LAG Hamm, Urteil vom 17.05.2011 – 12 Sa 348/11

Juli 30, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 17.05.2011 – 12 Sa 348/11
Teilzeitbeschäftige, die Schichtarbeit i.S.d. der AVR leisten, haben lediglich einen dem Umfang ihrer Teilzeittätigkeit angepassten Anspruch auf die Schichtzulage nach VII der Anlage 1 zu den AVR in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung. Ein Verstoß gegen § 4 TzBfG liegt nicht vor.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 01.10.2010 – 3 Ca 158/10 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die nach den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) vorgesehene tarifliche Schichtzulage der teilzeitbeschäftigten Klägerin anteilig oder wie einer Vollzeitbeschäftigten in voller Höhe zusteht.
Die am 25.06.1964 geborene Klägerin steht bei dem beklagten Verein mit einem Stundenumfang von 14,6 Stunden als Altenpflegerin in einem Arbeitsverhältnis. Die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten macht 39 Stunden in der Woche aus.
Das Arbeitsverhältnis wird bestimmt durch den Arbeitsvertrag vom 01.10.2005, der in § 2 die Anwendung der AVR in ihrer jeweils gültigen Fassung regelt.
In Abschnitt 7 der Anlage 1 zu den AVR sind Wechselschicht- und Schichtzulagen wie folgt geregelt:
“Die Mitarbeiter erhalten eine Wechselschicht- oder Schichtzulage nach Maßgabe dieses Abschnitts.
Der Mitarbeiter, der ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt ist, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten (§ 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Anlage 5 zu den AVR) vorsieht, erhält eine Wechselschichtzulage
in Höhe von 102,26 Euro; monatlich, wenn der dabei in je fünf Wochen durchschnittlich mindestens 40 Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachschicht leistet,
in Höhe von 61,36 Euro; monatlich, wenn er dabei in je sieben Wochen durchschnittlich mindestens 40 Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht leistet.
Der Mitarbeiter, der ständig Schichtarbeit (§ 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Anlage 5 zu den AVR) oder Arbeit mit Arbeitsunterbrechung (geteilter Dienst) zu leisten hat, erhält eine Zulage.
in Höhe von 46,02 Euro; monatlich, wenn die Schichtarbeit oder der geteilte Dienst innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 18 Stunden erbracht wird,
in Höhe von 35,79 Euro; monatlich, wenn die Schichtarbeit oder der geteilte Dienst innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden erbracht wird.”
Zum 01.01.2011 wurden die AVR geändert.
Da die Klägerin ständig Schichtarbeit nach § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Anlage 5 zu den AVR leistete und die Schichtarbeit jeweils innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 18 Stunden erbracht wurde, zahlte der Beklagte an die Klägerin ungeachtet ihrer Teilzeittätigkeit eine Schichtzulage in Höhe von 46,02 Euro.
Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.09.2008 10 AZR 634/07, das zum TVöD entschied, dass Teilzeitbeschäftigte die ständig Schicht- und Wechselschichtarbeit im Sinne des § 7 TVöD leisten, nur einen ihrer Teilzeit entsprechenden Anspruch auf eine anteilige Zulage haben, zahlte die Beklagte ab Juli 2009 die Schichtzulage an die Klägerin nur noch anteilig in Höhe von 17,45 Euro aus. Da die Auszahlung durch gerichtliche Geltendmachung erfolglos blieb, leitete die Klägerin das Schlichtungsverfahren bei der Schlichtungsstelle des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn e.V. ein, das zugunsten der Klägerin ausging. Der Schlichtungsspruch wurde jedoch von dem beklagten Verein nicht angenommen.
Mit der am 29.01.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel der ungeschmälerten Zulagenzahlung ab Juli 2009 weiter.
Sie hat die Ansicht vertreten, nicht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.09.2008 sei einschlägig, sondern die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur entsprechenden Regelung des Bundesangestelltentarifvertrages vom 23.06.1993. Zudem sei die Kürzung der Schichtzulage der Teilzeitbeschäftigten aufgrund eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nicht möglich, da die Regelungen der AVR hinsichtlich der Schichtzulage der seinerzeit geltenden Regelung des BAT entsprächen. Zudem könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass sie von Beginn des Arbeitsverhältnisses an eine Schichtzulage in voller Höhe erhalten hat.
