Hessisches LAG, Urteil vom 22.03.2010 – 17 Sa 1303/09

März 30, 2021

Hessisches LAG, Urteil vom 22.03.2010 – 17 Sa 1303/09

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 08. Juli 2009, Az.: 1 Ca 383/08, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses und in diesem Zusammenhang über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages.

Die am 20. Oktober 1957 geborene Klägerin ist bei dem Beklagten seit September 2003 als Verkäuferin und Kassiererin beschäftigt, zuletzt in der Verkaufsstelle A, B Straße, mit einer Wochenarbeitszeit von 18,75 Stunden und einer Bruttomonatsvergütung von 690,50 €.

Am 15. September 2008 um ca. 13.15 Uhr führte die Zeugin C für den Beklagten in dieser Verkaufsstelle einen Testeinkauf durch. Die Verkaufsstelle war zu diesem Zeitpunkt mit der Klägerin, der Zeugin D sowie der Mitarbeiterin E besetzt. Die Mitarbeiterin E befand sich dabei nicht im Verkaufsraum, sondern im Büro und rechnete dort ihre Kasse ab. Die Zeugin C gab sich als eilige Kundin aus, erwarb zwei Schachteln Marlboro Zigaretten zum Preis von 8,00 €, gab den Betrag von 8,00 € passend einer der Mitarbeiterinnen in die Hand, erklärte, es eilig zu haben und verließ die Verkaufsstelle, ohne einen Kassiervorgang abzuwarten. Streitig ist, ob die Zeugin C die 8,00 € der Klägerin oder der Zeugin D gab. Unstreitig ist, dass der Betrag von 8,00 € in der Kasse nicht registriert wurde und die Kasse auch keinen Überschuss auswies.

Am 22. September 2008 suchte der damalige Bezirksleiter der Klägerin, der Zeuge F, zusammen mit der Zeugin G, einer weiteren Mitarbeiterin des Beklagten, die Verkaufsstelle in A auf und führte dort mit der Klägerin ein Gespräch, in dessen Verlauf die Klägerin die hiermit in Bezug genommene Aufhebungsvereinbarung (Bl. 4 f) unterzeichnete, die sie mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 06. Oktober 2008 (Bl. 5 f d. A.) anfocht. Der Inhalt des Gesprächs vom 22. September 2008 ist streitig. Noch am 22. September 2008 rief die Zeugin D den Zeugen F an und erklärte diesem, die Mitarbeiterin, die die 8,00 € entgegengenommen habe, könne auch sie gewesen sein.

