LAG Hamm, Urteil vom 21.10.2009 – 18 Sa 1763/08

Oktober 14, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 21.10.2009 – 18 Sa 1763/08

1. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien die Anwendung eines Tarifwerks, an das der Arbeitgeber nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG gebunden ist, und tritt später ein Tarifvertrag in Kraft, an den beide Arbeitsvertragsparteien kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit nach § 3 Abs. 1 TVG gebunden sind, ist für die Lösung der Rechtsquellenkonkurrenz das Günstigkeitsprinzip maßgeblich. Das Spezialitäts- bzw. Ablösungsprinzip sind mangels Vorliegens einer Rechtsquellenkonkurrenz auf derselben Rangstufe nicht anwendbar, weil keine Konkurrenz von normativ geltenden Tarifverträgen vorliegt, sondern das Verhältnis einer einzelvertraglichen Regelung zu einem normativ wirkenden Tarifvertrag zu lösen ist.
2. Verweist eine sogenannte kleine dynamische Verweisungsklausel in einem Formulararbeitsvertrag auf ein Tarifwerk, an das der Arbeitgeber nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG gebunden ist, kann er nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie im Fall des Abschlusses eines Haustarifvertrages durch den Arbeitgeber auf die Regelung des Haustarifvertrages verweist. Dies gilt insbesondere dann, wenn in der einzelvertraglichen Verweisungsklausel auf einen Verbandtarifvertrag auf die Verbandstarifverträge des öffentlichen Dienstes verwiesen wird und der Arbeitgeber und ein dem öffentlichen Dienst nicht angehörender Arbeitgeber einen Haustarifvertrag abschließt.
3. Wird in einem Formulararbeitsvertrag vereinbart, dass der BAT und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden, wird bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber dieses Tarifwerk nicht im Wege der Tarifsukzession von dem Tarifwerk des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) ersetzt.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 13.10.2008 – 4 Ca 699/08 – abgeändert.
1. Die Beklagte verurteilt, an den Kläger
a) Urlaubsgeld für das Jahr 2007 i. H. v. 255,65 Eurobrutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2007 zu zahlen;
b) eine Sonderzuwendung für das Jahr 2007 i. H. v. 1.062,66 Eurobrutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2007 zu zahlen;
c) Urlaubsgeld für das Jahr 2008 i. H. v. 255,65 Eurobrutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen;
d) eine Sonderzuwendung für das Jahr 2008 i. H. v. 1.066,80 Eurobrutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen;
e) Urlaubsgeld für das Jahr 2009 i. H. v. 255,65 Eurobrutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2009 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt,
a) dass der Kläger im Jahr 2007 einen Tag Zusatzurlaub erworben hat;
b) dass dem Kläger für die Arbeitszeit zwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr Nachtarbeitszuschläge nach § 35 Abs. 1 e) i. V. m. § 15 Abs. 3 BAT zustehen;
c) dem Kläger für Arbeit an Sonntag Sonntagszuschläge nach § 35 Abs. 1 b) i. V. m. § 15 Abs. 8 BAT zustehen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird für die Beklagte zuglassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche sowie Arbeitsbedingungen des Klägers nach dem In-Kraft-Treten eines Haustarifvertrages.
Der am 15.01.1950 geborene Kläger ist seit dem 15.09.1983 als Entnahmearzt im Institut der Beklagten in M1 auf der Basis des schriftlichen Arbeitsvertrages von 21.09.1983 beschäftigt. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 21.09.1983 (Bl. 6 d.A.) enthält u.a. folgende Regelung:
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Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.02.1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.”
Die Beklagte betreibt in der Rechtsform einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung den Blutspendedienst des D5 in Nordrhein-Westfalen mit den Betriebsstätten in R1-B2, H5 und M1. Sie war in der Vergangenheit nicht tarifgebunden, nahm aber regelmäßig in den mit ihren Arbeitnehmern abgeschlossenen Arbeitsverträgen mit teilweise unterschiedlichen Einschränkungen Bezug auf Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, insbesondere den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT).
Nachdem der BAT durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) abgelöst wurde, schloss die Beklagte am 31.10.2006 (mit der DHV – Deutscher Handels- und Industrieangestellten-Verband – jetziger Name: DHV- Die Berufsgewerkschaft) einen Haustarifvertrag (im Folgenden: DHV-HausTV). In der Folgezeit zu Tarifverhandlungen zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di wegen des Abschlusses eines weiteren Haustarifvertrages, deren Mitglied der Kläger ist.
Mit Aushang vom 18.12.2006 (Bl. 219 d.A.), der am Schwarzen Brett der Beklagten hing, teilte die Geschäftsführung ihren Beschäftigten zum Stand der Tarifauseinandersetzung Folgendes mit:
“Das Schlichtungsverfahren hat zu der Empfehlung des Schlichters geführt, zur Beilegung der Tarifauseinandersetzung solle der Blutspendedienst dem D5-Reformtarifvertrag beitreten.
Tarifvertragsparteien des D5-Reformtarifvertrages sind die D5-Bundestarifgemeinschaft und Ver.di. Der D5-Reformtarif unterscheidet sich vom TVöD in einer Reihe von Elementen. Beispiele sind in der Anlage aufgeführt.
Vorausgesetzt, die Gremien unseres Blutspendedienstes stimmen der Schlichtungsempfehlung zu, gelten zukünftig der DHV-Haustarifvertrag und der D5-Reformtarifvertrag nebeneinander.
Für die Beschäftigten im Blutspendedienst würde dies bedeuten:
Der DHV-Haustarifvertrag gilt automatisch nur für DHV-Mitglieder. Der D5-Reformtarif gilt bei Annahme der Schlichtungsempfehlung automatisch nur für Ver.di-Mitglieder. Alle Beschäftigten, die nicht Mitglied im DHV oder bei Ver.di sind, können sich für einen der beiden Tarifverträge entscheiden.
Wer sich bereits für den DHV-Haustarif entschieden und die Änderungsvereinbarung schon unterzeichnet hat, für den gilt zukünftig der DHV-Haustarif. Daran ändert die Existenz eines weiteren Tarifvertragswerks im Blutspendedienst nichts.
Allen anderen Beschäftigten, die nicht einer der beiden Gewerkschaften angehören, steht es frei, sich entweder für den DHV-Haustarif oder für den D5-Reformtarif zu entscheiden.
Die nichtorganisierten Beschäftigten im Blutspendedienst haben damit eine Wahlmöglichkeit.
Die Entscheidung der Gremien des Blutspendedienstes über eine Annahme der Schlichtungsempfehlung erwarten wir bis Ende dieser Woche.”
Mit Schreiben vom 04.01.2007 (Bl. 220 d.A.) teilte die Beklagte ihren Beschäftigten das Schlichtungsergebnis wie folgt mit:
“Sehr geehrte/r …
wie Ihnen sicherlich bekannt ist, übernimmt der D5-Blutspendedienst West die Schlichtungsempfehlung des Landesschlichters. Sie haben ab sofort drei Wahlmöglichkeiten:
– Verbleib im alten BAT
– dem DHV-Haustarifvertrag
– und dem D5-Reformtarifvertrag, ausgehandelt zwischen Ver.di und der D5-Tarifgemeinschaft.
Nochmals möchten wir Ihnen die Gelegenheit geben, einen der oben aufgeführten Tarifverträge zu wählen. Es können dann die jeweiligen Bedingungen des Tarifvertrages für den Monat Januar 2007 noch Geltung erlangen.
Ansonsten gehen wir davon aus, dass für Sie der bisherige Arbeitsvertrag gemäß den BAT-Regeln weiterhin Bestand haben wird.”
Am 18.01.2007 schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di einen Haustarifvertrag ab (Bl. 10-15 d.A., im Folgenden: ver.di-HausTV) der u.a. folgende Regelung enthält:
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Anwendung von Tarifverträgen
Auf die Rechtsverhältnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Auszubildenden und der Praktikantinnen und Praktikanten wird das zwischen der D5-Bundestarifgemeinschaft und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di – vereinbarte Tarifvertragsrecht, beginnend mit dem 27. Änderungstarifvertrag, dem sogenannten “D5-Reformtarifvertag” vom 22.12.2006, einschließlich aller ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge und besonderen Tarifvertragsteile in seiner jeweils gültigen Fassung angewandt, soweit in diesem Tarifvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist.
Soll, kann oder muss das in § 2 Abs. 1 genannte und jeweils gültige Tarifrecht auf der Grundlage entsprechender Bestimmungen in diesem Tarifrecht (z. B. Öffnungsklauseln) durch landesbezirkliche Regelungen zwischen dem Arbeitgeber und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Landesbezirk Nordrhein-Westfalen, ausgefüllt, abweichend geregelt, ergänzt oder ersetzt werden, und sind entsprechende tarifvertragliche Regelungen durch die Parteien dieses Tarifvertrages getroffen worden, so gilt das speziellere Tarifrecht für Nordrhein-Westfalen, soweit in diesem Tarifvertrag nichts anderes vereinbart ist.”
Darüber hinaus heißt es unter § 4 des Haustarifvertrages:
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Vertrauensschutz/Besitzstandswahrung
Soweit für einzelne Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Auszubildende und Praktikantinnen/Praktikanten, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen, für sie günstigere Regelungen aus Vereinbarungen arbeitsvertraglicher Art mit dem Arbeitgeber gelten, als in diesem Tarifvertrag vereinbart, behalten sie alle Ansprüche, die sich aus diesen Vereinbarungen ergeben. Der Abschluss dieses Tarifvertrages ist kein Rechtsgrund für den Wegfall oder die Einschränkung oder die Kündigung solcher Vereinbarungen.”
