LAG Hamm, Urteil vom 15.10.2009 – 15 Sa 860/09

Oktober 14, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 15.10.2009 – 15 Sa 860/09

Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 02.06.2009 – 2 Ca 2428/08 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf eine restliche Jahressonderzahlung für 2007 in Höhe von 247,38 Euro brutto hat.
Der Kläger ist aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 20.01.1992 seit dem 01.11.1991 beim Beklagten beschäftigt. Wegen der Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf Blatt 5 der Akte Bezug genommen. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (im Folgenden AVR) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
Der Beklagte ist Träger von 70 rechtlich nicht selbstständigen diakonischen Einrichtungen und beschäftigt ca. 6000 Arbeitnehmer. Er ist Mitglied im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen – Landesverband der inneren Mission – e. V. (im Folgenden Diakonisches Werk). Wegen der Satzung des Diakonischen Werkes wird auf Blatt 136 ff. der Akten Bezug genommen.
In der sogenannten Anlage 14 zu den AVR, in der die Voraussetzungen geregelt sind, unter denen eine Jahressonderzahlung gewährt wird, heißt es unter anderem:
Jahressonderzahlung
(1) Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter, die oder der sich am
01. November eines Jahres in einem Beschäftigungsverhält-
nis befindet, das mindestens bis zum 31. Dezember des
Jahres besteht, erhält eine Jahressonderzahlung.
(2) Die Höhe der Jahressonderzahlung errechnet sich aus der
Summe der Bezüge gemäß Unterabsatz 3 der Monate Januar
bis einschließlich Oktober des Jahres, dividiert durch zehn.
Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit denen vertraglich
variable Mehrarbeit vereinbart ist, erhöht sich dieser Betrag
um die durchschnittliche Vergütung der tatsächlich geleisteten
Mehrarbeit.
…..
(3) Die Jahressonderzahlung wird zur Hälfte im November des
laufenden Jahres, die zweite Hälfte im Juni des Folgejahres
gezahlt. Die Höhe der Zahlung im Juni ist vom betrieblichen
Ergebnis der Einrichtung abhängig. Dies gilt auch für die wirt-
schaftlich selbständig arbeitenden Teile der Einrichtung, wenn
die zuständige Mitarbeitervertretung in einer Dienstverein-
barung der Anwendung einer von der Dienstgeberin bzw. dem
Dienstgeber vorgelegten Liste von wirtschaftlich selbständigen
arbeitenden Teilen der Einrichtung zugestimmt hat.
(4) Weist die Dienstgeberin bzw. der Dienstgeber nach, dass
bei voller Juni-Zahlung der anteiligen Bruttopersonalkosten der
Jahressonderzahlung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
ein negatives betriebliches Ergebnis im Vorjahr (Wirtschafts-
jahr der geleisteten Novemberzahlung) vorliegen würde, ent-
fällt der Anspruch auch teilweise in dem Maße, in dem die
Reduzierung der Summe zu einem ausgeglichenen Ergebnis
führt. Der Nachweis gilt als erbracht, wenn die Dienststellen-
leitung der Mitarbeitervertretung ein Testat eines vereidigten
Wirtschaftsprüfers oder einer Treuhandstelle vorlegt, aus dem
sich der Umfang des negativen betrieblichen Ergebnisses und
die Summe der regulären betrieblichen Juni-Zahlung ergibt.
Bestandteil der vorzulegenden Unterlagen ist die Zuordnung
der Kosten der zentralen Dienste zu den wirtschaftlich
selbständig arbeitenden Teilen der Einrichtung.
In § 1 Abs. 5 der AVR ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen von den Bestimmungen der Anlage 14 abgewichen werden kann. In § 1 Abs. 5 heißt es unter anderem:
(5) Von den Abweichungsmöglichkeiten in § 17 und den Anlagen 14
und 17 der AVR können Einrichtungen nur Gebrauch machen, wenn
a) auf alle Dienstverhältnisse der Einrichtung und der mit ihr
verbundenen Einrichtungen, die Mitglied in einem
Diakonischem Werk sind, die Arbeitsvertragsrichtlinien
(AVR) oder eine gleichwertige Arbeitsvertragsgrundlage
angewandt werden,
b) Leiharbeitnehmer nach dem Arbeitnehmerüberlassungs-
gesetz (AÜG) nur zur kurzfristigen Überbrückung von
Personalengpässen eingesetzt werden. Bei Einrichtungs-
trägern, in deren Einrichtung insgesamt mehr als 50 Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind, ist eine kurz-
fristige Überbrückung im Sinne dieser Regelung anzunehmen,
wenn nicht mehr als 5 v.H. der insgesamt im Jahresdurch-
schnitt beschäftigten Vollkräfte in den Einrichtungen des
Trägers Leiharbeitnehmer i.S.d. AÜG sind. Bei der Ermittlung
der Anzahl der Vollkräfte sind Teilzeitbeschäftigte anteilig zu
berücksichtigen.
