LAG Hamm, Beschluss vom 05.03.2010 – 10 TaBV 67/09

Oktober 6, 2020

LAG Hamm, Beschluss vom 05.03.2010 – 10 TaBV 67/09

Der Durchführungsanspruch im Hinblick auf eine Gesamtbetriebsvereinbarung steht im Fall originärer Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats allein dem Gesamtbetriebsrat, nicht einem örtlichen Betriebsrat zu.
Tenor

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 23.06.2009 – 1 BV 4/09 – abgeändert.

Der Antrag des Betriebsrats wird abgewiesen.

Auf die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats wird der Arbeitgeberin aufgegeben, für die im Betrieb des Klinikums für Rehabilitation B3 O1 Beschäftigten die geleisteten Arbeitszeiten sowie die Arbeitszeitdokumentation mittels des EDV-Programms OC:Time sowie der Hardware der Firma S7 erfassen bzw. durchführen zu lassen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe

Die Beteiligten streiten um die Durchführung einer Gesamtbetriebsvereinbarung.

Die Arbeitgeberin betreibt Kliniken, unter anderem das M3-Klinikum für Rehabilitation in B3 O1 mit zwei Klinikbereichen (W1-Klinik und Klinik am P4), in denen etwa 302 Mitarbeiter beschäftigt sind. Das M3-Klinikum für Rehabilitation I und II in B3 O1 wird als eine organisatorische Einheit geführt. In diesem Betrieb ist der antragstellende Betriebsrat gewählt.

Daneben betreibt die Arbeitgeberin noch zwei weitere Kliniken für Rehabilitation in B3 S6, die Klinik am B7 und die Klinik F3. In diesen Kliniken sind ebenfalls Betriebsräte gewählt.

Im Unternehmen der Arbeitgeberin ist schließlich ein Gesamtbetriebsrat errichtet.

Zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat wurde am 25.06.1999 eine Rahmenbetriebsvereinbarung über EDV-gestützte Informationstechniken abgeschlossen (Bl. 6 ff. d.A.).

Nach Abschluss einer Verfahrensvereinbarung zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat vom 25.10.2007 (Bl. 4, 5 d. A.) verhandelten die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat über die Einführung des Dienstplanplanungsprogramms “OC:Planner” und dem Zeiterfassungsmodul “OC:Time” nebst Hardware der Firma S7. Diese Verhandlungen führten zu einer Gesamtbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung des EDV-Systems “S7” (Bl. 14 ff. d. A.) vom 12.12.2007, die als Anlage Nr. 6 zur Rahmenbetriebsvereinbarung vom 25.06.1999 genommen wurde. Gegenstand der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 ist die EDV-mäßige Erstellung mit dem Dienstplanplanungsprogramm der Firma S7 sowie die Erfassung der geleisteten Arbeitszeiten und einer Arbeitszeitdokumentation. Nach § 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 erstreckt sich der Geltungsbereich auf alle Mitarbeiter der Q1 KG, außer den leitenden Angestellten. Gemäß § 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 trat diese Anlage mit Unterzeichnung in Kraft.

Im Übrigen wird auf die weiteren Bestimmungen der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 25.06.1999 und der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 Bezug genommen.

Nachdem die technischen Voraussetzungen für die Inbetriebnahme der Zeiterfassungsgeräte von S7 geschaffen worden waren, wurde die Arbeitszeiterfassung in den einzelnen Betrieben des Unternehmens der Arbeitgeberin im Einvernehmen mit den Betriebsräten zunächst noch nicht aktiviert, weil noch Klärungsbedarf hinsichtlich bestimmter Punkte bestand. Nach dem Vorbringen des antragstellenden Betriebsrats sollte die Zeiterfassung spätestens am 01.02.2009 aktiviert werden.

Mit Aktennotiz vom 23.12.2008 (Bl. 18 d. A.) bat die Arbeitgeberin den antragstellenden Betriebsrat, nochmals in einen Dialog zur Zeiterfassung einzutreten, weil sich in der Zwischenzeit herausgestellt habe, dass lediglich 11 von 21 befragten Ärzten ihre Zustimmung zur Aktivierung der Zeiterfassung gegeben hätten, drei ärztlichen Mitarbeitern sei es egal gewesen, sieben hätten ihre Ablehnung dokumentiert.

Mit Aktennotiz vom 09.01.2009 (Bl. 20 d. A.) forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin auf, die Zeiterfassung wie vereinbart ab dem 01.02.2009 zu aktivieren; die Betriebsvereinbarung habe nur in einer Warteposition gelegen, sei aber niemals außer Kraft gesetzt worden; im Übrigen habe sich die Mehrheit der Ärzte für die Aktivierung der Zeiterfassung ausgesprochen.

Daraufhin lehnte die Arbeitgeberin mit Aktennotiz vom 27.01.2009 (Bl. 22 d. A.) die Aktivierung der Arbeitszeiterfassung ab dem 01.02.2009 ab und bat darum, die Arbeitszeiterfassung für den ärztlichen Dienst ab dem 01.02.2009 auszusetzen, weil im Rahmen der mit der Gewerkschaft ver.di geführten Tarifverhandlungen über den Manteltarifvertrag die Möglichkeit von Arbeitszeitkonten zwischen den Betriebsparteien geregelt werden könne.