Der Kläger äußerte sich zu den Schriftstücken der Beklagten im Zusammenhang mit der Vertragsabwicklung nicht.
In der Vergangenheit – bis zum 31.12.2006 – zahlte die Beklagte ein tarifliches Urlaubsgeld nach § 2 I des Tarifvertrages über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16.03.1977 (im Folgenden Urlaubsgeld-TV) in Höhe von zuletzt 255,65 Eurobrutto. Daneben wurde eine Zuwendung nach § 2 des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 in Höhe von zuletzt 82,14% der Urlaubsvergütung nach § 47 II BAT gewährt und es wurden Sonntags- und Nachtarbeitszuschläge nach den Bestimmungen des BAT gewährt.
Weiterhin wurde dem Kläger Zusatzurlaub entsprechend einer Urlaubsregelung vom 02.12.1977 (vgl. Bl. 24 d.A.) gewährt, in der es u.a. heißt:
“Betriebsangehörige, die ihren vollen Urlaub aus betrieblichen Gründen in der zeit vom 1. November eines Jahres bis zum 31. März des Folgejahres nehmen, erhalten gemäß § 49 BAT einen Zusatzurlaub von 5 Arbeitstagen (tariflicher Zusatzurlaub).”
Die Beklagte rechnete das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Rückwirkung zum 01.01.2007 ab und wickelt es nunmehr nach den Regelungen des Haustarifvertrages ab. Urlaubsgeld, Zuwendung sowie Sonntags- und Nachtarbeitszuschläge entsprechend den Regelungen des BAT und der diesen ergänzenden Tarifverträge werden nicht mehr erbracht.
Mit Schreiben vom September 2007 machte der Kläger die bisher auf der Grundlage der “BAT-Regelungen” gewährten Leistungen geltend. Außerdem machte der Kläger mit Schreiben vom 10.03.2008 einen Zusatzurlaubstag unter Hinweis auf die Urlaubsregelung vom 02.12.1977 geltend. Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 10.09.2007 den Eingang des Geltendmachungsschreibens des Klägers vom September 2007 und lehnte mit Schreiben vom 11.03.2008 die Gewährung des Zusatzurlaubs ab. Wegen der Einzelheiten der o.g. wird auf Bl. 4- 7 d.A. Bezug genommen.
Mit der am 27.03.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger die mit dem Schreiben vom September 2007 geltend gemachten Ansprüche weiter.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ihm ein Anspruch auf das Urlaubsgeld für das Jahr 2007 aus § 2 des Arbeitsvertrages vom 21.09.1983 i.V.m. § 2 des Urlaubsgeld-TV zustünde, weil § 2 des Arbeitsvertrages, der weder ausdrücklich noch stillschweigend abgeändert worden sei, eine eigenständige einzelvertragliche Regelung enthalte, die unter Beachtung der Vertrauensschutzregelung des § 4 ver.di-HausTV weiterhin Gültigkeit habe. Die Tatsache, dass es sich bei dem geltend gemachten Anspruch auf Urlaubsgeld um einen vertraglichen Anspruch handele, folge bereits daraus, dass die Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrages unstreitig nicht tarifgebunden gewesen sei, so dass es sich bei der Bezugnahmeklausel des § 2 des Arbeitsvertrages nicht um eine sogenannte Gleichstellungsabrede handeln könne. Der Anspruch auf Zahlung des Urlaubsgeldes entfalle auch nicht aufgrund der Geltung des ver.di-HausTV aufgrund beiderseitiger Tarifbindung, da insoweit das Günstigkeitsprinzip maßgeblich sei.
Da § 2 des Arbeitsvertrages nicht abgeändert worden sei, stehe ihm auch ein Anspruch auf Gewährung einer Zuwendung aus seinem Arbeitsvertrag in Verbindung mit dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte in Höhe des geltend gemachten Betrages von 1002,66 Eurozu. Wegen der Einzelheiten der Berechnung dieser Sonderzuwendung wird auf S. 4, 5 der Klageschrift vom 26.03.2008 (Bl. 3, 4 d.A.) Bezug genommen.
Ein Anspruch auf Gewährung eines Tages Zusatzurlaub nach der Urlaubsregelung vom 02.12.1977 stehe ihm deswegen zu, weil im Zeitraum vom 17.12.2007 bis zum 28.12.2007, also 7/30 des Jahresurlaubs in der Zeit vom 01.11. 2007 bis zum 31.03.2008 genommen habe, und auch diese Regelung weiterhin Gültigkeit habe. Dieser Zusatzurlaub sei in der Vergangenheit – was die Beklagten insoweit nicht bestritten hat – stets unabhängig davon gewährt worden, ob der Urlaub aus betrieblichen Gründen in dem o.g. Zeitraum genommen worden sei.
Die geltend gemachten Zuschläge für Nachtarbeit bzw. Sonntagsarbeit ergäben sich für ihn aus seinem Arbeitsvertrag in Verbindung mit den Regelungen des in §§ 15, Abs. 8, 35 Abs. 1 e bzw. b BAT. Wegen der Einzelheiten der Berechnung der Nachtzuschläge wird auf S. 4 Klageschrift vom 26.03.2008 (Bl. 4 d.A.) Bezug genommen. Die Klage auf Feststellung, dass ihm die Zuschläge bzw. der Zusatzurlaub zustünden sei zulässig, weil zwischen den Parteien lediglich Streit über die Anwendung der BAT-Regelungen nach dem Abschluss des ver.di-HausTV bestehe und ihm nicht zumutbar sei, die geringen Beträge auszurechnen, solange nicht feststehe, ob ihm die Ansprüche dem Grund nach zustünden. Da die bisherige Rechtslage für ihn günstiger sei, stünden ihm die geltend gemachten Zuschläge auch unter Berücksichtigung des Günstigkeitsprinzips zu.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Urlaubsgeld für das Jahr 2007 in Höhe von 255,65 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2007 zu zahlen;
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine weitere Sonderzuwendung für das Jahr 2007 in Höhe von 1.002,66 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2007 zu zahlen;
festzustellen, dass der Kläger im Jahre 2007 einen Tag Zusatzurlaub erworben hat;
festzustellen, dass dem Kläger für Arbeitszeit zwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr Nachtarbeitszuschläge nach § 35 Abs. 1 e in Verbindung mit § 15 Abs. 8 BAT zustehen;
festzustellen, dass dem Kläger für Arbeit an Sonntagen Sonntagszuschläge nach § 35 Abs. 1 b in Verbindung mit § 15 Abs. 8 BAT zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, ihr Ziel bei Abschluss seinerzeit des Haustarifvertrages am 18.01.2007 sei gewesen, die Vergütung der unter die Regelungen dieses Haustarifvertrages fallenden Arbeitnehmer einheitlich zu regeln. Durch die Verweisungsregelung in dem Haustarifvertrag auf den “D5-Reformtarifvertrag” hätten die aufgrund arbeitsvertraglichen Vereinbarungen bis dahin anwendbaren Tarifverträge vollständig ersetzt werden sollen. Dies folge insbesondere aus den Regelungen des § 2 Abs. 1 und 2 des Haustarifvertrages, wonach künftig auf die Arbeitsverhältnisse das Tarifrecht des “D5-Reformtarifvertrages” angewendet werden sollte. Daneben sollte kein weiteres Tarifrecht Geltung behalten, insbesondere auch nicht die Regelungen des BAT nebst ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen. Dementsprechend sei durch den Abschluss des ver.di-HausTV, der auf den D5-ReformTV verweise, die Anwendung der bis zu diesem Zeitpunkt aufgrund individualvertraglicher Vereinbarungen geltenden Tarifverträge ausgeschlossen, da diese Tarifverträge vollständig durch den verdi-HausTV ersetzt worden seien. Die Regelungen des ver.di-HausTV sagten klar, dass das jeweilige Tarifrecht abgelöst werden solle, das vor Abschluss des ver.di-HausTV aufgrund individualrechtlicher Vereinbarungen gegolten habe. Diese Rechtsfolge werde in § 2 des ReformTV auch ausdrücklich klargestellt.
