KG Berlin, Beschluss vom 13. Juli 2009 – 23 U 50/09 GmbH-Geschäftsführer: Kündigung des Anstellungsvertrages vor Beginn des Dienstverhältnisses

April 3, 2019

KG Berlin, Beschluss vom 13. Juli 2009 – 23 U 50/09
GmbH-Geschäftsführer: Kündigung des Anstellungsvertrages vor Beginn des Dienstverhältnisses
Die Kündigung eines GmbH-Geschäftsführeranstellungsvertrages kann grundsätzlich schon vor Beginn des Dienstverhältnisses erklärt werden. Dies gilt nur dann nicht , wenn die Parteien anderes vereinbart haben (Anschluss BAG, 25. März 2004, 2 AZR 324/03, NJW 2004, 3444) (Rn.3). Eine solche abweichende Vereinbarung ist nicht schon stets bei einem Geschäftsführervertrag, zumindest bei einem solchen mit Probezeit anzunehmen (entgegen OLG Hamm, 8. Oktober 1984, 8 U 265/83, BB 1984, 2214) .

Tenor
In dem Rechtsstreit G. ./. p. GmbH weist der Senat den Kläger darauf hin, dass nach einstimmiger Auffassung die Berufung nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage keine Aussicht auf Erfolg hat und durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen ist, da auch die weiteren Voraussetzungen gemäß § 522 Abs. 2 Nrn.1 – 3 ZPO vorliegen.
Gründe
1. Die Berufung ist zulässig. Die Begründung entspricht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Der Kläger setzt sich mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinander und zeigt die rechtlichen Gründe auf, aufgrund derer er das Urteil für unrichtig hält.
2. Das Landgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Dem Kläger steht insbesondere kein Anspruch auf Zahlung von 5.000 € als hälftiges Gehalt für die Zeit vom 01. bis 15. Juni 2008 gegen die Beklagte zu. Der Senat geht mit dem Landgericht davon aus, dass der ursprünglich zwischen den Parteien bestehende Geschäftsführervertrag durch die Kündigung der Beklagten vom 11. April 2008 vor dem 01. Juni 2008 beendet worden ist.
Grundsätzlich kann die Kündigung schon vor Beginn des Dienstverhältnisses erklärt werden (BAG NJW 2004, 3444; Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Aufl. 2009, Vorb v § 620 Rn.29; Caesar, Die Kündigung vor Arbeitsantritt, NZA 1989, 251, 252). Die Kündigungsfrist beginnt – auch in diesem Fall – mit Zugang der Kündigungserklärung (Staudinger/Neumann, BGB, Neubearb. 2002, Vorbem zu §§ 620 ff. Rn. 62). Es besteht nämlich kein Grund, die Kündigung vor Dienstantritt rechtlich anders zu behandeln als die Kündigung nach Dienstantritt, bei der die Kündigungsfrist auch ab Zugang der Kündigung läuft (BAG a.a.O.). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Parteien anderes vereinbart haben (BAG a.a.O., Palandt/Weidenkaff a.a.O.).
Eine solche abweichende Vereinbarung ist entgegen der Ansicht des OLG Hamm (GmbHR 1985 = BB 1984, 2214; auch Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 35, Rdnr. 248; ferner – ohne eigene Stellungnahme – MünchKommBGB/Hesse, 4. Aufl., vor 620, Rn. 125) nicht schon stets bei einem Geschäftsführervertrag, zumindest bei einem solchen mit Probezeit anzunehmen. Das OLG Hamm begründet seine Auffassung, bei einem Geschäftsführervertrag bedürfe es einer besonderen Vereinbarung im Vertrag, solle dieser schon vor Aktualisierung des Dienstverhältnisses gekündigt werden können, nicht. Soweit es die Kündigung vor Dienstantritt jedenfalls im Falle der Vereinbarung einer Probezeit für grundsätzlich ausgeschlossen erachtet, trägt die Überlegung, die Vertragsparteien müssten es zunächst „miteinander versuchen“, keine Partei dürfe der anderen die Wahrnehmung der Chance nehmen, nicht. Denn in dem Fall, dass der Vertrag ohne eine Probezeit geschlossen wurde, hat der Geschäftsführer eine noch stärkere Position. Gleichwohl kann ein solcher Vertrag bereits vor Dienstantritt gekündigt werden. Strittig ist dann allein die Dauer der Kündigungsfrist.
Aus der Vereinbarung einer Probezeit folgt somit keine besondere Pflicht zur Rücksichtnahme. Vielmehr spricht eine solche Vereinbarung dafür, dass die Parteien ihre Trennung erleichtern wollten. Dies legt auch die kürzere Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB nahe. Darauf, dass eine Partei im Falle der Kündigung der anderen Partei gezwungen wäre, kurzfristig eine andere gleichwertige Anstellung bzw. einen neuen qualifizierten Geschäftsführer zu suchen, kommt es nicht an. Denn dieses Risiko wohnt einer jeden Kündigung inne. Zudem hat der Gesetzgeber die Dauer der Kündigungsfrist nicht von dem Niveau der zu erbringenden Dienstleistung abhängig gemacht, sondern von dem Zeitraum, für den die geschuldete Vergütung zu zahlen ist.
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den von dem OLG Hamm herangezogenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH, 29. Januar 1981, II ZR 92/80, BGHZ 79, 291; 26. März 1984, II ZR 120/83, WM 1984, 1313). Der Bundesgerichtshof hatte die Frage, ob ein Geschäftsführervertrag vor Aufnahme der Dienste gekündigt werden kann, nicht zu entscheiden. Vielmehr war allein über die Frage zu befinden, ob hinsichtlich der Kündigungsfrist auf § 621 Nr. 3 BGB oder auf § 622 Abs. 1 Satz 1 BGB abzustellen war. Soweit Lunk (Rechtliche und taktische Erwägungen bei Kündigung und Abberufung des GmbH-Geschäftsführers, ZIP 1999, 1777, 1781) eine Kündigung vor Dienstantritt mangels entsprechender Vereinbarung als ausgeschlossen erachtet, begnügt er sich mit der bloßen Behauptung, dies folge aus der besonderen Pflichtenbeziehung zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer.
Dem Geschäftsführervertrag der Parteien vom 25. Februar 2008 ist eine Vereinbarung, nach der die Kündigungsfrist erst ab Dienstantritt beginnen sollte, nicht zu entnehmen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Kündigungsfrist im vorliegenden Fall § 621 Nr. 3 BGB oder nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – angesichts der Bezugnahme auf die gesetzlichen Bestimmungen in § 4 Abs. 1 Satz 2 des Geschäftsführervertrages – konsequenterweise § 622 Abs. 3 BGB zu entnehmen ist. Denn in jedem Fall wurde das Vertragsverhältnis aufgrund der dem Kläger Mitte April 2008 zugegangenen Kündigung wirksam vor dem 01. Juni 2008 beendet.
Auf die Frage, ob der Kläger die Beklagte arglistig getäuscht hat und die Beklagte deshalb zur Anfechtung des Vertrages berechtigt war, kommt es nach alledem nicht mehr an.
Zutreffend ist das Landgericht auch zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zustehen, da die ordentliche Kündigung zulässig war. Vorgerichtliche Anwaltskosten kann der Kläger von der Beklagten ebenso wenig beanspruchen.
3. Der Kläger erhält Gelegenheit, binnen drei Wochen zu den obigen Hinweisen Stellung zu nehmen. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass im Falle der Rücknahme der Berufung die Gebühr des § 34 Abs. 1 GKG gemäß KV 1222 nur 2,0 statt 4,0 beträgt.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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