscheidung des Sechsten Senats (vgl. BAG 12. März 2020 – 6 AZM 1/20 – NZA 2020, 607) steht dem Ergebnis nicht entgegen. Dort ging es um ein elektronisch eingereichtes Dokument, welches nicht durchsuchbar war. Im vorliegenden Fall war der Text des Dokuments jedoch durchsuchbar, bloß der Briefkopf nicht. Auch die Entscheidung der Kammer 18 (vgl. Hess. LAG 7. September 2020 – 18 Sa 485/20 – Juris) steht nicht entgegen. Dort ging es um die Frage, ob das elektronisch übersandte Dokument eingebettete Schriftarten aufwies. Eine Überprüfung ergab, dass nicht alle verwendeten Schriftarten eingebettet waren, es war aber nicht festzustellen, ob sich dies auf den Briefkopf oder den Text des Dokuments bezog. Der hier vorliegende Fall ist insoweit anders gelagert, als dass festgestellt werden konnte, dass jedenfalls der Text durchsuchbar war.

3. Auch sonst bestehen im Hinblick auf die Berufungsbegründung keine durchgreifenden Bedenken. Das Dokument ist auf elektronischem Weg über das EGVP eingereicht worden. Es wurde ausweislich des Transfervermerks mit einer qualifizierten Unterschrift i.S.d. § 130a Abs. 3 ZPO versehen. Hierbei handelte es sich auch nicht um eine unzulässige sog. Containersignatur. Auch dies lässt sich dem Transfervermerk entnehmen, da hier ein gesondertes Prüfergebnis der signierten Anhänge generiert worden ist (vgl. Müller eJustice-Praxishandbuch 4. Aufl. S. 136 f.).

4. Die Berufungsbegründung bezieht sich auch nicht nur auf einen Teil der Urteilsgründe, nämlich auf die Abweisung des Antrags auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch den Aufhebungsvertrag aufgelöst worden sei. Mit der Abweisung des Befristungskontrollantrags setzt sich der Kläger in der Berufungsbegründung an sich nicht auseinander. Er hat seinen Klageantrag in der zweiten Instanz nicht modifiziert, sondern (erneut) einen Feststellungsantrag gestellt, der auf eine Befristungskontrollklage hindeutet. Allerdings hat eine Nachfrage in der mündlichen Verhandlung ergeben, dass der Kläger seinen Antrag als allgemeine Feststellungsklage ausgelegt wissen wollte. Damit ist der Antrag in der gleichen Weise auszulegen wie bereits in der ersten Instanz. Damit macht der Kläger in der Berufungsinstanz gar nicht mehr geltend, dass der Vertrag als ein befristeter Arbeitsvertrag anzusehen sei.

II. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung angenommen, dass der Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis zwischen Parteien mit Wirkung zum 31. Dezember 2019 beendet hat.

1. Der Vertrag ist nicht deshalb unwirksam, weil die vom Kläger abgegebene Willenserklärung nach § 105 Abs. 2 BGB nichtig war.

a) Nach dieser Bestimmung ist eine Willenserklärung nichtig, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird. Der Begriff der Bewusstlosigkeit kann auch im Sinne einer Bewusstseinstrübung zu verstehen sein, die die Erkenntnis vom Inhalt und Wesen der abgegebenen Erklärung ausschließt. In Betracht kommen z.B. hochgradige Trunkenheit, ferner erheblicher Drogenkonsum, Fieberwahn, Hypnose oder epileptische Anfälle. Wie bei § 104 Nr. 2 BGB muss durch den krankhaften Zustand die freie Willensbildung ausgeschlossen sein (vgl. Müko-BGB/Spickhoff 8. Aufl. § 105 Rn. 37). Eine vorübergehende Störung der Geistestätigkeit kann auch bei kurzfristigen Beeinträchtigungen infolge von Medikamenten oder Alkohol auftreten (vgl. Müko-BGB/Spickhoff 8. Aufl. § 105 Rn. 37). Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt, wer sich auf die Geschäftsunfähigkeit beruft (vgl. BeckOK BGB/Wendtland Stand: 1. Mai 2021 § 105 Rn. 16). Dies ist im vorliegenden Fall der Kläger.

