LAG Hamm, Urteil vom 24.10.2019 – 17 Sa 1038/18

Juni 13, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 24.10.2019 – 17 Sa 1038/18

vorher: Az. 3 Ca 1053/16 nachfolgend: Az. 2 AZN 1332/19; Verwerfung 04.02.20

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 04.10.2016 – 3 Ca 1053/16 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 19. April 2016, hilfsweise durch außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist ebenfalls vom 19. April 2016 mit dem 31.Dezember 2016 beendet ist.

Wegen des Sach- und Streitstandes sowie der Rechtsauffassungen der Parteien im erstinstanzlichen Verfahren wird auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. August 2017 – 17 Sa 1540/16 (Bl. 545 – 551R d. A.) verwiesen.

Mit Urteil vom 4. Oktober 2016 hat das Arbeitsgericht Herne festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 19. April 2016 weder außerordentlich, fristlos noch hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist beendet worden ist.

Wegen der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 4. Oktober 2016 (Bl. 214 – 234 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 12. Dezember 2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28. Dezember 2016 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13. März 2017 am 10. März 2017 eingehend begründet.

Wegen ihres Berufungsangriffs im Einzelnen wird auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. August 2017 (17 Sa 1540/16 – Bl. 553 – 555 R d. A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 4. Oktober 2016, Aktenzeichen 3 Ca 1053/16, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Wegen ihres diesbezüglichen Vorbringens wird auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. August 2017 (Bl. 555, 556 d. A.) Bezug genommen, mit dem es die Berufung der Beklagten auf ihre Kosten zurückgewiesen hat.

Auf ihre Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundesarbeitsgericht die Revision zugelassen und mit Urteil vom 26. April 2018 (2 AZR 611/17) das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. August 2017 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an das Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Es hat ausgeführt:

Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es könne nicht im Sinne einer erwiesenen Tat davon ausgegangen werden, die Klägerin habe am 27. oder 28. Mai 2015 115.000,00 Euro veruntreut, halte einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand, da § 286 Abs. 1 ZPO verletzt worden sei. Rechtsfehlerfrei sei das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die in den Entscheidungsgründen angeführten Umstände für eine Täterschaft der Klägerin sprächen. Es habe jedoch nicht ausgeführt, weshalb es nach den objektiven Tatsachen nicht von einer erwiesenen Tat ausgegangen sei.

Das Landesarbeitsgericht sei weiterhin zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beklagte die Klägerin nicht ausreichend angehört habe und deshalb die auf den Verdacht einer schweren Pflichtverletzung gestützte Kündigung unwirksam sei.

Das Landesarbeitsgericht habe mit der gegebenem Begründung auch nicht einen wichtigen Grund im Sinne der §§ 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD-S, 626 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Vorwurfes verneinen dürfen, die Klägerin habe gegen das Geldwäschegesetz verstoßen und ihre Unzuverlässigkeit gezeigt.

Die Beklagte dürfte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt haben.

Wegen der Einzelheiten des Revisionsurteils wird auf Bl. 579 – 588 d. A. Bezug genommen.

Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin mit Einverständnis der Beklagten mit Beschluss vom 14. Januar 2019 bis zum Vorliegen der erstinstanzlichen Entscheidung in dem gegen die Klägerin geführten Strafverfahren ausgesetzt.

Mit nicht rechtskräftigem Urteil vom 22. Mai 2019 verurteilte das Amtsgericht Herne die Klägerin wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten und ordnete gleichzeitig die Einziehung von Wertersatz für das durch die Tat Erlangte in Höhe von 115.000,00 Euro zugunsten der Beklagten an.

Es stellte nach Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme fest, dass die Klägerin dem Bargeldbestand der Filiale C der Beklagten in der Zeit nach dem 21. Mai 2015, nachdem die monatliche unangekündigte Kassenprüfung durch ihren Kollegen T stattgefunden hatte, einen Betrag von 115.000,00 Euro entnahm, um das Geld für sich zu verbrauchen. Es führte aus: Einen Teil dieses Geldes, nämlich 37.000,00 Euro, habe sie am 27. Mai 2015 in ihr Schließfach mit der Nr. 01234 bei der Hauptstelle der I Sparkasse gebracht. Um den durch die unberechtigte Geldentnahme entstandenen Fehlbestand auszugleichen, habe sie am 27. Mai 2015 bei der Deutschen Bundesbank in C1 einen Geldbetrag von 115.000,00 Euro in 50- Euro-Noten bestellt. Das Geld sei am 28. Mai 2015 gegen 9.40 Uhr von dem Fahrer T der X GmbH & Co. KG geliefert worden. Die Klägerin habe den Transportbehälter unter Verstoß gegen das hierfür vorgeschriebene Vier-Augen-Prinzip in der Zeit bis 10.30 Uhr geöffnet, habe die 115.000,00 Euro entnommen und den Fehlbetrag in der Filiale ausgeglichen. Anschließend habe sie Waschmittel der Marke G und Babynahrung der Marke I1 in den Geldtransportbehälter gelegt und ihren Kollegen T hinzugerufen. Sie habe wahrheitswidrig behauptet, der P-Behälter sei ohne Geld, sondern mit dem Inhalt “Waschmittel und Babynahrung” angeliefert worden.

Wegen der Einzelheiten des Strafurteils wird auf die Kopie (Bl. 765 – 806 d.A.) verwiesen.

Die Klägerin legte Rechtsmittel ein.

Sie ist seit dem 23. Februar 2016 durchgehend arbeitsunfähig krank.

Die Beklagte kündigte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis erneut mit Schreiben vom 28. Dezember 2018. Auch gegen diese Kündigung wendet sich die Klägerin mit einer Kündigungsschutzklage.

Die Beklagte trägt unter Würdigung der Revisionsentscheidung des Bundesarbeitsgerichts und des Strafurteils unter unveränderter Aufrechterhaltung ihres Antrags ergänzend vor:

Das Amtsgericht Herne habe nach umfangreicher Beweisaufnahme mit überzeugender Begründung festgestellt, dass der Transportbehälter bei der Deutschen Bundesbank ordnungsgemäß bepackt und verplombt an die Fahrer des X Wachdienstes T und L übergeben worden sei. Die Klägerin habe bei der Übernahme des Geldbehälters bestätigt, dass die Plombe unversehrt gewesen sei. Der Vorgang der ordnungsgemäßen Schließung der Plombe sei in der Deutschen Bundesbank per Video aufgezeichnet worden. Die Mitarbeiter der Deutschen Bundesbank kämen als Täter nicht in Betracht.

Das gelte auch für die Kurierfahrer, wie das Amtsgericht Herne mit überzeugender Begründung festgestellt habe.

Vergeblich versuche die Klägerin, sich zu entlasten. Nachdem alle anderen Möglichkeiten ausgeschlossen worden seien, komme nur sie als Täterin in Betracht. Ihre Vermögenssituation und die erheblichen Schulden der Familie stellten ein Motiv dar. Sie habe nahezu die alleinige wirtschaftliche Verantwortung für den Ehemann, ihre Mutter und die studierende Tochter getragen. Sie habe keine Erklärung für die Herkunft der Geldbeträge im Schließfach abgegeben und die Geldbeträge gerade nicht zur Begleichung von Darlehen und Überziehungskrediten verwendet. Ihre Angaben zu den Eigentumsverhältnissen des im Schließfach deponierten Geldes seien widersprüchlich. Im Nachgang zur Tat habe es erhebliche Kontobewegungen zwischen den Familienmitgliedern gegeben. Bei einer bei ihr durchgeführten Hausdurchsuchung seien Bargeldbestände in Höhe von 3.100,00 Euro in 50- Euro-Noten vorgefunden worden. Das Geld sei zu keinem Zeitpunkt – wie von der Klägerin zunächst behauptet – für einen Urlaub und den Kauf eines Tisches verwendet worden.