Aufgrund eines Betriebsratsbeschlusses vom 28.01.2009 leitete der Betriebsrat des Klinikums für Rehabilitation B3 O1 am 03.02.2009 daraufhin das vorliegende Beschlussverfahren ein, mit dem er die Durchführung der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 verlangt.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei aufgrund der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 verpflichtet, die Arbeitszeiterfassung zu aktivieren. Ursprünglich habe die Arbeitgeberin zugesagt, die Arbeitszeiterfassung spätestens zum 01.02.2009 zu aktivieren. Ursprünglich sei ein Beginn für die Durchführung der Zeiterfassung nicht in die Gesamtbetriebsvereinbarung aufgenommen worden. Mit der Arbeitgeberin sei aber vereinbart worden, dass spätestens am 01.02.2009 die Zeiterfassung gemäß der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 aktiviert werde. Hierbei handele es sich um eine Regelungsabrede zwischen den Betriebsparteien, die die Arbeitgeberin durchführen müsse.

Ein Zusammenhang zwischen der Aktivierung der Arbeitszeiterfassung und der von den neuen Bestimmungen des Manteltarifvertrages geschaffenen Möglichkeit der Einführung von Arbeitszeitkonten bestehe nicht. Der Anspruch auf Durchführung der Gesamtbetriebsvereinbarung sei unabhängig von der Frage, ob ein Arbeitszeitkonto eingeführt werde oder nicht.

Der geltend gemachte Durchführungsanspruch stehe auch dem antragstellenden Betriebsrat zu. Für den Zeitpunkt der genauen Einführung der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 seien die einzelnen Betriebsräte zuständig. Insoweit sei der Betriebsrat antragsbefugt.

Der Betriebsrat hat beantragt,

Der Arbeitgeberin aufzugeben, die geleisteten Arbeitszeiten sowie die Arbeitszeitdokumentation mittels des EDV-Programms “OC-Time” sowie der Hardware der Firma “S7” zu erfassen bzw. durchzuführen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass der antragstellende Betriebsrat die Umsetzung der Maßnahme nicht verlangen könne, da es sich um eine Gesamtbetriebsvereinbarung handele und nur eine einheitliche Durchführung der Arbeitszeiterfassung Sinn mache. Bei Abschluss der Gesamtbetriebsvereinbarung sei bewusst ein Beginn für die Durchführung der Zeiterfassung nicht geregelt worden. Gerade im Bereich der Ärzteschaft sei festgestellt worden, dass dort keine einheitliche Auffassung über die Durchführung der Arbeitszeiterfassung bestanden und insoweit noch Klärungsbedarf bestanden habe. Ein nicht unerheblicher Teil der Mitarbeiter des ärztlichen Bereichs stehe der Arbeitszeiterfassung kritisch gegenüber.

Im Übrigen mache die Einführung der Zeiterfassung zum jetzigen Zeitpunkt keinen Sinn, weil im Hinblick auf die mit der zuständigen Gewerkschaft ver.di vereinbarten neuen Bestimmungen des Manteltarifvertrages in den §§ 6 und 6 a MTV die Möglichkeit zur Einführung von Arbeitszeitkonten vorgesehen sei. Die Arbeitgeberin habe insoweit den Gesamtbetriebsrat bereits zur Aufnahme von Verhandlungen über die Einführung von Arbeitszeitkonten aufgefordert.

Durch Beschluss vom 23.06.2009 hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der antragstellende Betriebsrat sei antragsbefugt, weil er die gerade ihm gegenüber zugesagte Aktivierung der Arbeitszeiterfassung aufgrund der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 verfolge. Der Betriebsrat könne auch den Anspruch auf Durchführung der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 durchsetzen, weil ihm gegenüber zugesagt worden sei, die in der Gesamtbetriebsvereinbarung festgelegte Arbeitszeiterfassung und Dokumentation spätestens zum 01.02.2009 zu aktivieren. Die Einwendung der Arbeitgeberin, ein Teil der Ärzteschaft stehe der Arbeitszeiterfassung kritisch gegenüber, sei unbeachtlich.

Gegen den der Arbeitgeberin am 06.07.2009 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Arbeitgeberin am 03.08.2009 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 30.09.2009 mit dem am 30.09.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beschwerdekammer hat nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vom 04.01.2010 den Gesamtbetriebsrat der Arbeitgeberin am vorliegenden Verfahren beteiligt.

Die Arbeitgeberin bestreitet nach wie vor die Antragsbefugnis des antragstellenden Betriebsrats. Nach ihrer Auffassung sei allein der Gesamtbetriebsrat antragsberechtigt. Der antragstellende Betriebsrat könne keine Rechte aus der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 über die Einführung und Anwendung des EDV-Systems S7 für sich in Anspruch nehmen. Zu welchem Zeitpunkt die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 eingeführt werde, liege allein im Zuständigkeitsbereich des Gesamtbetriebsrats. Im Übrigen mache auch nur eine einheitliche Einführung des entsprechenden Systems für alle Betriebe des Unternehmens der Arbeitgeberin Sinn.

Die Einführung des EDV-Systems S7 sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll, da aufgrund des neu in Kraft getretenen Manteltarifvertrages vom 28.01.2009 im Rahmen der Arbeitszeit die Möglichkeit geschaffen worden sei, gemäß §§ 6, 6 a MTV Arbeitszeitkonten mit einem Ausgleichszeitraum von bis zu 52 Wochen einzuführen.