Ausweislich des Tatbestandes hat die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine rückständige Schichtzulage für den Zeitraum von Juli 2009 bis Dezember 2009 in Höhe von 171,42 Euro; zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine rückständige Schichtzulage für den Zeitraum von Juli 2009 bis einschließlich Juli 2010 in Höhe von insgesamt 371,41 Euro; brutto zu zahlen,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab Januar 2010 über die tatsächlich gezahlte Schichtzulage von 17,45 Euro; hinaus eine weitere Schichtzulage in Höhe von 28,57 Euro;, insgesamt also eine monatliche Schichtzulage von 46,02 Euro; zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die Zulage könne anteilig gekürzt werden. Die Regelungen der AVR entsprächen dem im TzBfG normierten proratatemporis-Grundsatz. Tarifliche Schicht- und Wechselschichtzulagen sollten dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich für die erheblichen Einwirkungen auf den Lebensrhythmus durch die Schicht- und Wechselschicht gewähren. Im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten seien aber die Teilzeitbeschäftigten geringer belastet, was auch bei der Zulagenzahlung zum Ausdruck kommen müsse.
Mit Urteil vom 01.10.2010 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Es ist der Auffassung des Beklagten gefolgt. Es liege auch kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des TzBfG vor. Denn die Anwendung des proratatemporis-Grundsatzes schließe von vorn herein eine Diskriminierung aus. Durch die langjährige Zahlung der vollen Zulage sei auch kein Vertrauensschutz zugunsten der Klägerin entstanden. Ein Anspruch auf betriebliche Übung sei ausgeschlossen, weil die Zahlung aufgrund einer vermeintlichen rechtlichen Verpflichtung erfolgt sei.
Gegen das ihr am 08.10.2010 zugestellte und wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommene Urteil hat die Klägerin am 18.10.2010 Berufung eingelegt und diese am 25.11.2010 begründet.
Sie hält dem Arbeitsgericht entgegen, es habe verkannt, dass die maßgebliche Regelung in den AVR der früheren Regelung des § 33 ff. BAT entspreche. Deswegen stehe einer anteiligen Kürzung der Schichtzulage die generelle Belastung durch die jeweiligen Schichtwechsel und die Arbeit in verschiedenen Zeiten entgegen. Diese generelle Belastung sei unabhängig von einer Teilzeit- oder Vollzeitarbeit.
Da die maßgeblichen Regelungen im AVR zum 01.01.2011 geändert worden sind, beschränkt die Klägerin ihren Anspruch auf den Zeitraum bis zum 31.12.2010 und beantragt,
das Urteil des ArbG Bielefeld vom 01.10.2010 – 3 Ca 158/10 – abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin eine rückständige Schichtzulage in Höhe von 514,26 Euro brutto zuzüglich 5%-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2011 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle Bezug genommen.
Gründe
I. Die Berufung ist zulässig.
Sie gemäß § 64 Abs. 1 ArbGG statthaft und nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG zulässig sowie in gesetzlicher Form und Frist nach den §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519 ZPO eingelegt und innerhalb der durch § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG bestimmten Frist ordnungsgemäß nach den §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 ZPO begründet worden. Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht entgegen, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht die Berufung teilweise zurückgenommen hat und nunmehr der nach § 64 Abs. 2 b ArbGG erforderliche Wert von mehr als 600,00 Euro nicht mehr erreicht wird. Nach § 4 Abs. 1 ZPO ist der Wert des Beschwerdegegenstandes im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels für die Beurteilung der Zulässigkeit maßgebend. Hat der Rechtsmittelkläger seine Anträge, ohne durch äußere Umstände dazu genötigt zu sein, freiwillig eingeschränkt, wird die Berufung im Nachhinein unzulässig, weil er nicht besser gestellt werden soll, als wenn er das Rechtsmittel bereits von vornherein in unzulässigem Umfang eingelegt hätte (vgl. BAG, Urt. v. 19.01.2006, 6 AZR 259/05, NJOZ 2007, S. 121; BAG, Urt. v. 09.07.2003, 10 AZR 615/02, AP ArbGG 1979, § 64 Nr. 36). Hier hat die Klägerin ihre Berufung nicht in diesem Sinne “freiwillig” teilweise zurückgenommen. Veranlassung für die Einschränkung war allein, dass nach dem Urteil erster Instanz und nach Berufungseinlegung die Zulagenregelung der AVR dem TVöD angeglichen worden sind und die Klägerin nunmehr teilweise auch die Voraussetzungen für die Wechselschichtzulage erfüllt. Damit machte der auf die Zukunft gerichtete Feststellungsantrag der allein auf die Zulagenregelungen der Altregelung Bezug nimmt, keinen Sinn mehr.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Klägerin auch vor dem 31.12.2010 keinen Anspruch auf die ungekürzte Zulage hatte.