Mit Schreiben vom 11.06.2008 teilte der Beklagte seinen Arbeitnehmern folgendes mit:
“Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
die AVR-Verträge sehen vor, dass die zweite Hälfte der Jahressonderzahlung im Juni gezahlt wird. Zur Vermeidung von Verlusten kann nach den AVR diese zweite Zahlung entfallen oder reduziert werden.
Nach Feststellung des handelsrechtlichen Jahresergebnisses hat der Vorstand in eingehender Beratung beschlossen, zum Verlustausgleich von dieser Regelung Gebrauch zu machen. Allerdings wird die tariflich vorgesehene Reduzierung nur teilweise angewendet, so dass eine Auszahlung in Höhe von 42 % erfolgen wird.
Dies bedeutet bei einem monatlichen Entgelt von z. B. 2.000 Eurobrutto, dass nach der ersten Zahlung im November in Höhe von 1.000 Eurobrutto nun weitere 840 Eurobrutto gezahlt werden. Ursprünglich wurde ein Kürzungsbetrag von 13 % ermittelt. Dieses Ergebnis wurde in einem Testat einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als korrekt bestätigt und gilt gleichermaßen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Einrichtungen und Diensten im E1. J1 e. V. Damit sind auch die Leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Geschäftsführungen entsprechend behandelt.
Das Testat der Wirtschaftsprüfung haben wir an die Gesamt-Mitarbeitervertretung und den Sprecherausschuss weitergeleitet.
Bereits vor der Gehaltsmitteilung wollen wir Sie über diesen Sachverhalt zügig informieren.
Auch im Namen von P2 K4 grüße ich Sie heute freundlich
gez. G7″
Mit Datum vom 04.07.2008 wandte der Beklagte sich mit einem weiteren Schreiben an seine Arbeitnehmer, das folgenden Wortlaut hat:
“Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
mit Schreiben vom 11. Juni 2008 haben wir Sie darüber informiert, dass wir wegen des negativen Jahresergebnisses für das Jahr 2007 die zweite Hälfte der Jahressonderzahlung im Juni 2008 um 8 % kürzen müssen.
Der jetzigen Behauptung der GMAV, dass diese Kürzung der Jahressonderzahlung gegen die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) verstößt, widersprechen wir ausdrücklich. Die Gründe wollen wir Ihnen gern im Folgenden erläutern:
Das Jahr 2007 hat ein negatives betriebliches Ergebnis ergeben.
Nach der Anlage 14 AVR darf die Jahressonderzahlung gekürzt werden, wenn der Mitarbeitervertretung bzw. der GMAV das negative betriebliche Ergebnis durch das Testat eines Wirtschaftsprüfers nachgewiesen wurde. Dies ist geschehen. In dem Testat der Wirtschaftsprüfer für das Jahr 2007 wurde festgestellt, dass ein negatives betriebliches Ergebnis vorliegt, das eine Kürzung der gesamten Jahressonderzahlung um 12,99 % erfordert.
Spielräume wurden zu Gunsten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genutzt. Statt um 12,99 % wurde die Jahressonderzahlung nur um 8 % gekürzt.
Das Testat ist der GMAV bekannt.
Das negative betriebliche Ergebnis wurde der GMAV entsprechend der Anlage 14 AVR durch das Testat nachgewiesen. Die Ursachen des negativen Ergebnisses wurden der GMAV ausführlich erläutert.
Die Tariftreue wird gewahrt.
Im Jahr 2007 wurden im E1. J1 e. V. 0,72 % Leiharbeitnehmer beschäftigt.
Auch hierüber haben wir die GMAV informiert.
Der Einsatz der Leiharbeitnehmer erfolgte vor allem, um die Mitarbeitenden bei Personalengpässen und in Spitzenzeiten zu entlasten.
§ 1 Abs. 5 AVR erlaubt die Beschäftigung von bis zu 5 % Leiharbeitnehmern im Jahresdurchschnitt. Wenn nicht mehr als 5 % Leiharbeitnehmer beschäftigt werden, unterstellen die AVR unabhängig von der Beschäftigungsdauer, dass sie nur kurzfristig zur Überbrückung von Personalengpässen beschäftigt werden.
Das E1. J1 wendet schließlich auch in den mit ihm verbundenen Einrichtungen, die Mitglied in einem Diakonischen Werk sind, die nach § 1 Abs. 5 AVR zulässigen Arbeitsvertragsgrundlagen an.
Für Rückfragen stehen Ihnen Ihre Führungskräfte gern zur Verfügung.