Der Zeitpunkt der Arbeitszeiterfassung könne nur zentral mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbart werden, die Einführung solle für alle Betriebe einheitlich erfolgen. Der Zeitpunkt des Beginns der Umsetzung müsse mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbart werden.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 23.06.2009 – 1 BV 4/09 – abzuändern und den Antrag des Betriebsrats abzuweisen.

Der Betriebsrat und der Gesamtbetriebsrat beantragen,

die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen.

Der Gesamtbetriebsrat beantragt ferner,

der Arbeitgeberin aufzugeben, für die im Betrieb des Klinikums für Rehabilitation B3 O1 Beschäftigten die geleisteten Arbeitszeiten sowie die Arbeitszeitdokumentation mittels des EDV-Programms OC-Time sowie der Hardware der Firma S7 erfassen zu lassen bzw. durchführen zu lassen.

Der Betriebsrat verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist weiter der Auffassung, er sei sowohl antragsbefugt wie auch aktivlegitimiert. Er nehme nämlich eigene Rechte und keine Rechte des Gesamtbetriebsrats wahr. Er streite um die Durchsetzung der zwischen den Beteiligten vereinbarten Regelungsabsprache. Die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 sei mit Unterzeichnung in Kraft gesetzt worden, sie sei lediglich aufgrund der einvernehmlich getroffenen Regelungsabrede bis zum 01.01.2009 ausgesetzt worden. Hieraus folge der von ihm, dem Betriebsrat, geltend gemachte Durchführungsanspruch. Auf die durch die neuen Bestimmungen der §§ 6, 6a MTV geschaffenen Möglichkeit, Arbeitszeitkonten einzuführen, komme es nicht an.

Der Gesamtbetriebsrat schließt sich dem gesamten Vorbringen des Betriebsrats an.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Antrag des Gesamtbetriebsrats abzuweisen.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Begründet ist auch die zulässige Beschwerde des Gesamtbetriebsrats.

I.

Die im Beschwerderechtszug gestellten Anträge der Beteiligten sind zulässig.

1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig.

Sie ist an sich statthaft und form- und fristgerecht beim Landesarbeitsgericht eingelegt und begründet worden, §§ 87 Abs. 1 und 2, 89 Abs. 2, 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG.

2. Auch der im Beschwerderechtszug erstmals gestellte (Beschwerde-)Antrag des Gesamtbetriebsrats ist zulässig.

a) Der vom Gesamtbetriebsrat im Laufe des Beschwerdeverfahrens gestellte Antrag vom 17.02.2010 bedarf zunächst der Auslegung. Inhaltlich entspricht das Verlangen des Gesamtbetriebsrats dem Begehren des antragstellenden Betriebsrats. Sowohl der Betriebsrat wie auch der Gesamtbetriebsrat verlangen mit ihren Anträgen die Erfassung der geleisteten Arbeitszeiten sowie die Arbeitszeitdokumentation mittels des EDV-Systems S7 für den Betrieb des M3-Klinikums für Rehabilitation I und II B3 O1. Sowohl der Gesamtbetriebsrat wie auch der antragstellende Betriebsrat begehren insoweit die vollständige Einführung und Durchführung der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007. Dabei haben die Erläuterungen des Gesamtbetriebsrats im Termin vor der Beschwerdekammer vom 05.03.2010 ergeben, dass der Gesamtbetriebsrat insoweit – mindestens auch – einen eigenen Durchführungsanspruch geltend macht. Insoweit ist der Antrag des Gesamtbetriebsrats auch genügend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

b) Der Gesamtbetriebsrat ist auch beschwerdebefugt und durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts beschwert.

Beschwerdebefugt sind grundsätzlich alle Beteiligten eines Beschlussverfahrens, die durch die erbetene Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen sind. Ein zu Unrecht an einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nicht Beteiligter ist beschwerdebefugt und kann durch eine Beschwerde seine weitere Beteiligung am Verfahren erreichen (BAG 10.09.1985 – 1 ABR 32/83 – AP TVG § 2 Nr. 34; BAG 10.09.1985 – 1 ABR 15/83 – AP BetrVG 1972 § 117 Nr. 2; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 7. Aufl., § 89 Rn. 3; ErfK/Eisemann, 10. Aufl., § 89 ArbGG Rn. 2 m.w.N.). Die Beschwerdebefugnis folgt insoweit der Beteiligungsbefugnis (BAG 04.12.1986 – 6 ABR 48/85 – AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 13; BAG 20.03.1996 – 7 ABR 34/95 – AP BetrVG 1972 § 5 Ausbildung Nr. 10; BAG 05.12.2007 – 7 ABR 72/06 – AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 82).

Auch der Gesamtbetriebsrat war am vorliegenden Verfahren zu beteiligen. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG ist Beteiligter an einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, wer durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist (BAG 11.11.1998 – 4 ABR 40/97 – AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 18; BAG 16.03.2005 – 7 ABR 40/04 – AP BetrVG 1972 § 15 Nr. 3; BAG 22.07.2008 – 1 ABR 40/07 – AP BetrVG 1972 § 87 Nr. 14 m.w.N.). Betroffen ist ein Betriebsverfassungsorgan, wenn es als Inhaber eines streitigen Rechts materiellrechtlich ernsthaft in Betracht kommt. So liegt der vorliegende Fall. Die Beteiligten des vorliegenden Beschlussverfahrens streiten unter anderem darum, wem der Anspruch auf Durchführung einer vom Gesamtbetriebsrat abgeschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarung zukommt. Das Arbeitsgericht hätte bereits den Gesamtbetriebsrat beteiligen müssen, weil er als Inhaber des Rechts auf Durchführung einer von ihm abgeschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarung ernsthaft in Betracht kommt. Die Arbeitgeberin des vorliegenden Verfahrens hat bereits erstinstanzlich den Durchführungsanspruch für den antragstellenden Betriebsrat verneint und ihn für den Gesamtbetriebsrat reklamiert.