Der Kläger könne die geltend gemachten Ansprüche auch nicht auf die Besitzstandwahrungsregelung des § 4 des ver.di-HausTV berufen, da die dortige Regelung sich nur auf ausschließlich vertragliche Ansprüche beziehe, die den Arbeitnehmer in einzelnen Punkten im Vergleich zu den tarifvertraglichen Regelungen besser stellen würden, nicht auf Ansprüche, die sich nur aufgrund pauschaler Bezugnahmeregelungen auf andere Tarifverträge ergeben würden. Bei der von dem Kläger vorgenommenen Auslegung des § 4 des Haustarifvertrages würde es andernfalls zu einer nicht gewollten Kumulation der vorteilhaften Regelungen sowohl des BAT wie auch des “D5-Reformtarifvertrages” kommen. Dementsprechend stünden dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, da die bisherigen Rechtsgrundlagen dafür durch den Abschluss des ver.di-HausTV abgelöst worden seien. Im Übrigen sei auch zweifelhaft, ob der Kläger die Ansprüche auf die Zuschläge wegen des Vorrangs der Leistungsklage im Wege der Feststellungsklage geltend machen könne.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 13.10.2008 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die bisherige Bezugnahme auf die “BAT-Regelungen” in § 2 des Arbeitsvertrages durch den Abschluss des ver.di-HausTV abgelöst worden sei. Denn aus der Auslegung der einzelvertraglichen Bezugnahmeklausel folge, dass die Verweisung sich auch spätere für den Betrieb maßgebliche Tarifverträge erstrecke. Da die Arbeitsvertragsparteien erkennbar nur die Geltung eines Tarifwerks vereinbart hätten und ein Haustarifvertrag in besonderer Weise einen fachlich und betrieblich einschlägigen Tarifvertrag darstelle, sei die pauschale Bezugnahme auf den BAT und die ihn ergänzenden und ändernden Tarifverträge durch den Abschluss des firmenbezogenen und damit spezielleren ver.di-HausTV abgelöst worden, da für die Lösung dieser Tarifkonkurrenz das Spezialitätsprinzip maßgeblich sei. Die Weitergeltung der bisherigen “BAT-Regelungen” könne auch nicht mit der Regelung der Besitzstandswahrung in § 4 ver.di-Haustarifvertrag, begründet werden, da davon nur solche Ansprüche erfasst würden, die durch eine besondere einzelvertragliche Vereinbarung begründet worden seien, nicht dagegen auch solche, die aufgrund der bisherigen formularmäßigen Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages bestünden. Die gegenteilige Auffassung des Klägers widerspreche Wortlaut, Sinn und Zweck des ver.di-Haustarifvertrages.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Gegen das am 30.10.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.11.2008 Berufung eingelegt und begründet. Mit Schriftsatz vom 27.11.2008 (Bl. 158) hat der Kläger die Klage um den Urlaubsgeldanspruch sowie den restlichen Sonderzuwendungsanspruch für das Jahr 2008 erweitert. Außerdem hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23.03.2009 (Bl. 193 d.A.) hilfsweise den Zusatzurlaubstag für 2007 als einen Schadensersatzanspruch geltend gemacht
Der Kläger ist der Ansicht, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die einzelvertragliche Bezugnahmeklausel des § 2 des Arbeitsvertrages durch den Abschluss der ver.di-HausTV aufgrund einer Tarifkonkurrenz nach dem Spezialitätsprinzip abgelöst worden sei. Die Tatsache, dass der ver.di-HausTV entsprechend der Ansicht des Arbeitsgerichts in besonderer Weise einen fachlich und betrieblich einschlägigen Tarifvertrag darstelle, besage noch nichts über den Vorrang der einen oder der anderen Anspruchsgrundlage. Da die Anwendung der BAT-Regelungen auf sein Arbeitsverhältnis nur einzelvertraglich in § 2 des Arbeitsvertrages vereinbart worden sei, während der ver.di-HausTV kraft beiderseitiger Tarifbindung anwendbar sei, sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts mangels Vorliegens einer Tarifkonkurrenz nicht das Spezialitätsprinzip, sondern das Günstigkeitsprinzip maßgeblich. Eine Auslegung der Bezugnahmeklausel im Sinne einer Gleichstellungsabrede komme schon deshalb nicht i Betracht, weil die Beklagte früher nicht tarifgebunden gewesen sei. Danach seien die BAT-Regelungen weiterhin anwendbar, weil der ver.di-HausTV insoweit keine günstigeren Rechtspositionen gewähre.
Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts könne die einzelvertragliche Bezugnahmeklausel auch nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass sie sich auch auf später von der Beklagten abgeschlossene Haustarifverträge beziehe. Denn für eine solche Auslegung der einzelvertraglichen Bezugnahmeklausel bestünden keine Anhaltspunkte. Vor dem Hintergrund der vorher bestehenden, ausschließlich individualvertraglich vereinbarten Regelungen könne der Wortlaut des § 4 ver.di-HausTV entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts auch nicht dahin interpretiert werden, es seien nur die einzelne Arbeitnehmer betreffenden Regelungen erfasst, nicht aber solche, die eine Vielzahl von Arbeitnehmern aufgrund der Nutzung von identischen Bezugnahmeklauseln beträfen. Denn selbst wenn man von einer grundsätzlichen Ablösung der bisher aufgrund der einzelvertraglichen Bezugnahme geltenden BAT-Regelungen ausginge, wäre es gerade Sinn und Zweck der Besitzstandsklausel des § 4 des ver.di-HausTV gewesen, den “Alt-Beschäftigten” die bisher bestehenden Ansprüche zu erhalten.
Die Beklagte könne auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass die einzelvertragliche Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages nach Abschluss des ver.di-HaustV einvernehmlich abgeändert worden sei, da er keinerlei Erklärungen abgegeben habe, die auf eine einvernehmliche Vertragsänderung gerichtet seit könnten und die Beklagte nicht dargelegt habe, wann und wodurch eine solche einvernehmliche Vertragsänderung zustande gekommen sein solle.
Der Kläger beantragt
1. die Beklagte zu verurteilen verurteilt, an ihn
a) Urlaubsgeld für das Jahr 2007 i. H. v. 255,65 Eurobrutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2007 zu zahlen;
b) eine Sonderzuwendung für das Jahr 2007 i. H. v. 1.062,66 Eurobrutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2007 zu zahlen;
c) Urlaubsgeld für das Jahr 2008 i. H. v. 255,65 Eurobrutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen;
d) eine Sonderzuwendung für das Jahr 2008 i. H. v. 1.066,80 Eurobrutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen;
f) Urlaubsgeld für das Jahr 2009 i. H. v. 255,65 Eurobrutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2009 zu zahlen.
2. Festzustellen,
a) dass der Kläger im Jahr 2007 einen Tag Zusatzurlaub erworben hat; hilfsweise, dass ihm im Wege des Schadensersatzes ein Tag bezahlter Freistellung wegen eines aufgrund der betrieblichen Zusatzregelung im Jahre 2007 erworbenen Tages Zusatzurlaub zu gewähren ist
b) dass dem Kläger für die Arbeitszeit zwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr Nachtarbeitszuschläge nach § 35 Abs. 1 e) i. V. m. §15 Abs. 3 BAT zustehen;
c) dem Kläger für Arbeit an Sonntag Sonntagszuschläge nach § 35 Abs. 1 b) i. V. m. § 15 Abs. 8 BAT zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, die Klage sei nach wie vor unschlüssig, weil der Kläger die geltend gemachten Ansprüche auf die bisher aufgrund der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages anwendbaren BAT-Regelungen stütze, diese jedoch nicht mehr anwendbar seien. Das Arbeitsgericht habe deshalb die Klage zu Rechts abgewiesen. Soweit der Kläger geltend mache, dass die Verweisung in § 2 des Arbeitsvertrages auf die BAT-Regelungen nicht durch den Abschluss des ver.di-HausTV habe bewirkt werden können, weil das Günstigkeitsprinzip gelte und die Verweisungsklausel den ver.di-HausTV nicht erfasse, stimme diese Annahme nicht zu. Denn die Tarifvertragsparteien hätten von dem alten Tarifrecht insgesamt Abstand genommen und die Arbeitsverhältnisse in die HausTV sowie den D5-ReformTV überführt.
Die Auslegung der Verweisungsklausel in § 2 Arbeitsvertrag ergebe zudem, dass es nicht um eine Gleichstellung tarifgebundener und nicht tarifgebundener Mitarbeiter gehe. Die Bezugnahme auf den BAT sei ausschließlich aufgrund der Tatsache erfolgt, dass ein eigenes Tarifwerk nicht bestanden habe. Eine dauerhafte Bindung habe nicht konstituiert werden sollen. Diese Grundkonstellation habe sich durch die Nichtfortsetzung des BAT grundlegend geändert. Die bisherige einzelvertragliche Verweisung habe nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts Münster (24. Oktober 2006, 3 Ca 1023/06) nicht dazu führen können, dass zukünftig, ohne den Mitarbeiter zu beteiligen, einfach der TVöD habe angewendet werden können. Vor diesem Hintergrund sei alleiniger Sinn und Zweck der Einführung eigener Tarifwerke die Abkehr von der bisherigen Regelung und die Einführung eines unabhängigen neuen Tarifwerks gewesen. Die bei der ihr neu abgeschlossenen Haustarifverträge stellten im Vergleich zu den Regelungen des BAT eine speziell auf die Bedürfnisse der Betriebe der Beklagten und deren Mitarbeitern zugeschnittene Regelung dar. Der Sinn und Zweck der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel sei nicht darauf gerichtet, diese speziellen Regelungen durch eine Bezugnahme, welche zu einer Zeit vereinbart worden sei, als betriebsbezogene Regelungen noch nicht bestanden hätten, auf ein weiteres und in seinem Anwendungsbereich wesentlich allgemeineres Regelwerk zu verwässern. Die Verweisungsklausel sei daher so auszulegen, dass anstelle des BAT die Regelungen der beiden Haustarifverträge entsprechend dem den Mitarbeitern eingeräumten Wahlrecht nunmehr das Arbeitsverhältnis bestimmen sollten. Dies entspreche auch den Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien in §2 ver.di-Haustarifvertrag.