Mit Ihrem Beitrag tragen Sie zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage und Sicherung der Arbeitsplätze bei. Dafür bedanken wir uns an dieser Stelle ausdrücklich.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
gez. G7″
Mit Schreiben vom 09.07.2008 forderte der Kläger den Beklagten auf, den nicht ausgezahlten Betrag der Jahressonderzahlung für 2007 in Höhe von 247,38 Euro brutto mit der Vergütung für August 2008 auf sein Konto zu überweisen. Mit vorliegender Klage, die am 04.11.2008 beim Arbeitsgericht Iserlohn einging, verfolgt er den von ihm geltend gemachten Anspruch weiter.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe Anspruch auf volle Auszahlung der Jahressonderzahlung für 2007. Der Beklagte sei nicht zur Kürzung der Jahressonderzahlung berechtigt gewesen. Denn die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 1 Abs. 5 AVR von den Abweichungsmöglichkeiten unter anderem in Anlage 14 Gebrauch gemacht werden könne, seien nicht gegeben. Unstreitig handele es sich bei den Firmen p3 und p4 GmbH um Einrichtungen, die mit dem Beklagten im Sinne des § 1 Abs. 5 a AVR verbunden seien. Beide Einrichtungen seien zwar Gastmitglied gemäß § 5 der Satzung des Diakonischen Werkes. Die Firma p4 GmbH wende aber nicht die AVR oder eine gleichwertige Arbeitsvertragsgrundlage im Sinne von § 1 Abs. 5 a AVR an, sondern die Regelungen des Tarifvertragswerks zur Arbeitnehmerüberlassung, der zwischen der Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und PSA (CGZB) und dem Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister (AMP) abgeschlossen worden sei.
Zudem seien die Leiharbeitnehmer, die über die Firma p4 GmbH eingestellt worden seien, nicht nur im kurzfristigen Einsatz gewesen. Zwar sei dem Beklagten der Einsatz von Leiharbeitnehmern im Sinne des AÜG grundsätzlich erlaubt, jedoch nur zur kurzzeitigen Überbrückung von Personalengpässen. Nicht erlaubt sei die Leiharbeit in kirchlichen Betrieben, wenn damit die Ersetzung von regulär beschäftigten Arbeitnehmern bewirkt werde. Wenn der Beklagte sich auf die 5 %-Grenze in § 1 Abs. 5 b AVR berufe, so dürfe diese Regelung nicht dahingehend missverstanden werden, dass bis zur Grenze von 5 % Leiharbeit unabhängig davon zulässig sei, ob sie kurzfristig zur Überbrückung von Personalengpässen erfolge. Eine solche Auslegung sei nicht mit dem sich aus § 1 Abs. 5 b AVR ergebenden Verbot der ersetzenden Leiharbeit vereinbar. Die Regelung in § 1 Abs. 5 b AVR sei einschränkend auszulegen. Die Vermutung, dass bei einem Anteil von nicht mehr als 5 % Leiharbeitsbeschäftigten der Einsatz von Leiharbeitnehmern nur zur kurzfristigen Überbrückung von Personalengpässen diene, rechtfertige sich aus dem Umstand, dass die Fehlzeitenquote bei rund 5 % liege. Damit könne von einer nicht planbaren Abwesenheitsquote von 5 % ausgegangen werden. Wie sich aus verschiedenen Stellenausschreibungen der Firma p4 GmbH ergebe (Bl. 12 – 22 d. A.), werde die im Regelfall notwendige Kurzfristigkeit erheblich überschritten. Insofern seien die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 b AVR nicht gegeben, so dass der Beklagte von den Abweichungsmöglichkeiten der Anlage 14 keinen Gebrauch machen dürfe.
Zwar habe der Beklagte das in Ziffer 4 der Anlage 14 der AVR vorgesehene Testat vorgelegt, das er, der Kläger, auch eingesehen habe. Dabei sei jedoch keine Einigung über die in Anlage 14, Ziffer 4 geregelten Voraussetzungen erzielt worden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 247,38 Euro brutto, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der beklagte Verein beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, die Klage sei unbegründet. Denn er sei gemäß Absatz 4 der Anlage 14 zu den AVR berechtigt gewesen, die Jahressonderzahlung für 2007 zu kürzen. Unstreitig habe er das in Absatz 4 der Anlage 14 zu den AVR genannte Testat vorgelegt. Danach habe das Jahr 2007 mit einem negativen betrieblichen Ergebnis im Sinne des Absatzes 5 der Anlage 14 zu den AVR abgeschlossen. Er, der Beklagte, habe dies ordnungsgemäß gemäß Absatz 4 der Anlage 14 unter Berücksichtigung des Absatzes 5 der Anlage 14 zu den AVR der zuständigen Gesamtmitarbeitervertretung, der der Kläger angehöre, durch Testat eines vereidigten Wirtschaftsprüfers vom 02.06.2008 nachgewiesen und das Testat erläutert. Das Testat habe eine Kürzung der gesamten Jahressonderzahlung um 12,99 % ergeben. Er, der Beklagte, habe entschieden, stattdessen nur 8 % der gesamten Jahressonderzahlung in Anspruch zu nehmen.