Aus der notwendigen Beteiligung des Gesamtbetriebsrats folgt dessen Beschwerdebefugnis.

Der Gesamtbetriebsrat ist nach Auffassung der Beschwerdekammer durch die erstinstanzliche Entscheidung auch beschwert. Das Arbeitsgericht hat nämlich den Durchführungsanspruch aus der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 dem antragstellenden Betriebsrat zugesprochen. Dadurch, dass der Gesamtbetriebsrat sich nach seiner Beteiligung durch das Beschwerdegericht am vorliegenden Verfahren nicht lediglich mit einem den Arbeitgeberantrag zurückweisenden Antrag begnügt hat, sondern einen eigenen Durchführungsanspruch stellt, ergibt sich seine Beschwer.

c) Ob der Gesamtbetriebsrat mit seinem Antrag vom 17.02.2010 eine eigene Beschwerde nach den §§ 87, 89 ArbGG oder eine Anschlussbeschwerde nach den §§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6 ArbGG, 524 ZPO einlegen wollte und eingelegt hat, konnte die Beschwerdekammer letztlich offen lassen. Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats ist in jedem Fall zulässig.

aa) Zwar verlangt die Einlegung einer Beschwerde im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 89 Abs. 2 eine bestimmte Form. Die Beschwerdeschrift muss den Beschluss bezeichnen, gegen den die Beschwerde gerichtet ist. Aus der Beschwerdeschrift muss hervorgehen, wer Beschwerdeführer ist und für wen die Beschwerde eingelegt wird. Ferner muss die Beschwerdebegründung nach § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG angeben, auf welche im Einzelnen anzuführenden Beschwerdebegründung sowie auf welche neuen Tatsachen die Beschwerde gestützt wird. Entsprechende Förmlichkeiten gelten für die Einlegung einer Anschlussbeschwerde (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O. § 89 Rn. 34 ff.).

Diese Förmlichkeiten sind im vorliegenden Fall gewahrt. Zwar ist im Schriftsatz des Gesamtbetriebsrats vom 17.02.2010 nicht ausgeführt, ob er eine Beschwerde oder eine Anschlussbeschwerde einlegen will. Auch der Beschluss des Arbeitsgerichts, gegen den der Gesamtbetriebsrat sich wenden will, ist nicht bezeichnet. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch entbehrlich, weil eine Auslegung des Schriftsatzes vom 17.02.2010 ergibt, dass der Gesamtbetriebsrat – mindestens auch – einen eigenen Durchführungsanspruch geltend machen will. Damit wendet er sich – ebenso wie der antragstellende Betriebsrat – gegen die von der Arbeitgeberin gegen den erstinstanzlichen Beschluss eingelegte Beschwerde. Dies ist aus dem Schriftsatz des Gesamtbetriebsrats vom 17.02.2010, den er zu dem vorliegenden Beschwerdeverfahren 10 TaBV 67/09 eingereicht hat, ersichtlich.

Auch die im Schriftsatz vom 17.02.2010 enthaltene Begründung für den gestellten Antrag erscheint ausreichend. Sie ist zugegebenermaßen kurz geraten. Der Gesamtbetriebsrat wiederholt aber in zulässigerweise das gesamte Vorbringen des Betriebsrats. Da sein Begehren – wie bereits ausgeführt – inhaltlich mit dem Begehren des Betriebsrats übereinstimmt, wenn auch gestützt auf einen eigenen Durchführungsanspruch, erscheint eine Wiederholung des gesamten Vorbringens des Betriebsrats entbehrlich.

bb) Der (Beschwerde-)Antrag des Gesamtbetriebsrats ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der Gesamtbetriebsrat die Frist für die Einlegung einer Beschwerde oder Anschlussbeschwerde nicht eingehalten hätte.

Zwar hat der Gesamtbetriebsrat mit seinem Schriftsatz vom 17.02.2010, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 18.02.2010, die Monatsfrist für die Einlegung einer Beschwerde gemäß §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG nicht eingehalten. Der erstinstanzliche Beschluss ist dem Gesamtbetriebsrat durch die Beschwerdekammer ausweislich der bei den Akten befindlichen Zustellungsurkunde (Bl. 120 d. A.) am 06.01.2010 zugestellt worden. Der Schriftsatz des Gesamtbetriebsrats vom 17.02.2010 ist erst am 18.02.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Damit war die Monatsfrist der §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG nicht eingehalten. Der dem Gesamtbetriebsrat zugestellte Beschluss des Arbeitsgerichts vom 23.06.2009 enthielt aber für den Gesamtbetriebsrat keine zutreffende Rechtsmittelbelehrung. Aufgrund der unterlassenen Beteiligung des Gesamtbetriebsrats durch das Arbeitsgericht ist der Gesamtbetriebsrat nicht darüber unterrichtet worden, wann und in welcher Form er das zutreffende Rechtsmittel gegen den arbeitsgerichtlichen Beschluss einlegen kann. Die Frist für das Rechtsmittel für den Gesamtbetriebsrat begann danach nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung am 06.01.2010 an den Gesamtbetriebsrat zu laufen. Gemäß § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel nur dann, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und die einzuhaltende Frist und Form ordnungsgemäß schriftlich belehrt worden ist. Ist diese Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, kann die Einlegung des Rechtsmittels noch innerhalb eines Jahres seit Zustellung erfolgen, § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG. Diese Jahresfrist hat der Gesamtbetriebsrat mit seinem Schriftsatz vom 17.02.2010 eingehalten.