Die Klägerin hat behauptet, zum Abschluss des Aufhebungsvertrages widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden zu sein. Der Zeuge F habe sie zu Beginn des Gesprächs gefragt, ob sie über den Vorfall bezüglich der Mitarbeiterin E informiert sei. Die Klägerin hat ausgeführt, die Mitarbeiterin E sei nämlich zwischenzeitlich wegen angeblicher Unterschlagung von Trinkgeldern entlassen worden. Der Zeuge F habe dann von dem Testeinkauf vom 15. September 2008 berichtet und erklärt, die Mitarbeiterin, die das Geld entgegengenommen hatte, könne nur die Klägerin gewesen sein. Der Zeuge F habe sie wiederholt und mit lauter, drohender Stimme aufgefordert, zu sagen, wo die 8,00 € seien. Sie habe dem Zeugen F zwar erklärt, sie könne zu dem Vorgang nichts sagen, da sie sich laut Arbeits- und Pausenplan doch in der Pause befunden habe. Der Zeuge F habe sie jedoch angeherrscht und erklärt, unter den Umständen sei keine Zusammenarbeit mehr möglich, das Vertrauensverhältnis sei endgültig zerstört und habe ihr den Aufhebungsvertrag vorgelegt und sie aufgefordert, diesen zu unterschreiben. Nachdem sie sich zunächst geweigert habe, sei der Zeuge F noch wütender geworden und habe erneut darauf hingewiesen, das Arbeitsverhältnis müsse sofort beendet werden und es sei besser, wenn sie den Aufhebungsvertrag unterzeichne. Hierbei habe der Zeuge F die Passage “Diebstahl von 8,00 € …” im Text des Aufhebungsvertrages gestrichen. Sie habe dann dem auf sie ausgeübten Druck nachgegeben und den Aufhebungsvertrag unterzeichnet. Die Klägerin ist von einer Drohung durch schlüssiges Verhalten ausgegangen und hat deren Widerrechtlichkeit darin gesehen, dass der Beklagte ohne nähere Überlegung und Nachforschungen aufgrund der Angaben der Zeugin C leichtfertig sie als die Mitarbeiterin identifiziert habe, die die 8,00 € von der Testkäuferin entgegen genommen habe. Hätte der Zeuge F die Zeugin D befragt, hätte geklärt werden können, dass nicht die Klägerin vom Testkauf betroffen gewesen sei, sondern die Zeugin D.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 22. September 2008 hinaus fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, die Zeugin C habe bei dem Testeinkauf die 8,00 € der Klägerin übergeben. Anhand der Angaben der Zeugin C, der Kassenrolle und der sog. Kassen – Z – Berichte (Bl. 46 d. A.) lasse sich die Klägerin als die Person identifizieren, die das Geld erhalten habe, wobei ausweislich der Kassenleistungsübersicht (Bl. 47 f d. A.) die Zeugin D am 15. September 2008 überhaupt keine Kassentätigkeiten durchgeführt habe. Bei dem Gespräch vom 22. September 2008 sei die Klägerin nicht unter Druck gesetzt oder bedroht worden. Dagegen habe die Klägerin bei dem Gespräch selbst eingeräumt, sich an den Erhalt der 8,00 € erinnern zu können, aber nicht zu wissen, was sie mit dem Geld gemacht habe. Bei dem Anruf der Zeugin D habe der Zeuge F erklärt, die Klägerin sei durch die Testeinkäuferin exakt beschrieben worden. Für weitere Auskünfte habe für den Zeugen F kein Anlass bestanden, zumal die Klägerin bereits eingeräumt habe, sich an die Übergabe der 8,00 € zu erinnern.

Das Arbeitsgericht Hanau hat der Klage durch am 08. Juli 2009 verkündetes Urteil, 1 Ca 383/08, stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Auflösungsvertrag vom 22. September 2009 sei wegen Nichteinhaltung der Schriftform des § 623 BGB unwirksam. Die Unterzeichnung durch den Zeugen F stelle keine formgültige Unterschrift dar. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 72 bis 74 d. A.).

Gegen dieses ihm am 14. Juli 2009 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 24. Juli 2009 Berufung eingelegt und diese am 31. Juli 2009 begründet.

Er vertritt die Auffassung, der Aufhebungsvertrag vom 22. September 2009 sei formwirksam. Es liege ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender Schriftzug vor, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweise, die die Nachahmung erschweren. Lesbarkeit sei nicht zu verlangen. Er verweist auf den Umstand, dass die Unterzeichnung in Anwesenheit der Klägerin erfolgte und Vor- und Nachnamen aufweist. Im Übrigen wiederholt und vertieft er seinen Vortrag und vertritt die Auffassung, ein verständiger Arbeitgeber habe davon ausgehen können, das Arbeitsverhältnis könne aufgrund dringenden Unterschlagungsverdachts mit sofortiger Wirkung beendet werden.

Er beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 08. Juli 2009, 1 Ca 383/08, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 18. Januar 2010 durch Vernehmung der Zeugen C, D, F und G. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 22. März 2010 (Bl. 133 f d. A.) verwiesen.
Gründe

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 08. Juli 2009, 1 Ca 383/08, ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.

Sie ist auch begründet. Die Klage ist unbegründet, denn das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch den Aufhebungsvertrag vom 22. September 2008 an diesem Tag beendet. Der Aufhebungsvertrag ist wirksam. Er ist nicht gemäß § 125 Satz 1 BGB wegen Formmangels nichtig, denn die gemäß § 623 BGB erforderliche Schriftform ist gewahrt. Die auf den Abschluss des Aufhebungsvertrages gerichtete Willenserklärung der Klägerin ist auch nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB nichtig, denn sie ist nicht wirksam angefochten.

Der Auflösungsvertrag vom 22. September 2008 ist nicht gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig. Er wurde vom Zeugen F als dem Vertreter des Beklagten formwirksam unterschrieben.

Die in § 623 BGB angeordnete Schriftform soll Rechtssicherheit für die Vertragsparteien und eine Beweiserleichterung im Rechtsstreit bewirken. Durch das in § 126 Abs. 1 BGB vorgesehene Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift wird der Aussteller der Urkunde erkennbar. Der Erklärungsempfänger erhält die Möglichkeit zu überprüfen, wer die Erklärung abgegeben hat und ob die Erklärung echt ist. Der Aussteller der Erklärung soll identifiziert werden können. Die Lesbarkeit des Namenszugs ist hierbei nicht erforderlich. Es genügt ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender Schriftzug, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren. Ein lesbarer Zusatz des Namens wird hierbei nicht verlangt. Der Schriftzug muss sich als Wiedergabe des Namens darstellen und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lassen, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist. Die Unterschrift ist hierbei vom Handzeichen (Paraphe) abzugrenzen, wobei das äußere Erscheinungsbild maßgeblich ist und wobei ein großzügiger Maßstab anzulegen ist, sofern die Autorenschaft gesichert ist(BAG 24. Januar 2008 – 6 AZR 519/07 – AP BGB § 622 Nr. 64; BGH 15. November 2006 – IV ZR 122/05 – NJW-RR 2007, 351).

Das den Nachnamen des Zeugen F wiedergebende Gebilde ist nicht lesbar. Dies ist auch nicht erforderlich. Es beginnt links mit einer bogenförmigen Linie, das dem Beginn eines abgeschliffenen “S” ähnelt, woran sich kürzere, zunächst nach links, dann nach rechts verlaufende Linien anschließen, denen sich dann kurz nach links und dann nach einem Bogen länger nach rechts laufende Linien anschließen, wobei letztere einen kleineren Kreis vollzieht, dann zunächst weiter nach rechts und dann nach einem Bogen nach links führt, von wo aus sich schließlich wieder eine längere gerade nach rechts führende Linie anschließt. Die Linienführung ab dem kleineren Kreis könnte als stark abgeschliffene Form der Endbuchstaben “dt” angesehen werden, die zwischen Beginn und Ende des Schriftzugs liegenden Richtungswechsel als abgeschliffene Andeutungen der zwischen “S” und “dt” liegenden Buchstaben. Hierauf kommt es nicht entscheidend an. Für die Wiedergabe nur einer Abkürzung ist das Gebilde zu lang. Gegen die Wiedergabe einer bloßen Abkürzung im Sinne eines Handzeichens bzw. einer Paraphe spricht, dass kein für eine Abkürzung typischer Punkt gesetzt wurde. Gegen die Wiedergabe einer bloßen Paraphe spricht insbesondere, dass erkennbar nicht nur mit dem Nachnamen unterzeichnet wurde, sondern auch mit dem Vornamen (H), wobei der Anfangsbuchstabe und das “d” identifizierbar sind und dazwischen und danach weitere Linien existieren, die erkennbar weitere wenn auch abgeschliffene Buchstaben andeuten. Die Annahme einer bloßen Namensabkürzung ist aber nicht gerechtfertigt, wenn daneben auch noch erkennbar mit dem vollen Vornamen unterzeichnet werden sollte. Da die Identität des Ausstellers gesichert ist und die Unterschrift darüber hinaus auch in Anwesenheit der Klägerin erfolgte, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, dem die Unterschriftsleistung durch den Zeugen F noch gerecht wird.

Der Aufhebungsvertrag ist auch nicht wegen der von der Klägerin erklärten Anfechtung gemäß §§ 123 Abs. 1 Alt. 2, 142 Abs. 1 BGB nichtig, denn die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat einen Anfechtungsgrund nicht nachgewiesen.