Auch die sonstigen Voraussetzungen für eine Kürzung der Jahressonderzahlung für das Jahr 2007 seien gegeben. Er, der Beklagte, und alle Tochtergesellschaften, die Mitglied in einem Diakonischen Werk seien, wendeten die AVR oder eine gleichwertige Arbeitsvertragsgrundlage an. Soweit der Kläger auf die Firmen p3 GmbH und p4 GmbH verweise, seien diese nicht Mitglied in einem Diakonischen Werk, sondern lediglich Gastmitglied, weil sie die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft nicht erfüllten. Gastmitglieder würden von der Regelung in § 1 Abs. 5 a AVR nicht erfasst und blieben bei der Prüfung der sogenannten Tariftreue außer Betracht.
Auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 b AVR seien gegeben. Danach werde eine kurzfristige Überbrückung von Personalengpässen durch Leiharbeitnehmer fingiert, wenn der Einrichtungsträger mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftige und nicht mehr als 5 % der insgesamt im Jahresdurchschnitt beschäftigten Vollkräfte in den Einrichtungen des Trägers Leiharbeitnehmer im Sinne des AÜG sein. Im Durchschnitt des Jahres 2007 habe er, der Beklagte, rund 6000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Hiervon seien 0,72 % Leiharbeitnehmer gewesen. Auf Antrag unter anderem des Klägers als Mitglied der Gesamtmitarbeitervertretung sei dem Vorsitzenden der Gesamtmitarbeitervertretung und einem Stellvertreter am 25.06.2008 eine Aufstellung der im Jahre 2007 in den Einrichtungen beschäftigten Leiharbeitnehmer persönlich übergeben worden, die die Beschäftigungsquote von 0,72 % ausweise. Die 5 %-Grenze werde auch weiterhin eingehalten.
Durch Urteil vom 02.06.2009 hat das Arbeitsgericht der Klage antragsgemäß stattgegeben. Gegen diese Entscheidung, die dem Beklagten am 05.06.2009 zugestellt worden ist, richtet sich die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung des Beklagten, die am 22.06.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und am 03.08.2009 begründet worden ist.
Der Beklagte vertritt weiter die Auffassung, er sei berechtigt gewesen, die zweite Hälfte der Jahressonderzahlung für 2007 um 8 % zu kürzen. Denn die Voraussetzungen der Ziffer 4 der Anlage 14 der AVR seien gegeben. Die W2 Wirtschaftsberatung AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe mit Schreiben vom 03.06.2008 das Testat über den Umfang des negativen betrieblichen Ergebnisses gemäß Anlage 14 der AVR vorgelegt. Wegen der Einzelheiten verweise er auf das Testat vom 02.06.2008 (Bl. 220 – 228 d. A.), das dem Kläger unstreitig bekannt sei. Danach hätte sich unter Berücksichtigung der regulären betrieblichen Juni-Zahlung von 4.959.533,90 Euro gemäß Anlage 14 Abs. 5 der AVR ein negatives betriebliches Ergebnis von 1.288.297,02 Euro für das Jahr 2007 ergeben. Die Kürzung der Juni-Zahlung um 1.288.297,02 Euro auf 3.671.236,88 Euro hätte einer Kürzung der gesamten Jahressonderzahlung um 12,99 % entsprochen. Er, der Beklagte, habe jedoch nur eine Kürzung um 8 % vorgenommen. Angesichts der Vorlage des Testates gelte der Nachweis des Vorliegens eines negativen betrieblichen Ergebnisses bei voller Juni-Zahlung gemäß Absatz 4 der Anlage 14 der AVR als erbracht.
Er, der Beklagte, sei auch berechtigt, von den Abweichungsmöglichkeiten in Anlage 14 der AVR Gebrauch zu machen. Denn die Voraussetzungen von § 1 Abs. 5 a und b der AVR seien gegeben. Entgegen der Auffassung des Klägers würden auf alle Dienstverhältnisse seiner Einrichtung und der mit ihr verbundenen Einrichtungen, die Mitglied in einem Diakonischen Werk seien, die AVR oder eine gleichwertige Arbeitsvertragsgrundlage angewandt. Soweit der Kläger auf die Firma p3 GmbH verweise, sei diese zwar nur Gastmitglied des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche von Westfalen, wende aber ausnahmslos die AVR an. Die Firma p4 GmbH sei ebenfalls nur Gastmitglied im Sinne des § 5 der genannten Satzung, beschäftige ihre Arbeitnehmer aber nicht zu Arbeitsbedingungen, die in einem kirchengesetzlich anerkannten Verfahren gesetzt worden seien, welches auf strukturellem Gleichgewicht der Dienstgeber- und der Dienstnehmerseite beruhe. Die Gastmitgliedschaft sei aber für die in § 1 Abs. 5 a der AVR zu entscheidende Frage unerheblich. Die Satzung des Diakonischen Werkes unterscheide Mitglieder (§ 4 der Satzung) und Gastmitglieder (§ 5 der Satzung). In § 1 Abs. 5 a der AVR sei ausschließlich von “Mitgliedern” und nicht von “Mitgliedern und Gastmitgliedern” die Rede, obwohl Gastmitglieder bei nahezu allen Diakonischen Werken der Landeskirchen vorgesehen seien. Hätte die arbeitsrechtliche Kommission die Einbeziehung von Gastmitgliedern in die Regelung des § 1 Abs. 5 a AVR gewollt, so hätte sie geschrieben “… die Mitglieder oder Gastmitglieder in einem Diakonischen Werk sind, …”. Über die Regelung in § 1 Abs. 5 AVR sei in der arbeitsrechtlichen Kommission im Juli 2006 verhandelt worden. Nach dem in die AVR aufgenommenen Ergebnis dieser Verhandlungen sei die Regelung zur “Tariftreue” auf diejenigen Einrichtungen und verbundenen Einrichtungen beschränkt worden, die “Mitglied in einem Diakonischen Werk” seien. Nur bei diesen Mitgliedern ergebe sich eine zwingende satzungsrechtliche Verpflichtung zur Anwendung des “kirchlichen Arbeitsrechts”. Nur soweit die zwingende Zuständigkeit der arbeitsrechtlichen Kommission gegeben sei, werde die “Tariftreue” verlangt. Verbundene Unternehmen, die nur einen Gastmitgliedschaftsstatus im Diakonischen Werk hätten, zählten deshalb nicht zu den für die Frage der Tariftreue maßgeblichen Unternehmen.