b) Dieser Beweislast ist er nicht nachgekommen. Er hat schon nicht hinreichend die Behauptung aufgestellt, dass er im Zeitpunkt der Abgabe seiner Willenserklärung partiell geschäftsunfähig gewesen sei. Zwar hat er ein ärztliches Attest vorgelegt, aus dem zu entnehmen ist, dass er in der Zeit vom 28. November bis zum 13. Dezember 2017 in einer Behandlung einer Allgemeinmedizinerin war und in diesem Rahmen Antidepressiva und Tranquilizer eingenommen hat. Nach dem ärztlichen Attest vom 30. April 2020 war der Kläger in dieser Zeit nicht bzw. eingeschränkt geschäftsfähig. Ein solcher Vortrag lässt aber nicht den (zwingenden) Schluss darauf zu, dass der Kläger bei Abgabe der Willenserklärung tatsächlich partiell geschäftsunfähig gewesen sei. Dies behauptet er selbst nicht konkret. Auch die behandelnde Allgemeinmedizinerin Dr. E spricht lediglich davon, dass er nur “eingeschränkt” geschäftsfähig gewesen sei. Eine genaue Festlegung und eine belastbare medizinische Aussage sind mit diesem Attest nicht getroffen.

Die maßgebliche Willenserklärung ist auch erst im Januar 2018 abgegeben worden, auf diesen Zeitpunkt bezieht sich das ärztliche Attest nicht. Zwar hat der Kläger zuletzt in der Kammerverhandlung die Behauptung aufgestellt, dass er den Aufhebungsvertrag schon am 7. Dezember 2017 unterschrieben habe. Gleichzeitig hat er aber eingeräumt, dass es im Januar 2018 ein Treffen gegeben habe, bei dem er den Vertrag ebenfalls unterschrieben habe. Nach allgemeiner zivilrechtlicher Rechtsgeschäftslehre kommt es auf die Fassung desjenigen Vertrags an, der von den Parteien zuletzt abgeschlossen wurde. Dies war auch nach dem Bekunden des Klägers der Vertrag, der im Januar 2018 geschlossen wurde. Dass die Parteien eine Rückdatierung auf den 7. Dezember 2017 vornahmen, spielt keine maßgebliche Rolle. Es steht den Parteien aufgrund der Privatautonomie frei, auch eine Rückdatierung vorzunehmen. Dieser Geschehensablauf deckt sich auch mit dem E-Mail-Verkehr. So hat der Kläger z.B. mit E-Mail vom 12. Dezember 2017 darum gebeten, dass die Fristen zur Abgabe der Firmenunterlagen verlängert würden. Mit E-Mail vom 13. Dezember 2017 hat er mitgeteilt, er habe zwar den Aufhebungsvertrag unterschrieben, bitte aber noch darum, in den Vertrag ein Zwischenzeugnis aufzunehmen.

Gegen eine partielle Geschäftsunfähigkeit spricht insbesondere der vorgelegte E-Mail-Verkehr durch die Beklagte. Daraus ist nämlich mit Deutlichkeit ersichtlich, dass der Kläger im Dezember 2017 in der Lage war, angemessen und adäquat Vertragsverhandlungen zu führen.

Auch nachdem der Kläger darauf hingewiesen worden ist, dass die bloße Vorlage des ärztlichen Attestes nicht als ausreichend angesehen wird, um eine partielle Geschäftsunfähigkeit anzunehmen, hat er seinen Sachvortrag nicht vertieft und gegebenenfalls aussagekräftigere Unterlagen oder Beweise angeboten.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückgängigmachung des Aufhebungsvertrags im Rahmen eines Schadensersatzes, denn die Beklagte hat nicht gegen den Grundsatz auf faires Verhandeln nach § 241 Abs. 2 BGB verstoßen.