Nach dem Vortrag der Klägerin kommt ausschließlich eine Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung in Betracht. Nach § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB kann derjenige, der widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt worden ist, die Erklärung mit der Nichtigkeitsfolge des § 142 Abs. 1 BGB anfechten. Eine Drohung i. S. d. § 123 Abs. 1 BGB setzt objektiv die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig dargestellt wird. Die Androhung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche Kündigung beenden zu wollen, falls der Arbeitnehmer nicht selbst kündige oder einen Aufhebungsvertrag abschließe, stellt die Ankündigung eines zukünftigen empfindlichen Übels dar, dessen Verwirklichung in der Macht des ankündigenden Arbeitgebers liegt(st. Rspr. BAG 06. Dezember 2001 – 2 AZR 396/00 – AP ZPO § 286 Nr. 33; BAG 15. Dezember 2005 – 6 AZR 197/05 – BGB § 123 Nr. 66; BAG 23. November 2006 – 6 AZR 394/06 – AP BGB § 623 Nr. 8). Die Drohung muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden, sondern kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen, wobei sie auch von einer Hilfsperson des Arbeitgebers ausgehen kann(BAG 15. Dezember 2005 – 6 AZR 197/05 – aaO). Die Drohung mit einer Kündigung ist dabei widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte, wobei allerdings nicht erforderlich ist, dass die Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte(BAG 06. Dezember 2001 – 2 AZR 396/00 – aaO; BAG 05. Dezember 2002 – 2 AZR 478/01 – AP BGB § 123 Nr. 63). Nur wenn unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls der Arbeitgeber davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Fall ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er die außerordentliche Kündigung nicht in Aussicht stellen, um damit den Arbeitnehmer zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu veranlassen(BAG 06. Dezember 2001 – 2 AZR 396/00 – aaO). Ob ein verständiger Arbeitgeber eine fristlose Kündigung ernsthaft erwogen hätte, richtet sich nicht nur nach dem tatsächlichen subjektiven Wissensstand des konkreten Arbeitgebers. Zu berücksichtigen sind vielmehr auch – ggf. erst im Prozess gewonnene – Ergebnisse weiterer Ermittlungen, die ein verständiger Arbeitgeber zur Aufklärung des Sachverhalts angestellt hätte. Maßgeblich ist der objektiv mögliche und damit hypothetische Wissensstand des Arbeitgebers(BAG 16. November 1979 – 2 AZR 1041/77 – AP BGB § 123 Nr. 21), wobei Widerrechtlichkeit der Drohung auch dann angenommen werden kann, wenn lediglich aufgrund gewisser Verdachtsmomente eine Kündigung angedroht wird, ohne die Verdachtsmomente durch weitere Sachaufklärung näher aufzuklären(BAG 21. März 1996 – 2 AZR 543/95 – AP BGB § 123 Nr. 42). Die Drohung muss für die Erklärung des Bedrohten auch ursächlich gewesen sein, wobei es genügt, dass sie nach der Vorstellung des Drohenden mitursächlich gewesen ist. Das ist schon dann anzunehmen, wenn ohne die Beeinflussung die Willenserklärung entweder überhaupt nicht, nicht in der gewählten Form oder nicht zu dieser Zeit abgegeben worden wäre(BAG 15. Dezember 2005 – 6 AZR 197/05 – aaO). Dieser Kausalzusammenhang fehlt, wenn der Anfechtende nicht einem auf die Bestimmung des Willens gerichteten Verlangen nachgegeben, sondern die Willenserklärung aus eigener, selbständiger Überlegung abgegeben hat(BAG 23. November 2006 – 6 AZR 394/06 – aaO). Für alle genannten Voraussetzungen trägt der Anfechtende die Darlegungs- und Beweislast. Er hat damit auch die Tatsachen vorzutragen und ggf. nachzuweisen, die die angedrohte Kündigung als widerrechtlich erscheinen lassen, wobei hierfür eine abgestufte Darlegungslast besteht. Insoweit muss der Anfechtungsgegner im Einzelnen darlegen, weshalb er in vertretbarer Weise einen Kündigungsgrund annehmen durfte. Die in diesem Zusammenhang vorgetragenen Umstände hat der beweisbelastete Anfechtende dann zu widerlegen(BAG 28. November 2007 – 6 AZR 1108/06 – AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 36).

Nach diesen Grundsätzen ist ein Anfechtungsgrund von der Klägerin nicht nachgewiesen.