Auch die Voraussetzungen in § 1 Abs. 5 b AVR seien gegeben. Er, der Beklagte, habe im Durchschnitt des Jahres 2007 rund 6000 Arbeitnehmer und 0,72 % Leiharbeitnehmer beschäftigt. Wegen der Einzelheiten verweise er auf die Berechnungen (Bl. 212 – 218 d. A.), die dem Kläger bekannt seien. Die 5 %-Grenze sei damit in 2007 eingehalten worden. In diesem Falle könne der Dienstgeber von den Öffnungsklauseln uneingeschränkten Gebrauch machen, wenn es sich um eine Einrichtung handele, die mindestens 50 Mitarbeiter beschäftige. In diesem Fall sei das Merkmal “kurzfristig” gegeben. Der Wortlaut in § 1 Abs. 5 b AVR sei insoweit klar und eindeutig. Es sei zwingend von einer “kurzfristigen Überbrückung im Sinne dieser Regelung” auszugehen. In § 1 Abs. 5 b AVR sei nicht einmal angedeutet, dass es sich lediglich um eine Beweiserleichterung handele, die im Einzelfall widerlegt werden könne.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 02.06.2009 – 2 Ca 2428/08 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor, es sei richtig, dass die Firma p3 GmbH die AVR anwende. Bei der Firma p4 GmbH sei dies jedoch unstreitig nicht der Fall. Sie wende auch keine gleichwertigen Arbeitsbedingungen an. Bei der Firma p4 GmbH handele es sich um eine kirchliche Einrichtung, die Gastmitglied im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche Westfalen sei. Unter dem Gesichtspunkt von Sinn und Zweck der Regelung in § 1 Abs. 5 a der AVR könne nicht von einer Differenzierung nach Mitglied, Gastmitglied oder besonderer Form der Gastmitgliedschaft ausgegangen werden. Der Beklagte habe mit den als Anlage zur Berufungsbegründung eingereichten Unterlagen den Weg beschrieben, der beschritten worden sei, um die Firma p4 GmbH als kirchliche Einrichtung zuordnen zu können. Offenbar wolle der Beklagte nunmehr mit einer Unterscheidung zwischen Mitgliedschaft und Gastmitgliedschaft diesen Schritt nicht mehr nachvollziehen, wenn es um Auswirkungen im finanziellen Bereich gehe. Der Beklagte könne sich aber nicht, ohne dabei in Widersprüche zu geraten, einerseits auf die kirchliche Zuordnung der Firma p4 GmbH berufen, während er andererseits genau diese Zuordnung in Frage zu stellen versuche.