Sie allein habe den günstigen Tatzeitpunkt bestimmen können. Sie habe die unnötig hohe Geldbestellung zu verantworten und den P-Behälter unter Verstoß gegen das Vier-Augen-Prinzip geöffnet.

Ihre Einlassungen zu den Kontenbewegungen seien nicht nachvollziehbar.

Der Fehlbetrag von 115.000,00 Euro müsse am 27. Mai 2015 vor der Geldanlieferung am 28. Mai 2015 entstanden sein. Die Behauptung der Klägerin, ihr Kollege T habe am Morgen des 28. Mai 2015 beobachtet, wie sie 20 bis 25 Päckchen mit 50-Euro-Banknoten (insgesamt 100.000,00 bis 120.000,00 Euro) aus dem Haupttresor genommen habe, sei so nicht zutreffend. Im Ermittlungsverfahren habe der Zeuge T ausgeführt, er könne sich daran erinnern, die Klägerin habe die Geldscheine “Kopf auf Kopf” legen wollen. Nach seiner Einschätzung habe es sich lediglich um zehn bis zwölf Geldbündel gehandelt.

Die Klägerin habe auch die Möglichkeit gehabt, den Haupttresor zu öffnen. Ihre Kollegin C2 habe vor dem Strafgericht ausgeführt, dass sie bei Bedarf und Zeitdruck ihren Zweitschlüssel auch schon mal an sie herausgegeben habe.

Bei der Kassenaufnahme am 26. Mai 2015 um ca. 12.30 Uhr seien zwei von der Deutschen Bundesbank verschweißte Geldpakete vorhanden gewesen. Ein verschweißtes Paket enthalte immer zehn Bündel à 100 Scheine. In den verschweißten Paketen könnten nur 50-Euro-Scheine gewesen sein. Wenn am Morgen des 28. Mai 20 Bündel mit 50-Euro-Scheinen verschweißt gewesen und nur zwölf Bündel lose gewesen seien, habe die Klägerin nicht die Möglichkeit gehabt, 20 Geldbündel in die Box zu packen. Im Übrigen müsse ein originalverschweißtes Bundesbankpaket nicht extra geöffnet und sortiert werden.

Die Klägerin sei zu ihrem dringenden Verdacht, sie habe 115.000,00 Euro veruntreut, ausreichend angehört worden. In dem Gespräch am 7. April 2016 habe ihr Vorstand N sie ausdrücklich auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und die Durchsuchung als Anlass für die Anhörung hingewiesen. Er habe ihr erklärt, aufgrund der Durchsuchung ihres Bankschließfaches weitere Fragen zu haben. Schon dadurch sei ihr deutlich geworden, dass es ihr bei der Anhörung um die Aufklärung des Abhandenkommens des Geldes gegangen sei und sie – die Klägerin – als Täterin in Betracht komme. Sie habe in der Berufungsverhandlung am 8. Juni 2017 eingeräumt, davon ausgegangen zu sein, zu dem Diebstahl der 115.000,00 Euro am 26. Mai 2015 befragt zu werden. Sie sei weiter zu dem Umstand angehört worden, dass Geld in ihrem Schließfach gefunden worden sei und sie erhebliche Kontenbewegungen in der Zeit von Juli 2015 bis Februar 2016 veranlasst habe. Herr N habe ihr verdeutlicht, dass er davon ausgehe, diese Geldbewegungen hätten der Verdeckung gedient, das Geld im Schließfach stamme aus dem Vermögensdelikt. Er habe ihr einen Verstoß gegen das Geldwäschegesetz vorgehalten. Sie sei auch befragt worden, aus welchem Grund sie am 27. Mai 2015 115.000,00 Euro in der gegebenen Stückelung bestellt habe.

Sie habe in schwerwiegendem Maße ihre Nebenpflichten verletzt und gegen das Geldwäschegesetz verstoßen. Wegen des diesbezüglichen Vorbringens der Beklagten wird auf ihren Schriftsatz vom 27. November 2018 (Bl. 615 – 618 d. A.) Bezug genommen.

Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Sie habe die Kündigungserklärungsfrist von zwei Wochen eingehalten.

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 02.09.2019 hat die Beklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung ausgeführt: Das Landesarbeitsgericht sei durchaus berechtigt, die nachvollziehbaren Zeugenaussagen im Strafverfahren im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Entgegen ihrer Auffassung sei die Klägerin ausreichend zu dem Verdacht einer Straftat und einer schwerwiegenden Pflichtverletzung angehört und der Personalrat ordnungsgemäß beteiligt worden.

Die Klägerin hält das erstinstanzliche Urteil nach wie vor für zutreffend, meint, die Berufung sei zurückzuweisen, und führt ergänzend aus:

Das Urteil des Amtsgerichts Herne sei nicht rechtskräftig. Deshalb könne es nicht zur Grundlage von Sachverhaltsfeststellungen des Landesarbeitsgerichts gemacht werden. Dieses müsse den Sachverhalt in eigener Zuständigkeit prüfen und gegebenenfalls Beweis erheben. Die Klärung müsste dann allerdings durch das erstinstanzliche Gericht erfolgen, um den Parteien nicht eine Instanz vorzuenthalten.

Sie bestreite, dass der Transportbehälter bei der Deutschen Bundesbank ordnungsgemäß verplombt worden sei. Sie bestreite auch, dass die Plombe bei Übergabe an die Kurierfahrer unversehrt gewesen sei, und sie den Geldbehälter mit unversehrter Plombe übernommen habe. Sie selbst habe lediglich erklärt, ihr sei eine Manipulation an der Plombe nicht aufgefallen. Die Ermittlungsergebnisse könnten nicht herangezogen werden, da die polizeilichen Ermittlungen nachlässig geführt worden seien.

Sie habe keine Möglichkeit gehabt, am Vortage der Geldlieferung 115.000,00 Euro aus dem Tresor zu nehmen und diesen am Tag der Geldlieferung wieder aufzufüllen. Es gelte das Zwei-Schlüssel-Prinzip, das auch angewendet worden sei.

Die Anweisung zum Vier-Augen-Prinzip beim Öffnen des P-Behälters sei allerdings in der Zeit, in der sie nicht als Kassiererin eingesetzt worden sei, geändert worden. Es sei ihr nicht bekannt gewesen.

Zu berücksichtigen sei, dass der Kollege T erklärt habe, dass sie am Morgen des 28. Mai 2015 zehn bis zwanzig Päckchen mit 50-Euro-Scheinen vom Tresor zur Kasse transportiert habe, um die Päckchen dort zu sortieren. In einem Päckchen befänden sich 100 Scheine. Bei einer Kistenlänge von 30 cm passten 20 Päckchen in die Kiste. Das ergebe einen Betrag von 100.000,00 Euro. Hätte sie am Vortag dem Kassenbestand von 160.000,00 Euro 115.000,00 Euro entnommen, wären nur noch fünf Päckchen verfügbar gewesen. Die Kunststoffkiste wäre noch nicht einmal zur Hälfte gefüllt gewesen. Üblicherweise würden die Päckchen vertikal aufgestellt, so habe es auch Herr T gesehen. Bei einer Befüllung der Box nur zur Hälfte wären die Päckchen umgefallen.

Herr T habe diesen Sachverhalt auch gegenüber dem Kollegen L1 geschildert, der sie am 29. Mai 2015 in C vertreten habe.

Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse stellten kein Motiv für eine Untreue dar. Es sei zutreffend, dass sie erheblich verschuldet gewesen sei. Die Verschuldung habe sich jedoch durch die verfügbaren Mittel der Mutter, die sich in dem Tresorschließfach befunden hätten, reduziert. Das Prinzip der Firma P Sanierungsberatung, die sie eingeschaltet habe, sehe vor, dass zum Zwecke der Sanierung Verhandlungen mit den Gläubigern geführt würden, um diese zu Teilverzichtserklärungen zu bewegen. Hätte sie das im Bankschließfach befindliche Geld direkt für die Schuldentilgung genutzt, dann hätte nicht erst verhandelt und dann gezahlt werden können. So habe sie Geld sparen können. Die Ereignisse am 28. Mai 2015 hätten sie zunächst daran gehindert, ihr Sanierungsvorhaben mit der Firma P durchzuführen. Sie sei psychisch angeschlagen gewesen. Sie habe sich schließlich im März 2016 entschlossen, die Sanierung durchzuführen, obwohl schon einiges Geld aus dem Schließfach verbraucht gewesen sei. Bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses hätten ihre Geldmittel zur Sanierung ausgereicht. Zu bedenken sei, dass sie das Risiko einer Entdeckung und des Verlustes ihres Arbeitsplatzes hätte eingehen müssen, ohne dass klar gewesen sei, wie sie im Rahmen der Schuldentilgung mit 115.000,00 Euro in Bargeld hätte verfahren sollen.

Ihre Mutter und ihre Tochter seien von ihr wirtschaftlich unabhängig.

Ihre Anhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Herr N habe im April 2016 auf den Fortgang der Ermittlungen hingewiesen und erklärt, dass er in diesem Zusammenhang Fragen an sie habe. Sie habe gewusst, dass es um die vorliegende Sache gehen würde. Es sei auch um die Dispositionen auf ihrem Girokonto gegangen. Herr N habe sie zunächst gefragt, wie es ihr gehe. Er habe erklärt, die Sache sei sehr belastend und die Ermittlungen der Polizei liefen auf Hochtouren. Es sei aber nicht die Rede davon gewesen, dass die Ermittlungen nun verstärkt gegen sie gerichtet seien. Die Beklagte habe nicht erkennbar die Verantwortung bei ihr gesucht, da sie nach dem 28. Mai 2015 weiterbeschäftigt worden sei. Im Januar 2016 habe sie einen Arbeitsplatz in der Tresorverwaltung erhalten. Dadurch habe die Beklagte ihr Vertrauen gezeigt.

In der Anhörung sei die Geldbestellung am 27. Mai 2015 erörtert worden. Es sei gefragt worden, warum sie bei der Geldbestellung nicht die Empfehlungen des Cashmanagements berücksichtigt habe. Sie habe entsprechende Erläuterungen abgegeben.

Des Weiteren seien die Dispositionen auf den Konten thematisiert worden. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten der Anhörung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 3. Dezember 2018 (Bl. 639 – 642 d. A.) Bezug genommen.

Sie habe nicht ihre Pflichten als Bankangestellte dadurch verletzt, dass sie gegen die im Geldwäschegesetz geregelten Pflichten und die entsprechenden Vorgaben der Beklagten verstoßen habe.

Wegen des diesbezüglichen Vorbringens der Klägerin wird auf ihre Schriftsätze vom 3. Dezember 2018 (Bl. 630 – 639 d. A.) und vom 19. Dezember 2018 (Bl. 703 d. A.) Bezug genommen.

Bezüglich dieser angeblichen Pflichtverletzungen sei sie ebenfalls nicht ordnungsgemäß angehört worden. Auch insoweit habe sie den Termin am 7. April 2016 nicht als Anhörung verstanden. Ihr seien lediglich Kopien von drei bis vier Einzahlungen vorgelegt worden. Ihre Einlassung, ein Einzahlungsschein über einen Betrag von 1.500,00 Euro trage nicht ihre Handschrift, sei als Schutzbehauptung zurückgewiesen worden. Weitere Belege aus dem “dicken” Ordner seien ihr nicht vorgelegt worden. Sie habe Herrn N deshalb mitgeteilt, sie könne sich nicht ohne Prüfung der einzelnen Belege einlassen. Das habe ihn nicht interessiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vorbringens der Klägerin wird auf ihren Schriftsatz vom 29. Juli 2019 (Bl. 829 – 833 d. A.) verwiesen.

Der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Ihre Erklärung im Jahr 2008 sei falsch mitgeteilt worden. Zum damaligen Zeitpunkt habe es das Vier-Augen-Prinzip noch nicht gegeben. Dem Personalrat sei nicht mitgeteilt worden, dass die Polizei davon ausgegangen sei, eine Weitergabe des Geldes am 28. Mai 2015 sei nicht möglich gewesen. Eine Geldentnahme bereits am 27. Mai 2015 sei zu keinem Zeitpunkt thematisiert worden. Die Behauptung, es hätten sich im Tresor 100.000,00 Euro in 50-Euro-Scheinen befunden, sei falsch. Ihre Anhörung sei unzureichend gewesen. Auch das sei dem Personalrat nicht mitgeteilt worden. Ihm sei ferner ein verfälschter Eindruck hinsichtlich der Verwendung des zweiten Tresorschlüssels am 27. oder 28. Mai 2015 vermittelt worden. Ihm sei nicht dargestellt worden, dass die Abgabe von 40.000,00 Euro in 50-Euro-Scheinen üblich und unverdächtig gewesen sei. Ihm sei nicht schlüssig erklärt worden, warum es sich bei ihren Bareinzahlungen um Verstöße gegen das Geldwäschegesetz gehandelt habe. Die Beklagte habe ihm auch nicht mitgeteilt, dass Herr T bereits wenige Tage nach dem 28. Mai 2015 Herrn N erklärt habe, er habe gesehen, wie sie vor der Lieferung des P-Behälters eine große Menge 50-Euro-Scheine aus dem Tresor genommen habe, um sie “Kopf auf Kopf” zu legen.

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 18.10.2019 hat die Klägerin auf den nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz der Beklagten unter Zusammenfassung ihres Vorbringens erwidert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Die Kammer hat am 21.10.2019 über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beraten.
Gründe

A.

Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 4. Oktober 2016 ist begründet.

Die zulässige Kündigungsschutzklage ist insgesamt abzuweisen, da das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 19. April 2016 mit dem 20. April 2016 sein Ende gefunden hat.

I. Es liegt ein wichtiger Kündigungsgrund iSd. §§ 34 Abs. 2 TVöD-S, 626 Abs. 1 BGB vor, da Tatsachen gegeben sind, die es der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machten, das Arbeitsverhältnis auch nur für die Dauer der sozialen Auslauffrist fortzuführen.

1. Ein an sich geeigneter Kündigungsgrund liegt in der Vermögensstraftat, die die Klägerin am 27. Mai/28. Mai 2015 zu Lasten der Beklagten beging. Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass sie 115.000,00 Euro an sich brachte und veruntreute.