Eine Besitzstandswahrung nach § 4 ver.di-Haustarifvertrag bestehe hinsichtlich der Bezugnahmeklausel des § 2 Arbeitsvertrag nicht. Ihr stehe der Zweck des Haustarifvertrages, sein Wortlaut und die Tatsache einer ungerechtfertigten Kumulation von Vorteilen ebenso entgegen wie Auslegungsschwierigkeiten hinsichtlich der Günstigkeitsprüfung sowie die Beschränkung des § 4 ver.di-Haustarifvertrag auf unmittelbare anspruchsbegründende Normen.
Auf die Ablösung der Verweisung auf die BAT-Regelung bereits durch den Abschluss des ver.di-HausTV komme es aber jedenfalls deshalb nicht an, weil die Bezugnahmeklausel einzelvertraglich abgeändert worden sei.
Zu der einvernehmlichen Vertragsänderung sei es dadurch gekommen, dass der Kläger erst mit Schreiben vom September die Ansprüche ihr gegenüber geltend gemacht habe, sodass sie aufgrund der praktizierten Anwendung des ver.di-HausTV davon habe ausgehen dürfen, dass der Kläger mit einer stillschweigenden Vertragsänderung einverstanden gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
I.
Die Berufung ist auch insoweit zulässig, als der Kläger im Wege der Klageerweiterungen vom 27.11.2008 und 04.08.2008 die Ansprüche auf Zahlung des Urlaubsgeldes für die Jahre 2008 und 2009 sowie der Sonderzuwendung für das Jahr 2008 geltend macht, weil zwischen den Parteien insoweit unstreitig ist, dass das Bestehen der Zahlungsansprüche ausschließlich von der Weitergeltung der “BAT-Regelungen” abhängig ist, sodass schon wegen der Kongruenz der streitentscheidenden Tatsachen, die unstreitig sind, eine Verzögerung des Rechtsstreits durch die Klageerweiterung ausgeschlossen ist. Die Voraussetzung der Zulässigkeit der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz nach § 533 ZPO i.V.m. § 67 ArbGG liegen somit vor. Im Übrigen hat die Beklagte gegen die Klageerweiterung auch keine Einwendungen erhoben, sondern die Klageabweisung aus Sachgründen beantragt.
II.
Die Berufung ist auch begründet, weil die Klage zulässig und begründet ist.
1. Die Klage ist auch insoweit zulässig, als der Kläger das Bestehen des Anspruchs auf Sonn- und Feiertagszuschläge nicht im Wege der grundsätzlich vorrangigen Leistungsklage, sondern im Wege der Feststellungsklage im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO geltend macht. Denn beide Parteien gehen auch insoweit übereinstimmend davon ausgegangen, dass allein die Ablösung der Verweisung auf die BAT-Reglungen streitentscheidend für den Fortbestand der gelten gemachten Zuschläge ist. Dieser auch für die Zukunft bedeutsame Streit der Parteien kann somit durch die gerichtliche Feststellung beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden (vgl. BAG, Urt. v. Urt. v. 12.08.2008 – 7 AZR 218/08, NZA 2009, 1284). Die Feststellungklage ist auch im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Zusatzurlaub zulässig, weil auch insoweit zwischen den Parteien nur Streit darüber besteht, ob dem Kläger der Anspruch auf bezahlte Freistellung zusteht. Da in solchen Fällen, in denen die Parteien nicht über den Zeitpunkt der Freistellung, sondern ausschließlich darüber streiten, ob der Freistellungsanspruch besteht, die Feststellungsklage eine sachgemäße Erledigung des Rechtsstreits ermöglicht, ist das Feststellungsinteresse trotz des grundsätzlichen Vorrangs der Leistungsklage zu bejahen (vgl. dazu BAG, Urt. v. 12.03.2008 – 4 AZR 616/06, AP Nr. 18 zu § 1 TVG Tarifverträge: Chemie; Urt. v. 24.05.2007 – 6 AZR 706/06, NZA 2007, 1175; Urt. v. 11.12.2001 – 9 AZR 435/00, Juris).
2. Die Klage ist auch begründet.
Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche, weil die “BAT-Regelungen” entgegen der Rechtsansicht der Beklagten auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nach § 2 des Arbeitsvertrages weiterhin anwendbar sind.
a) Dem Kläger steht zunächst gegen die Beklagte für die Jahre 2007, 2008 und 2009 ein Anspruch auf Urlaubsgeld in Höhe von jeweils 255,65 Eurobrutto nach § 2 des Arbeitsvertrages i.V.m. dem Urlaubsgeld-TV zu. Denn der Urlaubsgeld-TV ist entgegen der Ansicht der Beklagten auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weiterhin anwendbar.
Der Urlaubsgeld-TV ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch weiterhin nach § 2 des Arbeitsvertrages auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien anwendbar, weil sich der Inhalt der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages auch nach Abschluss des ver.di-HausTV nicht verändert hat.
aa) Der Urlaubsgeld-TV ist nicht nach dem sog. Ablösungsprinzip durch den ver.di-HausTV abgelöst worden, an dem beide Parteien Kraft beiderseitiger Tarifbindung gemäß § 3 Abs. 1 TVG gebunden sind.
Grundlage für die Geltung des Urlaubsgeld-TV auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist nicht die beiderseitige Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 TVG bzw. eine Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrages nach § 5 TVG, sondern die einzelvertragliche Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages. Bestimmungen eines individualrechtlich in Bezug genommenen Tarifvertrages werden nicht im Wege der Auflösung einer Tarifkonkurrenz oder Tarifpluralität nach dem tarifrechtlichen Spezialitätsprinzip verdrängt, da eine Tarifkonkurrenz bzw. eine Tarifpluralität nur vorliegen kann, wenn es sich um eine Rechtsnormkonkurrenz auf derselben Rangstufe handelt. Daran fehlt es vorliegend, weil der ver.di-HausTV wegen der beiderseitigen Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG mit Rechtsnormcharakter auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien anwendbar ist, während der Urlaubsgeld-TV lediglich aufgrund einer einzelvertraglichen Bezugnahme anwendbar ist, so dass keine Rechtskonkurrenz auf derselben Rangstufe vorliegt. Die Konkurrenz zwischen einem aufgrund einer beiderseitigen Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 TVG anwendbaren Tarifvertrag und einer tariflichen Regelung, die aufgrund einer einzelvertraglichen Bezugnahme gilt und damit den Rang des Einzelarbeitsvertrages hat, ist nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, nach dem Günstigkeitsprinzip zu lösen (vgl. dazu: BAG, Urteil v. 29.08.2007 – 4 AZR 767/06, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 61; Urteil v. 22.10.2008 – 4 AZR 784/07, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 m. zust. Anm. Zachert). Die Weitergeltung des Urlaubsgeld-TV ist somit nicht aufgrund des Ablösungsprinzips ausgeschlossen, weil keine Rechtsquellenkonkurrenz auf derselben Rangstufe vorliegt.
bb) Die Ablösung der Bezugnahme auf den BAT und den diesen ergänzende und ändernde Tarifverträge lässt sich auch nicht damit begründen, dass sich die einzelvertragliche Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages nunmehr auf den ver.di-HausTV bezieht. Denn bei dieser Bezugnahmeklausel handelt es sich nicht um eine sog. große dynamische Verweisungsklausel, sondern lediglich um eine sog. kleine dynamische Verweisungsklausel. Dies schließt es aus, dass der ver.di-HausTV nunmehr Gegenstand der Verweisungsklausel ist.
(1) Bei dem Arbeitsvertrag vom 21.09.1983 handelt um einen Formulararbeitsvertrag. Nach § 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen müssen. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind darüber hinaus die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Dies gilt auch für dynamische Verweisungsklauseln (vgl. BAG, Urt. v. 22.04.2009 – 4 AZR 100/08, DB 2009, 2605; Urt. v. 22.10.2008 – 4 AZR 784/07, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 m. zust. Anm. Zachert; Urt. v. 18. 04.2007, 4 AZR 652/05, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 53).
(2) Eine sogenannte kleine dynamische Verweisung liegt vor, wenn in einem Arbeitsvertrag auf einen oder mehrere Tarifverträge eines bestimmten fachlichen oder betrieblichen Geltungsbereichs in der zeitlich jeweils geltenden Fassung verwiesen wird. Eine sogenannte große dynamische Verweisungsklausel liegt dagegen vor, wenn eine Bezugnahme auf den jeweils für den Betrieb fachlich/betrieblich geltenden Tarifvertrag vereinbart worden ist. Eine Bezugnahmeklausel, die nach ihrem Wortlaut lediglich eine kleine dynamische Verweisung darstellt, kann ausnahmsweise nur dann als eine große dynamische Verweisungsklausel ausgelegt werden, wenn sich dies aus besonderen Umständen ergibt (vgl. BAG, Urt. v. 22.10.2008 – 4 AZR 784/07, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 m. zust. Anm. Zachert; Urt. v. 15.04.2008 – 9 AZR 159/07, NZA-RR 2008, 506; Urt. 25. 09.2002, 4 AZR 294/01, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 26; Urt. v. 30.08.2000, 4 AZR 581/99, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 12).