Soweit die Regelungen in § 1 Abs. 5 b AVR in Frage stünden, bestreite er, der Kläger, die vom Beklagten vorgelegte Berechnung der Anzahl der im Jahre 2007 eingesetzten Leiharbeitnehmer nicht. Zwar seien im Jahre 2007 in den Einrichtungen des Beklagten auch Leiharbeitnehmer anderer Verleihunternehmen als der Firma p4 GmbH eingesetzt gewesen. Die Gesamtmitarbeitervertretung sei aber davon ausgegangen, dass auch unter Einbeziehung dieser Leiharbeitnehmer im Jahresdurchschnitt der Wert von 5 % im Sinne des § 1 Abs. 5 b AVR nicht erreicht worden sei. Allerdings würden beim Beklagten Leiharbeitnehmer nicht nur – im Sinne von “ausschließlich” – zur kurzfristigen Überbrückung von Personalengpässen eingesetzt. Beschäftigte der Firma p4 GmbH seien keinesfalls nur als Krankheits- oder ggfls. Urlaubsvertretungen eingesetzt. Sie hätten in vielen Fällen befristete Arbeitsverträge bis zu einem Jahr und würden während der gesamten Zeit in den Einrichtungen des Beklagten an gleicher Stelle und mit den gleichen Aufgaben eingesetzt. Sie ersetzten dabei zum Teil ausgeschiedene Arbeitnehmer vollständig. Damit werde der Beklagte der Rechtsprechung des Kirchengerichtshofs der EKD nicht gerecht, der in seiner Entscheidung vom 09.10.2006 das Institut der Leiharbeit für ausschließlich zulässig gehalten habe in Vertretungsfällen in Folge Urlaubs, Krankheit oder bei kurzfristigem Spitzenbedarf. Soweit der Beklagte sich auf die Abweichungsmöglichkeiten in Anlage 14 der AVR berufe, sei er für das Vorliegen der Voraussetzungen darlegungs- und beweispflichtig. Entgegen der Auffassung des Beklagten könne bei Unterschreiten der Grenze von 5 % nicht zwingend von einer kurzfristigen Überbrückung im Sinne der Regelung in § 1 Abs. 5 b der AVR ausgegangen werden.
Nicht belegt sei zudem die Tatsache eines negativen betrieblichen Ergebnisses, wie es in Anlage 14 der AVR als Voraussetzung für die Kürzungsberechtigung genannt werde. Die Konstruktion, dass der Nachweis als erbracht gelten soll, wenn der Mitarbeitervertretung ein Testat vorlegt werde, könne gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern eine Einschränkung der Zahlungsverpflichtung nicht begründen. Jedenfalls müsse ihm, dem Kläger, die Möglichkeit gegeben werden, die Richtigkeit des Testats zu prüfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
I.
Die Berufung des Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II.
Der Sache nach hat die Berufung des Beklagten Erfolg. Ein Anspruch des Klägers auf die restliche Jahressonderzahlung für 2007 in Höhe von 247,38 Euro brutto ist nicht gegeben. Denn der Anspruch des Klägers auf Zahlung der zweiten Hälfte der Jahressonderzahlung für 2007, die gemäß Absatz 3 der Anlage 14 zu den AVR im Juni 2008 zur Zahlung fällig war, ist in dieser Höhe gemäß Absatz 4 der Anlage 14 zu den AVR entfallen.
1. Nicht streitig zwischen den Parteien ist, dass der Beklagte der Mitarbeitervertretung ein Testat im Sinne der Absätze 4 und 5 der Anlage 14 zu den AVR vorgelegt hat. In seiner Eigenschaft als Mitglied der Gesamtmitarbeitervertretung hatte der Kläger Gelegenheit, Einsicht in dieses Testat zu nehmen. Der Beklagte hat das Testat der Firma W2 Wirtschaftsberatung AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 02.06.2008 zudem im vorliegenden Rechtsstreit zu den Akten gereicht.
a) Ausweislich der Ausführungen in diesem Testat würde sich unter Berücksichtigung der regulären betrieblichen Juni-Zahlung von 4.959.533,90 Euro gemäß Absatz 5 der Anlage 14 zu den AVR ein negatives betriebliches Ergebnis von 1.288.297,02 Euro für das Jahr 2007 ergeben. Nach den weiteren Ausführungen des genannten Testats würde die Kürzung der Juni-Zahlung um 1.288.297,02 Euro auf 3.671.236,88 Euro einer Kürzung der gesamten Jahressonderzahlung um 12,99 % entsprechen. Gemäß Absatz 4, Satz 2 der Anlage 14 zu den AVR gilt damit der Nachweis als erbracht, dass bei voller Juni-Zahlung der anteiligen Bruttopersonalkosten der Jahressonderzahlung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Beklagten ein negatives betriebliches Ergebnis im Vorjahr im oben genannten Umfang vorliegen würde. Dass die Mitarbeitervertretung Einwände im Hinblick auf die tatsächlichen Feststellungen des Testats vom 02.06.2008 erhoben hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
b) Dahinstehen kann, ob der Kläger angesichts des Wortlauts in Absatz 4, Satz 2 der Anlage 14 zu den AVR berechtigt ist, die inhaltliche Richtigkeit des Testats vom 02.06.2008 im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits in Frage zu stellen. Denn der Kläger, dem das Testat vom 02.06.2008 bereits in seiner Eigenschaft als Mitglied der Gesamtmitarbeitervertretung bekannt war, hat auch nach Vorlage des Testats im vorliegenden Rechtsstreit keine substantiierten Einwendungen im Hinblick auf die inhaltliche Richtigkeit der von der W2 Wirtschaftsberatung AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft getroffenen Feststellungen erhoben.
c) Unter Berücksichtigung der Feststellungen des Testats vom 02.06.2008 wäre der Beklagte berechtigt gewesen, die zweite Hälfte der Jahressonderzahlung für 2007 um 12,99 % zu reduzieren. Der Beklagte hat jedoch nur eine Kürzung um 8 % vorgenommen.