Die Beklagte hat sich zur Rechtfertigung der Kündigung gegenüber dem Personalrat zwar auf einen entsprechenden Verdacht berufen. Obwohl der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund darstellt, stehen jedoch beide Gründe nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiellrechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach dem Parteivorbringen und gegebenenfalls einer Beweisaufnahme darstellt (BAG 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 – Rn. 26, BAGE 137, 154).

a. Wie schon das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 25. April 2018 (2 AZR 611/17 – Rn. 24) ausgeführt hat, haben die Tatsacheninstanzen unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer gegebenenfalls durchgeführten Beweisaufnahme nach ihrer freien Überzeugung darüber zu befinden, ob sie eine tatsächliche Behauptung für wahr erachten oder nicht. Die Beweiswürdigung muss vollständig, widerspruchsfrei und umfassend sein. Mögliche Zweifel müssen überwunden, aber nicht völlig ausgeschlossen sein. Für die volle richterliche Überzeugungsbildung nach § 286 Abs. 1 ZPO ist es ausreichend, dass ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit erreicht ist, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Soll ein Vortrag mittels Indizien bewiesen werden, hat das Gericht zu prüfen, ob es die vorgetragenen Hilfstatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Es ist zulässig und möglich, die Überzeugung von der Täterschaft dadurch zu gewinnen, dass alle konkret in Frage kommenden Alternativen ausgeschlossen werden, wenn ein auf das Kerngeschehen der Tat bezogenes Beweismittel fehlt. Es müssen alle relevanten Alternativen in einer den Mindestanforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung genügenden Weise abgelehnt werden (BGH 27. Oktober 2015 – 2 StR 4/15 – Rn. 8).

Ein Zivilgericht darf sich, um sich eine eigene Überzeugung davon zu bilden, ob sich ein bestimmtes Geschehen zugetragen hat, auf ein dazu ergangenes Strafurteil stützen. Zwar sind die in einem Strafurteil enthaltenen Feststellungen für die zu derselben Frage erkennenden Zivilgerichte grundsätzlich nicht bindend. Sie können aber im Rahmen der freien Beweiswürdigung iSv. § 286 Abs. 1 ZPO Berücksichtigung finden. Das Strafurteil ist, wenn eine Partei sich zu Beweiszwecken darauf beruft, im Wege des Urkundsbeweises gemäß §§ 415, 417 ZPO zu verwerten (BAG 23. Oktober 2014 – 2 AZR 865/13 – Rn. 26, BAGE 149, 355), wobei die vom Strafgericht getroffenen Feststellungen vom Zivilgericht einer eigenen kritischen Überprüfung zu unterziehen sind (BAG 23. Oktober 2014 aaO. Rn. 28). Die Vernehmung von Zeugen darf nicht unter Hinweis auf die strafgerichtlichen Feststellungen abgelehnt werden (BAG 23. Oktober 2014 aaO. Rn. 29).

b. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat die Berufungskammer die notwendige Gewissheit gewonnen, dass die Klägerin ihre Pflichten als Bankangestellte in schwerwiegendem Maße verletzt hat, indem sie eine Untreue, § 266 Abs. 1 StGB, zu Lasten der Beklagten beging.

aa. Eine Untreue zum Nachteil des Arbeitgebers ist geeignet, eine außerordentliche, fristlose Kündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen (BAG 22. November 2012 – 2 AZR 732/11 – Rn. 22, 23).

bb. Die Kammer ist nicht gehindert, das Strafurteil im Rahmen seiner eigenen Prüfung und Würdigung des Sachverhalts heranzuziehen.

Die Klägerin selbst hat den Antrag gestellt, den Rechtsstreit im Hinblick auf das Strafverfahren auszusetzen, um die Verwertung des Ergebnisses zu ermöglichen. Sie hat ihren Antrag sogar mehrfach wiederholt. Die Beklagte hat ihm zugestimmt. Die Klägerin hat damit gezeigt, dass aus ihrer Sicht die Feststellungen des Strafgerichts für das Berufungsverfahren von Bedeutung sind, dass sie Berücksichtigung finden sollen.

Nach ihrer Verurteilung durch das Amtsgericht Herne mit Urteil vom 22. Mai 2019 hat sich die Beklagte die Feststellungen des Amtsgerichts zu Eigen gemacht, indem sie die Ausführungen des Strafgerichts in dem bereits zur Gerichtsakte gelangten Strafurteil als nachvollziehbar und überzeugend bezeichnet hat.

cc. Bei vernünftiger Würdigung des Parteivorbringens und der Feststellungen des Strafgerichts ist die von der Klägerin aufgezeigte Möglichkeit der Tatbegehung durch Mitarbeiter der Deutschen Bundesbank und des X Wachschutzes fernliegend. Das Geld kann nach Überzeugung der Kammer nur in der Sphäre der Sparkasse abhandengekommen sein.

(1) Es ist ausgeschlossen, dass der Geldbetrag bereits bei der Deutschen Bundesbank verloren gegangen ist. Er wurde unter Wahrung des Vier-Augen-Prinzips ordnungsgemäß verpackt und der Behälter wurde sicher verplombt. Der Vorgang der Geldverpackung und Übergabe an die Mitarbeiter des X Wachschutzes wurde komplett videoüberwacht. Beamte der Kriminalpolizei suchten am 29. Mai 2015 die betreffende Filiale der Deutschen Bundesbank in C1 auf und stellten anhand von Videoaufnahmen fest, dass ohne zeitliche Aussetzer die Befüllung des leeren Behältnisses, das Anbringen der mit einer Nummer versehenen Plombe und das Ablegen des Behälters in dem Container Nr. 123 fortlaufend dokumentiert ist. Sie haben des Weiteren festgestellt, dass der Container einschließlich der Übergabe an den Wachschutz permanent videoüberwacht war.

Das Amtsgericht Herne hat die Videosequenzen in Augenschein genommen, die das Verpacken des Geldes und das Verplomben des P-Behälters bei der Deutschen Bundesbank zeigen. Es hat festgestellt, dass das Verpacken des Geldes aus verschiedenen Perspektiven aufgenommen wurde, dass eine Kameraperspektive direkt auf den Behälter gerichtet war, dass aber auch der Vorgang der Vorbereitung von Plombe und Begleitzettel sowie der Bereitstellung des Geldes gefilmt wurde. Die Aufnahme war so genau, dass die Nummer der Plombe, der Geldbetrag in seiner Stückelung und die Informationen auf dem Begleitzettel zu erkennen waren. Auch der Packvorgang selbst wurde durch Videoaufnahmen detailliert überwacht. Wegen der Einzelheiten der Kameraeinstellungen, des zeitlichen Ablaufs und der jeweiligen Handlung der beiden Mitarbeiter der Deutschen Bundesbank wird auf die Feststellungen des Amtsgerichts Herne (S. 39, 40 des Strafurteils) Bezug genommen, die sich die Kammer zu Eigen macht. Sie entsprechen dem im vorliegenden Verfahren vorgetragenen Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen.

Auch die Übergabe des P-Behälters an die Mitarbeiter T und L des X Wachschutzes ist videodokumentiert. Die Augenscheineinnahme durch das Amtsgericht hat keine Auffälligkeiten ergeben. Auch insoweit wird auf das Strafurteil (S. 40, 43 des Strafurteils) verwiesen.

Die Klägerin ist diesen Feststellungen nur insoweit entgegengetreten, als sie bestreitet, dass der Transportbehälter ordnungsgemäß verplombt war, und lediglich pauschal behauptet, die ungeprüfte Übernahme der These, das Geld sei nicht bei der Deutschen Bundesbank abhandengekommen, sei einseitig und fehlerhaft. Damit blendet sie aus, dass die in dem Strafverfahren vernommenen Zeugen O und H den Vorgang des Verpackens des Geldes und des Plombierens des Behälters im Einzelnen nachvollziehbar geschildert haben. Beide Zeugen haben bestätigt, die Plombe korrekt verschlossen zu haben. Sie haben ihre Bekundung lebensnah damit begründet, dass der richtige Verschluss nicht nur taktil, sondern auch durch ein Klickgeräusch angezeigt werde. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Mitarbeiter H nach seiner Bekundung eingesetzt ist, um den Verpackungsvorgang zu überwachen, deshalb immer auf das Klickgeräusch der Plombe achtet.

Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen bestehen nicht, sind auch nicht von der Klägerin aufgezeigt worden. Sie sind nach den Feststellungen des Amtsgerichts detailreich, entsprechend dem Wissensstand der Zeugen und decken sich mit dem Ergebnis der Augenscheinseinnahme der Überwachungsvideos. Die Kammer hat deshalb von einer erneuten Vernehmung der Zeugen abgesehen und ist den überzeugenden Ausführungen des Amtsgerichts gefolgt.

Auch der vom Amtsgericht Herne vernommene Sachverständige hat bekundet, aus der Videoaufnahme des Verschlussvorgangs ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Plombe nicht richtig verschlossen worden sei.

Es ist ausgeschlossen, dass das Geld nach Abschluss des Verpackungsvorgangs in der Sphäre der Deutschen Bundesbank abhandenkam. Der P-Behälter wurde nach Aussage des Zeugen Q vor dem Amtsgericht Herne auf einen Transportwagen gestellt, der ebenfalls verplombt wurde und über Nacht in einem Tresor der Deutschen Bundesbank stand.

Soweit die Klägerin einwendet, schon in der Vergangenheit habe es Differenzen bei Geldlieferungen der Deutschen Bundesbank gegeben, ist dieser Vortrag ungeeignet, die Feststellung eines sorgfältigen Vorgehens der Mitarbeiter der Deutschen Bundesbank zu erschüttern. Hier geht es um den Komplettverlust einer Lieferung bei Austausch der Geldpakete durch Waschpulver und Babybrei.

Wie das Amtsgericht Herne ist auch die Berufungskammer der Auffassung, dass der Geldbehälter den Mitarbeitern des Wachdienstes ordnungsgemäß befüllt und verplombt übergeben wurde.

(2) Die Alternative, die Mitarbeiter des Wachschutzes hätten das Geld entwendet, ist ebenfalls auszuschließen.

Die Kammer hat schon in ihrem Urteil vom 14. August 2017 darauf hingewiesen, dass die Wohnungsdurchsuchungen bei den Fahrern L und T am 28. Mai 2015 keine Auffälligkeiten ergaben.

Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin bei Empfang der Lieferung selbst bestätigte, dass die nummerierte Plombe intakt war, sie nach dem Gutachten des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen vom 4. August 2015 nach ordnungsgemäßem Verschluss nicht zu öffnen war, ohne dass sie an der vorgesehenen Sollbruchstelle am Verschlussstift riss, die Plombe auch nicht ohne sichtbare Schäden zu manipulieren war, kommt ihre Täterschaft nur in dem fernliegenden Fall in Betracht, dass die Plombe entgegen den Feststellungen der Mitarbeiter der Deutschen Bundesbank zwar angebracht wurde, aber versehentlich nicht richtig verschlossen war. Wie bereits ausgeführt, achteten sie jedoch darauf, dass die Plombe geschlossen war.

Erfolglos beruft sich die Klägerin darauf, sie habe bei Empfang der Lieferung nicht geprüft, ob die Plombe manipuliert gewesen sei. Eine Manipulation ist – wie dargestellt – ausgeschlossen. Die Plombe konnte nicht ohne sichtbare Schäden manipuliert werden. Der Sachverständige X1 hat im Strafverfahren bestätigt, dass ein gewaltsames Öffnen der Plombe zwingend deren Zerstörung zur Folge gehabt hätte, es gebe auch keine Möglichkeit, die Plombe des verwendeten Modells zunächst gewaltsam zu öffnen und wieder zu schließen. Er hat des Weiteren ausgeführt, die Untersuchung der Plombe des P-Behälters habe keine Manipulationsspuren erkennen lassen. Er hat mit eingehender Begründung ausgeschlossen, dass das verwendete Modell unter Einbringung von Wärme manipuliert wurde

Die Kammer hat keinen Grund, den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in dem Gutachten vom 4. August 2015 und in der Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht nicht zu folgen. Er ist als Diplom-Ingenieur zu den bekundeten Feststellungen in der Lage.

Die Behauptung der Klägerin, Blanketten der V 5 Plombe seien im Handel zu erwerben, die Wachleute hätten die Gelegenheit gehabt, sie entsprechend zu präparieren und neu zu bedrucken, zeigt, wie sie selbst einräumt, eine theoretische Möglichkeit auf, die nicht naheliegend ist. Da die Plombe mit einer bestimmten Nummer versehen war, die den Wachleuten nicht im Vorhinein bekannt war, hätte der Druck nach Zerstörung der ursprünglichen Plombe des P-Behälters auf der Fahrt erfolgen müssen. Wie das technisch möglich gewesen wäre, lässt sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen. Gegen ein solches Vorgehen spricht entscheidend, dass die in der Filiale C am 28. Mai 2015 vorgefundene Plombe im Detail untersucht wurde. Ein Folienaufdruck wäre entdeckt worden.

Nach der von dem Amtsgericht eingeholten Auskunft der Firma V-AG handelt es sich bei jeder Plombe um ein Unikat, dessen Nummer nur einmal vergeben wird.

Sollte die Plombe tatsächlich entgegen den Bekundungen der Zeugen O und H im Strafverfahren nicht verschlossen gewesen sein, erscheint eine Täterschaft der beiden Kuriere gleichwohl fernliegend. Sie hätten ohne Auffälligkeiten in dem GPS-überwachten Tourenverlauf zufällig entdecken müssen, dass die Plombe zu öffnen war, hätten sich abstimmen müssen, den Umstand auszunutzen, um das Geld an sich zu nehmen, hätten demnach beide die Bereitschaft zu einer Straftat entwickeln, einen Plan erstellen und umsetzen müssen. Da Babybrei und Waschmittel nicht zur gewöhnlichen Ausstattung eines Wachschutzfahrzeugs gehören, hätten sie diese Gegenstände besorgen und das Geld in ein sicheres Versteck bringen müssen.

Dabei ist es unerheblich, dass es möglicherweise auf der Fahrtroute Einkaufsmärkte gibt, in denen Waschpulver und Babybrei hätten eingekauft werden können. Unerheblich ist auch, dass es jedenfalls aus Sicht der Klägerin Zeitfenster gab, in denen der Einkauf hätte abgewickelt und das Geld in eine Wohnung hätte gebracht werden können. Sie übersieht dabei, dass große Entschlusskraft erforderlich war, auf die spontane Feststellung einer Gelegenheit, den Geldbehälter unbemerkt zu öffnen, mit dem gemeinsamen Plan zu einer Straftat zu reagieren. Allein das Pläneschmieden und das Abwägen der Risiken hätten Zeit und eine spontane gemeinsame kriminelle Energie erfordert.

Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, hätten sich die Wachleute durch Blickkontakt verständigen müssen, hätten sie bei der Deutschen Bundesbank eine Box mit nicht ordnungsgemäßer Plombe übernehmen wollen. Das schließt die Kammer schon deshalb aus, weil sie einen Tourenauftrag hatten und die P-Behälter nicht frei auswählen konnten.

Bei Entleerung des für die Filiale C bestimmten P-Behälters während der Zustellungsfahrt wären sie ein erhebliches Entdeckungsrisiko eingegangen, denn sie mussten damit rechnen, die Box werde vor Erteilung der Empfangsquittung von den Mitarbeitern der Filiale unter Wahrung des Vier-Augen-Prinzips geöffnet werden.