Im vorliegenden Fall nimmt § 2 Arbeitsvertrag nach seinem Wortlaut nur auf den BAT und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge, also auf Verbandstarifverträge des öffentlichen Dienstes Bezug. Dieser Wortlaut schließt es aus, dass ein anderer Tarifvertrag außerhalb des öffentlichen Dienstes Gegenstand der Bezugnahme sein kann. Besondere Umstände, welche die Annahme einer großen dynamischen Verweisungsklausel rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass die Bezugnahme auf den BAT ausschließlich aufgrund der Tatsache erfolgt sei, dass ein eigenes Tarifwerk nicht bestanden habe, ergibt sich aus der Klausel nicht, dass im Falle des Eingehens einer eigenen Tarifbindung durch die Beklagte eine Ablösung durch das neue Tarifwerk stattfindet. Mangels anderer Anhaltspunkte kann nicht angenommen werden, dass es der übereinstimmende, d.h. insbesondere auch von des Klägers als Arbeitnehmers mit getragene Wille der Vertragsparteien gewesen ist, die konkrete Bezugnahme auf ein bestimmtes Tarifwerk in dem Moment entfallen zu lassen, in dem sich die Beklagte einseitig zum Eingehen einer Tarifbindung in welcher Form auch immer entschloss. Das Einverständnis des Klägers mit einem so weit reichenden Austausch der vertraglich vereinbarten Grundlage für ihre Arbeitsbedingungen ohne klare Anhaltspunkte im Wortlaut oder ohne für sie erkennbare besondere Umstände bei Vertragsschluss kann nicht unterstellt werden. Dies gilt insbesondere für die Ablösung der Bestimmungen der verbandsbezogenen “BAT-Tarifverträge” durch einen Haustarifvertrag, bei dem lediglich die Beklagte allein Tarifvertragspartei ist (vgl. dazu auch BAG, Urt. v. 10.06.2009 – 4 AZR 194/08, Juris).
(3) Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang meint, im Rahmen der Auslegung sei der bei konkurrierenden Tarifverträgen geltende Spezialitätsgrundsatz (vgl. dazu BAG, Urt. v. 20.03.1991, 4 AZR 455/90, AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; BAG, Urt. v. 22.10.2008 – 4 AZR 784/07, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 m. zust. Anm. Zachert) heranzuziehen, kann dem nicht gefolgt werden. Dies entspricht nicht dem Anwendungsbereich des Spezialitätsgrundsatzes. Er setzt das Bestehen einer Tarifkonkurrenz oder Tarifpluralität voraus, welche aber bei einem Aufeinandertreffen von arbeitsvertraglich kraft Bezugnahme geltenden Tarifregelungen einerseits, kraft Tarifbindung geltenden Tarifnormen andererseits nicht vorliegt (vgl. BAG, Beschl. v. 22.04.2009 – 4 ABR 14/08, NZA 2009, 1286; BAG, Urt. v. 22.10.2008, a.a.O.) Die Situation, dass ursprünglich der Arbeitgeber nicht tarifgebunden war, deshalb zunächst durch die Verweisungsklausel “quasitarifliche” einheitliche Arbeitsbedingungen schaffen wollte und dann später speziellere tarifliche Regelungen vereinbart, wird vom Anwendungsbereich dieses Prinzips nicht erfasst. Das schließt es aus, durch Heranziehung dieses Prinzips bei der Auslegung einer Bezugnahmeklausel zu dem Ergebnis zu kommen, die Nennung des Tarifwerks eines bestimmten fachlichen oder betrieblichen Geltungsbereichs meine stets die für den Arbeitgeber einschlägigen speziellen Tarifregelungen. Eine solche Annahme würde den Unterschied zwischen der kleinen und der großen dynamischen Verweisungsklausel beseitigen und bei jeder Bezugnahme auf ein Tarifwerk dazu führen, dass immer die tariflichen Bedingungen auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind, an die der Arbeitgeber gebunden ist.
(4) Dass seitens der Beklagten keine dauerhafte Bindung an das Tarifwerk des öffentlichen Dienstes gewollt war, ist insoweit unerheblich. Soweit nicht konkrete zeitliche Beschränkungen vereinbart worden sind, gelten die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien eines Dauerschuldverhältnisses solange, bis es zu einer einvernehmlichen Abänderung dieser Bedingungen kommt. Eine dauerhafte Geltung ist aufgrund des Charakters eines Dauerschuldverhältnisses seinen Vereinbarungen grundsätzlich immanent. Dies gilt auch für Arbeitsverträge, insbesondere mangels gegenteiliger Anhaltspunkte für Verweisungsklauseln, in denen auf ein bestimmtes Tarifwerk Bezug genommen wird.
cc) Eine Geltung des ver.di-HausTV über die einzelvertragliche Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages mit der Folge der Ablösung des Urlaubs-TV scheidet auch unter dem Gesichtspunkt der Tarifsukzession aus. Diese liegt im Verhältnis von BAT und ver.di-HausTV nicht vor. Eine Tarifsukzession wird angenommen, wenn innerhalb des Geltungsbereichs des bisherigen Tarifwerks von denselben Tarifvertragsparteien die Umstrukturierung eines in sich geschlossenen Tarifsystems vereinbart wird. Liegt eine Tarifsukzession vor, ist eine Bezugnahmeklausel ausreichend, welche die Anwendung der den konkret benannten Tarifvertrag ersetzenden Tarifverträge vorsieht (vgl. BAG, Beschl. v. 22.04.2009 – 4 ABR 14/08, NZA 2009, 1286). Abgesehen davon, dass die Bezugnahmeklausel in § 2 Arbeitsvertrag keinen Verweis auf ersetzende Tarifverträge enthält, fehlt es schon an der erforderlichen Identität der Tarifvertragsparteien hinsichtlich des BAT einerseits, des ver.di-HausTV andererseits, was eine Tarifsukzession ausschließt (vgl. dazu auch LAG, Schleswig-Holstein, Urt. v. 14.01.2009 – 3 Sa 259/08, Juris; Greiner NZA 2009, 877 ff.).
dd) Die Anwendbarkeit des Urlaubsgeld-TV scheitert auch nicht daran, dass der BAT und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge durch den TVöD ersetzt worden sind, welche eine Urlaubsgeldzahlung nicht vorsieht. Denn die Auslegung der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien führt nach Ansicht der Berufungskammer nicht dazu, dass nunmehr statt des Urlaubsgeld-TV der TVöD Anwendung findet.
Die Ablösung des durch einzelvertragliche Inbezugnahme anwendbaren BAT durch den TVöD ist allerdings jedenfalls bei fehlender Tarifbindung des Arbeitgebers an den TVöD noch nicht abschließend geklärt und wird unterschiedlich beurteilt.
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschl. v. 22.04.2009 – 4 ABR 14/08, NZA 2009, 1286) erfasst eine Bezugnahmeklausel, wonach sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung bestimmt, auch den den BAT-VKA ersetzenden TVöD-VKA. Betroffen war ein Arbeitgeber, der vor Abschluss des TVöD-VKA seine Vollmitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband in eine Gastmitgliedschaft umgewandelt hatte. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts bedarf es für die Anwendbarkeit des TVöD nicht einer Bezugnahmeklausel in Form einer Tarifwechselklausel oder großen dynamischen Verweisungsklausel. Die Ersetzung des BAT durch den TVöD ist kein Tarifwechsel, sondern eine von denselben Tarifvertragsparteien vereinbarte Tarifsukzession innerhalb des Geltungsbereichs des bisherigen Tarifvertrags. Beim Übergang vom BAT zum TVöD handelt es sich bei Wahrung der Identität der Tarifvertragsparteien um eine Umstrukturierung eines in sich geschlossenen Tarifsystems des Öffentlichen Dienstes unter gleichzeitiger Namensänderung (vgl. auch LAG Schleswig-Holstein, 14. Januar 2009 – 3 Sa 259/08, Juris).
Ein Tarifwechsel liegt vor, wenn im Fall eines Verbandswechsels des Arbeitgebers, des Abschlusses eines Firmentarifvertrags mit einer anderen Gewerkschaft oder bei Veränderungen im Bereich des Unternehmens oder des Betriebes im Grundsatz der Tarifvertrag einer anderen Branche einschlägig wird (vgl. BAG, Urt. v. 22.10.2008 – 4 AZR 784/07, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 m. zust. Anm. Zachert; Urt. v. 18. 04.2007, 4 AZR 652/05, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 53 und Beschl. v. 22.04.2009 – 4 ABR 14/08, NZA 2009, 1286). In einem solchen Fall ist eine Tarifwechselklausel (große dynamische Verweisungsklausel) erforderlich, wenn dieser Tarifvertrag – bei fehlender Tarifbindung einer der Parteien – auf das Arbeitsverhältnis durch individualvertragliche Bezugnahme Anwendung finden soll. Liegt dagegen eine Tarifsukzession vor, ist eine Bezugnahmeklausel ausreichend, welche die Anwendung des ersetzten Tarifvertrags vorsieht (vgl. BAG, Beschl. v. 22. 04.2009, a.a.O.; LAG Niedersachsen, Urt. v. 24.08.2009 – 9 Sa 2000/08). Ob dies auch für den Fall gilt, dass die Bezugnahmeklausel nicht die Formulierung “ersetzende Tarifverträge” enthält, hat dagegen das Bundesarbeitsgericht in dem o.g. Beschluss nicht entschieden. Auf den Einwand der beklagten Arbeitgeberin, der TVöD-VKA finde keine Anwendung, weil es an einer Tarifwechselklausel fehle, hat es nur darauf hingewiesen, dass die hierfür von der Arbeitgeberin herangezogene Entscheidung des Arbeitsgerichts Münster (24.10.2006, 3 Ca 1023/06, NZA-RR 2007, 24) sowie Literaturmeinung (Hümmerich/Massen, NZA 2005, 961) sich mit einer Bezugnahmeklausel befassten, deren Inhalt sich auf den BAT “in seiner jeweils gültigen Fassung” beschränke, nicht aber mit einer solchen Klausel, die auch die “ersetzenden Tarifverträge” erfasse.