2. Der Beklagte war nach Auffassung der erkennenden Kammer gemäß § 1 Abs. 5 der AVR berechtigt, von den Abweichungsmöglichkeiten in Anlage 14 der AVR Gebrauch zu machen. Denn die in § 1 Abs. 5 a und b AVR hierfür normierten Voraussetzungen sind gegeben.
a) Gemäß § 1 Abs. 5 a AVR können Einrichtungen von den Abweichungsmöglichkeiten der Anlage 14 nur Gebrauch machen, wenn auf alle Dienstverhältnisse der Einrichtung und der mit ihr verbundenen Einrichtungen, die Mitglied in einem Diakonischen Werk sind, die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) oder eine gleichwertige Arbeitsvertragsgrundlage angewandt werden. Diese Voraussetzung ist beim Beklagten und den mit ihr verbundenen Einrichtungen gegeben. Unstreitig wendet der Beklagte selbst auf alle Dienstverhältnisse der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer die AVR an. Auch auf die Arbeitsverhältnisse der Firma p3 GmbH werden einheitlich die AVR angewendet, wie zweitinstanzlich unstreitig geworden ist. Fraglich ist allein, ob die Voraussetzungen in § 1 Abs. 5 a AVR dadurch in Frage gestellt sind, dass auf die Arbeitsverhältnisse der Firma p4 GmbH nicht die AVR, sondern das Tarifvertragswerk zur Arbeitnehmerüberlassung angewendet wird, das zwischen der Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und TSA (CGZB) und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) abgeschlossen worden ist. Entgegen der Auffassung des Klägers kann hiervon nicht ausgegangen werden. Denn bei der Firma p4 GmbH, die unstreitig eine mit dem Beklagten verbundene Einrichtung ist, handelt es sich nicht um ein Mitglied in einem Diakonischen Werk im Sinne von § 1 Abs. 5 a AVR. Dies ergibt die Auslegung dieser Bestimmung der AVR.
aa) Bei den als AVR bezeichneten Regelungen handelt es sich um Kollektivvereinbarungen besonderer Art, in denen allgemeine Bedingungen für die Vertragsverhältnisse der beim Diakonischen Werk der Evangelischen K6 in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer festgesetzt worden sind (vgl. hierzu BAG, Urt. v. 26.10.2006 – 6 AZR 307/06, NZA 2007, 1179 n. w. N.). Allerdings kommt diesen Regelungen keine normative Wirkung zu. Sie finden auf das Arbeitsverhältnis kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung, wie dies im vorliegenden Fall in § 2 des Dienstvertrages vom 20.01.1992 geschehen ist. Auch wenn die Auslegung von Verträgen grundsätzlich anderen Regeln als die Auslegung von Normen folgt, so findet jedenfalls in den Fällen, in denen die kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen Tarifverträgen nachgebildet sind, die Auslegung dieser allgemeinen Vertragsregelungen nach den gleichen Grundsätzen statt, wie sie für die Tarifauslegung maßgeblich sind (vgl. BAG, Urt. v. 26.10.2006 a. a. O.; Urt. v. 14.01.2004 – 10 AZR 188/03, AP-Nr. 3 zu AVR Caritas-Verband, Anlage 1). Danach ist vom Wortlaut der Regelung auszugehen und anhand dessen der Sinn der Regelung zu erforschen, ohne am Wortlaut zu haften. Der wirkliche Wille der Richtliniengeber und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Bestimmungen ist mit zu berücksichtigen, soweit sie in den Vorschriften der Regelung ihren Niederschlag gefunden haben. Verbleibende Zweifel können durch die Heranziehung weiterer Auslegungskriterien (z. B. Entstehungsgeschichte der Regelung oder praktische Handhabbarkeit) geklärt werden. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG, Urt. v. 24.09.2008 – 10 AZR 190/08, NZA-RR 2009, 107).