Im Übrigen ist es wenig lebensnah, dass die Wachleute in der Situation gezielt ein als ökologisch wertvoll beworbenes Waschmittel (Marke G – Aloevera) und einen Bio-Babybrei auswählten.

Deshalb kann dahinstehen, ob der Fahrer H2 des Sicherheitsdienstes- wie von dem Zeugen L1 vor dem Amtsgericht bekundet – im März 2019 mehrfach an einer Plombe zog, da sich auf den Fahrten Plomben geöffnet hatten. Aus dieser Information wird nicht ersichtlich, dass sich von Mitarbeitern der Deutschen Bundesbank verschlossene Plomben in der Vergangenheit mehrfach öffneten. Auch die bei den Sparkassenfilialen abgeholten P-Behälter mit Geld sind selbstverständlich gesichert und mit Plomben versehen.

Der Zeuge H2 selbst konnte sich an ein derartiges Gespräch mit dem Zeugen L nicht erinnern. Er hat vielmehr erklärt, Plomben an P-Behältern, die in Sparkassenfilialen angebracht worden seien, seien gelegentlich nicht richtig verschlossen. Diese Aussage ist nachvollziehbar, da Sparkassenmitarbeiter nicht so nachhaltig geschult sein dürften wie die verantwortlichen Mitarbeiter der Deutschen Bundesbank.

Die beiden Fahrer T und L kommen auch nicht deshalb als Täter in Betracht, weil bei der Durchsuchung der Wohnung des Fahrers T am 28. Mai 2015 über 20.000,00 Euro aufgefunden wurden. Nach dem Abschlussbericht der Kriminalpolizei stimmte Herr T nicht nur der Durchsuchung seiner Wohnung zu, was er nicht hätte tun müssen, sondern wies im Vorfeld darauf hin, in seiner Wohnung 20.500,00 Euro aus einem Fahrzeugverkauf aufzubewahren. Offenkundig stammte das Geld nicht aus dem plombierten P-Behälter, denn es handelte sich um 500-Euro-Banknoten, nicht um 50-Euro-Banknoten. Dass die Wachleute oder nur der Zeuge T das Geld in der Wohnung sicherten, dann die Tour beendeten, zur Wohnung zurückfuhren und die Geldnoten noch vor der Vernehmung und der Hausdurchsuchung umtauschten, um dann die Beute zu verteilen, ist vielleicht denkbar. In der Wohnung des Wachmannes L wurde allerdings kein Geld gefunden. In der Gesamtschau reicht der Fund von 20.500,00 Euro in der Wohnung des Zeugen T nicht aus, um auf eine Täterschaft beider Kuriere zu schließen.

(3) Nach Ausschluss von Alternativverläufen lässt das Tatgeschehen nur den Schluss zu, dass die Klägerin die Geldlieferung veruntreute. Das folgt für die Kammer aus dem Gesamtzusammenhang des Geschehens, ohne dass jeder einzelne Schritt ihres Vorgehens festgestellt werden konnte und musste. Die Überzeugung der Kammer folgt wie die Überzeugung des Amtsgerichts aus der Würdigung von Indiztatsachen, wobei nicht jede Indiztatsache für sich den Schluss auf eine Täterschaft zulassen muss. Entgegen ihrer Auffassung musste die Beklagte ihr nicht nachweisen, die Tat begangen zu haben. Das ist ihr nicht möglich, da es keine Zeugen für die Kerntatsache gibt, dass sie das Geld aus der Transportbox nahm und gegen Waschpulver und Babybrei austauschte. Es reicht aus, dass gleichwertige Tatverläufe ausgeschlossen sind und die Indizien in der Gesamtschau die Überzeugung der Kammer von ihrer Täterschaft begründen.

Die Klägerin hatte die Möglichkeit und das Motiv, die Straftat zu begehen.

Für ihre Täterschaft spricht, dass sie die einzige Beteiligte ist, die den Tathergang so planen konnte, dass nicht zeitnah mit einer Kassenprüfung zu rechnen war. Sie war diejenige, die die Geldbestellung zeitlich und der Höhe nach festlegte. Dabei bestellte sie ein Mehrfaches der von dem Cashmanagement vorgeschlagenen Summe von 30.000,00 Euro. Die Vorschläge des Cashmanagements mögen nicht immer zutreffend sein, wie sie behauptet, gleichwohl bieten sie eine Orientierungshilfe. Dass die Klägerin deutlich zuviel Geld bestellte, ergibt sich auch aus der Tatsache, dass sie am 28. Mai 2015 insgesamt 60.000,00 Euro an die Deutsche Bundesbank zurückgab. Eine prognosewidrige Entwicklung vom 27. Mai 2015 auf den 28. Mai 2015 in dieser Größenordnung ist nicht lebensnah, zumal die Klägerin als Kassiererin nicht unerfahren war.

Auffällig ist des Weiteren, dass sie ausschließlich 50-Euro-Banknoten orderte, die ungleich einfacher in den Geldkreislauf einzubringen sind als 200- Euro- oder gar 500- Euro-Noten. Am 28. Mai 2015 gab sie allerdings 40.000,00 Euro in 50- Euro-Scheinen zurück. Zum Zeitpunkt der Bestellung waren im Bestand 135.000,00 Euro in 50-Euro-Scheinen, jedoch keine 200-Euro-Scheine und nur 1.000,00 Euro in 100- Euro-Scheinen. Die Bestellung von zB. 100- Euro-Scheinen hätte demnach näher gelegen als die von der Klägerin gewählte Stückelung.

Gegen sie spricht nachhaltig, dass sie die Transportbox am 28. Mai 2015 unter Verstoß gegen das Vier-Augen-Prinzip öffnete, obwohl die zum Zeitpunkt der Öffnung ruhige Situation in der Filiale die Hinzuziehung des Kollegen T zugelassen hätte. Ihre Einlassung, das Vier-Augen-Prinzip bei der Kontrolle einer Geldlieferung nicht gekannt zu haben, ist nicht nachvollziehbar. Sie überzeugt unabhängig von den Aussagen des Zeugen T und der Zeugin C2 im Strafverfahren schon deshalb nicht, weil sie anlässlich einer fehlerhaften Geldlieferung in 2008 wie ihre Kollegen T und T2 in einer schriftlichen Stellungnahme erklärte, sie hätten sich in Anbetracht einer Unstimmigkeit mit der Deutschen Bundesbank angewöhnt, Geldabgaben und -annahmen mindestens zu zweit zu kontrollieren. Dem Vortrag der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, welche Anweisungen zum Vier-Augen-Prinzip beim Öffnen eines P-Behälters in der Zeit geändert wurden, in der sie nicht als Kassiererin tätig war. Nach ihrer Stellungnahme aus 2008 galt das Vier-Augen-Prinzip 2008 und gilt immer noch. Im Übrigen hat die Kammer bereits darauf hingewiesen, dass sich eine Bankangestellte selbstverständlich über die für ihren Aufgabenbereich geltenden Vorschriften ihres Arbeitgebers zu informieren hat, hier ohne weiteres im Intranet der Beklagten einsehbar.

Sie kann bereits am Vortage der Geldlieferung 115.000,00 Euro in 50-EuroScheinen aus dem Kassenbestand an sich genommen und aus der Filiale verbracht haben. Dafür spricht, dass sie an diesem Tag zum ersten Mal nach ca. einem Jahr ihr Schließfach in der Hauptstelle der Beklagten aufsuchte, in dem am 29. Juni 2015 drei Briefumschläge mit Bargeld von insgesamt 37.000,00 Euro gefunden wurden. Allerdings erfolgte keine Sicherstellung. Zu berücksichtigen ist ferner, dass bei der Durchsuchung ihrer Wohnung am 29. Mai 2015 insgesamt 3.100,00 Euro ausschließlich in 50-Euro-Scheinen aufgefunden wurden.

