LAG Hamm, Urteil vom 19.01.2012 – 8 Sa 1205/11

Juli 6, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 19.01.2012 – 8 Sa 1205/11
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 28.06.2011 – 1 Ca 196/11 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen
Tatbestand
Mit seiner im Februar 2011 erhobenen Klage hat der Kläger, welcher vom 02.05.1990 bis zum 30.11.2009 im Betrieb des Beklagten als Arbeiter beschäftigt war, im ersten Rechtszuge die Zahlung von Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemacht und beschränkt im zweiten Rechtszuge sein Begehren auf Zahlung des Weihnachtsgeldes.
Diesen Anspruch stützt der Kläger auf den Umstand, dass der Beklagte in den Jahren 2001 bis 2003 den Beschäftigten mit der Novembervergütung ein Weihnachtsgeld gezahlt hat, und zwar an den Kläger in Höhe von 3.600,– DM bzw. 1.840,56 Euro. In den Jahren 2004, 2005 und 2006 zahlte der Beklagte kein Weihnachtsgeld und gewährte den Beschäftigten ab dem Jahre 2007 nach Maßgabe eines diesbezüglichen Rundschreibens eine Anwesenheitsprämie sowie im Jahre 2008 eine Erfolgsprämie.
Nachdem der Kläger aufgrund eines Arbeitsunfalls ab dem 06.09.2007 durchgängig arbeitsunfähig erkrankt war, schlossen die Parteien im Anschluss an eine arbeitgeberseitige Kündigung vom 28.05.2009 im Zuge des hiergegen gerichteten Rechtsstreits ArbG Arnsberg 3 Ca 732/09 einen Prozessvergleich, nach welchem das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung von 8.000,– Euro zum 30.11.2009 beendet wurde.
Der Kläger ist der Auffassung, durch die wiederholte und vorbehaltlose Zahlung von Weihnachtsgeld sei ein diesbezüglicher Rechtsanspruch nach den Regeln der betrieblichen Übung entstanden, welcher nachfolgend weder durch bloße Nichtzahlung, beanstandungslose Fortsetzung der Arbeit und Empfang der Anwesenheitsprämie stillschweigend beseitigt worden sei. Ebenso wenig greife der Einwand der Verwirkung durch. Demgegenüber hat der Beklagte vorgetragen, infolge der Zahlungseinstellung ab dem Jahre 2004 sei ein etwaiger Anspruch aufgrund betrieblicher Übung durch eine gegenläufige negative Betriebsübung beseitigt worden. Nachdem der Kläger im Übrigen im Zusammenhang mit dem Empfang der Anwesenheitsprämie nicht zum Ausdruck gebracht habe, dass er lieber das früher gezahlte Weihnachtsgeld in Anspruch nehme, habe der Beklagte zu Recht darauf vertrauen dürfen, dass der Kläger einen Anspruch auf Weihnachtsgeld nicht mehr geltend mache.
Durch Urteil vom 28.06.2011 (Bl. 76 ff. der Akte), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Fassung des Klageantrages Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, aufgrund der wiederholten Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld sei nach den Regeln der Betriebsübung ein diesbezüglicher Rechtsanspruch entstanden. Zweifelhaft sei allerdings, ob der Kläger in Anbetracht der Tatsache, dass er seit dem 06.09.2007 keine Arbeitsleistung mehr erbracht habe, eine entsprechende Zahlung verlangen könne. Sofern es sich bei dem gezahlten Weihnachtsgeld um ein zusätzliches Arbeitsentgelt zur Entlohnung der erbrachten Arbeitsleistung handele, scheide ein Zahlungsanspruch für die Jahre 2008 und 2009 aus. Unabhängig hiervon sei die bis zum Jahre 2003 begründete betriebliche Übung infolge der dreimaligen Nichtzahlung des Weihnachtsgeldes im Sinne einer gegenläufigen Betriebsübung beseitigt worden. In der widerspruchslosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses liege jedenfalls die konkludente Annahme des arbeitgeberseitigen Angebots auf Änderung des Arbeitsvertrages. Selbst wenn aber zugunsten des Klägers der Fortbestand der betrieblichen Übung angenommen werde, sei es dem Kläger unter Verwirkung der Gesichtspunkte verwehrt, sich auf den Fortbestand der betrieblichen Übung zu berufen. Tatsächlich habe der Kläger nicht nur über Jahre hinweg die Sonderzahlungen nicht eingefordert und sei auch aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, ohne Ansprüche auf Weihnachtsgeld zu erheben. Weitergehend habe der Kläger einen Vertrauenstatbestand der Beklagten auch dadurch begründet, dass er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein noch Urlaubsabgeltungsansprüche eingeklagt, hingegen einen Anspruch auf Weihnachtsgeld nicht geltend gemacht habe. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe der Beklagte berechtigterweise darauf vertrauen können, dass der Kläger Ansprüche auf Weihnachtsgeld nicht mehr geltend machen wolle.
Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren auf Zahlung von Weihnachtsgeld für die Jahre 2008 und 2009 weiter und führt aus, trotz der durchgängigen Arbeitsunfähigkeit seien die Voraussetzungen für die Zahlung von Weihnachtsgeld auch in den Jahren 2008 und 2009 gegeben. Wie sich aus dem Umstand ergebe, dass der Beklagte bis zum Jahre 2003 ein Weihnachtsgeld ohne Freiwilligkeits- oder Widerrufs vorbehält und stets ohne jede Berücksichtigung von krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitszeiten gewährt habe, habe die Zahlung des Weihnachtsgeldes dazu gedient, die in der Vergangenheit geleistete Betriebstreue des zu belohnen. Dies werde auch an der Bezeichnung als “Weihnachtsgeld” deutlich. Gegen den Rechtscharakter des Weihnachtsgeldes als “reines Arbeitsentgelt” spreche auch der Umstand, dass der Beklagte selbst von einer freiwilligen Leistung ohne Rechtsanspruch ausgegangen sei, welche er ohne weiteres habe einstellen können. Letzteres treffe auf reines Arbeitsentgelt im Sinne einer zusätzlichen Vergütung für die erbrachte Arbeit nicht zu. Schon die vom Beklagten reklamierte Freiwilligkeit der Leistung spreche damit für den Gratifikationscharakter des Weihnachtsgeldes. Abweichend vom Standpunkt des Arbeitsgerichts sei die einmal entstandene betriebliche Übung auch nicht infolge der dreimaligen Nichtzahlung des Weihnachtsgeldes seit dem Jahre 2004 beseitigt worden. Weder komme eine Beseitigung von Rechtsansprüchen durch eine negative betriebliche Übung in Betracht, noch liege eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages zur Beseitigung der Betriebsübung vor. Das bloße Schweigen des Klägers auf die Zahlungseinstellung bedeute keineswegs ein Einverständnis. Ebenso wenig sei der Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld gemäß § 242 BGB verwirkt. Zum einen habe der Kläger bereits im seinerzeitigen Kündigungsschutzverfahren in der Klageschrift erklärt, er mache u. a. Ansprüche auf Zahlung von Weihnachtsgratifikation geltend. Zum anderen sei nicht ersichtlich, inwiefern der Beklagte allein deshalb, weil der Kläger später allein die Zahlung einer Urlaubsabgeltung eingeklagt habe, darauf habe vertrauen können, der Kläger wolle endgültig von der Geltendmachung eines Weihnachtsgeldanspruchs absehen.
Der Kläger beantragt,
den Berufungsbeklagten und Beklagten unter Abänderung des am 28.06.2011 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Arnsberg, 1 Ca 196/11, zu verurteilen, an den Berufungskläger und Kläger 3681,12 Euro brutto nebst Jahreszinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
a) aus 1840,56 Euro seit dem 01.12.2008
b) aus 1840,56 Euro seit dem 01.12.2009
zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung als zutreffend und hält an seiner Auffassung fest, unter den vorliegenden Umständen stehe dem Kläger kein Weihnachtsgeld zu.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 49 Abs. 2 ArbGG abgesehen.
Gründe
Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg.
I. Dem Kläger steht der verfolgte Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld für die Jahre 2008 und 2009 nicht zu.
