LAG Hamm, Urteil vom 16.01.2012 – 7 Sa 976/11

Juli 6, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 16.01.2012 – 7 Sa 976/11
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 13.05.2011 teilweise abgeändert. Die Beklagte wird des Weiteren verurteilt, an den Kläger eine Uhr der Marke Rolex, Modell Submariner, herauszugeben und zu übereignen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger 12 %, die Beklagte trägt 88 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Die Parteien streiten, soweit zweitinstanzlich noch von Bedeutung, um die Herausgabe und Übereignung einer Uhr.
Die Beklagte stellt Dienstleistungen im Bereich des Getränkevertriebs zur Verfügung, so auch im Hinblick auf ein Getränk der Marke “Effect Energie”. Sie beschäftigte den Kläger vom 02.01.2007 bis zum 31.07.2010 als Gebietsverkaufsleiter für den Bereich Tankstellen auf der Basis eines Arbeitsvertrages vom 03.01.2007, wegen dessen weiteren Inhalt auf Bl. 49 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen wird. Zu den Aufgaben des Klägers gehörte es u.a., Kunden zu betreuen, Akquisition zu betreiben, die Distribution aufzubauen, zu pflegen und auszuweiten und die Präsenz der Produkte aus dem Sortiment der Beklagten in Tankstellen zu erhöhen.
2007 führte die Beklagte einen so genannten Rolex Contest durch. Dieser Wettbewerb endete zunächst am 01.07.2007. Ausweislich eines Memorandums des Verkaufsdirektors K1 der Beklagten erreichten die Mitarbeiter des so genannten Tankstellenteams, zu dem neben dem Kläger auch der Mitarbeiter P1 gehörte, das Wettbewerbsziel nicht, sondern nur zu 76,24 %. Gleichwohl übereignete die Beklagte an den Mitarbeiter P1 eine Uhr der Marke Rolex, Modell Submariner, mit der Erklärung, dieser Mitarbeiter sei mit 448 neu gewonnenen Distributionspunkten der Einzelsieger. Zugleich beschloss die Geschäftsleitung der Beklagten, den Wettbewerb zu verlängern, um – wie es ihr Verkaufsdirektor im Memorandum ausdrückte – “der gesamten Truppe doch noch die Chance auf den Gewinn von je einer Rolex zu geben”. Die Beklagte verlängerte zu diesem Zweck das Ende des Wettbewerbs auf den 15.08.2007, setze als neues Ziel fest, dass 3.100 Distributionspunkte in der Zeit vom 01.05.2007 bis zum 15.08.2007 erreicht sein müssten und führte ergänzend aus, dies bedeute, nach dem ersten offiziellen Ende des Wettbewerbs am 01.07.2007 mit 1.904 Distributionspunkten müssten nun noch weitere 1.196 Punkte erreicht werden. Erzielte Distributionspunkte hielten der Kläger und die sonstigen, dem “Tankstellenteam” zugehörigen Mitarbeiter der Beklagten mittels einer Berichtssoftware fest. Dazu waren das Gebinde des Getränks, die Anzahl der Stellfläche und der Verkaufspreis einzutragen.
Am Ende des Wettbewerbs waren 3.100 Distributionspunkte notiert. Im Nachgang entstand zwischen den Teammitgliedern und der Beklagten Streit darüber, ob die Distributionspunkte zu Recht erlangt worden waren. Mit elektronischer Nachricht vom 13.10.2010 wandte sich der Kläger an den Geschäftsführer der Beklagten und führte aus, während des letzten “Meetings” seien zu diesem Thema noch weitere Angaben gemacht worden, dessen Prüfung der Geschäftsführer zugesagt habe. So seien 400 Kiosk-Kunden per Liste abgegeben worden, die nicht in die Berechnung der Distributionspunkte gefallen seien, weil es zum damaligen Zeitpunkt noch keine entsprechende Datenbank gegeben habe. Die Kunden, die abgezogen worden seien, könnten dadurch aufgefangen werden.
