LAG Hamm, Beschluss vom 08.03.2011 – 1 SHa 5/11

August 31, 2020

LAG Hamm, Beschluss vom 08.03.2011 – 1 SHa 5/11

Tenor

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Hagen bestimmt.
Gründe

I.

Das Arbeitsgericht Hagen hat sich in dem vom Kläger im Oktober 2010 dort anhängig gemachten Kündigungsschutzverfahren mit Beschluss vom 01.12.2010 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Dortmund verwiesen. An einer dazu erhobenen Gegenvorstellung hat der Kläger nicht festgehalten. Das Arbeitsgericht Dortmund hält sich an den Verweisungsbeschluss für nicht gebunden. Es hat sich seinerseits mit Beschluss vom 14.12.2010 für örtlich unzuständig erklärt und das Landesarbeitsgericht um Bestimmung des örtlich zuständigen Arbeitsgerichts ersucht. Die Akte ist beim Landesarbeitsgericht am 11.02.2011 eingegangen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.

II.

1. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind angesichts der Beschlüsse, mit denen sich die Arbeitsgerichte Hagen und Dortmund beiderseits für örtlich unzuständig erklärt haben, gegeben.

2. Als das für den Rechtsstreit örtlich zuständige Gericht ist gemäß §§ 36 Abs. 1

Nr. 6 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG das Arbeitsgericht Hagen zu bestimmen.

Grundsätzlich sind Verweisungsbeschlüsse wegen örtlicher Unzuständigkeit entsprechend §§ 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 17a Abs. 2 S. 3 GVG für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Ein mit verfahrensrechtlicher Bindungswirkung erlassener Beweisbeschluss wirkt auch im Bestimmungsverfahren fort und ist zu beachten (Zöller/Vollkommer ZPO 28. Auflage § 36 Rn. 28 m.w.N.; BAG 11.11.1996 – 5 AS 12/96 – NJW 1997, 1091). Auch fehlerhafte Beschlüsse sind grundsätzlich bindend und der weiteren Überprüfung entzogen. Die Bindungswirkung entfällt nur ausnahmsweise bei krassen Rechtsverletzungen, etwa wenn der Beschluss auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht oder wenn er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und er deshalb als objektiv willkürlich betrachtet werden muss (BAG 19.03.2003 – 5 AS 1/03 – NZA 2003, 683; BGH 10.09.2002 – 10 ARZ 217/02 – NJW 2002, 3634).

Auf diesem rechtlichen Hintergrund ist dem Arbeitsgericht Dortmund darin zu folgen, dass es durch den Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Hagen ausnahmsweise deswegen nicht gebunden ist, weil dieser Beschluss auf der Versagung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gegenüber dem Kläger beruht. Das Arbeitsgericht Hagen durfte den Verweisungsbeschluss nicht erlassen, bevor es dem Kläger nicht den am 29.11.2010 eingegangenen Schriftsatz der Beklagten vom 26.11.2010, auf den es sich in dem Verweisungsbeschluss maßgeblich stützt, mit der Möglichkeit einer weiteren Stellungnahme zugeleitet hatte (vgl. LAG München 08.02.2010 – 1 SHa 4/10 – juris). Tatsächlich ist dieser Schriftsatz, wie das Arbeitsgericht Dortmund zutreffend hervorhebt, dem Kläger erst zusammen mit dem Verweisungsbeschluss übersandt worden. Der Kläger war daher gehindert, auf den Schriftsatz vom 26.11.2010 zu erwidern und den vom Arbeitsgericht Hagen vermissten Beweis für die Existenz eines Home-Office anzubieten. Die Beklagte hatte zuvor lediglich Hagen als Erfüllungsort in Abrede gestellt. Auf die tatsächlichen Angaben des Klägers, die demgegenüber auf die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Hagen nach § 48 Abs. 1a S. 2 ArbGG abstellen, ist die Beklagte erst erstmals im Schriftsatz vom 26.11.2010 eingegangen.

3. Örtlich zuständig für den Rechtsstreit ist das Arbeitsgericht Hagen. Der als Servicetechniker im technischen Kundendienst der Beklagten von der Niederlassung der Beklagten in Kamen aus im gesamten Bundesgebiet eingesetzte Kläger hat vorgetragen, dass er in Hagen für die Beklagte unter Benutzung einer bestimmten technischen Ausstattung ein Home-Office unterhalten habe, von dem aus er das nach seinem Arbeitsvertrag notwendige und umfangreiche Berichtswesen abgewickelt, Kundegespräche geführt und Terminabsprachen getroffen habe. Die Beklagte ist diesen Angaben lediglich mit dem Satz entgegengetreten, sie bestreite, dass der Kläger für sie ein Home-Office unterhalten habe. Dabei handelt es sich um ein völlig substanzloses, mit keinerlei Gegentatsachen unterlegtes und damit unbeachtliches Bestreiten (§ 138 Abs. 3 ZPO; Zöller/Greger a.a.O. § 138 Rn. 10 a m.w.N.). Die weiteren Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 26.11.2010 beziehen sich ausnahmslos auf eine Wiedergabe bestimmter, dem Kläger obliegender, sich aus dem Arbeitsvertrag ergebender Aufgaben, die – was auch der Kläger selbst nicht bestreitet – bei Kunden vor Ort, evtl. noch in der Niederlassung Kamen – präzise Angaben dazu fehlen allerdings und insbesondere wird auf das Berichtswesen von der Beklagten in keiner Weise konkret eingegangen – auszuführen waren. Dies schließt aber gerade nicht aus, dass der Kläger auch von seiner Wohnung aus die von ihm beschriebenen Aufgaben für die Beklagte wahrzunehmen hatte.

Der Wohnort eines im Außendienst eingesetzten Mitarbeiters ist schon dann der Ort, von dem aus er im Sinne des § 48 Abs. 1a S. 2 ArbGG gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, wenn er dort in gewissem Umfang Arbeitsleistungen erbringt. Es genügt, wenn er in einem Home-Office dienstlich veranlasste Reisen vor- oder nachbereitet oder Berichte über diese verfasst, ohne das ein bestimmter Umfang vorausgesetzt wird (Hess. LAG 26.08.2008 – 4 Ta 308/08 – juris m.w.N.).

§ 13 des Arbeitsvertrages, der auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes abstellt, steht der Bestimmung des Arbeitsgerichts Hagen als örtlich zuständiges Gericht nicht entgegen. Die Voraussetzungen des § 38 ZPO für eine zulässige Gerichtsstandsvereinbarung liegen nicht vor (vgl. GMPM-G/Germelmann ArbGG 7. Auflage § 48 Rn. 54).

Dass der Kläger ein ihm zustehendes Wahlrecht nach § 35 ZPO mit der Anrufung des Arbeitsgericht Hagen bereits bindend ausgeübt hat, hat das Arbeitsgericht Dortmund zutreffend ausgeführt.

4. Die Kosten des Beschlusses sind Kosten des Verfahrens (BGH 10.12.1987 – I ARZ 809/87 – NJW 1988, 1794).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 37 Abs. 2 ZPO.

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