a) Nach § 241 Abs. 2 BGB kann das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Der Inhalt der Rücksichtnahmepflichten kann nicht in einem abschließenden Katalog benannt werden, sondern ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags kann eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstellt. § 241 Abs. 2 BGB schützt mit den “Interessen” nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich auch die Entscheidungsfreiheit des anderen Vertragspartners. Die Bestimmung trägt so dem Gebot Rechnung, unzulässiger Fremdbestimmung bei der Willensbildung in der vorkonsensualen Phase wirksam zu begegnen (vgl. BAG 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 34, NJW 2019, 1966). Das Gebot fairen Verhandelns wird missachtet, wenn die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners in zu missbilligender Weise beeinflusst wird. Es geht dabei nicht um ein Erfordernis der Schaffung einer für den Vertragspartner besonders angenehmen Verhandlungssituation, sondern um das Gebot eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld des Vertragsschlusses. Eine rechtlich zu missbilligende Einschränkung der Entscheidungsfreiheit ist noch nicht gegeben, nur weil der eine Auflösungsvereinbarung anstrebende Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumt (vgl. BAG 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 34, NJW 2019, 1966). Auch eine Ankündigung des Unterbreitens einer Aufhebungsvereinbarung ist nicht erforderlich. Eine Verhandlungssituation ist vielmehr erst dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht (vgl. BAG 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 34, NJW 2019, 1966). Dies kann durch die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken, geschehen. Denkbar ist auch die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse. Die Nutzung eines Überraschungsmoments kann ebenfalls die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen (Überrumpelung). Letztlich ist die konkrete Situation im jeweiligen Einzelfall am Maßstab des 241 Abs. 2 BGB zu bewerten und von einer bloßen Vertragsreue abzugrenzen (vgl. BAG 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 34, NJW 2019, 1966).

b) Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns nicht anzunehmen ist. Anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Ausgangsfall ist der Arbeitgeber hier nicht zu Hause beim Arbeitnehmer unerwartet aufgetaucht, um Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu führen. Es lag daher kein besonderes Überraschungsmoment vor. Die Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages gingen über mehrere Wochen von ca. November 2019 bis Januar 2018. Aus dem vorgelegten E-Mail-Verkehr ist ersichtlich, dass der Kläger jederzeit Einfluss auf den Inhalt der Verhandlungen nehmen konnte und diesen auch wahrgenommen hat. Aus dieser Korrespondenz ergibt sich auch, dass die zweijährige Freistellung letztlich auf den Wunsch des Klägers zurückgegangen ist. Mit E-Mail vom 7. Dezember 2017 wurde dem Kläger eine Frist bis zum 12. Dezember 2017 gesetzt, sich zu melden. Diese Frist hat er wahrgenommen. Der Kläger hat mit E-Mail vom 12. Dezember 2017 auch mitgeteilt, dass er den Aufhebungsvertrag sogar noch durch einen Rechtsanwalt habe prüfen können. Letztlich gab es am 17. Januar 2018 noch ein Personalgespräch bei der Beklagten, auch dort wurden noch Kleinigkeiten nachverhandelt, erst dann wurde die (finale) Unterschrift geleistet. Dieser Gang der Vertragsverhandlungen lässt in keiner Weise den Schluss zu, dass der Kläger unfair behandelt wurde oder dass die Beklagte eine Willensschwäche und/oder eine bestehende Erkrankung des Klägers ausgenutzt hat. Sollte es tatsächlich so gewesen sein, wofür nach der Aktenlage nichts spricht, dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung unter erheblichen Medikamenteneinfluss gestanden habe und arbeitsunfähig gewesen sei, so hätte er darauf hinweisen müssen und um eine Fristverlängerung zur Abgabe seiner Erklärung bitten müssen. Es kann insoweit auch nicht einfach hypothetisch unterstellt werden, dass der Kläger bei einer entsprechenden Bitte unfair behandelt worden wäre und die Arbeitgeberin diesem Anliegen nicht nachgekommen wäre. Äußert sich der Kläger aber nicht entsprechend, kann er sich nicht – zumal nach mehreren Jahren – nun darauf berufen, über ein bei Vertragsverhandlungen zulässiges Maß unter Druck gesetzt worden zu sein.

III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, liegt nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vor.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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