Selbst wenn eine eigene Beschwerde des Betriebsrats unzulässig wäre, wäre sie in eine zulässige Anschlussbeschwerde des Gesamtbetriebsrats umzudeuten (BGH 30.10.2008 – III ZB 421/08 – NJW 2009, 442). Für eine derartige Umdeutung genügt es, wenn diese vom mutmaßlichen Parteiwillen gedeckt wird. In aller Regel wird eine Partei eine unzulässige Hauptberufung als zulässige Anschlussberufung retten wollen. Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Die Erhebung einer zulässigen Anschlussbeschwerde entspricht dem mutmaßlichen Willen des Gesamtbetriebsrats. Dies ist im Rahmen der Erörterungen vor der Beschwerdekammer im Anhörungstermin vom 05.03.2010 klargestellt worden. Zwar hat der Gesamtbetriebsrat mit seinem Schriftsatz vom 17.02.2010 auch die Frist zur Einlegung einer Anschlussberufung nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht eingehalten. Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren kann jedoch eine Anschlussbeschwerde wegen einer im Beschlussverfahren fehlenden gesetzlichen Beschwerdeerwiderungsfrist zeitlich unbefristet bis zum Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer eingelegt werden (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O., § 89 Rn. 34, 37). Nach Beteiligung des Gesamtbetriebsrats am vorliegenden Beschlussverfahren durch Beschluss der erkennenden Kammer vom 04.01.2010 ist dem Gesamtbetriebsrat auch vom Vorsitzenden der Beschwerdekammer keine Frist gesetzt worden, die wie eine gesetzliche Berufungsbegründungsfrist gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO wirken könnte (vgl. BAG 10.03.2009 – 1 ABR 93/07 – AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 Rn. 23). Die vom Vorsitzenden der Beschwerdekammer dem Betriebsrat gesetzte Frist zur Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Arbeitgeberin war für den Gesamtbetriebsrat im vorliegenden Fall nicht maßgeblich, da er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht am Verfahren beteiligt war.

d) Soweit der Gesamtbetriebsrat im Beschwerdeverfahren einen eigenen Durchführungsanspruch geltend macht, führt auch dies nicht zur Unzulässigkeit des Antrags des Gesamtbetriebsrats.

Zwar ist insoweit der Streitgegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens, in dem es um den Durchführungsanspruch des antragstellenden Betriebsrats ging, erweitert worden. Der Gesamtbetriebsrat war aber – wie bereits ausgeführt – im Verfahren vor dem Arbeitsgericht zu Unrecht nicht beteiligt worden. Hieraus können ihm keine Nachteile entstehen. Das zu Unrecht nicht zu einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren hinzugezogene betriebsverfassungsrechtliche Organ muss sich nach seiner Beteiligung nicht im Rahmen der ursprünglich gestellten Anträge halten; es kann auch durch Antragsänderung den Streitstoff erweitern und einen eigenen Sachantrag stellen (BAG 16.12.1986 – 1 ABR 35/85 – AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 13, unter I. 3. der Gründe; BAG 02.04.1987 – 6 ABR 29/85 – AP ArbGG 1979 § 87 Nr. 3; BAG 18.10.1988 – 1 ABR 31/87 – AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 10; Schwab/Weth, ArbGG, 2. Aufl., § 83 Rn. 100; Dörner/GK-ArbGG, § 83 Rn. 60; Weth, Das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren, S. 148, 224 f.; vgl. auch: Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O., § 83 Rn. 35).

Die vom Gesamtbetriebsrat vorgenommene Antragserweiterung ist auch in der Beschwerdeinstanz zulässig. Dies ergibt sich aus den §§ 87 Abs. 2 Satz 3, 81 Abs. 3 ArbGG. Hiernach ist auch im Beschwerdeverfahren nach den §§ 87 ff. ArbGG eine Antragsänderung zulässig, wenn die übrigen Beteiligten zustimmen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

Die Zustimmung der Arbeitgeberin und des Betriebsrats zu dem Antrag des Gesamtbetriebsrats vom 17.02.2010 ergibt sich schon aus § 81 Abs. 3 Satz 2 ArbGG. Hiernach gilt die Zustimmung als erteilt, wenn die Beteiligten, ohne zu widersprechen, sich in einem Schriftsatz oder in der mündlichen Verhandlung auf den geänderten Antrag eingelassen haben. So liegt der vorliegende Fall. Die Arbeitgeberin hat – wie auch der Betriebsrat – sich auf den Antrag des Gesamtbetriebsrats vom 17.02.2010 eingelassen und entsprechende Anträge gestellt.