Der Kläger hat behauptet, ausgelobt worden sei nicht nur eine Uhr der Marke Rolex, sondern ganz konkret eine Uhr dieser Marke des Modells Submariner. So habe der Verkaufsdirektor K1 der Beklagten den Teammitgliedern unmittelbar nach Abschluss des Wettbewerbs dazu gratuliert, das Ziel und damit auch die ausgeschriebene Prämie der Rolex Submariner erreicht zu haben. Er hat die Auffassung geäußert, die Beklagte müsse im Rahmen einer sekundären Darlegungs- und Beweislast vortragen, dass 3.100 Distributionspunkte nicht erreicht worden seien. Er selbst habe lediglich Einblick in seine eigenen Vertragsunterlagen, nicht aber in diejenigen der sonstigen Mitarbeiter, die sich am Wettbewerb beteiligt hätten. Sollte die Beklagte nicht in der Lage sein, eine Uhr der Marke Rolex, Modell Submariner, zu übereignen, schulde sie den marktüblichen Preis in Höhe von 5.840 €.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.420,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2010 zu zahlen;
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Uhr der Marke Rolex, Modell Submariner, herauszugeben und zu übereignen;
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger den Betrag von 5.840,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2008 zu zahlen;
die Beklagte zu verurteilen, die gesamten Vertragsabschlüsse des Teams “Tankstelle” in der Zeit vom 1. Juli bis zum 15. August vorzulegen und die Vollständigkeit eidesstattlich zu versichern.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, der Kläger und das “Tankstellenteam” hätten das vorgegebene Ziel nicht erreicht. So habe ihre Marketingabteilung durch stichprobenartige Überprüfungen im Herbst 2007 festgestellt, dass die Mitglieder des “Tankstellenteams” Distributionspunkte notiert hätten, obwohl die Voraussetzungen dazu nicht vorgelegen hätten. Dies ergebe sich aus einem Abgleich der erreichten Umsätze mit den angeblich erzielten Distributionspunkten. Angesichts der geringen Umsatzerfolge in den Gebieten, die das “Tankstellenteam” zu betreuen gehabt habe, müsse davon ausgegangen werden, dass diese Aufgabe nicht ordnungsgemäß erfüllt worden sei. Der Umsatz hätte um ein Vielfaches höher liegen müssen. Die Distributionspunkte seien daher nicht in zulässiger Weise gesetzt worden. Der elektronischen Nachricht des Klägers an ihren Geschäftsführer vom 13.10.2010 lasse sich entnehmen, dass auch der Kläger davon ausgegangen sei, die nötige Anzahl an Distributionspunkten nicht erreicht zu haben. Andernfalls hätte für den Kläger keine Veranlassung bestanden, eine Kompensation fehlender Punkte durch Kiosk-Kunden anzuregen. Ein bestimmtes Modell der Marke Rolex sei nicht zugesagt worden. Außerdem sei zu bestreiten, dass ein solches Modell den vom Kläger behaupteten Wert habe und überhaupt noch am Markt zu erhalten sei.
Die Beklagte hat die Auffassung geäußert, ein möglicher Anspruch des Klägers auf Übereignung einer Uhr der Marke Rolex sei verwirkt, weil – so ihre Behauptung – der Kläger diesen Anspruch erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht habe. Letztlich sei der Kläger darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die nötige Anzahl an Distributionspunkten erreicht worden sei. Sie könne auch, so ihre Behauptung in diesem Zusammenhang, keine Vertragsabschlüsse vorlegen, weil schriftliche Verträge nicht abgeschlossen würden.
Mit Urteil vom 13.05.2011, der Beklagten am 18.05.2011 zugestellt, verurteilte das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 2.420 €, den der Kläger als Prämienzahlung eingefordert hat, und wies die Klage im Übrigen ab, soweit es die Herausgabe und Übereignung einer Uhr der Marke Rolex anbelangt sowie die Erteilung von Auskünften über die Verkaufsabschlüsse des “Tankstellenteams”. Das Vorbringen des Klägers hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Übereignung und Herausgabe einer Uhr sei nicht schlüssig. Zu einem schlüssigen Vortrag hätte die Darlegung gehört, für welche Tätigkeiten konkret in welchem Umfang Distributionspunkte zu erlangen gewesen und welche neuen Kunden gewonnen worden seien.