Zugunsten der Klägerin kann davon ausgegangen werden, dass der Zeuge F ihr gegenüber den Ausspruch einer Kündigung für den Fall androhte, dass sie den Aufhebungsvertrag nicht abschließen würde, wobei zugunsten der Klägerin weiter davon ausgegangen werden kann, dass der Zeuge F hierbei den Ausspruch einer Kündigung als in seiner Macht liegend darstellte und eine Drohung – die unstreitig nicht ausdrücklich ausgesprochen wurde – durch schlüssiges Verhalten erfolgte. Hierbei kann ebenfalls zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass dies daraus folgt, dass der Zeuge F ihr auch nach dem eigenen Vortrag der Beklagten erklärte, das Vertrauensverhältnis sei zerstört, er könne sich eine weitere Zusammenarbeit nicht vorstellen, er könne eine weitere Tätigkeit der Klägerin als Kassiererin nicht befürworten, er zu dem Gespräch ein – wenn auch noch nicht ausgefülltes – Formular eines Aufhebungsvertrages mitbrachte und er das Gespräch mit dem Hinweis auf den Vorfall mit der Arbeitnehmerin E begann, die kurze Zeit zuvor, nämlich zwischen dem 15. September 2008 und dem 22. September 2008, das Unternehmen ebenfalls nach vom Beklagten behaupteten Unregelmäßigkeiten anlässlich eines Testkaufs verlassen hatte. Zugunsten der Klägerin kann ferner unterstellt werden, dass die damit vorliegende Drohung ursächlich für ihre Unterschrift unter den Aufhebungsvertrag war und sie nicht aufgrund einer durch die Drohung nicht mehr maßgeblich beeinflussten autonomen Willensbildung handelte, beispielsweise aufgrund der Streichung der auf einen Diebstahl hinweisenden Passage im Text des Aufhebungsvertrages.

Die Klägerin hat aber im Rahmen der sie treffenden Beweislast die Widerrechtlichkeit einer Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung nicht nachgewiesen.

Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass der Testkauf nicht bei ihr, sondern bei der Zeugin D stattfand. Sie hat somit nicht nachgewiesen, dass der Beklagte von einem objektiv nicht vorliegenden Sachverhalt ausging. Weder die Zeugin C noch die Zeugin D konnten Angaben dazu machen, bei wem der Testkauf nun eigentlich stattfand. Die Zeugin C erklärte auf die Frage, ob sie das Geld der Klägerin übergeben habe, zwar, ja, aber die Klägerin sei damals doch blond gewesen. Gleichzeitig erklärte die Zeugin C aber auch, nicht zu wissen, ob sie das Geld doch der Zeugin D gegeben habe. Für irgendeine Identifizierung ist die Aussage der Zeugin C ungeeignet. Dies gilt umso mehr, als die Zeugin D eindeutig blond ist, die Klägerin dagegen jedenfalls im Zeitpunkt des Verhandlungstermins allenfalls dunkelblond, die Klägerin und die Zeugin D nahezu gleich alt und beide Brillenträgerinnen sind. Die Zeugin D bekundete ebenfalls nicht, der Testkauf sei bei ihr durchgeführt worden, sondern lediglich, sie hätte ja auch die Person sein können, die die 8,00 € entgegengenommen habe, wobei sie allerdings ebenfalls erklärte, dies nicht zu wissen und an die Zeugin C keine Erinnerung zu haben. Damit bleibt nach den Aussagen der Zeuginnen C und D offen, ob das Geld der Klägerin oder der Zeugin D gegeben wurde.