Darüber hinaus war die Antragsänderung durch den Gesamtbetriebsrat auch sachdienlich. Sachdienlich ist eine Klage- oder Antragsänderung dann, wenn sie bei objektiver Beurteilung den Streitstoff der Beteiligten endgültig zu beseitigen vermag und einem anderenfalls zu gewärtigenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt; maßgebend ist dabei der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit (BGH 10.01.1985 – III ZR 93/83 – NJW 1985, 1841; BGH 30.11.1999 – VI ZR 219/98 – NJW 2000, 800; BGH 01.03.2002 – RiZ (R) 1/01 – NJW-RR 2002, 929; MünchKomm/Becker-Eberhard, ZPO, 3. Aufl., § 263 Rn. 31 ff. m.w.N.).

Hiernach konnte die Sachdienlichkeit der Antragserweiterung durch den Gesamtbetriebsrat nicht verneint werden. Dem vom Gesamtbetriebsrat gestellten Antrag liegt der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde, auch den auch der Betriebsrat seinen Antrag schon in erster Instanz gestützt hat (BAG 05.11.1985 – 1 ABR 49/83 – AP BetrVG 1972 § 98 Nr. 2; BAG 21.01.2003 – 1 ABR 9/02 – AP BetrVG 1972 § 21 a Nr. 1; BAG 26.10.2004 – 1 ABR 37/03 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 29). Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren im Wesentlichen um die Durchführung der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007.

II.

Der zulässige Antrag des Betriebsrats ist unbegründet.

Demgegenüber erweist sich der zulässige Antrag des Gesamtbetriebsrats als begründet.

1. Die vom Betriebsrat und vom Gesamtbetriebsrat gestellten Anträge sind zulässig.

a) Zutreffend verfolgen die Antragsteller ihr Begehren im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 ArbGG. Es handelt sich um eine zwischen den Beteiligten streitige Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Die Beteiligten streiten nämlich um die Durchführung einer Gesamtbetriebsvereinbarung gemäß § 77 BetrVG.

b) Sowohl die Antragsbefugnis des Betriebsrats wie auch die Antragsbefugnis des Gesamtbetriebsrats sind gegeben. Sie folgt aus § 81 Abs. 1 ArbGG.

aa) Im Beschlussverfahren ist ein Beteiligter nur insoweit antragsbefugt, als er eigene Rechte geltend macht. Antragsbefugnis und Beteiligtenstatus fallen nicht notwendig zusammen; § 83 Abs. 3 ArbGG besagt nichts darüber, ob ein Beteiligter im Beschlussverfahren einen Antrag stellen kann. Die Antragsbefugnis ist vielmehr nach den Regeln über die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zu bestimmen, § 81 Abs. 1 ArbGG. Regelmäßig kann nur derjenige ein gerichtliches Verfahren einleiten, der vorträgt, Träger eines streitbefangenen Rechts zu sein. Ausnahmen gelten im Fall zulässiger Prozessstandschaft. Prozessführungsbefugnis im Urteilsverfahren und Antragsbefugnis im Beschlussverfahren dienen dazu, Popularklagen auszuschließen. Im Beschlussverfahren ist die Antragsbefugnis deshalb nur gegeben, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen werden kann. Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht (BAG 25.08.1981 – 1 ABR 61/79 – AP ArbGG 1979 § 83 Nr. 2; BAG 30.10.1986 – 6 ABR 52/83 – AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 6; BAG 18.08.1987 – 1 ABR 65/86 – AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 6; BAG 18.02.2003 – 1 ABR 17/02 – AP BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung Nr. 11).

bb) Die Auslegung des Begehrens des Betriebsrats im vorliegenden Fall ergibt, dass dieser eigene Rechte geltend macht und dies nicht von vornherein als gänzlich aussichtslos erscheint (BAG 19.09.2006 – 1 ABR 53/05 – AP BetrVG 1972 § 2 Nr. 5; BAG 20.05.2008 – 1 ABR 19/07 – AP BetrVG 1972 § 81 Nr. 4). Der Betriebsrat ist der Auffassung, dass ihm aus eigenem Recht ein Anspruch auf Durchführung der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 zusteht. Diesen Anspruch begründet er unter anderem damit, dass er mit der Arbeitgeberin eine mündliche Regelungsabrede über den Beginn der Aktivierung der Zeiterfassung getroffen habe. Dies ist für die Antragsbefugnis im Sinne des § 81 Abs. 1 ArbGG ausreichend. Wer eine Leistung an sich verlangt, ist antragsbefugt. Ob er die Leistung beanspruchen kann, ist eine Frage der Begründetheit seines Antrags (vgl. auch: Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O., § 81 Rn. 56; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 81 Rn. 10 m.w.N.).

Nach den obigen Ausführungen ist auch der Gesamtbetriebsrat antragsbefugt im Sinne des § 81 Abs. 1 ArbGG. Auch der Gesamtbetriebsrat macht – mindestens auch – einen eigenen Durchführungsanspruch geltend. Ob der Durchführungsanspruch dem Gesamtbetriebsrat oder dem Betriebsrat oder gar beiden Antragstellern zusteht, ist eine Frage der Begründetheit der Anträge.

c) Die Beteiligung des antragstellenden Betriebsrats, der Arbeitgeberin und des Gesamtbetriebsrats ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.

