LAG Hamm, Beschluss vom 25.06.2010 – 10 Ta 243/10

September 30, 2020

LAG Hamm, Beschluss vom 25.06.2010 – 10 Ta 243/10

Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 13.04.2010 – 6 BVGa 7/10 – wird zurückgewiesen.
Die Arbeitgeberin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe einer Gebühr von 40,00 euro; zu tragen.
Gründe
I.
Im Ausgangsverfahren hat die Arbeitgeberin im Wege der einstweiligen Verfügung begehrt, dem Wahlvorstand aufzugeben, die Wahl eines 11-köpfigen Betriebsrats im Betrieb der Arbeitgeberin abzubrechen und durch Erlass eines neuen Wahlausschreibens neu einzuleiten. Zur Begründung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde vorgetragen, der Wahlvorstand habe die Größe des zu wählenden Betriebsrats unzutreffend bestimmt, da aufgrund einer Zukunftsprognose der Personalbestand im Betrieb der Arbeitgeberin am Wahltag nicht mehr über 400 Arbeitnehmer liege.
Durch Beschluss vom 12.03.2010 – 6 BVGa 7/10 – hat das Arbeitsgericht den Antrag der Arbeitgeberin rechtskräftig abgewiesen.
Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Wahlvorstands und des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 31.03.2010, der Arbeitgeberin zugegangen am 08.04.2010, den Gegenstandswert auf 30.000,00 euro; festgesetzt.
Dagegen wendet sich die Arbeitgeberin mit der am 12.04.2010 beim Arbeitsgericht eingelegten Beschwerde. Sie hat die Auffassung vertreten, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts ergebe sich lediglich ein Gegenstandswert von 26.000,00 euro;. Dieser Wert müsse jedoch um die Hälfte gekürzt werden, da es sich im vorliegenden Verfahren um ein Beschlussverfahren mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gehandelt habe. Der Arbeitgeberin sei es nicht um die endgültige Verhinderung einer Betriebsratswahl gegangen, Streitgegenstand sei allein die Frage gewesen, ob die vom Wahlvorstand für richtig erachtete Betriebsratsgröße rechtlich zutreffend sei.
Durch Beschluss vom 13.04.2010 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde teilweise abgeholfen und den Gegenstandswert auf 26.000,00 euro; festgesetzt.
Die Arbeitgeberin hält auch nach dem Abhilfebeschluss des Arbeitsgerichts vom 13.04.2010 an ihrer Beschwerde fest.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.
II.
Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren auf 26.000,00 euro; festgesetzt.
1. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für ein Beschlussverfahren, mit dem eine Betriebsratswahl angefochten wird, richtet sich in Anwendung des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG regelmäßig nach der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder, die gemäß § 9 BetrVG durch die Größe des Betriebsrats bestimmt wird. Dies entspricht der ganz überwiegenden Auffassung der Landesarbeitsgerichte (LAG Berlin 17.12.1991 – 1 Ta 50/91 – NZA 1992, 327; LAG Brandenburg 26.04.1995 – 6 Ta 23/94 -; LAG Köln 10.10.2002 – 11 Ta 28/02 – NZA-RR 2003, 493; LAG Schleswig-Holstein 09.07.2003 – 3 Ta 215/02 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 55). Die zuständigen Kammern des Beschwerdegerichts haben sich dieser Auffassung in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (LAG Hamm 09.03.2001 – 13 TaBV 7/01 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 48 a = NZA-RR 2002, 104; LAG Hamm 28.04.2005 – 10 TaBV 55/05 – NZA-RR 2005, 435; zuletzt: LAG Hamm 13.08.2009 – 10 Ta 425/09 -; LAG Hamm 14.09.2009 – 13 Ta 424/09 -).
Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist danach für die Ausgangsstaffel des § 9 BetrVG (einköpfiger Betriebsrat bei 5 bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern) der 1,5-fache Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbs. RVG in Ansatz zu bringen (= 6.000,00 euro;). Für jede weitere Staffel des § 9 Satz 1 BetrVG ist der einfache Hilfswert in Höhe von 4.000,00 euro; zu berücksichtigen.
Bei der Wahl eines elfköpfigen Betriebsrats ergibt sich hiernach für ein etwaiges Anfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG ein Gegenstandswert von 26.000,00 euro;. Von dieser Bewertung für den vorliegenden Fall abzuweichen, bestand auch nach dem Vorbringen der Beteiligten keine Veranlassung.
2. Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin kam eine Ermäßigung des Gegenstandswertes von 26.000,00 euro; auch nicht allein deshalb in Betracht, weil es sich bei dem vorliegenden Ausgangsverfahren um ein Verfahren im Wege der einstweiligen Verfügung gehandelt hat.
Zwar wird vielfach im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Abschlag gegenüber dem Hauptsacheverfahren vorgenommen. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich bei dem einstweiligen Verfügungsverfahren auch der Sache nach lediglich um eine vorläufige Regelung handelt (LAG Hamm 15.04.1993 – 8 TaBV 183/92 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 22; LAG Hamm 27.10.2006 – 10 Ta 675/06 – NZA-RR 2007, 153 m.w.N.). Sichert jedoch ein einstweiliges Verfügungsverfahren bei Erfolg des Antragstellers den geltend gemachten Anspruch, handelt es sich um eine Befriedigungs- bzw. Erfüllungsverfügung, erscheint ein Wertabzug in Höhe von einem Viertel oder gar einem oder zwei Dritteln des Hauptsacheverfahrens nicht gerechtfertigt. Es wird in derartigen Fällen nämlich nicht nur eine vorläufige Regelung getroffen. Die Streitigkeit ist vielmehr mit dem Erlass einer einstweiligen Verfügung beendet (LAG Bremen 15.02.1990 – 2 Ta 85/89 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 14; LAG Köln 09.06.1999 – 12 Ta 144/99 – NZA-RR 1999, 608; LAG Hamm 12.06.2001 – 10 TaBV 50/01 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 50 = NZA-RR 2002, 472; LAG Hamm 28.04.2005 – 10 TaBV 55/05 – NZA-RR 2005, 435; zuletzt: LAG Hamm 13.08.2009 – 10 Ta 425/09 -).
So liegt der vorliegende Fall. Die Arbeitgeberin hat mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung den vollständigen Abbruch der Betriebsratswahl geltend gemacht. Wäre dem Antrag der Arbeitgeberin in vollem Umfang stattgegeben worden, hätte sich ein Anfechtungsverfahren in vollem Umfang erübrigt. Mit dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch keine vorläufige Regelung begehrt worden. Dies ergibt sich bereits aus dem in der Antragsschrift vom 08.03.2010 enthaltenen Antrag, mit dem dem Wahlvorstand aufgegeben werden sollte, die Wahl des Betriebsrats bei der Arbeitgeberin abzubrechen. Dadurch, dass mit dem Antrag der Arbeitgeberin dem Wahlvorstand auch aufgegeben werden sollte, durch Erlass eines neuen Wahlausschreibens die Betriebsratswahl neu einzuleiten, ergibt sich keine andere Beurteilung. Die zunächst eingeleitete Betriebsratswahl sollte nach Auffassung der Arbeitgeberin vollständig abgebrochen werden. In dem Hauptantrag war weder eine zeitliche noch eine inhaltliche Einschränkung enthalten.
Die Arbeitgeberin kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Entscheidung der 13. Kammer des erkennenden Gerichts vom 14.09.2009 – 13 Ta 424/09 – berufen. Zwar ist in dieser Entscheidung der Gegenstandswert um die Hälfte des für ein Wahlanfechtungsverfahren maßgeblichen Wertes gekürzt worden. In diesem Verfahren war es aber lediglich Ziel des Antragstellers, den Beginn des eigentlichen Wahlverfahrens bis zur verbindlichen Entscheidung der Frage über die rechtmäßige Errichtung eines Wahlvorstandes zu unterbinden. Dies ist dadurch verdeutlicht worden, dass der gestellte Untersagungsantrag auf den Zeitraum “bis zum rechtskräftigen Abschluss des Parallelverfahrens, gerichtet auf Bestellung eines Wahlvorstandes” eingeschränkt worden ist. Eine derartige Einschränkung ist im Antrag der Arbeitgeberin vom 08.03.2010, der auch zur Entscheidung des Arbeitsgerichts gestellt worden ist, gerade nicht vorhanden. Bei der Bewertung des Gegenstandswerts im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, bei der die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstands im Vordergrund stehen muss (LAG Hamm 12.06.2001 – 10 TaBV 50/01 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 50; LAG Hamm 28.04.2005 – 10 TaBV 11/05 – NZA-RR 2005, 435; LAG Köln 03.01.2008 – 8 Ta 277/07 – NZA-RR 2008, 541 m.w.N.), ist maßgeblich auf den jeweils vom Antragsteller gestellten Antrag abzustellen. Nach dem im vorliegenden Fall gestellten Antrag sollte die Betriebsratswahl vollständig abgebrochen werden. Dass die Arbeitgeberin mit dem vorliegenden Verfahren nicht beabsichtigte, eine Betriebsratswahl überhaupt zu verhindern, ist unbeachtlich. Die Arbeitgeberin verfolgte mit dem vorliegenden Antrag nichts anderes als mit einem nach Durchführung der Betriebsratswahl einzuleitenden Anfechtungsverfahren. Mit dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch keine vorläufige Regelung begehrt worden.
III.
Die Entscheidung über die Auferlegung einer Gebühr in Höhe von 40,00 euro; beruht auf § 1 Satz 2 i. V. m. Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG (LAG Hamm 19.03.2007 – 10 Ta 97/07 – NZA-RR 2007, 491).

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