Der Klägerin ist einzuräumen, dass zu Beginn des Gesprächs vom 22. September 2008 beim Beklagten ein Kenntnisstand vorlag, der die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung nicht rechtfertigte. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen F und der weiteren vom Beklagten im Rechtsstreit vorgebrachten Argumente. Auch wenn die Zeugin C dem Zeugen F nach dessen Bekundung unmittelbar nach dem durchgeführten Testkauf berichtete, das Geld einer blonden Dame übergeben zu haben, konnte hieraus allein noch nicht auf die Klägerin geschlossen werden. Diese Beschreibung passte zumindest ebenso gut zur Zeugin D. Auch die vom Beklagten vorgelegten Kassenleistungsübersichten und der für den 15. September 2008 geltende Arbeitszeit- und Pausenplan rechtfertigten nicht den dringenden Verdacht, die Klägerin müsse die 8,00 € entgegengenommen haben. Der Testeinkauf fand am 15. September 2008 unstreitig um 13.15 Uhr statt. Ab 13.15 Uhr müsste sich die Klägerin jedenfalls nach dem Arbeitszeit- und Pausenplan in ihrer Pause befunden haben. Wenn am 15. September 2008 ausschließlich mit der Kasse 1 gearbeitet und die Kasse 2 überhaupt nicht in Betrieb genommen wurde, wenn die Arbeitnehmerin E am 15. September 2008 ab 13.30 Uhr Feierabend hatte und zuvor seit einem jedenfalls vor 13.15 Uhr liegenden Zeitpunkt im Büro die Kassenabrechnung durchführte, wenn die weitere Mitarbeiterin der Verkaufsstelle I an diesem Tag Urlaub hatte und wenn schließlich die Klägerin am 15. September 2008 dienstplanmäßig von 13.15 Uhr bis 14.15 Uhr Pause hatte, muss die Zeugin D am 15. September 2008 Kassiertätigkeiten durchgeführt haben, und zwar an der Kasse 1, nämlich zumindest während der Pause der Klägerin. Dass die Verkaufsstelle auch zwischen 13.15 Uhr und 14.15 Uhr geöffnet war, haben die Parteien auf Befragen übereinstimmend angegeben.

Der Kenntnisstand des Beklagten änderte sich aber, wenn die Klägerin während des Gesprächs vom 22. September 2008 einräumte, sich an den Vorgang und den Erhalt der 8,00 € erinnern zu können. Diese Behauptung des Beklagten hat die Klägerin wiederum nicht widerlegt. Die Zeugen F und G haben vielmehr übereinstimmend bekundet, die Klägerin habe dies bei dem Gespräch erklärt. Der Vortrag der Klägerin, keine entsprechende Erklärung abgegeben zu haben, ist damit durch die Beweisaufnahme gerade nicht bestätigt. Die Angaben der Zeugen F und G waren in sich widerspruchsfrei und plausibel. Selbst wenn aufgrund der Stellung der Zeugen als damaliger Verhandlungspartner der Klägerin bzw. nach wie vor im Unternehmen des Beklagten beschäftigter Mitarbeiterin Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit bzw. der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben angebracht wären, würden diese nicht dazu führen, dass das Gegenteil ihrer Aussagen bewiesen wäre. Inhaltlich spricht gegen die Aussagen der Zeugen F und G lediglich die Einlassung der Klägerin, die sie im Anschluss an die Beweisaufnahme im Rahmen ihrer Anhörung wiederholte, nämlich, dass sie eine entsprechende Erklärung nicht abgegeben habe. Bei der Würdigung dieser Angaben der Klägerin ist aber zu berücksichtigen, dass sie im Rahmen des Rechtsstreits ein zumindest ebenso hohes Eigeninteresse verfolgt wie die Zeugen F und G. Gegen ein gezieltes und gegen die Klägerin gerichtetes abgestimmtes Verhalten der Zeugen F und G spricht im Übrigen auch, dass der Testeinkauf vom 15. September 2008 überhaupt nicht bei der Klägerin oder der Zeugin D durchgeführt werden sollte, sondern eigentlich bei der Arbeitnehmerin E, wie vom Beklagten unbestritten vorgetragen, vom Zeugen F in seiner Aussage ebenfalls erwähnt und schließlich ebenfalls belegt durch das von der Zeugin C vorgelegte Protokoll des Testeinkaufs, das ursprünglich den Namen der Mitarbeiterin E als zu testende Person aufwies.

Selbst wenn Zweifel an den Angaben der Zeugen F und G verbleiben sollten und selbst wenn im Rahmen der Beweiswürdigung die entgegenstehenden Angaben der Klägerin Berücksichtigung finden, besteht für die Kammer kein Anhaltspunkt, den durch die Beweisaufnahme gerade nicht bekräftigten Parteiangaben der Klägerin mehr Glauben zu schenken als den ihnen widersprechenden Angaben der Zeugen F und G. Das dann vorliegende non-liquet geht zu Lasten der beweisbelasteten Klägerin.

Als tatsächlicher Wissensstand des Beklagten ist damit nicht nur zugrunde zu legen, dass unstreitig einer der beiden im Verkaufsraum der Verkaufsstelle tätigen Mitarbeiterinnen (beide gleich alt, blond und Brillenträgerinnen) die 8,00 € übergeben wurden, dass dieser Betrag in der Kasse nicht registriert wurde und dass die Kasse auch keinen entsprechenden Überschuss aufwies, wobei der Testkauf zu einem Zeitpunkt stattfand, zu dem sich die Klägerin möglicher Weise bereits in der Pause befunden haben könnte. Der tatsächliche Kenntnisstand zeichnet sich vielmehr dadurch aus, dass die Klägerin darüber hinaus von ihr unwiderlegt einräumte, die 8,00 € tatsächlich entgegengenommen zu haben. Weitere Ermittlungen waren vor diesem Hintergrund nicht erforderlich. Wenn die Klägerin einräumte, die 8,00 € erhalten zu haben, bedurfte es keiner Gegenüberstellung mit der Zeugin C und auch keiner Befragung der Zeugin D, ob nicht vielleicht doch sie das Geld empfangen habe. Der Beklagte hat damit einen Sachverhalt dargelegt, bei dem ein verständiger Arbeitgeber den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung in Erwägung ziehen kann, nämlich die nicht ordnungsgemäße Registrierung eines von der Klägerin eingenommenen Betrages, dessen Zuführung zum Kassenbestand jedenfalls nicht feststellbar ist und dessen Entgegennahme von der Klägerin selbst eingeräumt wurde. Diese Umstände würden eine Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung nicht als widerrechtlich erscheinen lassen und sind von der beweisbelasteten Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht widerlegt.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Verhandlungstermin im Anschluss an die Beweisaufnahme darauf hinwies, jedenfalls zu Beginn des Gesprächs vom 22. September 2008 habe überhaupt noch kein eine Drohung rechtfertigender Kenntnisstand des Beklagten vorliegen können, mag dies zutreffen. Zutreffen mag auch, dass der Beginn der Drohung durch konkludentes Handeln bereits in dem Hinweis auf den Vorfall mit der Arbeitnehmerin E gesehen werden könnte. Hierdurch wurde die Klägerin aber noch nicht zum Abschluss des Aufhebungsvertrages veranlasst. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Zeuge F der Klägerin überhaupt noch keinen Aufhebungsvertrag angeboten. Die Klägerin unterzeichnete den Aufhebungsvertrag erst, nachdem sie nach dem nicht widerlegten Vortrag des Beklagten eingeräumt hatte, die 8,00 € entgegengenommen zu haben. Selbst wenn zu Beginn des Gesprächs vom 22. September 2008 eine Drohung mit einer Kündigung ungerechtfertigt gewesen sein sollte, war sie dies im Zeitpunkt der Willenserklärung der Klägerin nicht mehr.

Eine Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages vom 22. September 2008 kann sich schließlich nicht etwa aus § 307 Abs. 1 BGB ergeben. Der Aufhebungsvertrag unterliegt keiner Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Abreden über Hauptleistungspflichten unterliegen keiner Inhaltskontrolle. Ist die Beendigungsvereinbarung ein selbständiges Rechtsgeschäft, bei dem die Hauptleistung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist, ist der Vertragsgegenstand betroffen, der weder einer Inhaltskontrolle noch einer Angemessenheitsprüfung unterworfen ist(BAG 22. April 2004 – 2 AZR 281/03 – AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 27). Es liegt auch kein formularmäßiger Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage(hierzu BAG 06. September 2007 – 2 AZR 722/06 – AP KSchG 1969 § 4 Nr. 62)vor, sondern eine Hauptabrede eines selbständigen Vertrags.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund i. S. d. § 72 Abs. 2 ArbGG.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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