Die Beteiligung des Betriebsrats am vorliegenden Verfahren ergibt sich schon daraus, dass er aus eigenem Recht Anträge stellt. Ein Antragsteller ist bereits aufgrund seines Antrags Beteiligter an einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren (BAG 25.08.1981 – 1 ABR 61/79 – AP ArbGG 1979 § 83 Nr. 2; Dörner/GK-ArbGG, § 83 Rn. 26 m.w.N.).

Auch die Arbeitgeberin ist am vorliegenden Verfahren zu beteiligen. Sie wird auf Durchführung der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 in Anspruch genommen. Auch wenn es im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren von Gesetzes wegen keinen Antragsgegner gibt (BAG 20.07.1982 – 1 ABR 19/81 – AP BetrVG 1952 § 76 Nr. 26; Dörner/GK-ArbGG, § 83 Rn. 35), ist der Arbeitgeber, der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG Betriebsvereinbarungen durchführt, an einem entsprechenden arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu beteiligen.

Am vorliegenden Beschlussverfahren war schließlich auch der Gesamtbetriebsrat zu beteiligen. Hierzu sind bereits oben unter B. I. 2. b) entsprechende Ausführungen gemacht worden. Auch der Gesamtbetriebsrat ist am vorliegenden Verfahren zu beteiligen, weil er als Inhaber eines entsprechenden Durchführungsanspruchs ernsthaft in Betracht kommt und diesen Durchführungsanspruch für sich auch reklamiert.

Die erstinstanzlich unterbliebene Beteiligung des Gesamtbetriebsrats am vorliegenden Verfahren wird durch die nunmehrige zweitinstanzliche Beteiligung am vorliegenden Beschlussverfahren geheilt (BAG 03.04.1979 – 6 ABR 63/76 – AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 16; BAG 31.05.2005 – 1 ABR 22/04 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 125; BAG 15.05.2007 – 1 ABR 32/06 – AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 30; BAG 13.06.2007 – 7 ABR 62/06 – AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 31). Da die beim Arbeitsgericht unterbliebene Beteiligung des Gesamtbetriebsrats von keinem der bisher Beteiligten gerügt wurde, ist der Verfahrensfehler für die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses ohne Bedeutung.

2. Der Antrag des Betriebsrats ist unbegründet. Demgegenüber erweist sich der Antrag des Gesamtbetriebsrats als begründet.

a) In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass dem Betriebsrat grundsätzlich ein Anspruch auf Durchführung von abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen zusteht. Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG führt der Arbeitgeber Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber durch. Diese Vorschrift verpflichtet den Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat, solche Vereinbarungen ihrem Inhalt entsprechend im Betrieb anzuwenden. Ob sich dieser Durchführungsanspruch unmittelbar aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ergibt oder ob er seinen Grund in der Betriebsvereinbarung selbst hat, kann dabei offen bleiben. § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erstreckt die Durchführungspflicht des Arbeitgebers selbst auf Sprüche der Einigungsstelle. Der Betriebsrat kann insoweit auch die Durchführung eines Teiles einer Vereinbarung verlangen, solange er nicht durch die Betriebsvereinbarung begründeten individualrechtlichen Ansprüche der einzelnen Arbeitnehmer im eigenen Namen geltend macht (BAG 24.02.1987 – 1 ABR 18/85 – AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 21; BAG 28.09.1988 – 1 ABR 41/87 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 29; BAG 21.08.2001 – 3 ABR 4/00 – AP BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 8; BAG 29.04.2004 – 1 ABR 30/02 – AP BetrVG 1972 § 77 Durchführung Nr. 3; BAG 18.01.2005 – 3 ABR 21/04 – AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 24; BAG 13.03.2007 – ! ABR 22/06 – AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 52; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 24. Aufl., § 77 Rn. 272; Kreutz/GK-BetrVG, 9. Aufl., § 77 Rn. 24 f.; ErfK/Kania, 10. Aufl., § 77 BetrVG Rn. 5; WPK/Preis, BetrVG, 4. Aufl., § 77 Rn. 2 m.w.N.).

b) Der antragstellende Betriebsrat des vorliegenden Verfahrens hat keinen Anspruch auf Durchführung der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007.

aa) Insoweit ist allein der Gesamtbetriebsrat aktiv legitimiert. Dies ergibt sich aus der schuldrechtlichen Wirkung einer Betriebsvereinbarung nach § 77 BetrVG. Vertragspartner der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 sind der Gesamtbetriebsrat und die Arbeitgeberin. Der Anspruch eines Betriebsrats auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung ist insoweit schlicht ein vertraglicher Erfüllungsanspruch (Streicher, Die Betriebsvereinbarung, 3. Aufl. 2004, Rn. 617; vgl. auch ErfK/Kania, a.a.O., § 77 BetrVG Rn. 5). Dieser vertragliche Erfüllungsanspruch kann bei Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung lediglich dem Vertragspartner des Arbeitgebers, dem Gesamtbetriebsrat zustehen. Der betriebsverfassungsrechtliche Anspruch auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG steht bei Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung im Falle originärer Zuständigkeit dem Gesamtbetriebsrat zu (Göbel, Der betriebsverfassungsrechtliche Durchführungsanspruch, 2006, S. 47 f., 167 ff.). Nur dem Gesamtbetriebsrat gegenüber ist die Arbeitgeberin des vorliegenden Verfahrens danach zur Erfüllung der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 schuldrechtlich verpflichtet.