(2) Ob eine einzelvertragliche Verweisungsklausel, in der – wie im vorliegenden Fall – auf den BAT und die ihn “ergänzenden oder ändernden Tarifverträge” Bezug genommen wird, bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber auch ohne die Formulierung “ersetzende Tarifverträge” zur Folge hat, dass nach dem In-Kraft-Treten des TVöD dessen Regelungen anstelle der “BAT-Regelungen” gelten (so z.B. LAG Hamm, Urt. v. 18.12.2008 – 11 Sa 1356/08, Juris; Urt. v. 26.03.2009 – 11 Sa 1639/08, Juris; Urt. v. 13.08.2009 – 11 Sa 74/09, Juris), kann offen bleiben. Denn dies gilt jedenfalls dann nicht, wenn der Arbeitgeber mangels Verbandsmitgliedschaft an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes nicht gebunden ist.
(3) Es wird zwar vielfach die Ansicht vertreten, dass die Verweisung auf die den BAT “ergänzenden oder ändernden Tarifverträge” dahingehend auszulegen ist, dass die Regelungen des TVöD auch dann kraft einzelvertraglichen Bezugnahme gelten, wenn die Verweisungsklausel die Formulierung “ersetzende Tarifverträge” nicht enthält, weil die Geltung der jeweils im öffentlichen Dienst gültigen Tarifverträge dem übereinstimmenden Willen der Arbeitsvertragsparteien entspräche (vgl. LAG Brandenburg-Berlin, Urt. v. 09.07.2009 – 26 Sa 346/09, Rev. 4 AZR 563/09; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 13.-05.2009 – 6 Sa 390/08, Rev. 4 AZR 501/09; Urt. v. 14.01.2009 – 3 Sa 259/08, Rev. 4 AZR 120/09; Urt. v. 05.06.2008 – 3 Sa 94/08, Rev. 4 AZR 591/08). Nach Ansicht der erkennenden Kammer ist jedenfalls in den Fällen, in denen wie im vorliegenden Fall die Bezugnahmeklausel neben dem konkret benannten Tarifvertrag nicht auf “ersetzende” Tarifverträge verweist, bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber eine Erstreckung der Bezugnahmeklausel auf solche wegen einer Tarifsukzession das bisherige Tarifwerk ersetzende Tarifverträge nicht möglich. Weder im Wege der Auslegung der Klausel noch im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung ist es in einem Fall wie dem vorliegenden bei einem privaten Arbeitgeber möglich, den TVöD an die Stelle des bislang vereinbarten BAT treten zu lassen.
(a) Die Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag kann nicht ohne Weiteres in eine Bezugnahme auf den ihn ersetzenden Tarifvertrag bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber umgedeutet werden. Bei einer wortgetreuen Auslegung erfasst die Verweisung auf bestimmte Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung nachfolgende Neuregelungen nur insoweit, als die Tarifparteien selbst von einer Neufassung oder Änderung des Tarifvertrages ausgehen. Soll demgegenüber das bisherige Tarifrecht entfallen und der neu abgeschlossene Tarifvertrag die bisher geltenden Tarifverträge ersetzen, handelt es sich nicht um eine bloße Änderung oder Neufassung der bisherigen Tarifregelung (vgl. LAG Hamm, Urt. v. 25.09.2009 – 8 Sa 687/08, Juris). Auch eine Ergänzung des bisherigen Tarifvertrags liegt in einem solchen Fall nicht vor. Dies ist nur der Fall, wenn zu einem bestehenden Tarifwerk zusätzliche tarifliche Vereinbarungen von den Tarifvertragsparteien abgeschlossen werden. Darum handelt es sich aber im Verhältnis BAT und TVöD nicht. Der BAT wird durch den TVöD weder geändert noch ergänzt, sondern ausschließlich im Wege der Tarifsukzession ersetzt.
(b) Aus der Zukunftsgerichtetheit einer Bezugnahmeklausel folgt nichts anderes. Sie rechtfertigt keine uneingeschränkte Öffnung des Arbeitsvertrages für jede Tarifentwicklung (vgl. LAG Hessen, Urt. v. 30.05.2008 – 3 Sa 1208/07, Juris). Es liegt zwar im Interesse der Arbeitsvertragsparteien, dem laufenden Anpassungs- und Änderungsbedürfnis durch Bezugnahme auf Tarifverträge Rechnung zu tragen. Eine weitgehende Öffnung des Arbeitsvertrages unter Aufgabe der eigenen Einflussmöglichkeiten auf die künftige Vertragsgestaltung kann aber nicht unterstellt werden. Bereits die fehlende Tarifbindung einer der Vertragsparteien, insbesondere des Arbeitgebers, verdeutlicht, dass es nicht ihrem Willen entspricht, jeder Tarifentwicklung ohne nähere Prüfung uneingeschränkt Raum zu geben (vgl. LAG Hessen, Urt. v. 30.05.2008, a.a.O.). Es ist auch nicht erkennbar, aus welchem Grunde ein Arbeitgeber sich bei Abschluss des Arbeitsvertrages einer weitergehenden Bindung an die künftige Tarifentwicklung – einschließlich ersetzender Tarifverträge – unterwerfen sollte, an welche er tarifrechtlich nicht gebunden sein will, weil er gerade nicht Mitglied der tarifvertragsschließenden Partei ist (vgl. LAG Hamm, Urt. v. 25.09.2008, a.a.O.).
(c) Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Beklagten ursprünglich das Ziel verfolgte, mit der Bezugnahmeklausel und deren Verweis auf den BAT einheitliche Arbeitsbedingungen für ihre Beschäftigten zu schaffen. In diesem Zusammenhang sollten ergänzende oder ändernde Vereinbarungen ebenfalls erfasst werden. Die Beklagte hat aber die Formulierung “ersetzende” Tarifverträge gerade nicht in ihrem Formulararbeitsvertrag vorgesehen. Vor dem Hintergrund, dass sie die an und für sich trotz ihrer fehlenden Zugehörigkeit zur Tarifgemeinschaft – jedenfalls auf den ersten Blick – grundsätzlich sachnäheren Tarifverträge der Bundestarifgemeinschaft des D5 gerade nicht zum Gegenstand der Bezugnahmeklausel gemacht hat, lag es bei grundlegenden Umstrukturierungen des Tarifwerks des öffentlichen Dienstes, wie sie mit dem TVöD vorgenommen worden sind (vgl. dazu im Einzelnen LAG Hessen, Urt. v. 30.05.2008, a.a.O.) im Interesse der Beklagten, diese nur nachzuvollziehen, wenn sie ihren spezifischen Bedürfnissen gerecht wird (vgl. LAG Hamm, Urt. v. 03. 09.2009, a.a.O.). Insoweit gilt es allgemein den Umstand zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber schon durch sein Fernbleiben vom tarifschließenden Verband dokumentiert hat, sich an künftige tarifliche Regelungen, soweit sie über eine Aktualisierung und Ergänzung hinausgehen, im Zweifel arbeitsvertraglich nicht binden zu wollen (vgl. LAG Hamm, Urt. v. 25. 09.2008, a.a.O.). Genau diese Freiheit hat die Beklagte, die nach ihrem eigenen Vorbringen eine dauerhafte Bindung an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes nicht gewollt hat, auch genutzt. Sie hat die Ablösung des BAT durch den TVöD gerade zum Anlass genommen, nunmehr für ihr Unternehmen spezifische Tarifwerke abzuschließen. Sie hat tatsächlich nachvollzogen, was durch den Verzicht auf die Inbezugnahme auch der “ersetzenden Tarifverträge” ihr möglich war. Dies spricht im konkretem Fall als auch allgemein bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber dagegen, eine bloße Jeweiligkeitsklausel oder Klauseln, die neben einem Tarifvertrag nur die diesen ändernden oder ergänzenden Tarifverträge in Bezug nehmen, ausreichen zu lassen, um die kraft Tarifsukzession ersetzenden Tarifwerke anzuwenden.