1. Die Zulagengewährung folgt zunächst aus VII (c) 1. der Anlage 1 zu den AVR in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung. Diese Regelung ist die Grundsatzregelung für Vollzeitbeschäftigte. Diese erhalten eine Zulage in Höhe von 46,02 Euro monatlich, wenn die Schichtarbeit innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 18 Stunden erbracht wird. Diese Regelung wird modifiziert durch die Anlage 1 II (a), in der die Dienstbezüge der teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter geregelt sind. Dort heißt es, dass teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter von den Dienstbezügen, die für den entsprechenden Vollbeschäftigten festgelegt sind, den Teil, der dem Maß der mit ihnen vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht, erhalten. In (b) ist insofern geregelt, dass für die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen, soweit diese nicht nur für vollbeschäftigte Mitarbeiter vorgesehen sind, Abs. (a) entsprechend gilt.
2. Aus den genannten Vorschriften folgt, dass bei Teilzeitbeschäftigten die Zulage für Schichtarbeit nach VII (c) proratatemporis zu kürzen ist. Dies ergibt die Auslegung der entsprechenden Vorschrift aus der AVR.
a) Bei den kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien handelt es sich freilich nicht um Tarifverträge, die grundsätzlich wie Gesetzesrecht auszulegen sind, sondern um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB, die dem Vertragsrecht unterliegen (vgl. BAG, Urt. v. 17.11.2005, 6 AZR 160/05, NZA 2006, S. 872 ff.). Ebenso wie bei der Inhaltskontrolle kirchlicher Arbeitsvertragsrichtlinien spricht viel dafür, die für Tarifverträge anzuwendenden Maßstäbe auch bei der Auslegung heranzuziehen, wenn jedenfalls die Arbeitsvertragsrichtlinien die entsprechenden Tarifvertragsregelungen des öffentlichen Dienstes für gleich gelagerte Sachbereiche ganz oder mit wesentlich gleichem Inhalt übernommen haben.
b) Hier mag dies im Ergebnis dahinstehen, da jedenfalls auch eine nach § 133 BGB am Empfängerhorizont orientierte Auslegung zu keinem anderen Ergebnis führt. Denn deutlicher als zum Beispiel im TVöD geregelt, sagen die AVR ausdrücklich aus, dass die proratatemporis-Regelungen für Teilzeitbeschäftigte auch für die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen gilt, soweit die Zulage nicht nur für vollbeschäftigte Mitarbeiter vorgesehen ist. Schon nach dem Wortlaut ergibt jegliche Auslegungsmethode, dass die Zulage nach VII (c) eine Zulage ist, wie sie in der Anlage 1 II a (b) gemeint ist. Anders als im TVöD handelt es sich bei der Schichtzulage nicht um einen sonstigen Bestandteil, sondern die AVR regeln das Problem ausdrücklich, wenn sie sich auf die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen beziehen (vgl. ebenso Beyer/Papenheim-Kestermann, Arbeitsrecht der Caritas, Anlage 1 Abschn. VII 3.4). Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der streitgegenständlichen Schichtzulage, worauf bereits das Arbeitsgericht hingewiesen hat. Sinn und Zweck der Zulage besteht darin, Belastungen und Erschwernisse auszugleichen, die durch die Schichtarbeit entstehen können. Das zeigt sich bereits daran, dass zwei unterschiedliche Zulagen geregelt sind, die an die Zeitspanne anknüpfen. Eine höhere Zulage wird gezahlt, wenn die Schichtarbeit oder der Teildienst innerhalb einer Zeitspanne von 18 Stunden erbracht wird, eine geringere, wenn der Dienst innerhalb einer Zeitspanne von 13 Stunden erbracht wird. Diese Regelung, die inhaltlich an § 33 a BAT angelehnt ist, macht diesen Sinn und Zweck deutlich. Mit der Bindung der in Monatsbeiträgen festgelegten Zulagen an den proratatemporis-Grundsatz wollen die Arbeitsvertragsrichtlinien die proportional geringeren Auswirkungen der Schichtarbeit bei Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten ausgleichen. Es ist nicht zu beanstanden, dass auch der kirchliche Arbeitgeber annimmt, dass der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer weniger Schichtarbeit leistet als der vollzeitbeschäftigte Mitarbeiter und daher geringeren Belastungen ausgesetzt ist.