1. Die Kammer teilt allerdings nicht den Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils, die bis zum Jahre 2003 bestehende betriebliche Übung über die Zahlung von Weihnachtsgeld sei im Zusammenhang mit der Einstellung diesbezüglicher Zahlungen ab dem Jahre 2004 durch eine gegenläufige negative betriebliche Übung beseitigt worden. Ebenso wenig ist die Betriebsübung durch eine zwischen dem Kläger und dem Beklagten konkludent vereinbarte Vertragsänderung beseitigt worden. Auch aus Gründen der Verwirkung ist der Kläger nicht an der Geltendmachung rückständiger Ansprüche auf Zahlung von Weihnachtsgeld gehindert.
a) Die Auffassung des Arbeitsgerichts, ebenso wie die Begründung einer Leistungsverpflichtung im Wege der betrieblichen Übung komme auch spiegelbildlich eine Beseitigung von Leistungspflichten durch “negative betriebliche Übung” in Betracht, überzeugt nicht, da sie die Besonderheiten der Betriebsübung nicht ausreichend berücksichtigt. Richtig ist zwar, dass die wiederholte vorbehaltslose betriebsübliche Leistungserbringung eine Änderung des Arbeitsvertrages nach den Regeln des Vertragsrechts – durch Angebot und Annahme – bewirkt, steht damit aber einer arbeitsvertraglichen Einzelabrede nicht gleich. Dies wird im Falle der Neueinstellung eines Arbeitnehmers deutlich, welcher an einer betriebsüblichen Regelung sogleich teilnimmt und einen Rechtsanspruch nicht erst dadurch erwirbt, dass er selbst die betriebsüblich gewährte Leistung wiederholt empfangen hat (BAG AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 32). Die Vorstellung, der in den Betrieb neu eintretende Arbeitnehmer werde ohne Weiteres von der bestehenden Betriebsübung erfasst, da sein Einverständnis unterstellt werden könne, trifft jedoch allein auf die Gewährung von Vorteilen zu, kann jedoch auf nachteilige Regelungen nicht übertragen werden. Zu Recht hat das Bundesarbeitsgericht dementsprechend mit Urteil vom 18.03.2009 (10 AZR 281/08, NZA 2009, 601) seine Rechtsprechung zur “gegenläufigen betrieblichen Übung” aufgegeben.
b) Ebenso wenig ist der durch Betriebsübung begründete Rechtsanspruch des Klägers nachträglich durch eine Individualvereinbarung beseitigt worden. Weder hat der Beklagte ein Angebot zur Vertragsänderung abgegeben, noch hat der Kläger ausdrücklich oder konkludent ein solches Angebot angenommen.
Der Beklagte hat zwar ab dem Jahre 2004 entsprechende Leistungen tatsächlich nicht mehr gewährt, in diesem Zusammenhang jedoch nicht erklärt, er wolle sich von einer zuvor begründeten Verpflichtung lösen und ein entsprechendes Angebot zur Vertragsänderung abgeben. Vielmehr ist der Beklagte ersichtlich von einer fehlenden rechtlichen Verpflichtung ausgegangen, wie sich aus seinem Vortrag ergibt, es habe sich um eine freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch gehandelt. Allein die bloße Nichtzahlung stellt aber kein rechtsgeschäftliches Angebot zur Vertragsänderung dar. Unter diesen Umständen kann aber weder das Schweigen des Klägers noch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Kenntnis der ausgebliebenen Leistungen in dem Sinne verstanden werden, der Kläger sei mit einer nachteiligen Vertragsänderung einverstanden. Der objektive Erklärungswert der Weiterarbeit des Klägers beschränkte sich darauf, dass er die ihm obliegende Arbeitspflicht erfüllen wollte. Ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme, der Kläger habe durch seine widerspruchslose Arbeitsleistung auch eine Willenserklärung abgeben wollen, bestehen demgegenüber nicht (zutreffend LAG Rheinland-Pfalz, 16.08.2011, 3 Sa 167/11; BAG, 25.11.2009, 10 AZR 779/08, NZA 2010, 283).