Die Klägerin war auch in der Lage, am 27. Mai 2015 115.000,00 Euro an sich zu bringen.

Sie hat zwar angegeben, ihr Kollege T habe am Morgen des 28. Mai 2015 gesehen, wie sie in einer Transportbox 20 bis 25 Päckchen mit 50-Euro-Noten aus dem Haupttresor in das Kassenhäuschen verbracht habe, daraus ergebe sich ein Betrag von mindestens 100.000,00 Euro; da am Abend des 27. Mai 2015 insgesamt in Bündeln und Scheinen nur 162.000,00 Euro in 50-Euro-Noten vorhanden gewesen seien, könne sie nicht schon am Vortage den streitgegenständlichen Betrag an sich genommen haben.

Im Strafprozess hat der Zeuge T ausgesagt, sie habe am Morgen des 28. Mai 2015 eine Box mit ca. 10 bis 12 Bündeln 50-Euro-Banknoten in das Kassenhäuschen getragen. Er hat den Geldwert auf ca. 50.000,00 bis 60.000,00 Euro geschätzt. Damit ist nicht zwingend davon auszugehen, dass die Klägerin nicht im Stande war, 115.000,00 Euro am 27. Mai 2015 an sich zu nehmen. Der Zeuge T zählte auch nach Vortrag der Klägerin nicht exakt, wie viele Geldbündel in der Box lagen. Er konnte lediglich einen visuellen Eindruck gewinnen. Wenn die Klägerin dem Gericht vorrechnet, wie viele Bündel bei lockerer oder gepresster Aufstellung in der Box Platz finden, dass fünf Päckchen umgefallen wären, geht sie von einer falschen Annahme aus. Am Abend des 27. Mai 2015 befanden sich nach ihrer Kassenabrechnung in Bündeln und Scheinen 162.000,00 Euro in 50-Euro-Banknoten in der Kasse. Bei Abzug von 115.000,00 Euro verblieben noch 47.000,00 Euro. Bei 5.000,00 Euro/Bündel hätten nicht fünf Päckchen, sondern neun Päckchen in die Box eingelegt werden können. Wenn nach Vortrag der Klägerin bei fünf Päckchen die Kiste nicht einmal zur Hälfte gefüllt gewesen wäre, ist anzunehmen, dass sie bei mindestens neun Päckchen mehr als zur Hälfte gefüllt gewesen wäre, die Päckchen hätten locker stehen, aber nicht umfallen können. Nach Vortrag der Beklagten waren im Hinblick auf zwei verschweißte Bundesbankpakete mit jeweils zehn Bündeln á 100 Scheinen überhaupt nur noch zwölf unverschweißte Pakete mit 50-Euro-Geldnoten vorhanden.

Die Klägerin war auch bei Veruntreuung von 115.000,00 Euro am Vortag noch in der Lage, am 28. Mai 2015 40.000,00 Euro in 50-Euro-Scheinen an die Deutsche Bundesbank zurückzugeben.

Ihr Verhalten, gerade am Morgen des 28. Mai 2015 vor der Geldanlieferung ohne jeden sachlichen Grund, ohne jede Notwendigkeit, aus einer “Marotte” heraus, 50-Euro-Päckchen Bild auf Bild legen zu wollen, könnte auch dahin verstanden werden, dass sie bewusst den Eindruck vermitteln wollte, die am Vorabend in der Kassenabrechnung berücksichtigten Geldbündel mit 50-Euro-Banknoten seien vor der Geldanlieferung noch vorhanden gewesen. Eine Ordnung der Geldscheine war bereits durch die Zusammenfassung in Päckchen gegeben.

Die Klägerin konnte sich am 27. Mai 2015 durchaus die Zeit nehmen, 115.000,00 Euro aus der Filiale zu verbringen. Sie hatte die Möglichkeit, Geld aus dem Haupttresor in dem Kassentresor zu deponieren, wie sie es auch am Morgen des 28. Mai 2015 getan hat. Da der Kassenraum erst ab Brusthöhe von außen einsehbar ist, konnte sie das Geld unbeobachtet aus dem Kassentresor nehmen. Die abendliche Abrechnung der Kasse erfolgte durch sie allein.

Sie war auch imstande, den Fehlbestand durch Zuführung des angelieferten Geldes auszugleichen. Es reichten wenige Minuten aus, das Geld aus dem Geldbehältnis zu nehmen, die Verpackung zu entfernen, es dem Kassentresor zuzuführen und Waschpulver und Babybrei, am Morgen mitgebracht, in die Transportbox zu legen. Die Klägerin hat am 28. Mai 2015 als erste die Filiale betreten. Um Fingerabdrücke auf dem Verpackungsmaterial zu vermeiden, bedurfte es nicht des gegebenenfalls auffälligen Tragens von Handschuhen. Es reichte der Schutz durch ein Kleidungsstück, durch ein unauffälliges Reinigungstuch aus.

Soweit die Klägerin eingewendet hat, sie hätte das Verpackungsmaterial der angelieferten Geldpäckchen nicht entsorgen können, es sei bei der Filialdurchsuchung kein Verpackungsmaterial gefunden worden, hat die Beklagte nachvollziehbar darauf hingewiesen, es handele sich um Müll, der ständig in einer Sparkassenfiliale anfalle. Es besteht demnach die Möglichkeit, dass das Verpackungsmaterial bei der ersten Durchsuchung der Filiale am 28. Mai 2015 nicht als auffällig registriert wurde. Nach Angabe der Kriminalpolizei in dem Ermittlungsbericht vom 13. November 2015 wurden die Räumlichkeiten am Tattag nicht gründlich durchsucht. Zum Beispiel wurde der Revisionsschacht im Untergeschoss nicht in Augenschein genommen.

Der Klägerin war die Eingliederung des Geldes zeitlich möglich. Der P-Behälter wurde um 9.41 Uhr angeliefert. Um 10.03 Uhr benachrichtigte sie ihren Kollegen. Ihr blieben zwanzig Minuten Zeit, um – unterbrochen von Kundenanliegen – das gelieferte Geld in den Bargeldbestand der Filiale einzugliedern. Sie musste auf jeden Fall die Box mit den Bild auf Bild gelegten Scheinen dem Haupttresor wieder zuführen, wenn und soweit es sich nicht um die 50-Euro-Scheine handelte, die sie dem Geldboten zur Rückgabe an die Deutsche Bundesbank übergab. Zum anderen wurden die Vorgaben zur Öffnung des Haupttresors nach den Feststellungen des Amtsgerichts so wenig eingehalten wie die Vorgaben zum Vier-Augen-Prinzip. Die Zeugin C2 hat vor dem Amtsgericht ausgesagt, sich zwar nicht erinnern zu können, dass jemand zwischen 9.40 Uhr und 10.03. Uhr am Tresor gewesen sei, es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass sie ihren Schlüssel der Klägerin übergeben habe. Auch der Zeuge T vermochte es nicht auszuschließen, dass die Klägerin in dieser Zeit den Tresor mit ihrem Schlüssel und dem Schlüssel der Filialleiterin aufschloss, wenn er sich auch nicht positiv an einen solchen Vorgang erinnern konnte. Die Klägerin hat zu diesen Aussagen nur insoweit Stellung genommen, als sie vorgetragen hat, die Zeugin C2 und der Zeuge T hätten nicht bestätigt, dass sie am 28. Mai 2015 die Möglichkeit gehabt habe, den Tresor allein zu öffnen, um ihm das am Vortag entnommene Geld wieder zuzuführen. Das ist richtig. Die Zeugen vermochten jedoch einen Zugriff auf den Haupttresor nicht sicher auszuschließen.