Etwas anderes hätte sich lediglich dann ergeben können, wenn die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 vom Gesamtbetriebsrat kraft Auftrags nach § 50 Abs. 2 BetrVG abgeschlossen worden wäre. Das ist jedoch unstreitig nicht der Fall gewesen. Der antragstellende Betriebsrat hat selbst vorgetragen, dass dem Abschluss der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 keine Delegationsbeschlüsse der örtlichen Betriebsräte zugrunde gelegen haben. Darüber hinaus hat die Arbeitgeberin unwidersprochen vorgetragen, dass das EDV-System S7 unternehmenseinheitlich eingeführt werden sollte. Aus diesem Grunde ist die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossen worden. Auch hieraus ergibt sich die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 BetrVG. Die gesamte Abrechnung, auch die Zeiterfassung, soll im Unternehmen der Arbeitgeberin einheitlich durchgeführt werden.

bb) Der Betriebsrat kann sich zur Begründung seiner Aktivlegitimation auch nicht darauf berufen, dass er mit der Arbeitgeberin eine Regelungsabrede über dem Beginn der Aktivierung der Zeiterfassung getroffen habe. Die behauptete Regelungsabrede betrifft die Durchführung der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007. Dieser Durchführungsanspruch steht jedoch nicht dem Betriebsrat, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu.

cc) Der vom Betriebsrat geltend gemachte Durchführungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 80 Abs. 1 BetrVG.

Zwar hat der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unter anderem darüber zu wachen, dass die geltenden Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Das gilt auch für die Überwachung von Gesamtbetriebsvereinbarungen, die vom Gesamtbetriebsrat abgeschlossen worden sind (BAG 20.12.1988 – 1 ABR 63/87 – AP ArbGG 1979 § 92 Nr. 5; ErfK/Kania, a.a.O., § 80 BetrVG Rn. 5; Fitting, a.a.O., § 80 Rn. 12; WPK/Preis, a.a.O., § 80 Rn. 9; Weber/GK-BetrVG, a.a.O., § 80 Rn. 22).

Aus diesem Überwachungsrecht des Betriebsrats folgt aber nicht, dass ihm auch ein Durchführungsanspruch hinsichtlich der abgeschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarung zusteht. Verstößt ein Arbeitgeber gegen seine Pflicht, eine Gesamtbetriebsvereinbarung durchzuführen, begründet dieser Verstoß keine betriebsverfassungswidrige Lage im Verhältnis zu den einzelnen Betriebsräten. Der Betriebsrat kann den Arbeitgeber insoweit nicht auf Durchführung der Gesamtbetriebsvereinbarung in Anspruch nehmen. Er ist vielmehr darauf beschränkt, die fehlende Durchführung der Gesamtbetriebsvereinbarung beim Arbeitgeber zu beanstanden und auf Abhilfe zu drängen (BAG 16.07.1985 – 1 ABR 9/83 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 17; BAG 10.06.1986 – 1 ABR 59/84 – AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 26; BAG 28.05.2002 – 1 ABR 32/01 – AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 39; BAG 27.01.2004 – 1 ABR 7/03 – AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 40; BAG 16.11.2005 – 7 ABR 12/05 – AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 64 – unter B. II. 1. d) der Gründe; BAG 13.03.2007 – 1 ABR 22/06 – NZA-RR 2007, 581 – Rn. 37; ErfK/Kania, a.a.O., § 80 Rn. 7; Weber/GK-BetrVG, a.a.O., § 80 Rn. 28 m.w.N.).

c) Der im Beschwerderechtszug geltend gemachte Durchführungsanspruch des Gesamtbetriebsrats ist dagegen begründet.

Die Arbeitgeberin ist verpflichtet, die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 durchzuführen. Dies ergibt sich aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

Die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 ist wirksam abgeschlossen worden. Nach dem unstreitigen Vorbringen aller Beteiligten war der Gesamtbetriebsrat für den Abschluss der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig.

Nach § 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 gilt diese für alle Mitarbeiter der Arbeitgeberin außer den leitenden Angestellten. Sie betrifft hiernach auch die im Betrieb des Klinikums für Rehabilitation B3 O1 beschäftigten Ärzte. Diese sind keine leitenden Angestellten.

Nach § 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 ist sie mit Unterzeichnung in Kraft getreten. Sie ist bislang nicht gekündigt. Soweit sich der Gesamtbetriebsrat mit einer Aussetzung der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 – wenn auch stillschweigend – einverstanden erklärt haben sollte, gilt dies seit seinem Antrag im Beschwerdeverfahren vom 17.02.2010 nicht mehr. Über eine weitere Aussetzung der Gesamtbetriebsvereinbarung wäre mindestens eine Regelungsabrede zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat notwendig. Diese liegt nicht vor.

Soweit der Gesamtbetriebsrat die Durchführung der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 nur für die im Betrieb des Klinikums für Rehabilitation B3 O1 Beschäftigten verlangt, führt dieses Verlangen nicht zur Unbegründetheit des Antrages. Ein Betriebsrat kann sich darauf beschränken, vom Arbeitgeber nur die Durchführung eines Teiles einer Betriebsvereinbarung zu verlangen (BAG 28.09.1988 – 1 ABR 41/87 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 29; Streicher, a.a.O., Rn. 617). Das gilt auch bei der Durchführung einer Gesamtbetriebsvereinbarung.

III.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht nach den §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG bestand keine Veranlassung.

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Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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