(d) Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet mangels Regelungslücke aus (vgl. LAG Hessen, Urt. v. 30.05.2008, a.a.O.; LAG Hamm, Urt. v. 03.09.2009, a.a.O.). Zum einen besteht durch die statische Fortgeltung weiterhin eine umfassende Regelung der Arbeitsbedingungen aller Arbeitnehmer. Zum anderen steht einer ergänzenden Vertragsauslegung entscheidend entgegen, dass die Beklagte gerade nicht Mitglied im tarifvertragschließenden Verband ist. Mit der konkret formulierten Verweisungsklausel wird von ihr hinreichend dokumentiert, dass sie sich nicht jeglicher Tarifvereinbarung, und zwar insbesondere auch nicht einer solchen durch ersetzende Tarifverträge unterwerfen will. Dann kann dies erst recht nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung erreicht werden. Dies gilt umso mehr, wenn sich wie hier der abweichende Wille der Beklagten durch den Abschluss eigener tariflicher Vereinbarungen dokumentiert hat und eine Anwendung der Regelung des TVöD in ihrem Betrieb nicht stattfindet. Der Verlust der ehemaligen Dynamik der Verweisung führt nicht zu einer lückenhaften Regelung der vertraglichen Bezugnahme. Die Arbeitsvertragsparteien mögen bei Vertragsschluss von der über viele Jahre auch zutreffenden Vorstellung ausgegangen sein, dass eine stetige Weiterentwicklung des BAT und der diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge erfolgen wird. Diese Vorstellung ist aber lediglich Motiv, jedoch kein Gegenstand der vertraglichen Regelungen. Im Übrigen ergibt sich aus dem Wortlaut, dass lediglich eine Bindung an den BAT und an die diesen ändernden oder ergänzenden Tarifverträge gewollt war. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ist aber ein Ergebnis im Widerspruch zu dem im Vertrag ausgedrückten Parteiwillen nicht möglich. Nichts anderes würde es aber bedeuten, wenn man auf dem Weg der ergänzenden Vertragsauslegung zu einer Bezugnahme auf den TVöD käme (vgl. LAG Hessen, Urt. v. 30.05.2008, a.a.O.). Dies gilt vorliegend umso mehr, als die Verweisungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrages auch nach dem In-Kraft-Treten des TVöD nicht inhaltsleer ist, weil sich die Verweisung u.a. auf den Urlaubsgeld-TV faktisch in eine statische Verweisung umgewandelt hat. Damit realisiert sich lediglich ein Risiko, dass grundsätzlich jeder dynamischen Verweisung auf Regelungswerke, deren Zustandekommen außerhalb des Einflussbereichs der Vertragsparteien liegt, immanent ist (vgl. auch BAG, Urt. v. 10.06.2009 – 4 AZR 194/08, Juris).
ee) Die Anwendung des Urlaubsgeld-TV ist auch nicht aufgrund einer einvernehmlichen Änderung der einzelvertraglichen Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages ausgeschlossen, weil eine solche Vertragsänderung entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vereinbart worden ist.
Die Beklagte hat sich zwar darauf berufen, dass der Arbeitsvertrag einvernehmlich abgeändert worden ist mit der Folge, dass die Bezugnahme auf die BAT-Regelungen abgelöst worden ist. Wodurch im Einzelnen die stillschweigende Vertragsänderung, die mit nicht unerheblichen Rechtsnachteilen für den Kläger verbunden wäre, abgeschlossen worden sein sollte, legt die Beklagte jedoch nicht ausreichend dar.
Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger – anders als die anderen Kläger – keinerlei schriftliche Erklärungen abgegeben hat, die im Zusammenhang mit der Anwendung eines Tarifvertrages auf sein Arbeitsverhältnis stehen könnten, obwohl er hierzu jedenfalls mit Schreiben vom 04.01.2007 aufgefordert worden ist. Da somit der Kläger bereits auf eine ausdrückliche Aufforderung der Beklagten nicht reagiert hat, kann nach Ansicht der Kammer schon aus diesem Grunde nicht angenommen werden, dass sich der Kläger mit einer einvernehmlichen Änderung der Bezugnahmeklasuel in § 2 des Arbeitsvertrages verbunden wäre, stillschweigend einverstanden erklärt hat. Die Tatsache, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Rückwirkung zum 01.01.2007 entsprechend dem ver.di-HausTV abgewickelt hat, steht dem schon deswegen nicht entgegen, weil das Schweigen bereits grundsätzlich keine Zustimmung zu einer Vertragsänderung bedeutet. Dies gilt erst recht dann, wenn die Änderung mit einer Verschlechterung der bestehenden Rechtspositionen verbunden ist (vgl. BAG, Urt. v. 18.03.2009 – 10 AZR 281/08, NZA 2009, 621; Urt. v. 14.02.2007 – 10 AZR 35/06, NZA 2007, 690; Urt. v. 20.05.1976 – 2 AZR 202/75, DB 1976, 2478). Die Tatsache, dass der Kläger die bisher auf die BAT-Regelungen gestützten Ansprüche “erstmals” mit Schreiben vom September 2007 geltend gemacht hat, obwohl ihm dies “eher möglich und zumutbar” wäre, ist schon deswegen unerheblich, weil für die Annahme einer verschlechternden Vertragsänderung es nicht darauf ankommt, wann der Arbeitnehmer der Änderung widersprechen könnte. Maßgeblich ist vielmehr, aufgrund welchen Verhaltens des Arbeitnehmers der Arbeitgeber auf Zustimmung zu einer Vertragsänderung vertrauen durfte, die ihm der Arbeitgeber in erkennbarer Weise auch angeboten hat. Dies gilt vorliegend umso mehr, als die Beklagte die Abwicklung der Arbeitsverhältnisse nach dem ver.di-HausTV mit Rückwirkung vorgenommen hat und § 70 BAT bzw. § 41 D5-ReformTV eine sechsmonatige Verfallfrist vorsehen und der ver.di-HausTV auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund der beiderseitigen Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 TVG auch anwendbar war, sodass nicht ersichtlich ist, wann und wodurch konkret eine stillschweigende Vertragsänderung verbunden mit einem Verzicht auf auch noch nicht fällige Ansprüche zustanden gekommen sein soll, die sich aus der weiterhin bestehenden Bezugnahme auf die BAT-Regelungen ergaben. Die von der Beklagten erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragene stillschweigende Vertragsänderung ist nach Ansicht der Berufungskammer rechtlich nicht begründbar und nur mit dem Vorbringen der Beklagten in Pararellstreitigkeiten zu erklären, in denen Kläger eine schriftliche Erklärung zu der Aufforderung der Beklagten abgegeben haben.
ff) Die Anwendung des Urlaubsgeld-TV ist schließlich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nach dem Günstigkeitsprinzip nicht ausgeschlossen.
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, ist das Verhältnis der kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren tariflichen Regelungen und der kraft Tarifbindung geltenden Tarifnormen nach Maßgabe des Günstigkeitsprinzips (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen (vgl dazu BAG, Urteil v. 29.08.2007 – 4 AZR 767/06, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 61; Urteil v. 22.10.2008 – 4 AZR 784/07, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 m. zust. Anm. Zachert und oben unter 2.).
(2) Der Regelungsbereich Urlaub ist in den tariflichen Regelungen des BAT insgesamt günstiger geregelt ist als im nach dem ver.di-HausTV geltenden D5-Reform-TV.
(a) Der Günstigkeitsvergleich wird bei Individualnormen (Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen) bezogen auf das einzelne Arbeitsverhältnis individuell durchgeführt, weil das Günstigkeitsprinzip dem Schutz der Privatautonomie des einzelnen Arbeitnehmers dient (ErfK/Franzen, 10. Auflage, 2009, § 4 TVG Rdnr. 35, Kempen/Zachert, TVG, 4. Auflage 2006, § 4 Rdnr. 305; Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, 2. Auflage, 2004, § 4 TVG Rdnr. 291). Zu prüfen ist in diesem Fall, ob die individuell aus dem Arbeitsvertrag abzuleitenden Ansprüche günstiger sind als die aus den Tarifnormen sich ergebenden Ansprüche. Ein kollektiver Günstigkeitsvergleich findet dagegen bei Betriebsnormen statt, d. h. solchen Normen des Tarifvertrages, welche der Belegschaft ein Recht zuwenden. In diesem Fall muss die andere Abmachung, um sich durchzusetzen, die Belegschaft kollektiv günstiger stellen, es kommt ausschließlich darauf an, ob die Belegschaft als ganzes besser gestellt ist (vgl. ErfK/Franzen, a.a.O.; Löwisch/Rieble, a.a.O., § 4 TVG Rdnr. 293 f.; vgl. auch HWK/Henssler, Arbeitsrecht Kommentar, 3. Auflage 2008, § 4 TVG Rdnr. 35; ablehnend Kempen/Zachert, § 4 TVG Rdnr. 271). Ein solcher kollektiver Günstigkeitsvergleich kommt zwar auch bei der Ablösung von bislang auf der Basis einer arbeitsvertraglichen Einheitsregelung mit kollektiven Bezug gewährter Sozialleistungen durch eine Kollektivvereinbarung in Betracht, nicht aber bei Änderungen von einzelvertraglichen Regelungen, die keine Sozialleistungen zum Gegenstand haben (vgl. BAG Großer Senat, Beschl. v. 07.11.1989 – GS 3/85, NZA 1990, 816, 819; Beschl. v. 16.09.1986 – GS 1/82, AP BetrVG 1972, § 77 Nr. 17; BAG, Urt. v. 28.03.2000 – 1 AZR 366/99, NZA 2001, 49).
Vorliegend hat zwar die Beklagte einheitlich in den von ihr gestellten Formulararbeitsverträgen die Anwendung des BAT und der diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge vorgesehen, wenn auch je nach Abschlussdatum mit Einschränkungen. Dadurch werden aber die aus der Bezugnahmeklausel abzuleitenden individualrechtlichen Ansprüche eines Arbeitnehmers bereits schon deswegen nicht aufgrund einer betrieblichen Einheitsregelung gewährt, weil es sich um keine einheitlichen Verweisungsklauseln handelt. Die Vereinbarung einer Verweisungsklausel über die Anwendbarkeit tariflicher Regelungen ist darüber hinaus keine z. B. mit der Gewährung von Urlaubsgeld vergleichbare Sozialleistung des Arbeitgebers. Für den einzelnen Arbeitnehmer liegt eine individuell mit ihm abgeschlossene Vereinbarung auch dann vor, wenn er bei Vertragsschluss aufgrund des Formularcharakters des Arbeitsvertrags erkennen konnte, dass mit ihm vereinbarte Arbeitsbedingungen allgemein im Betrieb des Arbeitgebers gelten (vgl. LAG Hamm, Urt. v. 03.09.2009, 16 Sa 652/09, Juris). Ein kollektiver Günstigkeitsvergleich unter diesem Gesichtspunkt scheidet aus.