Dagegen richtet sich die am 20.06.2011 eingegangene Berufung des Klägers, die dieser unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags wie folgt begründet: Das Tankstellenteam habe das Ziel des Wettbewerbs erreicht. Es komme nicht darauf an, ob die Bemühungen der Teammitglieder, die zu einem Distributionspunkt geführt hätten, auch nachhaltig gewesen seien. Der einzelne Außendienstmitarbeiter habe keinen Zugriff auf die Mengen der Nachbestellung. Es könne daher nur darauf abgestellt werden, dass es zu einer Aufnahme in das Warensortiment komme. Sofern die Beklagte darüber hinaus Einwendungen erhebe, sei sie dafür beweispflichtig. Die Teammitglieder hätten das Erreichen der Punktzahl auf ihren “Meetings” nach dem Verkaufswettbewerb immer wieder angesprochen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 25.03.2011 – Az.: 3 Ca 2289/10 – teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Uhr der Marke Rolex, Modell Submariner, herauszugeben und zu übereignen, hilfsweise
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 5.840,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Hatte sie zunächst noch behauptet, die Vergabe eines Distributionspunktes setze voraus, dass der Kunde den Energie-Drink in das Warensortiment aufnehme bzw. das Warensortiment entsprechend erweitere, also mindestens einmal nachbestelle, hat sie ausweisliche der im Kammertermin vom 18.11.2011 abgegebenen Erklärungen klargestellt, der Kläger und die sonstigen Mitarbeiter des “Tankstellenteams” hätten zum Erwerb eines Distributionspunktes dafür sorgen müssen, dass ein Tankstellenbetreiber das Produkt “Effect Energie” in sein Warensortiment aufnimmt, es mit einem Preis auszeichnet und einer verkaufsfähigen Platzierung im Verkaufsregal zuführt. Im September bzw. Oktober 2007, so ihre weitere Behauptung, hätte sie eine Kontrolle durchgeführt, weil die Verkaufserfolge eigentlich viel höher hätten ausfallen müssen, wenn die zum Erwerb eines Distributionspunktes notwendigen Tätigkeiten vom Kläger und den sonstigen Mitarbeitern ordnungsgemäß erfüllt worden wären.
Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die von den Parteien zu Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 18.11.2011 abgegebenen Erklärungen Bezug genommen.
Gründe
I. Die gegen das am 18.05.2011 zugestellte Urteil am Montag, den 20.06.2011 beim Berufungsgericht eingegangene und damit innerhalb der Monatsfrist der §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG erhobene sowie fristgerecht begründete Berufung des Klägers ist insgesamt zulässig.
II. Die Berufung ist im Umfang ihrer Einlegung auch begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Übereignung und Herausgabe einer Uhr der Marke Rolex, Modell Submariner, aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag und der zwischen dem Kläger und der Beklagten getroffenen Prämienvereinbarung zu.
1. Zwischen den Parteien ist eine Vereinbarung darüber zustande gekommen, dass die Beklagte sich auf der Basis des bestehenden Arbeitsvertrages verpflichtet, an den Kläger – ebenso wie an die anderen Mitglieder des so genannten Tankstellenteams – unter bestimmten, an den Arbeitserfolg der Mitarbeiter anknüpfenden Voraussetzungen eine Uhr der Marke Rolex, Modell Submariner, zu übereignen. Dies stellt eine einzelvertragliche Prämienvereinbarung dar, die die Beklagte für eine aus ihrer Sicht besonders befriedigende Erfüllung der Arbeitsverpflichtung eingegangen ist (vgl. Schaub-Vorgelsang, Arbeitsrechtshandbuch, 14. Aufl. 2011, § 67 Rn 26).
a) Die Beklagte hat dem Kläger – ebenso wie den sonstigen Mitarbeitern des Tankstellenteams – im Sinne des § 145 BGB angetragen, als Team innerhalb des Zeitraums vom 01.05.2007 bis zum 31.08.2007 bei Erreichen von 3.100 Distributionspunkten je eine Uhr der Marke Rolex zu übereignen. Dies ist zwischen den Parteien nicht zuletzt vor dem Hintergrund des von der Beklagten vorgelegten Memorandums des Vertriebsleiters König nicht im Streit. Das Angebot der Beklagten bezieht sich nicht nur auf die Übereignung einer Uhr der Marke Rolex, sondern konkret auf die Übereignung einer Uhr dieser Marke des Modells Submariner. Der Beklagten ist nicht zu folgen, ist sie der Auffassung, die Übereignung eines bestimmten Modells der Marke Rolex sei nicht zugesagt worden. Der objektive Gehalt der von der Beklagten abgegebenen und als Angebot zu wertenden Willenserklärung ist darauf gerichtet, dem Kläger sowie den sonstigen Teammitgliedern das Modell Submariner der Marke Rolex bei Erreichen des Wettbewerbsziels übereignen zu wollen.