c) Auch im Zusammenhang mit der Einführung der Anwesenheitsprämie im Jahre 2007 ist es zu einer Vertragsänderung mit dem Inhalt des Wegfalls der Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht gekommen. In Anbetracht der Tatsache, dass mit der Anwesenheitsprämie ein eigenständiger, von der Gewährung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld verschiedener Zweck verfolgt wird – nämlich den Arbeitnehmer zur Vermeidung unnötiger Fehlzeiten anzuhalten -, kann aus der Einführung einer Anwesenheitsprämie nicht hergeleitet werden, diese solle an die Stelle einer vormals gewährten anderen Leistung (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) treten. Gleich, ob Urlaubs- und Weihnachtsgeld als “Sozialleistungen” i. w. S. oder als weiteres Arbeitsentgelt i.e.S. ausgestaltet sind, kann es auch aus Sicht des Arbeitgebers durchaus Sinn machen, durch Gewährung einer weiteren Leistung in Form einer Anwesenheitsprämie einen Anreiz zur Vermeidung von Fehlzeiten zu geben. Irgendeine Erklärung in dem Sinne, die Anwesenheitsprämie solle an die Stelle anderer Leistungen treten, ist nicht ersichtlich.
2. Gleichwohl bleibt die Klage unter Berücksichtigung der Tatsache ohne Erfolg, dass der Kläger im Anspruchszeitraum durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war, deshalb keine Arbeitsleistung erbracht und aus diesem Grunde nach Ablauf des gesetzlichen Entgeltfortzeitraums weitere Arbeitsvergütung nicht zu beanspruchen hat.
a) Unstreitig war der Kläger nach seinem Arbeitsunfall vom 06.09.2007 durchgängig bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.11.2009 arbeitsunfähig erkrankt. Dementsprechend kommt es für die Frage, ob der Kläger trotz fehlender Arbeitsleistung die begehrten Zahlungen beanspruchen kann, darauf an, ob es sich bei dem durch Betriebsübung begründeten Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld um die Gewährung einer Gratifikationsleistung oder um die Zahlung zusätzlichen Arbeitsentgelts i.e.S. (als synallagmatische Gegenleistung für die geleistete Arbeit) handelt.
b) Soweit der Kläger hierzu in der Berufungsbegründung ausführt, der Beklagte habe das Weihnachtsgeld stets ohne Berücksichtigung von krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitszeiten ausgezahlt und insbesondere keine Kürzung wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten vorgenommen, lässt sich hieraus nicht entnehmen, dass auch solche Beschäftigte ein Weihnachtsgeld erhalten haben, die mehr als sechs Wochen durchgehend arbeitsunfähig krank waren und keine Entgeltfortzahlung mehr zu beanspruchen hatten. Soweit sich der Klägervortrag auf kürzere krankheitsbedingte Fehlzeiten bezieht, folgt allein aus der Tatsache, dass das betriebsüblich gezahlte Weihnachtsgeld nicht anteilig gekürzt worden ist, allein das Fehlen eines entsprechenden Vorbehalts, ohne dass hieraus hergeleitet werden kann, das betriebsüblich gezahlte Weihnachtsgeld stelle eine von der Erbringung der Arbeitsleistung vollständig gelöste Gratifikationsleistung dar, mit welcher etwa allein die geleistete Betriebstreue honoriert werden solle.
c) Entgegen dem Standpunkt des Klägers folgt auch aus der Tatsache, dass der Beklagte das betriebsübliche Weihnachtsgeld ohne bestimmte Anspruchsvoraussetzungen und ohne Vorbehalt gewährt hat, dass mit dieser Leistung die erbrachte Betriebstreue belohnt werden sollte. Das Fehlen eines Freiwilligkeitsvorbehalts hat allein zur Folge, dass durch die wiederholte Leistung ein Rechtsanspruch nach den Regeln der Betriebsübung entstand. Eine Aussage über den Zweck der Leistung lässt sich hieraus nicht herleiten. Dass der Beklagte im Zusammenhang mit der Zahlung des Weihnachtsgeldes keine bestimmten Voraussetzungen für die Auszahlung und das Behalten dürfen des Weihnachtsgeldes – etwa das Erreichen eines Stichtages oder einen Rückzahlungsvorbehalt – genannt hat, rechtfertigt für sich genommen nicht den Schluss, mit der Leistung solle die Betriebstreue belohnt werden, im Gegenteil spricht gerade die fehlende Benennung derartiger Anspruchsvoraussetzungen für den Charakter der Leistung als zusätzliches Arbeitsentgelt.
d) Schließlich überzeugt auch nicht die Argumentation des Klägers in der mündlichen Verhandlung, gegen den Charakter des Weihnachtsgeldes als zusätzlich gewährtes Arbeitsentgelt i. e. S. spreche schon die eigene Einschätzung des Beklagten, es handele sich um eine freiwillige Leistung, da Arbeitsentgelt als Gegenleistung für die erbrachte Arbeit regelmäßig nicht freiwillig, sondern aufgrund einer diesbezüglichen Verpflichtung gezahlt werde; dementsprechend seien freiwillige Zahlungen, welche über das im Arbeitsvertrag vereinbarte Entgelt gezahlt würden, schon aus diesem Grunde nicht als Gegenleistung für die erbrachte Arbeit anzusehen.