(b) Für den Günstigkeitsvergleich ist nach Rechtsprechung und herrschender Lehre auf die in einem inneren Zusammenhang stehenden Regelungen des Arbeitsvertrags mit den diesen sachlich entsprechenden Regelungen des Tarifvertrages abzustellen (sog. Sachgruppenvergleich, vgl. BAG, Urt. v. 20.04.1999, 1 ABR 72/98, AP GG Art. 9 Nr. 89; ErfK/Franzen, a.a.O. Rdnr. 36; HWK/Henssler, a.a.O., § 4 TVG Rdnr. 30; Kempen/Zachert, a.a.O., § 4 TVG Rdnr. 310; Löwisch/Rieble, a.a.O., § 4 TVG Rdnr.299 ff.). Ein solcher Sachgruppenvergleich ist auch dann durchzuführen, wenn der Anspruch auf einer tariflichen Regelung beruht, die arbeitsvertraglich in Bezug genommen wird. Der in Bezug genommene Tarifvertrag findet nur im Wege des Günstigkeitsvergleichs Anwendung, soweit einzelne Sachgruppen günstiger geregelt sind (vgl. BAG, Urt. v. 17.04.2002, 5 AZR 644/00, AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 40).
Der in der Literatur teilweise für richtig gehaltene Gesamtvergleich zwischen dem in Bezug genommenen und dem normativ für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifvertrag (vgl. ErfK/Franzen, a.a.O., § 4 TVG Rdnr. 37; Löwisch/Rieble, a.a.O., § 4 TVG Rdnr. 265) scheidet aus. Der Umstand, dass die zu vergleichenden Regelungen jeweils in einem Tarifvertrag enthalten sind, ändert nichts daran, dass aus den jeweiligen tariflichen Normen Sachgruppen gebildet werden können und wegen der individualrechtlichen Geltung des einen Tarifwerks zu bilden sind. Es macht keinen Unterschied, ob der Arbeitsvertrag den Wortlaut des in Bezug genommenen Tarifvertrages wiedergibt oder lediglich durch eine Bezugnahmeklausel auf diesen verweist. Bei einer wortlautgetreuen Wiedergabe des Inhalts eines Tarifwerks in einem Arbeitsvertrag kann nicht mit dem Hinweis, dass es sich ja eigentlich um einen Tarifvertrag handelt, ein Sachgruppenvergleich ausgeschlossen werden. Dies bei einer Verweisungsklausel anders zu bewerten, ist mangels sachlicher Gründe nicht gerechtfertigt.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, der für die Bezugnahmeklausel maßgebliche Vertragswille gehe dahin, dass in Bezug genommene Tarifwerk insgesamt und einheitlich zur Geltung zu bringen (so Löwisch/Rieble, a.a.O.). Dies ist zwar richtig. Im Konfliktfall mit normativ wirkenden Regelungen wird dieser Wille in der Regel dahin ergänzt, dass die Parteien eines Vertrags ihren Vereinbarungen jedenfalls soweit wie möglich Geltung verschaffen wollen. Das Prinzip “Alles oder Nichts” ist eher die Ausnahme als die Regel. Dies ergibt sich allgemein schon aus § 139, § 140 BGB, im Bereich der Kollision von Tarifnormen mit individualrechtlichen Vereinbarungen aus dem Günstigkeitsprinzip. Dann kann Letzteres durch einen in der Regel kaum durchführbaren Gesamtvergleich nicht tendenziell ausgehöhlt werden (so zutreffend ErfK/Franzen, a.a.O., Rdnr. 36).
Die Frage, ob ein Sachgruppenvergleich schon deswegen Anwendung zu finden hat, weil im konkreten Fall ein – auch aus Sicht der erkennenden Kammer – auf den ersten Blick sachnäherer Tarifvertrag (D5-TV a.F.) nicht in Bezug genommen wurde, sondern stattdessen der BAT (so LAG Hamm, Urt. v. 03.09.2009, a.a.O.), kann offen bleiben.
(c) Bei einem sachgruppenbezogenen Günstigkeitsvergleich besitzt der Kläger einen Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld nach dem Urlaubsgeld-TV.
(aa) Sowohl nach § 31 Abs. 2 D5-Reform-TV als auch nach § 48 Abs. 1 BAT beläuft sich der Urlaubsanspruch des Klägers auf 30 Arbeitstage. Darüber hinaus hat sie nach BAT Anspruch auf Zusatzurlaub nach den für Beamte geltenden Bestimmungen im Umfang von maximal fünf Arbeitstagen. Als Urlaubsvergütung nach § 29 Abs. 1 D5-Reform-TV wird lediglich das regelmäßige Entgelt gezahlt. Eine weitere Geldleistung gibt es dagegen nicht. Demgegenüber wird nach § 1, § 2 TV Urlaubsgeld BAT ein zusätzliches Urlaubsgeld gewährt. Insgesamt stellen die Regelungen des BAT einschließlich des Urlaubsgeld-TV gegenüber den tarifrechtlichen Ansprüchen des Klägers nach dem ver.di-HausTV eine günstigere Regelung der Sachgruppe “Urlaub” dar.
(bb) Der Wegfall dieser Vergünstigung wird im D5-Reform-TV nicht anderweitig kompensiert. Durch sein Inkrafttreten ist das regelmäßige Einkommen des Klägers nicht erhöht worden. Sie erhält vielmehr eine Vergütung in Höhe des Gehalts, das sie auch im Jahre 2006 bezogen hat. Entsprechendes gilt für die in § 23 D5-Reform-TV vorgesehene Jahressonderzahlung. Diese erreicht schon der Höhe nach nicht die Summe aus Urlaubsgeld und Sonderzuwendung der bisherigen tariflichen Regelungen, welche sie ersetzt.
Die Einmalzahlung nach § 3 Nr. 2 ver.di-HausTV stellt keinen Ausgleich für den Wegfall des zusätzlichen Urlaubsgeldes dar (vgl. LAG Hamm, Urt. v. 3.09.2009, a.a.O.). Es handelt sich zum einen um eine Leistung, durch welche die im Jahre 2006 erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich honoriert wird. Sie ist lediglich erst mit Abschluss des ver.di-HausTV im Jahre 2007 entstanden und im April 2007 fällig geworden. Auch wenn sie den Betrag des nach dem D5-Reform-TV weggefallenen Urlaubsgeldes übersteigt, so kann die Zahlung doch nicht als Kompensation angesehen werden. Dies ergibt sich des Weiteren daraus, dass sie lediglich im Jahre 2007 – einmalig – gezahlt wird. Der vertragliche Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld besteht aber auch für die Folgejahre. Aus alldem folgt, dass der vom Kläger geltend gemachte Urlaubsgeldanspruch auch nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass die Anwendung des Urlaubsgeld-TV nach dem Günstigkeitsprinzip ausgeschlossen ist.
b) Dem Kläger stehen auch die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung der Sonderzuwendung für das Jahr 2007 i. H. v. 1.062,66 Eurobrutto und für das Jahr 2008 i. H. v. 1.066,80 Euronach §§ 1, 2 des TV über die Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 zu, da dem Kläger diese Ansprüche nach dem insoweit unbestritten Vorbringen des Klägers der Höhe nach zustanden und deren Bestand ausschließlich von der Weitergeltung der “BAT-Regelungen” nach § 2 des Arbeitsvertrages abhängig war. Nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers ist die bisherige Rechtslage für den Kläger weiterhin günstiger, so dass aus den oben dargelegten Gründen den auch Sonderzuwendungsansprüchen das Günstigkeitsprinzip nicht entgegen steht. Aus dem gleichen steht dem Kläger der Anspruch auf die geltend gemachten Sonntags- und Nachtschichtzuschläge nach §§ 15 Abs. 8, 35 Abs. 1 b, e BAT zu.
c) Schließlich steht dem Kläger auch ein Anspruch auf einen Tag bezahlter Freistellung nach der Urlaubsregelung vom 02.12.1977 i.V.m. dem Arbeitsvertrag zu. Die Tatsache, dass der Kläger nicht dargelegt hat, dass er den Urlaub in der Zeit vom 01.11. bis zum 31.03. aus betrieblichen Gründen genommen hat, steht dem nicht entgegen, weil die Beklagte nicht bestritten hat, dass die den Zusatzurlaub den Arbeitnehmern gewährt hat, die den Urlaub in dem o.g. Zeitraum genommen haben, ohne Rücksicht darauf, ob dies aus betrieblichen Gründen geschehen ist oder nicht. Dementsprechend war insoweit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO das Vorbringen des Klägers zugrunde zu legen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Anspruch des Klägers auf einen Tag bezahlter Freizeit nicht erloschen, weil der Kläger diesen Anspruch bereit mit Schreiben vom 10.03.2007 geltend gemacht hat, sodass ihm der Anspruch auf einen Tag Zusatzurlaub jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zusteht (vgl. BAG, Urt. v. 06.12.2008 – 9 AZR 164/08, NZA 2009, 689).
d. Der Zinsanspruch für die geltend gemachten Zahlungsansprüche folgt aus §§291, 288, 247 BGB.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 Abs.1, 91 Abs. 1 ZPO.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs.- 2 ArbGG zuzulassen.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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