Dabei ist es nicht nötig, die von der Beklagten abgegebene Willenserklärung auszulegen. Der Wille der Beklagten ist hinreichend klar zu Tage getreten. Willenserklärungen und die auf ihnen beruhenden Verträge sind nach den §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben dies mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern. Dabei ist vor der eigentlichen Auslegung festzustellen, welche Erklärungen die Parteien abgegeben und worauf sie sich verständigt haben. Der Erklärungstatbestand ist unter Berücksichtigung der Begleitumstände festzustellen. Erst dann ist in eine Prüfung einzutreten, ob die abgegebenen Erklärungen der Auslegung bedürfen, weil sie unvollständig oder lückenhaft sind (Palandt-Ellenberger, BGB, 71. Aufl. 2011, § 133 Rn. 5f). Der hier gegebene Erklärungstatbestand ist nicht nur vom wörtlichen Inhalt des Memorandums geprägt, sondern auch von weiteren objektiven Umständen. Dazu gehört auch, dass dem Mitarbeiter P1 als Einzelsieger nach Abschluss des zunächst bis zum 01.07.2007 befristeten und innerhalb der Frist des dann bis zum 31.08.2007 verlängerten Wettbewerbs eine Uhr der Marke Rolex Modell Submariner übereignet wurde. Spricht der Verkaufsdirektor König in seinem Memorandum, in dem die Regeln des verlängerten Wettbewerbs festgelegt worden sind, davon, jedes Mitglied des Tankstellenteams habe nun die “Chance auf den Gewinn von je einer Rolex” und betont er an anderer Stelle, der Mitarbeiter P1 habe “seine Rolex ja schon sicher”, ist der objektive Erklärungstatbestand des von der Beklagten abgegebenen Willenserklärung der Beklagten derjenige, den weiteren Mitgliedern des Tankstellenteams eben eine solche Rolex, wie sie der Mitarbeiter P1 bereits erhalten hat, in Aussicht stellen zu wollen. Dies ist das Modell Submariner der Marke Rolex und nicht eines der sonstigen Modelle dieser Marke.
b) Das Angebot der Beklagten hat der Kläger nach § 147 BGB angenommen. Wenn die Annahme auch nicht ausdrücklich erfolgt ist, ist dies zumindest stillschweigend geschehen, indem sich der Kläger darauf eigelassen hat, am Wettbewerb teilzunehmen. Der Zugang einer Annahmeerklärung des Klägers war nach § 151 BGB entbehrlich, weil dies nach der Verkehrssitte angesichts des für den Kläger vorteilhaften Charakters des Geschäfts nicht zu erwarten war.
2. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Prämie liegen vor. Der Kläger hat gemeinsam mit seinen Teammitgliedern das Wettbewerbsziel erreicht, indem er 3.100 Distributionspunkte innerhalb der bis zum 31.08.2007 verlängerten Frist erreicht hat. Nachdem sich die Parteien bis zur Hauptverhandlung vor der Berufungskammer darüber uneins waren, welche Voraussetzungen für den Erwerb eines Distributionspunktes nötig waren, wurden diese Voraussetzungen in der Berufungsverhandlung von den nach § 141 ZPO persönlich angehörten Parteien angesichts der wechselseitig abgegebenen Erklärungen nicht mehr bestritten. Für die Kammer war damit nach § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden und demgemäß nicht mehr streitig, dass ein Distributionspunkt dann notiert werden konnte, wenn ein vom Kläger oder seinen Kollegen aufgesuchter Tankstellenbetreiber das Produkt “Effect Energie” in das Warensortiment aufgenommen und es mit einem Preis versehen hatte sowie dafür gesorgt worden war, dass das Produkt eine verkaufsfähige Platzierung hatte. Es kam damit nicht darauf an, ob zumindest noch eine Folgebestellung durch den Tankstellenbetreiber aufgebeben wurde oder die Distributionsaktivitäten des Klägers und seiner Kollegen zu einer nachhaltigen Umsatzsteigerung führen müssten.
