LAG Hamm, Beschluss vom 07.12.2010 – 6 Ta 486/10

September 1, 2020

LAG Hamm, Beschluss vom 07.12.2010 – 6 Ta 486/10

Das Gebührenprivileg für arbeitsgerichtliche Vergleiche nach Vorbem. 8 KV GKG kommt auch zum Zuge, wenn die Parteien nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils, jedoch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist einen außergerichtlichen Vergleich abschließen und diesen vom Gericht feststellen lassen (Fortführung von LAG Hamm 24.07.1974 – 8 Ta 54/73).
Tenor

Die Beschwerde des Bezirksrevisors beim Landesarbeitsgericht Hamm gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 30.07.2010 – 2 Ca 2779/09 – wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei;

Kosten werden nicht erstattet.
Gründe

Gründe :

I.

Der Kläger hat die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit u. a. auf Zahlung von Überstundenvergütung in Anspruch genommen. Am 06.04.2010 hat das Arbeitsgericht ein Urteil verkündet, den Parteien jedoch zuvor einen Vergleichsvorschlag unter Setzung einer Annahmefrist bis zum 14.04.2010 unterbreitet. Innerhalb der Frist ist der Vergleichsvorschlag von den Parteien angenommen worden. Gegenüber dem Kläger ist mit Rechnung der Gerichtskasse Düsseldorf vom 15.06.2010 eine Verfahrensgebühr nach Nr. 8210 KV GKG in Ansatz gebracht worden. Hiergegen hat er sich mit Schreiben vom 23.06.2010 gewandt. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 30.07.2010 der Erinnerung vom 23.06.2010 zum Teil abgeholfen, im Übrigen die Kostenbeamtin angewiesen, eine 0,4-Gebühr nach Nr. 8211 KV GKG in Ansatz zu bringen und die Beschwerde zugelassen. Der Bezirksrevisor beim Landesarbeitsgericht Hamm hat gegen den Beschluss vom 30.07.2010 Beschwerde eingelegt. Er meint, wegen erfolgter Beendigung der Instanz greife die Regelung zum Entfallen der Gebühr bei Vergleich nicht mehr ein. Auch der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 8211 Nr. 2 3. Alt. KV GKG liege mangels eines Rechtsmittelverzichts nicht vor. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach Vorbem. 8 KV GKG entfällt bei Beendigung des Verfahrens durch einen gerichtlichen Vergleich die in dem betreffenden Rechtszug angefallene Gebühr. Diese Regelung erfasst auch den Fall eines zwischen Verkündung und Rechtskraft eines instanzbeendenden Urteils – damit noch während der laufenden Instanz – abgeschlossenen Vergleich. Das Urteil zielt auf den Abschluss der Instanz (nach Ablauf der Rechtsmittelfrist), während der Vergleich das Verfahren beendet, was die Vorbem. 8 KV GKG ausreichen lässt.

Dies folgt aus dem Wortlaut und der systematischen Auslegung von Vorbem. 8 KV GKG. Nach dem Wortlaut ist für den Gebührenentfall lediglich die Beendigung des Verfahrens erforderlich. Ein letztmöglicher Zeitpunkt in der betreffenden Instanz (letzte mündliche Verhandlung, Verkündung einer instanzabschließenden Entscheidung) wird nicht zur Voraussetzung des Gebührenentfalls gemacht. Anders als für die anderen Gerichtsbarkeiten in Nr. 1211 Anm. 3, Nr. 1222 Anm. 3, Nr. 1232 Anm. 3, Nr. 1252 Anm. 3, Nr. 1411 Anm. 3, Nr. 1422 Anm. 3, Nr. 5111 Anm. 3, Nr. 5113 Anm. 3, Nr. 5115 Anm. 3, Nr. 5124 Anm. 3, Nr. 5132 Anm. 3, Nr. 5211 Anm. 2, Nr. 5221 Anm. 2, Nr. 5231 Anm. 2, Nr. 7111 Anm. 3, Nr. 7122 Nr. 3, Nr. 7132 Nr. 3, Nr. 7211 Anm. 2 und für die Arbeitsgerichtsbarkeit in Nrn. 8211, 8222, 8232 und 8322 KV GKG für die Ermäßigung der Gebühr wird das Entfallen der Gebühr im Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen als Vorbemerkung vor die Klammer gezogen und ausdrücklich nicht – wie bei den genannten Fällen der Gebührenermäßigung – vom Nichtvorliegen vorheriger abschließender Entscheidungen abhängig gemacht. Damit wird im GKG die frühere Gebührenprivilegierung des arbeitsgerichtlichen Vergleichs im Urteilsverfahren (ursprünglich § 12 Abs. 2 S. 1 ArbGG a. F. bzw. § 12 Abs. 3 S. 1 ArbGG a. F. – vgl. dazu Tschigale/Satzky, Das Kostenrecht in Arbeitssachen, 3. A., S. 92) fortgeschrieben. Zur früheren Rechtslage hat das erkennende Gericht bereits erkannt, dass das Gebührenprivileg auch zum Zuge komme, wenn die Parteien nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils, jedoch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist einen außergerichtlichen Vergleich abschließen und dies dem Arbeitsgericht mitteilen (LAG Hamm 24.07.1974 – 8 Ta 54/73). Die tragenden Gründe überzeugen noch immer. Insbesondere ist zwischen der Frage der Gebührenbefreiung und der Frage der Gebührenfälligkeit zu unterscheiden. Dass die Fälligkeit der Gerichtsgebühren und Auslagen infolge des Erlasses des Urteils eintritt, ändert nichts daran, dass die weitere Prozessentwicklung zum Wegfall des bereits fälligen Gebührenanspruchs führen kann, wie dies auch in Fällen des Ruhens nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GKG geschehen kann. Die bereits “angefallene” und ggf. bereits fällige Gebühr entfällt nach der Vorbem. 8 KV GKG nachträglich.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

a very tall building with a moon in the sky

Ist Mobbing strafbar?

März 13, 2024
Von RA und Notar Krau:Mobbing kann je nach den Umständen strafbar sein, aber nicht immer.Es gibt kein spezifisches Gesetz, das Mobbing al…
filling cans with freshly brewed beers

Tarifliche Nachtarbeitszuschläge – Gleichheitssatz – BAG 10 AZR 473/21

Februar 4, 2024
Tarifliche Nachtarbeitszuschläge – Gleichheitssatz – BAG 10 AZR 473/21 – Urteil vom 15.11.2023 – Nachtarbeit im Rahmen von Wechselschichtarbeit…
man holding orange electric grass cutter on lawn

Annahmeverzug – Anderweitiger Verdienst aus einer Geschäftsführertätigkeit – BAG 5 AZR 331/22

Februar 4, 2024
Annahmeverzug – Anderweitiger Verdienst aus einer Geschäftsführertätigkeit – BAG 5 AZR 331/22 – Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes …