LAG Hamm, Urteil vom 07.12.2010 – 19 Sa 1616/10

September 1, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 07.12.2010 – 19 Sa 1616/10

Für die Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen in Richtbeispielen können die in derselben Entgeltgruppe aufgeführten Richtbeispiele maßgeblich sein.
Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 30.03.2010 – 1 Ca 2671709 – unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über die richtige Eingruppierung der Klägerin nach den Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind (im Folgenden: AVR.DW -EKD).

Die am 18.07.1960 geborene und verheiratete Klägerin ist seit dem 01.04.1993 bei dem Beklagten als Erzieherin aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 29.03.1996 beschäftigt. Nach dem Inhalt des Arbeitsvertrags finden auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien die AVR.DW-EKD in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.

Die Klägerin ist in der Einrichtung des Beklagten “Wohnverbund W6”, bei der es sich um eine Wohneinrichtung für Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen handelt, tätig. In dieser Einrichtung wohnen in der Wohngruppe 6, in der die Klägerin eingesetzt ist, sieben Bewohner, die von fünf Betreuern betreut werden. Die Klägerin ist ausgebildete Erzieherin. Ferner hat sie von 2002 bis 2007 den Qualifizierungslehrgang “e-Motion”, der 210 Unterrichtsstunden umfasste, absolviert. Unter dem 16.12.2009 erteilte der Beklagte der Klägerin ein Zwischenzeugnis. Wegen der Einzelheiten des Zwischenzeugnisses wird auf die zu der Akte gereichte Kopie (Bl. 199 d.A.) Bezug genommen.

Im Zuge der Novellierung der AVR.DW-EKD zum 01.07.2007 wurde die Vielzahl der Vergütungs- und Fallgruppen, die sich bisher an der Vergütungsordnung des BAT orientierten, auf 13 Entgeltgruppen reduziert. Der Beklagte gruppierte daraufhin alle Beschäftigten in die neuen Entgeltgruppen um. Mit Wirkung zum 01.07.2007 wurde die Klägerin in die Entgeltgruppe 7 der AVR.DW-EKD übergeleitet.

Die Eingruppierung der Beschäftigten, auf deren Arbeitsverhältnisse die AVR.DW-EKD Anwendung finden, richtet sich nach § 12 AVR.DW-EKD, dessen Abs. 1 S. 1 hinsichtlich der Entgeltgruppen auf die Anlage 1 verweist. Die Bestimmungen lauten auszugsweise wie folgt:

Ҥ 12 Eingruppierung

Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter ist nach den Merkmalen der übertragenen Tätigkeiten in die Entgeltgruppe gemäß der Anlage 1 eingruppiert. Die Tätigkeiten müssen ausdrücklich übertragen sein (z.B. im Rahmen von Aufgaben- oder Stellenbeschreibungen). Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in die sie bzw. er eingruppiert ist. Die Dienstgeberin bzw. der Dienstgeber hat die Entgeltgruppe der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter schriftlich mitzuteilen.

Die Eingruppierung der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters erfolgt in die Entgeltgruppe, deren Tätigkeitsmerkmale sie bzw. er erfüllt und die der Tätigkeit das Gepräge geben. Gepräge bedeutet, dass die entsprechende Tätigkeit unverzichtbarer Bestandteil des Arbeitsauftrages ist.

Für die Eingruppierung ist nicht die berufliche Ausbildung, sondern allein die Tätigkeit der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters maßgebend. Entscheidend ist die für die Ausübung der beschriebenen Tätigkeit in der Regel erforderliche Qualifikation, nicht die formale Qualifikation der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters.

Die Eingruppierung der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters richtet sich nach den Obersätzen der Entgeltgruppe, die für die Tätigkeitsbereiche in den Untersätzen näher beschrieben werden. Den Sätzen sind Richtbeispiele zugeordnet, die häufig anfallende Tätigkeiten in dieser Eingruppierung benennen.”

Die maßgeblichen Entgeltgruppen der Anlage 1 lauten:

“Entgeltgruppe 7 (Anm. 5, 6, 11, 15)

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraussetzen Hierzu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 1. mit eigenständiger Wahrnehmung von Aufgaben (Anm. 6) in den Tätigkeitsbereichen a. Pflege/Betreuung/Erziehung, b. Handwerklicher Erziehungsdienst, c. Nichtärztlicher medizinischer Dienst; 2. mit eigenständiger Wahrnehmung (Anm. 5) von komplexen (Anm. 15) Aufgaben in den Tätigkeitsbereichen a. Hauswirtschaft/Handwerk/Technik, b. Verwaltung, c. Nichtärztlicher medizinischer Dienst. Richtbeispiele: Alten-, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Erzieherin, Heilerziehungspflegerin, Gruppenleiterin in einer Werkstatt für behinderte Menschen, Med.-technische Radiologieassistentin, Physiotherapeutin, Ergotherapeutin, Arbeitserzieherin, Finanzbuchhalterin, Personalsachbearbeiterin, Med.-technische Assistentin.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Entgeltgruppe 6 (Anm. 5) mit Leitungsaufgaben (Anm. 11) im Tätigkeitsbereich Hauswirtschaft/Handwerk/ Technik. Richtbeispiele: Küchenleiterin, Leiterin von Handwerksbetrieben.

Entgeltgruppe 8 (Anm. 6, 7, 10, 11, 14)

A. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die vertieftes oder erweitertes Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraussetzen Hierzu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit 1. eigenständiger Wahrnehmung (Anm. 6) von schwierigen (Anm. 14) Aufgaben in den Tätigkeitsbereichen a. Pflege/Betreuung/Erziehung, b. Nichtärztlicher medizinischer Dienst; 2. verantwortlich wahrzunehmenden Aufgaben (Anm. 7) in den Tätigkeits- bereichen a. Verwaltung, b. Lehre/Bildung/Ausbildung. Richtbeispiele: Gesundheitspflegerin im OP-Dienst, in der Intensivpflege oder Psychiatrie, Erzieherin mit speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen, Heilerziehungspflegerin mit speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen, Bilanzbuchhalterin, Unterrichtsschwester.

B. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Entgeltgruppe 7 1. mit eigenständiger Wahrnehmung von Aufgaben (Anm. 6) und Leistungsaufgaben (Anm. 11) in den Tätigkeitsbereichen a. Pflege/Betreuung/Erziehung, b. Nichtärztlicher medizinischer Dienst; 2. in der Leitung (Anm. 10) im Tätigkeitsbereich Hauswirtschaft/Handwerk/ Technik. Richtbeispiele: Stationsleiterin, Wohnbereichsleiterin, Leitende Med.-technische Assistentin, Leitende Physiotherapeutin, Leitende Diätassistentin, Hauswirtschaftsleiterin/hauswirtschaftliche Betriebsleiterin.

Entgeltgruppe 9 (Anm. 6, 7, 8, 10, 11, 14, 15, 16)

A. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die anwendungsbezogene wissenschaftliche Kenntnisse voraussetzen Hierzu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit 1. verantwortlich wahrzunehmenden Aufgaben (Anm. 8) in den Tätig- keitsbereichen a. Pflege/Betreuung/Erziehung, b. Beratung/Therapie/Seelsorge; 2. schwierige (Anm. 14) verantwortlich wahrzunehmenden (Anm. 8) Aufgaben im Tätigkeitsbereich Verwaltung. Richtbeispiele: Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin, Heilpädagogin, Diakonin mit Seelsorge- und Beratungsaufgaben, Controllerin, IT-Systemberaterin, Personalreferentin, Qualitätsbeauftragte.

B. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Entgeltgruppe 8 1. mit verantwortlich wahrzunehmenden Aufgaben (Anm. 7) und Leitungsaufgaben (Anm. 11) in den Tätigkeitsbereichen

a. Lehre/Bildung/Ausbildung, b. Verwaltung; 2. mit eigenständiger Wahrnehmung (Anm. 6) von schwierigen (Anm. 14) oder komplexen (Anm. 15) Aufgaben und Leitungs- aufgaben (Anm. 11) in den Tätigkeitsbereichen Pflege/Betreuung/ Erziehung und nichtärztlicher medizinischer Dienst; 3. in der Leitung (Anm. 10) eines großen Wohnbereiches oder einer kleinen Einrichtung oder eines kleineren Dienstes oder eines mittel- großen Pflegebereiches einer stationären Einrichtung oder einer kleinen Diakoniestation (Anm. 16) im Tätigkeitsbereich Pflege/ Betreuung/Erziehung. Richtbeispiele: Leitung eines kleineren Verwaltungsbereichs, Leiterin einer kleineren Schule für Alten-, Kranken- oder Entbindungs- pflege, Pflegerische Leiterin mehrerer Stationen eines Krankenhauses, Pflegedienstleiterin in der Altenhilfe, Stationsleiterin Intensivpflege.”

In den in Bezug genommenen Anmerkungen heißt es:

“(6) Die eigenständig wahrgenommenen Aufgaben der Entgeltgruppe 7 und 8 setzen Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraus, die i. d. R. durch eine dreijährige Fachschulausbildung, aber auch anderweitig erworben werden können. Eigenständig wahrgenommen bedeutet, dass für die Erledigung der übertragenen Aufgaben Entscheidungen über Mittel und Wege zur

Erreichung von Arbeitsergebnissen selbst getroffen werden. Die Aufgaben, die im Klientenbezug weitergehende emotionale und soziale Kompetenz erfordern, beinhalten Tätigkeiten, die in verschiedenen Arbeitssituationen in unterschiedlichem Maße anfallen und wechselnde Anforderungen stellen.”

(8) Die verantwortlich wahrzunehmenden Aufgaben der Entgeltgruppen 9 bis 11 setzen anwendungsbezogene wissenschaftliche Kenntnisse voraus, die i.d.R. durch eine Fachhochschulausbildung oder durch einen Bachelorabschluss, aber auch anderweitig erworben werden können. Verantwortlich wahrgenommen bedeutet, dass Ziele und die dazu benötigten Lösungswege z.B. durch Konzeptentwicklung selbständig erarbeitet und entschieden werden.

(14) Schwierige Aufgaben weisen fachliche, organisatorische, rechtliche oder technische Besonderheiten auf, die vertiefte Überlegung und besondere Sorgfalt erfordern.”

Mit ihrer am 20.08.2009 erhobenen Klage hat die Klägerin ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9, hilfsweise Entgeltgruppe 8 seit dem 01.07.2007 begehrt und einen Zahlungsanspruch in Höhe von 444,02 € brutto für den Zeitraum von Juli 2008 bis August 2009 geltend gemacht.

Die Klägerin hat behauptet, ihre Tätigkeiten ließen sich einer Stellenbeschreibung aus Mai 1995 entnehmen, die für alle pädagogischen Mitarbeiter des “Wohnverbunds W6” gelte. Besonders hervorzuheben sei die ihr übertragene Aufgabe der Erstellung der Sozial- und Verlaufsberichte, durch die gegenüber dem Kostenträger das Ergebnis der Betreuungsplanung dokumentiert werde. In den Berichten seien die Art und Schwere der Behinderung zum Zeitpunkt der Aufnahme, der vorhandene Hilfebedarf und die bestehenden Perspektiven darzustellen. Sie besitze anwendungsbezogene wissenschaftliche Kenntnisse, ohne die sie ihre Aufgaben nicht erfüllen könnte, und arbeite eigenverantwortlich und eigengedanklich. Ihre Qualifikation entspreche aufgrund der eigenverantwortlich wahrzunehmenden Befugnisse und Kompetenzen der eines Diplom-Pädagogen/Sozialarbeiters. Jedenfalls aber sei eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 gerechtfertigt, weil sie bei Ausübung ihrer Tätigkeit eigenständig schwierige Aufgaben wahrzunehmen habe. Denn bei den zu betreuenden Bewohnern handele es sich um ein sehr schwieriges, heterogenes Klientel mit einer Vielzahl unterschiedlicher geistiger und körperlicher Behinderungen, autistischen Zügen, Suchterkrankungen sowie gerontopsychiatrischen Störungen. Diese zeigten sich zum Teil in schweren sozialen Auffälligkeiten und aggressiven Verhaltensweisen. Die für diese Tätigkeit über ihre Ausbildung als Erzieherin hinausgehenden heilpädagogischen Kenntnisse habe sie im Rahmen ihrer Tätigkeit zusätzlich erworben. Somit seien dies für Erzieher spezielle Aufgaben. Dass ihr schwierige Aufgaben übertragen seien, werde auch dadurch belegt, dass der Beklagte jahrelang von seinen Mitarbeitern eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation verlangt habe. Hinzu komme, dass in der Ausbildung der Heilerziehungspfleger lediglich Teile vermittelt würden und nicht die gesamte Bandbreite gelehrt werde. Insbesondere die Erstellung der Sozial- und Verlaufsberichte und die Erbringung von Grund- und Behandlungspflege seien keine klassischen Aufgaben von Heilerziehungspflegern.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr die Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 vom 01.07.2007 zu zahlen;

2. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr die Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 vom 01.07.2007 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin einen Betrag in Höhe von 440,02 € brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die der Klägerin übertragenen Aufgaben seien klassische Aufgaben eines Heilerziehungspflegers, sodass wegen des entsprechenden Richtbeispiels die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7 zutreffend sei. Zudem seien die Ausführungen der Klägerin nicht hinreichend konkret. Die Stellenbeschreibung aus Mai 1995 sei unverbindlich; sie beschreibe ganz allgemein den Arbeitsbereich einer Fachkraft im Betreuungsdienst und sollte Mitarbeitern zur Eigenreflexion bzw. als Einstiegshilfe dienen. Seit dem Jahr 2000 würde die Stellenbeschreibung nicht mehr genutzt. Darüber hinaus würde sich auch aus der Stellenbeschreibung nicht ergeben, dass die Tätigkeit der Klägerin anwendungsbezogene wissenschaftliche Kenntnisse eines Diplom-Sozialpädagogen oder Diplom-Sozialarbeiters voraussetze. Die Klägerin könne auch nicht Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 verlangen. Sie nehme ihre Aufgaben zwar eigenständig wahr, die Aufgaben seien jedoch nicht “schwierig” im Sinne der Anmerkung 14 der Anlage 1 der AVR.DW-EKD. Die in der Stellenbeschreibung genannten Tätigkeiten würden sich auf klassische Aufgaben eines Heilerziehungspflegers beschränken und erforderten damit lediglich eine dreijährige heilerziehungspflegerische Ausbildung. Die Erstellung von Sozial- und Verlaufsberichten gehöre zum klassischen Aufgabenbereich eines Heilerziehungspflegers. Der Schwierigkeitsgrad der Tätigkeiten der Klägerin müsse sich nicht an ihrer Ausbildung als Erzieherin, sondern an der Ausbildung zum Heilerziehungspfleger messen lassen, weil für die Ausübung der der Klägerin übertragenen Aufgaben eine solche Ausbildung erforderlich sei. Der Heilerziehungspfleger erhalte in seiner Ausbildung die erforderlichen Kenntnisse in der Grund- und Behandlungspflege und im Umgang mit psychischen Behinderungen, psychiatrischen Erkrankungen und Störungen sowie sozialen Auffälligkeiten. Der Umgang mit Schwerst- oder Mehrfachbehinderungen gehöre zur Normaltätigkeit eines Heilerziehungspflegers. Die Vielfalt der Erkrankungen der zu betreuenden Bewohner und damit die von der Klägerin angesprochene Heterogenität der Bewohnerschaft impliziere allenfalls eine gewisse Komplexität der Tätigkeit, keinesfalls aber eine Schwierigkeit, für die ein über die dreijährige Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin hinausgehendes Fachwissen erforderlich wäre. Die sonderpädagogische Zusatzqualifikation habe er nur bis September 1999 von allen Erziehern, die in seinen Einrichtungen Behindertenarbeit ausüben wollten und keine behindertenspezifische Ausbildung nachweisen konnten, verlangt, da seit diesen Zeitpunkt hinreichend ausgebildete Heilerziehungspfleger zur Verfügung gestanden hätten. Die Schulung für den Erwerb der sonderpädagogischen Zusatzqualifikation habe zudem nur fünf Wochen und fünf Reflexionsstunden umfasst.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass der Klägerin Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 zu zahlen ist, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit die Eingruppierungsvoraussetzungen der Entgeltgruppe 8 erfülle, weil sie Bewohner mit schweren und schwersten, nicht jedoch mit relativ geringen Behinderungen zu betreuen habe. Die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 seien hingegen nicht gegeben, weil die Fähigkeiten der Klägerin nicht die Anforderungen einer wissenschaftlichen Ausbildung erfüllten. Dementsprechend sei auch der Zahlungsanspruch nicht begründet.

Gegen diese Entscheidung, die dem Beklagten am 31.08.2010 zugestellt worden ist, hat der Beklagte am 14.09.2010 Berufung eingelegt und diese am 22.10.2010 begründet.

Die Berufungsbegründung ist der Klägerin am 25.10.2010 zugestellt worden. Die Anschlussberufung der Klägerin ist am 25.11.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht festgestellt habe, dass der Klägerin eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 zustehe. Er macht unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Standpunktes zusätzlich geltend, die Klägerin sei als Fachkraft in der Behindertenhilfe eingesetzt. Der klassische Ausbildungsberuf hierfür sei der des Heilerziehungspflegers, sodass diese Ausbildung primär zugrunde zu legen sei. Somit hätte das Arbeitsgericht herausarbeiten müssen, wie das normale Berufsbild eines Heilerziehungspflegers gestaltet sei. Hieran fehle es. Die Betreuung der Bewohner des “Wohnverbundes W6”, die geistige Behinderungen unterschiedlicher Art aufwiesen, sei keine schwierige Aufgabe im Sinne der Anmerkung 14 der Anlage 1 der AVR.DW-EKD, sondern eine Standardaufgabe für Fachkräfte in solchen Tätigkeitsfeldern. Dies gelte namentlich auch für die Erstellung von Sozial- und Verlaufsberichten und die Zusammenarbeit mit externen Ansprechpartnern. Ferner sei das Vorliegen gleichzeitig vorhandener Behinderungen bei Menschen mit Behinderungen weit verbreitet. Hinzu komme, dass die Klassifizierung “Schwerstbehinderung” nicht eindeutig sei und von Fachleuten unterschiedlich verwandt werde. In der Wohngruppe 6, in der die Klägerin eingesetzt sei, lebten jedenfalls keine Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen, sodass nach dem internationalen Klassifizierungssystem ICD 10 keine “Schwerstbehinderungen” gegeben seien. Im Übrigen lebten Personen mit relativ geringen Behinderungen nicht in Wohngruppen für Menschen mit Behinderungen. Die Zusammensetzung der Bewohnerschaft des “Wohnverbundes W6” entspräche der normalen Heterogenität in Wohneinrichtungen der Eingliederungshilfe. Dies zeige sich auch daran, dass die Vergütungsvereinbarungen des “Wohnverbundes W6” mit dem Kostenträger nur die regulären Leistungstypen 9, 10 und 12 und Hilfebedarfsgruppen 1 – 3 umfassten. Personen mit Autismus und Abhängigkeitserkrankungen dürften nicht betreut werden. Ferner sei darauf zu verweisen, dass das Richtbeispiel “Erzieherin mit speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen” wesentlich höhere Heraushebungsanforderungen als die von ihm in der Vergangenheit verlangte Zusatzqualifikation stelle. Erforderlich sei eine Weiterbildung von 1,5 bis 3 Jahren in Vollzeit. Dies stehe aufgrund der Entstehungsgeschichte des fraglichen Richtbeispiels fest. Solche Erzieher bzw. Heilerziehungspfleger seien zum Beispiel in Intensivgruppen tätig, in denen Kinder und Jugendliche lebten, die aufgrund von unterschiedlichen psychischen, physischen und sexuell traumatisierten Lebenserfahrungen sowohl eine pädagogische als auch eine therapeutische Betreuung benötigten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 30.03.2010 – 1 Ca 2671/09 – teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und

im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 30.03.2010 – 1 Ca 2671/09 – teilweise abzuändern und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr Vergütung aus der Entgeltgruppe 9 AVR.DW-EKD ab dem 01.07.2007 zu zahlen und

den Beklagten zu verurteilen, an sie 440,02 € brutto nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.08.2009 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, soweit es eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 angenommen hat, und führt im Einzelnen aus, welche Behinderungen die von ihr zu betreuenden Bewohner der Wohngruppe 6 aufwiesen. Untypisch hierbei sei insbesondere die Beschäftigung mit so vielen verschiedenen Arten von Behinderungen und Krankheiten, die ihre Arbeit schwierig mache. Der “Normalfall” seien wesentlich homogener zusammengesetzte Gruppen. Zudem arbeiteten Erzieher überwiegend in Kinderbetreuungseinrichtungen, so dass in ihrem Fall gegenüber dem normalen Berufsbild spezielle Aufgaben festzustellen seien. Besondere Problematiken wie Alkoholismus, Epilepsie, körperliche Behinderungen, Persönlichkeitsstörungen, Identitätsstörungen, neurotische und psychotische Störungen, Depressionen, Aggressionen, Autismus usw. würden in ihrem beruflichen Alltag immer wiederkehrend auftreten. Dementsprechend habe sie vielfältige Fortbildungen absolviert und suche stets die Fachbibliothek des Beklagten auf, um die ganze Bandbreite der in der Wohneinrichtung vorkommenden Probleme abdecken zu können. Die fachlichen Besonderheiten lägen darin, dass sie nicht lediglich pflegend und den Alltag begleitend tätig werde, sondern sich vielmehr zum Sprachrohr der Bewohner machen müsse, weil diese hierzu nicht in der Lage seien. Sie schildere anderen Stellen ihre Bewertungen von Verhaltensweisen der jeweiligen Bewohner, ohne die Entscheidungen nicht getroffen werden könnten. Ferner müsse sie aufgrund der vielfältigen Formen von Behinderungen und Krankheitsbildern bei den Bewohnern der Wohngruppe vertiefte Überlegungen zum eigenen Verhalten, zur Einflussnahme auf andere und zu der Konzeptionierung kurz-, mittel- und langfristig anzustrebender Ziele anstellen.

Zur Anschlussberufung führt die Klägerin aus, dass sie die gleichen Aufgaben wie die übrigen Fachkräfte mit Fachhochschulabschluss wahrnehme. Mithin folge aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9. Darüber hinaus habe sie durch ihre Tätigkeit und ihre Fortbildungen anwendungsbezogene wissenschaftliche Kenntnisse, die einem wissenschaftlichen Studiengang entsprächen, erworben. Diese setze sie insbesondere bei der Erstellung der Sozial- und Verlaufsberichte ein. Sie verantworte diese Berichte, sodass sie ihre Aufgaben auch verantwortlich wahrnehme.

Zur Anschlussberufung hat der Beklagte in der Berufungsverhandlung vorgetragen, dass die von ihm eingesetzten wissenschaftlichen Mitarbeiter trotz der diesen gewährten Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 eine der Entgeltgruppe 7 entsprechende Tätigkeit verrichteten und die Bezahlung allein aufgrund der arbeitsvertraglichen Regelung – Einstellung als Sozialarbeiter – erfolge.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der Berufungsverhandlung Bezug genommen.
Gründe

Auf die Berufung des Beklagten war das angefochtene Urteil unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

I.

Die Berufung des Beklagten ist statthaft und insgesamt form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b), 66 Abs. 1, 64 Abs. 4 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der mit der Berufung angegriffene Klageantrag der Klägerin ist zulässig.

Dabei handelt es sich um einen Eingruppierungsfeststellungsantrag, gegen den nach ständiger Rechtsprechung im Bereich des öffentlichen Dienstes keine prozessrechtlichen Bedenken bestehen (BAG, 28.01.1998 – 4 AZR 473/96, ZTR 1998, 329). Entsprechendes gilt für Eingruppierungsfeststellungsklagen eines Mitarbeiters einer kirchlichen Einrichtung (BAG, 19.01.2004 – 4 AZR 10/03, ZTR 2004, 643; 21.05.2003 – 4 AZR 420/02, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 37).

2. Der Klageantrag ist jedoch nicht begründet. Das Vorbringen der Klägerin rechtfertigt nicht die Feststellung, dass der Klägerin Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 AVR.DW-EKD zusteht.

a) Für die Eingruppierung der Klägerin ist die Regelung des § 12 AVR maßgeblich.

Werden in einem Arbeitsvertrag die jeweiligen Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks in Bezug genommen, so ist davon auszugehen, dass die Eingruppierung eines Arbeitnehmers sich nach der zutreffenden Vergütungsgruppe richten soll. Dies gilt auch dann, wenn in einer folgenden Bestimmung des Arbeitsvertrages auf eine bestimmte Vergütungsgruppe verwiesen wird. Der Verweisung kommt nur die Bedeutung zu, welche Vergütungsgruppe die Parteien einmal als zutreffend angesehen haben. Diese Auslegung entspricht auch dem System der AVR. Danach wird die Vergütung der Mitarbeiter nicht frei vereinbart, sondern der Mitarbeiter wird nach den Tätigkeitsmerkmalen in die Gruppe eingruppiert, die seiner Tätigkeit das Gepräge gibt. Dies entspricht im Wesentlichen den üblichen Regelungen in Tarifverträgen, in denen die Vergütung nicht von einem Eingruppierungsakt des Arbeitgebers abhängt, sondern sich automatisch nach der von dem Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit und entsprechenden Tätigkeitsmerkmalen richtet. Dementsprechend ist die einzelvertragliche Bezugnahme auf die AVR in der jeweils gültigen Fassung dahin auszulegen, dass sich damit auch die Eingruppierung des Arbeitnehmers nach der rechtlich zutreffenden Vergütungsgruppe nach den AVR richten soll (vgl. BAG, 12.12.1990 – 4 AZR 306/90, ZTR 1991, 199).

b) Nach § 12 Abs. 1 S. 1 AVR.DW-EKD “ist die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter nach den Merkmalen der übertragenen Tätigkeit in die Entgeltgruppe gemäß der Anlage 1 eingruppiert”, wobei nach § 12 Abs. 1 S. 2 AVR.DW-EKD die Tätigkeit ausdrücklich übertragen werden muss. Nach § 12 Abs. 2 AVR.DW-EKD erfolgt die Eingruppierung in die Entgeltgruppe, deren Tätigkeitsmerkmale die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter erfüllt und die der Tätigkeit das Gepräge geben. Gemäß § 12 Abs. 3 AVR.DW-EKD ist für die Eingruppierung nicht die berufliche Ausbildung, sondern ausschließlich die übertragene Tätigkeit maßgebend. Schließlich regelt § 12 Abs. 4 AVR.DW-EKD, dass sich die Eingruppierung nach den Obersätzen der Entgeltgruppe richtet, die für die Tätigkeit in den Untersätzen näher beschrieben werden. Den Sätzen sind dabei Richtbeispiele zugeordnet, die häufig anfallende Tätigkeiten in dieser Eingruppierung benennen.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, richtet sich die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages, der die tariflichen Eingruppierungsvoraussetzungen regelt, nach den für die Auslegung von Gesetzen maßgeblichen Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Regelung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Regelungen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, 18.04.2007 – 4 AZR 77/06, Juris; 26.01.2005 – 4 AZR 6/04, ZTR 2005, 640). Diese Grundsätze der Tarifauslegung gelten auch für die Auslegung von Arbeitsvertragsrichtlinien, obwohl es sich dabei nicht um normativ wirkende Tarifregelungen handelt, sondern um Kollektivvereinbarungen besonderer Art, die auf die Arbeitsverhältnisse der bei kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer lediglich auf Grund arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden (vgl. BAG, 18.04.2007 – 4 AZR 77/06, Juris; 26.07.2006 – 7 AZR 515/05, NZA 2007, 34; 14.01.2004 – 10 AZR 188/03, ZTR 2004, 368).

bb) In Anwendung dieser Grundsätze sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die allgemeinen Merkmale einer Vergütungsgruppe grundsätzlich erfüllt, wenn der Arbeitnehmer eine Tätigkeit ausübt, die als Regel-, Richt- oder Tätigkeitsbeispiel zu dieser Vergütungsgruppe genannt ist (vgl. BAG, 22.06.2005 – 10 ABR 34/04 – NZA-RR 2006, 23; 19.08.2004 – 8 AZR 375/03 – EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 7). Die Tarifvertragsparteien bringen mit Tätigkeitsbeispielen erkennbar ihre Auffassung zum Ausdruck, dass die dort angeführten Tätigkeiten vorangestellte allgemeine Tätigkeitsmerkmale erfüllen. Dieses Verständnis entspricht auch den bei der Tarifauslegung besonders wichtigen Grundsätzen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, denen die Tarifvertragsparteien bei der Abfassung von Tarifnormen gerecht werden wollen. Wird die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit von einem Tätigkeitsbeispiel nicht oder nicht voll erfasst, muss grundsätzlich auf die allgemeinen Merkmale zurückgegriffen werden. Dies gilt auch, wenn die Tätigkeitsbeispiele ihrerseits unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten; die unbestimmten Rechtsbegriffe sind dann im Lichte der Oberbegriffe auszulegen. Allerdings kann sich aus dem Wortlaut oder dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergeben, dass die von den Tarifvertragsparteien genannten Beispielstätigkeiten nur der Erläuterung des abstrakten Tätigkeitsmerkmals dienen sollen und allein noch nicht ausreichen, den Anforderungen des abstrakten Tätigkeitsmerkmals zu genügen (vgl. BAG, 18.04.2007 – 4 AZR 77/06, Juris). Diese Grundsätze sind auch bei der Auslegung der Eingruppierungsbestimmungen der Arbeitsvertragsrichtlinien anzuwenden (vgl. BAG, 13.11.1996 – 4 AZR 292/95, ZTR 1997, 272; 12.12.1990 – 4 AZR 306/90, ZTR 1991, 199; Kirchengerichtshof für die Evangelische Kirche in Deutschland, 12.04.2010 – I0124/R55-09, Juris; 01.09.2009 – I-0124/R26/09).

cc) Die in den Entgeltgruppen 7, 8 und 9 der Anlage 1 zu § 12 AVR.DW-EKD genannten Beispiele dienen nicht nur der Erläuterung der unbestimmtem Tätigkeitsmerkmale bzw. der Obersätze, sondern rechtfertigen die Vergütung nach der Entgeltgruppe, der sie zugeordnet sind, ohne dass die allgemeinen Merkmale oder Obersätze zu prüfen sind. Demensprechend ist auch bei der Eingruppierung nach den Arbeitsvertragsrichtlinien zunächst zu prüfen, ob die dem Arbeitnehmer übertragene Tätigkeit von einem Richtbeispiel erfasst wird. Nur in den Fällen, in denen die Tätigkeit von dem Richtbeispiel nicht oder nicht voll erfasst wird, ist auf die allgemeinen Merkmale zurückzugreifen (vgl. BAG, 12.12.1990, a.a.O.; Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland, 12.04.2010 und 01.09.2009, a.a.O.; 08.12.2008, II-0124/P52-08, ZMV 2009, 160).

(1) Vorliegend ist die Klägerin jedenfalls als Erzieherin tätig und als solche nach dem Arbeitsvertrag vom 01.04.1993 ausdrücklich eingestellt worden, sodass ihr diese Tätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 S. 2 AVR.DW-EKD ausdrücklich übertragen worden ist (vgl. dazu auch Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland, 01.09.2009, a.a.O.).

(2) Die Tätigkeit als Erzieherin wird als Richtbeispiel für die Vergütung nach der Vergütungsgruppe 7 der Anlage 1 zu § 12 AVR.DW-EKD ausdrücklich genannt, so dass jedenfalls die Eingruppierungsvoraussetzungen dieser Vergütungsgruppe nach dem Willen der “Tarifvertragsparteien” erfüllt sind mit der Folge, dass insoweit die allgemeinen Merkmale weder herangezogen noch geprüft werden müssen (vgl. BAG, 13.11.1996, a.a.O.; 12.12.1990, a.a.O.; Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland, 12.04.2010 und 01.09.2009, a.a.O.).

(3) Der Vortrag der Klägerin ermöglicht hingegen nicht die Wertung, dass sie als Erzieherin mit speziellen Aufgaben und entsprechenden Fachwissen tätig ist und damit ihre Tätigkeit die Eingruppierungsmerkmale der Entgeltgruppe 8 erfüllt.

(a)Da das Richtbeispiel “Erzieherin mit speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen” unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, ist dieses Richtbeispiel zunächst im Lichte des Untersatzes auszulegen. Diese Auslegung ergibt, dass der Unterschied zwischen dem Richtbeispiel “Erzieherin” und “Erzieherin mit speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen” darin liegt, dass Erzieher Aufgaben in dem Tätigkeitsbereich Erziehung erledigen, während Erzieher mit speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen schwierige Aufgaben im Bereich der Erziehung wahrnehmen. Denn insoweit unterscheiden sich die Untersätze der Entgeltgruppe 7 und 8. Mithin sind schwierige von normalen Aufgaben einer Erzieherin abzugrenzen. Schwierige Aufgaben sind dabei nach der in Bezug genommenen Anmerkung 14 solche, die fachliche, organisatorische, rechtliche oder technische Besonderheiten aufweisen, die vertiefte Überlegung und besondere Sorgfalt erfordern. Sie müssen also Anforderungen stellen, die über die üblichen Anforderungen, die der Beruf einer Erzieherin mit sich bringt, hinausgehen. Denn Besonderheiten liegen vor, wenn etwas Anders ist, eine gewisse Eigenart, eigene Merkmale besitzt, wobei Ausgangspunkt der Beurteilung das angesprochene Berufsbild ist (Kirchengerichtshof für die Evangelische Kirche in Deutschland, 08.12.2008, a.a.O.; BAG, 02.08.2006 – 10 ABR 48/05, NZA-RR 2007, 554 zu Spezialaufgaben). Das Berufsbild der Erzieherin deckt den Bereich der Tätigkeit in Wohnheimen für Menschen mit Behinderung ab. Das Berufsbild des Erziehers beschreibt die Bundesagentur für Arbeit so, dass Erzieher in Wohnheimen für Menschen mit Behinderung tätig sind, und dass sich der Ausbildungsinhalt u.a. damit beschäftigt, welche Grundprobleme und Aufgabenbereiche der Heil-, Sonder- und Heimpädagogik es gibt (vgl. berufenet.arbeitsagentur.de). Auch das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 18.05.1983 (4 AZR 539/80, AP Nr. 74 zu §§ 22, 23 BAT 1975) ausgeführt, dass man unter einem Erzieher jemanden versteht, der in Einrichtungen für behinderte Kinder diese sozialpädagogisch und fürsorgerischbewahrend zu betreuen habe. Allerdings ist der Klägerin zuzugeben, dass Erzieher nicht überwiegend in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung arbeiten, sondern in der Betreuung und Förderung von Kindern und Jugendlichen. Dieser Gesichtspunkt ist aus Sicht der Kammer jedoch nicht ausreichend, um annehmen zu können, dass ein Erzieher, der nicht mit Kindern und Jugendlichen, sondern in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung arbeitet, Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 zu erhalten hat. Entscheidend hierfür ist neben dem Gesichtspunkt, dass die Arbeit mit Menschen mit Behinderung auch zum Berufsbild des Erziehers gehört, ein systematisches Argument. Da sich neben dem in der Entgeltgruppe 8 genannten Richtbeispiel der “Erzieherin mit speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen” das Richtbeispiel der “Heilerziehungspflegerin mit speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen” findet, ist bei der Beurteilung, was schwierige Aufgaben im Sinne dieser Entgeltgruppe sind, nicht nur auf das Berufsbild der Erzieherin, sondern auch auf das Berufsbild des Heilerziehungspflegers abzustellen. Dies hat folgenden Grund: Der Heilerziehungspfleger ist nach der Berufsbildbeschreibung der Bundesagentur für Arbeit für die pädagogische und pflegerische Betreuung und Versorgung von Menschen mit körperlicher, geistiger und seelischer Behinderung zuständig und arbeitet vorwiegend in Einrichtungen zur Eingliederung und Betreuung von Menschen mit Behinderung (berufenet.arbeitsagentur.de). Dies bedeutet, dass die Arbeit mit Menschen mit Behinderung dem normalen Berufsbild des Heilerziehungspflegers entspricht. Würde man nun dem Argument der Klägerin, Erzieher arbeiteten in erster Linie mit Kindern und Jugendlichen, so dass Erzieher, die mit Menschen mit Behinderung arbeiten, schwierige Aufgaben erbringen würden, folgen, so würde dies in Einrichtungen wie dem “Wohnverbund W6” dazu führen, dass Heilerziehungspfleger, obwohl sie die einschlägigere Berufsausbildung aufweisen, nach einer niedrigeren Vergütungsgruppe zu bezahlen wären, als Erzieher, die im Vergleich zu Heilerziehungspflegern über eine weniger einschlägige Berufsausbildung verfügen. Hierin liegt nach Auffassung der Kammer ein Wertungswiderspruch, der erhellt, dass allein aus der Arbeit mit Menschen mit Behinderung nicht folgt, dass eine Erzieherin spezielle Aufgaben wahrnimmt. Da die Begriffe “spezielle Aufgaben und entsprechende Kenntnisse” bzw. “schwierige Aufgabe” bzw. “Besonderheiten” nicht eindeutig sind, hat dieses systematische Argument entscheidendes Gewicht (BAG, 08.03.2006 – 10 AZR 129/05, NZA 2007, 159). Mithin reicht allein der Umstand, dass die Klägerin als Erzieherin mit Menschen mit Behinderung arbeitet, nicht aus, um Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 verlangen zu können.

(b) Somit kann eine Eingruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe 8 nur dann angenommen werden, wenn die Klägerin hätte darlegen und ggfls. beweisen können, mit welchen konkreten Tätigkeiten und Aufgabenstellungen sie sich im Sinne der benannten Voraussetzungen der Entgeltgruppe 8 von Tätigkeiten einer Erzieherin der Entgeltgruppe 7 abhebt. Ein entsprechend substantiierter Vortrag der Klägerin fehlt jedoch hierzu.

(aa) Die zur Akte gereichte Stellenbeschreibung enthält keine Besonderheiten im Vergleich zu den Tätigkeiten einer Erzieherin in Entgeltgruppe 7. Die aufgeführten Befugnisse und Kompetenzen, wie zum Beispiel Mithilfe bei Entscheidungsfindung oder Erledigung von Schriftverkehr, ersetzen keinen substantiierten Sachvortrag. Mithin kann dahinstehen, ob diese Stellenbeschreibung aus Mai 1995 verbindlich ist und seit 2000 überhaupt noch angewendet wird.

(bb) Die von der Klägerin gesondert erwähnten Aufgaben der Erstellung der Sozial- und Verlaufsberichte und der Grund- und Behandlungspflege führen ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Die Zusammenarbeit mit einschlägigen Institutionen und das entsprechende Berichtswesen gehören zur Ausbildung der Heilerziehungspfleger und entsprechen somit diesem Berufsbild. Gleiches gilt für die Grund- und Behandlungspflege. Dies belegen die Richtlinien und Lehrpläne zur Erprobung für die Fachschulen des Sozialwesens, Fachrichtung Heilerziehungspflege (7602/2800, veröffentlicht im Amtsblatt des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes NRW Nr. 6/08). Dieser Lehrplan ist für den Zeitraum vom 01.08.2008 bis zum Ende des Schuljahres 2012/2013 in Kraft. Der Namensbestandteil “zur Erprobung” bedeutet also entgegen der Ansicht der Klägerin nicht, dass diese nicht verbindlich sind, sondern nur dass sie sich noch in der Erprobungsphase unter Beteiligung der Berufskollegs befinden. Unter 2.3 der Richtlinien ist geregelt, dass Kompetenzen in der erweiterten Grund- und Behandlungspflege vermittelt werden. Unter 2.1 heißt es, dass die Heilerziehungspfleger den Hilfebedarf des Menschen mit Behinderung ermitteln. Entsprechend sind die Modelle und Verfahren klientenbezogener Hilfeplanung Teil des Unterrichts (vgl. 2.7.2, Lernfeld 3). Bei diesen Lerninhalten handelt es ich um Unterrichtsbestandteile, die jedem Heilerziehungspfleger vermittelt werden (vgl. Übersicht zu den Lernfeldern unter 2.7.1). Schließlich kann nicht unbeachtet bleiben, dass der Sozial- und Verlaufsbericht ein vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe entworfenes Formular ist, aufgrund dessen er die Entscheidungen zur weiteren Leistungsgewährung trifft und dem der Landschaftsverband mehrere Seiten Erläuterungen beigefügt hat. Es handelt sich also nicht um einen Bericht, dessen Ausfüllen per se vertiefte Überlegung und besondere Sorgfalt erfordert.