Erklärt der Arbeitgeber, er erbringe eine bestimmte Geldleistung “freiwillig” und “ohne Rechtsanspruch”, so bedeutet dies allein, dass die Zahlung nicht in Erfüllung einer bereits gesetzlich, tariflich oder vertraglich begründeten Verpflichtung erfolgt (vgl. BAG, 11.09.2011, 10 AZR 526/10, NZA 2012,81 Rn 23). Ob mit der gewährten Zahlung ein besonderer Zweck verfolgt wird – etwa zur Belohnung der Betriebstreue – oder ob die vertraglich nicht vorgesehene zusätzliche Zahlung als Aufstockung der im Arbeitsvertrag vereinbarten Vergütung gelten soll, kann aus der Kennzeichnung der Leistung als “freiwillig” nicht hergeleitet werden.
e) In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat die Abgrenzung von zusätzlich verdientem Arbeitsentgelt i. e. S. und einer mit an bestimmte Zwecke gebundenen Sonderzahlung in erster Linie nach den maßgeblichen Anspruchsvoraussetzungen, nicht hingegen der gewählten Bezeichnung zu erfolgen; die Bezeichnung der Leistung ist nicht maßgeblich (BAG, 16.03.1994, 10 AZR 669/92, BAGE 76,134; 21.05.2003, 10 AZR 408/02, EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 8, juris Rn 22). Setzt der Anspruch auf die Leistung den Bestand des Arbeitsverhältnisses an einem Stichtag voraus oder behält sich der Arbeitgeber die Rückforderung der Leistung für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses etwa vor dem 31.03. des Folgejahres vor, so ist an diesen Leistungsvoraussetzungen der Zweck zu erkennen, die erbrachte Betriebstreue zu honorieren. Fehlt es demgegenüber an derartigen Anspruchsvoraussetzungen oder Einschränkungen, handelt es sich im Zweifel um an keine weitere Voraussetzung gebundenes reines Arbeitsentgelt. Demgegenüber ist die Bedeutung des Begriffs “Weihnachtsgeld” nicht eindeutig (BAG, 21.05.2003, a.a.O.).
Für die Gewährung einer Leistung nach den Regeln der betrieblichen Übung ist allerdings kennzeichnend, das diese häufig ohne irgendwelche ausdrücklichen Erklärungen erfolgt, weswegen für eine Qualifizierung des betriebsüblich gewährten Weihnachtsgeldes als Treueprämie o. ä. Anhaltspunkte fehlen. Andererseits ist auch bei Gewährung einer arbeitsvertraglich nicht vorgesehenen Zusatzleistung nach den Regeln der betrieblichen Übung keineswegs ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber bereits im Arbeitsvertrag eine etwaige Gewährung von Weihnachtsgeld oder ähnlichen Einmalzahlungen vorsorglich mit einem Rückzahlungsvorbehalt versieht und so – trotz vorgesehener Freiwilligkeit – Regeln aufstellt, aus welchen ein Rückschluss auf den Leistungszweck gezogen werden kann, nämlich die Betriebstreue zu belohnen.
f) Vorliegend hat der Beklagte keinerlei Voraussetzungen oder Einschränkungen formuliert. Hieraus muss hergeleitet werden, dass mit der Zahlung eine zusätzliche Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung bezweckt wird. Der Arbeitnehmer, welcher nach mehr als sechswöchiger Erkrankung keinen Anspruch auf Arbeitsvergütung mehr besitzt, ist damit ohne weiteres auch von der Zahlung des Weihnachtsgeldes ausgeschlossen.
II. Die Kosten der erfolglosen Berufung hat der Kläger zu tragen.
III. Die Kammer die Revision gegen das Urteil zugelassen.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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