c) In dieser Auslegung halten die AVR auch einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich bei den AVR der Caritas um allgemeine Geschäftsbedingungen nach den §§ 305 ff. BGB, da sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen enthalten, die der kirchliche Arbeitgeber oder seine angeschlossenen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern stellen. Sie unterliegen daher nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB einer Inhaltskontrolle gemäß den §§ 305 ff. BGB. Bei dieser Kontrolle ist als im Arbeitsrecht geltende Besonderheit angemessen zu berücksichtigen, dass das Verfahren des dritten Weges mit paritätischer Besetzung der arbeitsrechtlichen Kommission nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts gewährleistet, dass die Arbeitgeberseite nicht einseitig ihre Interessen durchsetzen kann. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen sind daher, ohne dass es darauf ankäme, ob sie die Regelungen des öffentlichen Dienstes ganz oder mit Wesentlichen gleichen Inhalt übernehmen, grundsätzlich wie Tarifverträge daraufhin zu überprüfen sind, ob sie gegen die Verfassung, oder gegen anderes höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstoßen (vgl. BAG, Urt. v. 22.07.2010, 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634ff; ; Urt. v. 24.03.2011, 6 AZR 765/09, Beck-RS 2011, 72471).
bb) In § 4 TzBfG ist das Verbot der Diskriminierung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer geregelt. Es transformiert damit für einen bestimmten Bereich den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG auf die einfach gesetzliche Ebene (ErfK-Preis, 11. Aufl. 2011, § 3 TzBfG, Rn 4). Danach darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden, als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn sachliche Gründe rechtfertigten eine unterschiedliche Behandlung. Daher ist nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.
cc) Diesen Anforderungen werden die AVR alter Fassung hinsichtlich der Schichtzulage gerecht. Zwar erhalten die teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer die Schichtzulage nach VII (c) bei ständiger Schichtarbeit in der Höhe nach geringerem Umfang als die vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, dabei wird aber gerade wie in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG geregelt, berücksichtigt, dass der proratatemporis-Grundsatz eingehalten wird. Darin liegt zugleich der sachliche Grund für die Ungleichbehandlung zwischen Teilzeitbeschäftigten und Vollzeitbeschäftigten, weil die durch die Zulage auszugleichende Belastung bei Vollzeitbeschäftigten pauschal betrachtet durch den höheren Arbeitszeitanteil höher ist als bei Teilzeitbeschäftigten.
dd) Hierin liegt auch keine Abweichung zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.06.1993 (10 AZR 127/92- BAGE 73, 307). Dort hat das Bundesarbeitsgericht zwar vertreten, dass die anteilige Kürzung einer monatlichen Wechselschichtzulage bei Teilzeitbeschäftigten gegen das Diskriminierungsverbot verstößt. Doch dieser Entscheidung lag aber keine Regelung wie nach VII (c) vor, sondern eine Regelung wie nach VII (b). Anknüpfungspunkt war dort die zu leistende Nachtschichttätigkeit von mindestens 40 Arbeitsstunden. Eine Regelung, die selbst eine auf den Monat bezogene zeitliche Grenze zieht, wie hier die 40 Arbeitsstunden, macht deutlich, dass die Belastung erst bei mindestens 40 Arbeitsstunden beginnt, wovon Teilzeitbeschäftigte wie auch Vollzeitbeschäftigte gleichermaßen betroffen sind. Es spricht daher viel dafür, dass – was hier nicht zu entscheiden ist – eine Kürzung der Schichtzulage nach VII (b) in Verbindung mit II a (b) aus den in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.06.1993 (10 AZR 127/92 BAGE 73, 307) genannten Gründen nicht in Betracht kommt (vgl. ebenso Beyer/Papenheim-Kestermann, Arbeitsrecht der Caritas, Anlage 1 Abschn. VII 2.5).
3. Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht mit Erfolg auf eine Betriebliche Übung stützen.
Darunter ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend ist dabei nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ BGB § 133, BGB § 157 BGB) verstehen musste und durfte (z.B .BAG, Urt. v. 24.03.2010, 10 AZR 43/09, NZA 2010, 759ff; BAG, Urt. v. 16. 6. 2004 – 4 AZR 417/03, BeckRS 2004, 30342657). Zahlt der Arbeitgeber irrtümlich, kann er davon jederzeit wieder abrücken, wenn der Arbeitnehmer den Umständen nach den Irrtum erkennen konnte. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Arbeitgeber mit seinen Zahlungen ersichtlich ausschließlich nach den vereinbarten Arbeitsbedingungen verfahren wollte (BAG, Urt. v. 24.03.2010, 10 AZR 43/09, NZA 2010, 759ff).
Hier konnte die Klägerin einen Verpflichtungswillen nicht annehmen, weil der Beklagte erkennbar die AVR einhalten wollte. Er hat der teilzeitbeschäftigten Klägerin den vollen auch der Höhe nach in den AVR geregelten Betrag der Schichtzulage gezahlt und damit auch für Klägerin deutlich gemacht, dass er sich nach den geltenden AVR für verpflichtet hielt. Nach Auffallen des Irrtums konnte er die Zahlung demnach wieder einstellen und anteilig abrechnen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen.

Schlagworte

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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