(cc) Der Qualifizierungslehrgang “e-Motion” reicht ebenfalls nicht aus, um annehmen zu können, dass die Klägerin spezielle Aufgaben mit entsprechenden Kenntnissen wahrzunehmen hat. Die Klägerin führt nicht aus, wieso in diesem Lehrgang eindeutig Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die deutlich über die vorausgesetzte Ausbildung hinausgehen, sondern belässt es bei dieser Behauptung. Dagegen spricht schon der Zeitraum von fünf Jahren, über den sich der Lehrgang erstreckte. Wenn die vermittelten Inhalte so wesentlich für die Aufgabenbewältigung wären, würden diese den Mitarbeitern zeitnaher angeboten werden, um kurzfristig eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung erzielen zu können. Ferner deuten die als Lehrgangsinhalt aufgeführten Überschriften nicht zwingend darauf hin, dass durch sie mehr Wissen als durch eine Ausbildung vermittelt wird. Hinzu kommt, dass auch insoweit zu beachten ist, dass die entsprechenden Kenntnisse für die speziellen Aufgaben nicht nur für Erzieher, sondern auch für Heilerziehungspfleger speziell sein müssen. Die Ausbildung der Heilerziehungspfleger hat aber gerade die pädagogische Betreuung von Menschen mit Behinderung zum Inhalt.

(dd) Soweit die Klägerin die Besonderheiten daraus ableitet, dass es sich bei den Bewohnern des “Wohnverbundes W6” nicht um Kinder und Jugendliche, sondern um Erwachsene handelt, vermag die Kammer diesem Argument nicht zu folgen. Es widerspricht dem systematischen Argument, das daraus folgt, dass in der Entgeltgruppe 8 neben dem Richtbeispiel des Erziehers auch das Richtbeispiel des Heilerziehungspflegers mit speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen genannt ist. Da aber der Heilerziehungspfleger für die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen, also mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Behinderungen ausgebildet wird, gehört die Arbeit mit Erwachsenen mit Behinderungen zum normalen Berufsbild des Heilerziehungspflegers. Dies bedeutet, dass es sich hierbei nicht um eine spezielle Aufgabe im Sinne der Entgeltgruppe 8 handelt. Auch der Hinweis auf die Vielzahl unterschiedlicher psychischer Behinderungen, psychiatrischer Erkrankungen und Störungen, also die Heterogenität der Wohngruppe reicht nicht aus, um annehmen zu können, dass der Klägerin Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 zusteht. Denn bei der Heilpädagogik geht es gerade um die individuelle Förderung eines jeden Menschen mit Behinderung nach seiner spezifischen Behinderung und Persönlichkeit, die auch bei Menschen mit Behinderungen selten identisch sein dürfte (vgl. BAG, 06.12.1989 – 4 AZR 450/89, ArbuR 1991, 63 m.w.N.). Des Weiteren hätte die Klägerin durch entsprechenden Tatsachenvortrag verdeutlichen müssen, was unter wesentlich homogener zusammengesetzten Gruppen zu verstehen ist. Denn nur so hätte die Kammer die von der Klägerin gezogene Wertung, sie erledige wegen der heterogenen Zusammensetzung der von ihr zu betreuenden Bewohner schwierige Aufgaben, nachvollziehen können. Dies ist erforderlich, weil nicht die Klägerin, sondern die Kammer anhand des klägerischen Tatsachenvortrags die erforderlichen Wertungen zu treffen hat. Hinzu kommt, dass der Beklagte in diesem Zusammenhang vorgetragen hat, dass die Vergütungsvereinbarungen des “Wohnverbundes W6” mit dem Kostenträger nur die regulären Leistungstypen und Hilfebedarfsgruppen umfassten. Dies hat die Klägerin zwar mit Nichtwissen bestritten. Da sie aber im Eingruppierungsprozess die Darlegungs- und Beweislast trägt (vgl. BAG, 27.08.2008 – 4 AZR 484/07, NZA-RR 2009, 264), kann ihr dieses Bestreiten mit Nichtwissen nicht dazu verhelfen, dass festzustellen ist, dass ihr Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 zusteht. Vielmehr ließe sich zum Beispiel aus einer Tätigkeit in Intensivgruppen mit einer 1:1 Betreuung oder der Tätigkeit in geschlossenen Einrichtungen mit besonderen Kostenträgervereinbarungen eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 ableiten. Entsprechendes Vorbringen der Klägerin fehlt aber.

(ee) Aus der Beschreibung der Klägerin, welche Behinderungen die von ihr betreuten Bewohner aufweisen, folgt ebenfalls nicht, dass sie in die Entgeltgruppe 8 einzugruppieren ist. Denn die von ihr dargestellten Behinderungen widersprechen der Darstellung des Beklagten in entscheidenden Punkten nicht. Die Klägerin führt zwar aus, dass sie einen Menschen mit autistischer Symptomatik betreut. Dies bedeutet aber nicht, dass dieser Mensch an Autismus erkrankt ist. Das Vorbringen, dass Frau H. und Herr C. ein extremes Suchtverhalten und Abhängigkeitssyndrom bzw. eine Suchtproblematik zeigten, lässt im Dunkeln, welche Abhängigkeitserkrankung vorliegen soll. Dies wäre aber erforderlich gewesen, weil der Beklagte ausgeführt hat, dass Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen nicht im “Wohnverbund W6” betreut werden dürfen.

In diesem Zusammenhang wird abschließend klarstellend darauf hingewiesen, dass die Klägerin aus Sicht der Kammer nicht etwa einfache Arbeiten zu erledigen hat, sondern vielmehr täglich eine anstrengende, anspruchsvolle und verantwortungsvolle Arbeitssituation vorfindet und zum Wohl der Menschen mit Behinderung zu bewältigen hat. Andererseits ist aber zu bedenken, dass dies auch für andere Erzieher und Heilerziehungspfleger in Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung gilt, so dass das Eingruppierungsmerkmal “schwierige Aufgabe” zusätzliche Komponenten verlangt, die aus dem Vorbringen der Klägerin nicht abgeleitet werden können.

II.

Die Anschlussberufung der Klägerin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Anschlussberufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere angesichts der Zustellung der Berufungsbegründung des Beklagten an die Klägerin am 25.10.2010 und des Eingangs der Anschlussberufung bei dem Berufungsgericht am 25.11.2010 rechtzeitig eingelegt, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO und begründet worden, § 524 Abs. 3 ZPO. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

2. Der Vortrag der Klägerin ermöglicht nicht die Wertung, dass ihre Tätigkeit die Eingruppierungsmerkmale der Entgeltgruppe 9 erfüllt und ihr somit die geltend gemachte Gehaltsdifferenz zusteht.

a) Die Klägerin beruft sich selbst nicht darauf, dass sie ein Richtbeispiel der Entgeltgruppe 9 erfüllt. Dies ist auch nicht der Fall, weil der Klägerin weder die Tätigkeit einer Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin noch einer Heilpädagogin ausdrücklich übertragen worden ist.

b) Somit kann eine Eingruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe 9 nur dann angenommen werden, wenn die Klägerin hätte darlegen und ggfls. beweisen können, durch welche konkreten Tätigkeiten und Aufgabenstellungen sie die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 9 erfüllt. Ein entsprechend substantiierter Vortrag der Klägerin ist nicht gegeben.