Anderes lässt sich auch nicht dem Memorandum des Verkaufsdirektors entnehmen. Auch die tatsächlich praktizierte Handhabung des Wettbewerbs entspricht dieser Vereinbarung. So ist zwischen den Parteien – von Beginn des Klageverfahrens an – unstreitig gewesen, dass der Mitarbeiter P1 aus dem zunächst bis zum 01.07.2007 laufenden Wettbewerb als Einzelsieger hervorgegangen ist und eine Uhr der Marke Rolex Modell Submariner übereignet erhielt. Wäre der Erhalt der Prämie tatsächlich von einer Umsatzsteigerung oder Nachhaltigkeit der Distributionsaktivitäten abhängig gewesen, hätte auch dem Mitarbeiter P1, der unter denselben Voraussetzungen wie die sonstigen Mitarbeiter des Tankstellenteams am Wettbewerb teilgenommen hat, die Uhr nicht übereignet werden müssen. Da angenommen werden kann, dass sich die Beklagte im Verhältnis zum Mitarbeiter P1 vertragskonform verhalten wollte, spiegeln sich darin die zuletzt von den Parteien unstreitig gestellten Voraussetzungen für den Erwerb eines Distributionspunktes wider.
Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger in seiner elektronischen Nachricht vom 13.10.2010 an den Geschäftsführer der Beklagten vorgeschlagen hat, die gestrichenen Distributionspunkte durch 400 so genannte Kiosk-Kunden zu kompensieren. Für die Kammer gesteht der Kläger damit weder ein, dass die Distributionspunkte zu Unrecht notiert worden seien, noch macht dies deutlich, dass doch noch mehr zu erwarten war, als für den Erwerb eines Distributionspunktes bereits oben ausgeführt wurde. Der Inhalt der Nachricht ist für die Kammer nichts anderes als der Versuch des Klägers, den aufgetretenen Konflikt außergerichtlich abzuwenden. Dies gilt ähnlich für den erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Auskunft im Hinblick auf seine Verkaufsabschlüsse. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass der Kläger unter Berücksichtigung des von ihm vorgetragenen Verständnisses zu den Voraussetzungen, unter denen die Prämie zu gewähren war, eine solche Auskunft nicht benötigt hätte. Doch ist die Kammer davon ausgegangen, dass der Kläger angesichts der von der Beklagten vorgebrachten Verteidigungsmittel diesen Anspruch aus anwaltlicher Vorsorge verfolgt hat, ohne dies ausreichend kenntlich zu machen.
3. Die Beklagte kann nicht mit Erfolg einwenden, der Kläger und die sonstigen Mitarbeiter des Tankstellenteams hätten Distributionspunkte zu Unrecht notiert. Das Vorbringen der für diesen günstigen Einwand nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 12.07.2007 – 4 Sa 926/06, juris) ist sowohl unerheblich als auch unsubstantiiert. Zwischen den Parteien war unstreitig, dass der Kläger und die sonstigen Mitarbeiter, die dem Tankstellenteam zugehörig waren, die Distributionspunkte über eine Berichtssoftware zu notieren hatten, sobald die Voraussetzungen für die Vergabe eines solchen Punktes vorlagen. Die Beklagte wendet in diesem Zusammenhang ein, die Umsatzerlöse hätten um ein Vielfaches höher sein müssen, wenn die eingetragenen Distributionspunkte zu Recht erzielt worden wären. Dies ist kein für den Kläger einlassungsfähiger Sachvortrag. Bereits oben wurde ausgeführt, dass eine Umsatzsteigerung oder eine – wie auch immer gelagerte – Nachhaltigkeit der Distributionsaktivitäten nicht zu den vereinbarten Voraussetzungen für den Erhalt der Prämie gehörte. Wenn die Beklagte nun aus nicht eingetretenen Umsatzerwartungen darauf schließen will, dass sich ihre Mitarbeiter zu Unrecht Distributionspunkte notiert haben, ist dies ohne konkretisierende Angaben nicht aussagekräftig. Das Vorbringen ist aber auch unerheblich. Alleine fehlende Umsätze besagen nichts im Hinblick auf die Ordnungsgemäßheit des Distributionsverhaltens der Mitglieder des Tankstellenteams. Sie können ebenso auf einer Fehleinschätzung des Marktes oder auf sonstige Umstände zurückzuführen sein. Weitere Gründe, die auf ein fehlerhaftes Notieren der Distributionspunkte schließen lassen könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen, insbesondere nicht eine stichprobenartige Überprüfung der Ordnungsgemäßheit durch Nachfrage bei ihren Tankstellenkunden.