bb) Ausgehend hiervon ergibt die Auslegung von § 1 Abs. 5 a AVR, dass bei der Feststellung der sogenannten Tariftreue im Sinne dieser Bestimmung solche Einrichtungen, die, wie die mit dem Beklagten verbundene Einrichtung der Firma p4 GmbH, lediglich Gastmitglied in einem Diakonischen Werk sind, außer Betracht bleiben. Die Satzung des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche von Westfalen – Landesverband der inneren Mission – e. V. in der Fassung vom 19.06.2006 regelt in § 3 und 4, wer Mitglied des Diakonischen Werkes werden kann und welche Rechte und Pflichten der Mitglieder sich daraus ergeben. Demgegenüber ist in § 5 die sogenannte Gastmitgliedschaft geregelt. In § 1 Abs. 5 a AVR kommt an keiner Stelle – auch nicht in unvollkommener Weise – zum Ausdruck, dass die dort normierten Voraussetzungen nicht nur von den Mitgliedern in einem Diakonischen Werk, sondern auch von den Gastmitgliedern erfüllt werden müssen. In diesem Fall hätte es nahe gelegen, dass der Richtliniengeber, bei dem davon ausgegangen werden kann, dass ihm die Satzung des Diakonischen Werkes mit seinen differenzierten Bestimmungen über die Mitgliedschaft bzw. Gastmitgliedschaft bekannt war, die Regelung in § 1 Abs. 5 a AVR im Wortlaut so gefasst hätte, dass von den Abweichungsmöglichkeiten in Anlage 14 nur Gebrauch gemacht werden kann, wenn auf alle Dienstverhältnisse der Einrichtung und der mit ihr verbundenen Einrichtungen, die Mitglied oder Gastmitglied in einem Diakonischen Werk sind, die Arbeitsvertragsrichtlinien oder eine gleichwertige Arbeitsvertragsgrundlage angewandt werden. Da die AVR in diesem Zusammenhang gerade nicht von “Mitgliedern und Gastmitgliedern” sprechen, obwohl Gastmitglieder nach dem unbestrittenem Vortrag des Beklagten bei nahezu allen Diakonischen Werken der Landeskirchen vorgesehen sind, kann hieraus nur geschlossen werden, dass der Richtliniengeber in § 1 Abs. 5 a AVR nur die Mitglieder im Sinne des § 3 der Satzung des Diakonischen Werkes gemeint hat.
b) Auch die Voraussetzung in § 1 Abs. 5 b AVR, unter denen von den Abweichungsmöglichkeiten in Anlage 14 Gebrauch gemacht werden kann, sind gegeben.
aa) Der Beklagte hat die von ihm erstellten Berechnungen des Durchschnittswertes der im Jahre 2007 beschäftigten Leiharbeitnehmer vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass 0,72 % der insgesamt im Durchschnitt des Jahres 2007 beschäftigten Vollkräfte in den Einrichtungen des Beklagten Leiharbeitnehmer im Sinne des AÜG waren. Der Kläger hat im Termin vom 15.10.2009 erklärt, die von dem Beklagten vorgelegte Berechnung der Anzahl der im Jahre 2007 eingesetzten Leiharbeitnehmer werde nicht mehr bestritten. Die Parteien haben weiter übereinstimmend erklärt, im Jahre 2007 seien in den Einrichtungen des Beklagten zwar auch Leiharbeitnehmer anderer Verleihunternehmen als der Firma p4 GmbH eingesetzt gewesen; die Gesamtmitarbeitervertretung sei aber davon ausgegangen, dass auch unter Einbeziehung dieser Leiharbeitnehmer im Jahresdurchschnitt der Wert von 5 % im Sinne des § 1 Abs. 5 b AVR nicht erreicht worden ist. Tatsachen, die geeignet sind, dies in Zweifel zu ziehen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
bb) Waren in der Einrichtung des Beklagten im Durchschnitt des Jahres 2007 nicht mehr als 5 % der insgesamt beschäftigten Vollkräfte Leiharbeitnehmer im Sinne des AÜG, so ist bei einem Einrichtungsträger, wie dem Beklagten, in dessen Einrichtungen insgesamt mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind, anzunehmen, dass Leiharbeitnehmer nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) nur zur kurzfristigen Überbrückung von Personalengpässen eingesetzt werden. Nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 5 b, S. 2 AVR “ist eine kurzfristige Überbrückung im Sinne dieser Regelung anzunehmen”, wenn der Wert von 5 % bei der Zahl der beschäftigten Leiharbeitnehmer unterschritten wird. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung wird in diesem Fall fingiert, dass die Leiharbeitnehmer nur zur kurzfristigen Überbrückung von Personalengpässen eingesetzt werden. Im Wortlaut dieser Bestimmung finden sich keine Anhaltspunkte dahingehend, dass es sich bei dieser Regelung nur um eine Beweiserleichterung handeln soll, die im Einzelfall widerlegt werden kann. Vielmehr hat der Regelungsgeber aus Gründen der Rechtssicherheit und – klarheit eine Bestimmung geschaffen, die es dem Arbeitgeber ermöglicht, unterhalb der Grenze von 5 % der insgesamt im Jahresdurchschnitt beschäftigten Vollkräfte Leiharbeitnehmer zu beschäftigen, ohne in jedem Einzelfall prüfen zu müssen, ob der Einsatz nur zur kurzfristigen Überbrückung von Personalengpässen erfolgt. Hätte der Regelungsgeber lediglich eine Beweiserleichterung schaffen wollen, die im Einzelfall widerlegt werden kann, so hätte er dies in irgendeiner Weise in § 1 Abs. 5 b AVR zum Ausdruck bringen müssen. Für die Annahme, dass § 1 Abs. 5 b AVR eine unwiderlegbare Fiktion enthält, sprechen auch Praktikabilitätsgründe.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2, Nr. 1 ArbGG zugelassen.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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