aa) Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 erfordert in den Tätigkeitsbereichen Pflege/Betreuung/Erziehung die Erbringung verantwortlich wahrzunehmender Aufgaben. Diese sind nach Satz 1 der Anmerkung 8 der Anlage 1 so zu definieren, dass sie anwendungsbezogene wissenschaftliche Kenntnisse voraussetzen, die i.d.R. durch eine Fachhochschulausbildung oder durch einen Bachelorabschluss, aber auch anderweitig erworben werden können. Dies zeigt, dass sich das fachliche Anforderungsniveau der Entgeltgruppe 9 grundsätzlich an einer abgeschlossenen Fachhochschulausbildung orientiert. Des Weiteren bedeutet verantwortlich wahrgenommen nach Satz 1 der Anmerkung 8 der Anlage 1, dass Ziele und die dazu benötigten Lösungswege z.B. durch Konzeptentwicklung selbständig erarbeitet und entschieden werden.

bb) Die Klägerin hätte also zunächst substantiiert darlegen müssen, auf welche Art und Weise sie die erforderlichen wissenschaftlichen Kenntnisse erworben hat. Hieran fehlt es, weil die Klägerin lediglich vorgetragen hat, dass sie diese Kenntnisse in der Einrichtung, durch Fortbildungen und das Studium wissenschaftlicher Literatur erworben habe. Durch diesen Vortrag ermöglicht die Klägerin der Kammer nicht die erforderliche Wertung, ob sie die benötigten Kenntnisse anderweitig erworben hat. Vielmehr erschöpft sich der Vortrag der Klägerin in der entsprechenden Behauptung, ohne auch nur anzuführen, welche Literatur sie auf welche Weise studiert hat. Hinzu kommt, dass die einzige von der Klägerin konkreter dargestellte Fortbildung, nämlich der Lehrgang “e-Motion” nach den Lehrgangsinhalten nicht mit einem Studium zu vergleichen ist. Dies gilt sowohl hinsichtlich seines Umfangs als auch jedenfalls hinsichtlich eines Teils seiner Inhalte, wie zum Beispiel “Ausbildung in Erster Hilfe”. Inwieweit bei den übrigen Inhalten wissenschaftliche Kenntnisse vermittelt worden sein sollen, hätte die Klägerin ausführen müssen, weil sich dies keinesfalls von selbst aufdrängt, wie zum Beispiel die Überschriften “Kommunikation mit Angehörigen” und “Wenn Menschen mit geistigen Behinderungen trauern” belegen. Auch bezüglich der Behauptung, die Ausbildung als Erzieherin sei mit einem Bachelor-Studiengang in Erziehungswissenschaften gleichzusetzen, lässt die Klägerin jegliche Konkretisierung vermissen. Dies wäre aber erforderlich gewesen, weil eine Ausbildung und ein Studium unterschiedliche Berufsqualifikationen sind, deren Gleichwertigkeit die Klägerin hätte verdeutlichen müssen. Darüber hinaus hat die Klägerin weder ausgeführt, auf welche Weise sie Ziele und die dazu benötigten Lösungswege, z.B. durch Konzeptentwicklung selbständig erarbeitet und entscheidet, noch wieso diese Tätigkeiten ihrer Arbeit entsprechend § 12 Abs. 2 AVR.DW-EKD das Gepräge geben. Die Erstellung der Sozial- und Verlaufsberichte, also das Ausfüllen der Formulare des Landschaftsverbands reicht hierfür nicht aus.

3. Die Klägerin hat sich des Weiteren darauf berufen, dass sie die gleiche Tätigkeit wie die Mitarbeiter mit wissenschaftlicher Ausbildung, die in die Entgeltgruppe 9 eingruppiert seien, ausübe und ihr somit die begehrte Eingruppierung und die Gehaltsdifferenz nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zustehe.

a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn die Regelung also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise als willkürlich anzusehen ist. Im Bereich der Vergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz zwar nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat. Anders ist dies hingegen, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt. Von einer solchen Regelung darf er lediglich aus sachlichen Gründen Arbeitnehmer ausnehmen. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift jedoch nur ein bei einem gestaltenden Verhalten des Arbeitgebers, hingegen nicht beim bloßen – auch vermeintlichen – Normenvollzug (BAG, 18.11.2009 – 4 AZR 498/08, ZTR 2010, 301; 27.08.2008, a.a.O.; 06.06.2007 – 4 AZR 382/06, EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 15). Deshalb gibt es keinen Anspruch auf “Gleichbehandlung im Irrtum” (BAG, 02.08.2006 – 10 AZR 572/05, EzA BetrVG 2001 § 75 Nr. 3). Anders verhält es sich, wenn der Arbeitgeber nach Kenntnis von seinem Irrtum die bis dahin ohne Rechtsgrund erbrachten Leistungen weitergewährt und rechtlich mögliche Rückforderungsansprüche nicht geltend macht. Ab diesem Zeitpunkt erbringt er bewusst zusätzliche freiwillige Leistungen. Dann muss er die vergleichbaren Arbeitnehmer gleich behandeln. Stellt er hingegen die rechtsgrundlosen Zahlungen alsbald nach Kenntniserlangung von seinem Irrtum ein und ergreift rechtlich mögliche Maßnahmen zur nachträglichen Korrektur seines Irrtums, ist für die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kein Raum (BAG, 26.11.1998 – 6 AZR 335/97, BAGE 90, 219).

b) Unter Beachtung dieser Grundsätze kann die Klägerin sich nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen, selbst wenn die wissenschaftlichen Mitarbeiter bei gleicher Tätigkeit seit dem 01.07.2007 nach der Entgeltgruppe 9 entlohnt werden.

aa) Die Klägerin behauptet nicht, der Beklagte vergüte die genannten Arbeitnehmer bewusst “übertariflich”. Auch nach ihrer Darstellung handelt es sich bei deren Eingruppierung lediglich um einen Normenvollzug durch den Beklagten. Demzufolge besteht kein Anspruch auf Gleichbehandlung.

bb) Es liegt auch kein Ausnahmefall einer bewussten freiwilligen Leistung durch die Weitergewährung einer als zu hoch erkannten und bislang irrtümlich gewährten Vergütungszahlung vor. Die Klägerin hat Entsprechendes nicht behauptet. Der Beklagte hat sich zudem darauf berufen, dass die wissenschaftlichen Mitarbeiter trotz der Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 eine der Entgeltgruppe 7 entsprechende Tätigkeit verrichteten und die Bezahlung allein aufgrund der arbeitsvertraglichen Regelung – Einstellung als Sozialarbeiter – erfolge. Mithin hat der Beklagte bislang keine Kenntnis von einer möglicherweise irrtümlichen Eingruppierung der anderen Arbeitnehmer, sondern hält die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 wegen der geschlossenen Arbeitsverträge für zutreffend.

III.

Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV.

Die Revisionszulassung folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Dem Rechtsstreit ist zur Überzeugung der Kammer grundsätzliche Bedeutung beizumessen, da der zu behandelnde Eingruppierungskatalog landesübergreifend für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Diakonischen W5 der Evangelischen Kirche in Deutschland zu berücksichtigen ist.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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