4. Der Anspruch des Klägers auf Übereignung und Herausgabe einer Uhr der Marke Rolex, Modell Submariner, ist nicht verwirkt. Die Verwirkung als Sonderfall unzulässiger Rechtsausübung dient dem Vertrauensschutz. Sie verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner immer dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn der Gläubiger seine Rechte über längere Zeit nicht geltend gemacht hat. Voraussetzung ist vielmehr, dass der Berechtigte durch seine Untätigkeit den Eindruck hervorgerufen hat, sein Recht nicht mehr werde geltend machen zu wollen, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen konnte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BAG 09.12.2010 – 8 AZR 592/08 – AP Nr 393 zu § 613a BGB; 28.05.2002 – 9 AZR 145/01 – EzA § 242 BGB Verwirkung Nr 2, 25.04.2001- 5 AZR 497/99 – AP BGB § 242 Verwirkung Nr. 46; Erfurter Kommentar-Preis, 12. Aufl. 2012, § 611 Rn 471). Die Kammer vermochte bereits unter Berücksichtigung des unstreitigen Sachverhalts nichts zu erkennen, was die nötigen Umstands- und Zeitmomente hätte begründen können, die eine Verwirkung hätten tragen können. So ergibt sich bereits aus dem Inhalt der elektronischen Nachricht des Klägers an den Geschäftsführer der Beklagten, dass über den Erhalt der Uhr zwischen ihm und dem Geschäftsführer noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses gesprochen worden ist. Außerdem setzt sich die Beklagte auch mit zumindest noch einem weiteren Arbeitnehmer arbeitsgerichtlich auseinander. Warum unter diesen Umständen bei der Beklagten, die für den für sie günstigen Einwand der Verwirkung die Darlegungs- und Beweislast trägt, ein Vertrauen eintreten konnte, vom Kläger nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, erschließt sich für die Kammer nicht. Offen bleiben konnte vor diesem Hintergrund die streitige Behauptung des Klägers, über das Erreichen der Prämie seien während eines jeden Meetings Gespräche geführt worden.
5. Der Anspruch des Klägers auf Übereignung einer Uhr der Marke Rolex, Modell Submariner, ist auch nicht etwa nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, weil seine Erfüllung für die Beklagte als Schuldnerin unmöglich ist. Die Beklagte hat sich lediglich darauf beschränkt zu bestreiten, dass ein solches Modell noch am Markt zu erhalten sei. Sie ist jedoch für den Einwand der Unmöglichkeit darlegungs- und beweispflichtig (vgl. LAG Schleswig-Holstein 13.03.2009 – 6 Ta 39/09; LAG Düsseldorf 08.10.1998 – 7 Ta 313/98 -; LAG Schleswig-Holstein 11.12.2003 – 2 Ta 257/03, sämtlich juris). Das bloße Bestreiten ersetzt den nötigen Sachvortrag zur Unmöglichkeit der Anspruchserfüllung nicht.
III. Der Beklagten waren die Kosten des Berufungsverfahrens nach § 91 ZPO aufzuerlegen. Die Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens tragen die Parteien entsprechend ihrem Verhältnis von Obsiegen und Verlieren anteilig, § 92 Abs. 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben. Keine der entscheidungserheblichen Rechtsfragen hat grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfragen berühren auch nicht wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit. Ferner lagen keine Gründe vor, die die Zulassung wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG angesprochenen Gerichte rechtfertigen würde.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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