Die Klägerin hat nicht nachvollziehbar in Abrede gestellt, dass eine Person mit beiden Schlüsseln den Tresor öffnen kann, dass zwei Schlüssel, aber nicht zwei Personen erforderlich sind.

Für ihre Täterschaft spricht auch, dass sie in der Zeit vom 7. Juli 2015 bis zum 26. November 2015 Bareinzahlungen von insgesamt 28.589,92 Euro vornahm. Insgesamt wurden ca. 38.000,00 Euro von Juli 2015 bis Februar 2016 über die Konten der Familie bewegt.

Bei der Durchsuchung ihres Schließfachs am 29. Juni 2015 befanden sich noch 37.000,00 Euro in Umschlägen in dem Fach. Die Herkunft des Geldes ist unklar. Es ist nicht undenkbar, dass das Geld aus der Untreue der Klägerin stammte, sie die 50-Euro-Geldscheine vor der Deponierung im Schließfach einwechselte. Es mag aber auch sein, dass sie das veruntreute Geld anderweitig verwahrte, da sie mit polizeilichen Ermittlungen nach dem Geldverlust rechnen musste. Der Kammer erscheint es jedenfalls ausgeschlossen, dass die Eheleute bei einem Gesamteinkommen von ca. 3.430,00 Euro und monatlichen Belastungen mit Festkosten von gut 2.500,00 Euro in der Lage waren, 14.800,00 Euro für die Tochter W anzusparen und weitere 6.200,00 Euro in einem beschrifteten Umschlag zu verwahren. Nach Feststellung des Amtsgerichts hatten die Eheleute, dh. im Wesentlichen die Klägerin, Schulden von über 60.000,00 Euro zuzüglich der Ausschöpfung der Dispositionskredite von knapp 22.000,00 Euro. Die Klägerin hat erhebliche Schulden nicht in Abrede gestellt. Die Kammer bleibt dabei, dass es nicht lebensnah ist, dass sie über mindestens ein Jahr 37.000,00 Euro in dem Tresor aufbewahrte und das Geld nicht zur Tilgung ihrer Schulden einsetzte. Die von ihr gegebene Begründung, sie habe ihre finanziellen Verhältnisse mit Hilfe der Firma P sanieren wollen, diese habe Verzichtserklärungen der Gläubiger einholen wollen, so dass sich ihre Schulden verringert hätten, aus diesem Grund sei eine Schuldentilgung vorher nicht sinnvoll gewesen, ist schon deshalb nicht schlüssig, weil sie angegeben hat, die Sanierung ihrer finanziellen Probleme erst im März/April 2016 in Angriff genommen zu haben. Sie hat gerade nicht nachvollziehbar dargelegt, wann sie schon in 2015 Kontakt zu der Firma P aufnahm und wie weit das Entschuldungsverfahren bis zum 28. Mai 2015 gediehen war. Es ist kaum anzunehmen, dass ihr die Firma P anriet, mit den Sanierungsbemühungen zu warten, ihr Geld im Tresor aufzuheben und die Schulden durch Dispositionskreditzinsen zu vergrößern.

Soweit sie behauptet, eine Sanierung wäre auch erfolgreich möglich gewesen, übersieht sie, dass sie jedenfalls bei Einleitung des Sanierungsverfahrens im April 2016 bereits gekündigt war bzw. zeitnah die Kündigung erhielt. Während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses unternahm sie keine ersichtlichen Bemühungen, sich in einem ordnungsgemäßen Verfahren, zB. durch eine Privatinsolvenz, zu entschulden.

Deshalb kommt die mehr als angespannte finanzielle Lage der Familie sehr wohl als Motiv für die Tat in Betracht, zumal die Klägerin als einziges Familienmitglied erwerbstätig war und den größten Teil zu dem Familieneinkommen beitrug. Sie selbst bezeichnet sich als “alleinige” Schuldnerin.

b. Ein an sich zur außerordentlichen fristlosen Kündigung geeigneter Grund liegt jedenfalls in dem Verdacht, sie habe eine Untreue zu Lasten der Beklagten begangen.

aa. Wegen der Grundsätze der Verdachtskündigung wird auf die Darstellung der Berufungskammer in ihrem Urteil vom 14. August 2017 (S. 25 des Urteils) verwiesen.

Dass ein dringender, auf konkrete Tatsachen gestützter Verdacht vorliegt, ergibt sich aus den Gründen, aus denen die Kammer zu der Auffassung gelangt ist, es sei sogar von einer Täterschaft der Klägerin auszugehen.

bb. Die Beklagte hat sie ausreichend angehört und damit auch diese Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung erfüllt.

Wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 25. April 2018 (Rn. 33) ausgeführt hat, verlangt die Anhörung nicht, dass der Arbeitgeber hinsichtlich eines für aufklärungsbedürftig gehaltenen Sachverhalts bereits einen (dringenden) Verdacht gegen den Arbeitnehmer hegt und dies im Rahmen der Anhörung ausdrücklich erklärt. Erforderlich ist allein, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, welchen Sachverhalt der Arbeitgeber für aufklärungsbedürftig hält, dass er jedenfalls auch seine, des Arbeitnehmers, Verantwortung in Betracht zieht und dass ihm, dem Arbeitnehmer, Gelegenheit gegeben werden soll, zu den aufklärungsbedürftigen Geschehnissen und Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen. Das kann sich hinreichend aus den Umständen der Anhörung ergeben.

Daraus folgt, dass es unerheblich ist, ob die Beklagte die Klägerin in den Anhörungen im Jahr 2015 und am 7. April 2016 auf ihren Verdacht hinwies, sie habe das Geld aus dem P-Behälter veruntreut. Es reicht aus, dass sie keinen Zweifel hegen konnte, welchen Sachverhalt die Beklagte für aufklärungsbedürftig hielt, sie zumindest ihre Verantwortung in Betracht zog.

Zu der Verletzung des Vier-Augen-Prinzips hörte die Beklagte die Klägerin bereits mit undatiertem Schreiben aus 2015 an. Sie musste ihr nicht noch einmal Gelegenheit zur Stellungnahme zu ihrem Verhalten nach Öffnung des Behälters geben, da sie sich dazu schon mit anwaltlichem Schreiben vom 13. Juli 2015 äußerte (so auch BAG 25. April 2018 aaO. Rn. 37).

Die Klägerin hatte am 7. April 2016 ausreichend Gelegenheit zu einer weiteren Stellungnahme. Wie das Bundesarbeitsgericht ausgeführt hat, brauchte die Beklagte sie weder zu dem Ergebnis des Gutachtens des Landeskriminalamtes noch zu weiteren Umständen anzuhören, die es aus ihrer Sicht ausschließen, dass das Geld bereits vor Anlieferung des P-Behälters in der Filiale entwendet wurde, denn zu diesen Umständen hätte die Klägerin aufgrund eigener Beobachtungen nichts beitragen können.

In der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2017 hat sie unstreitig gestellt, dass ihr das gegen sie gerichtete Ermittlungsverfahren, die erkennungsdienstliche Behandlung, die Durchsuchungen ihres Tresors und ihrer Wohnung bekannt waren. Sie hat zwar abgestritten, subjektiv den Eindruck gehabt zu haben, die Beklagte werfe ihr vor, sie habe 115.000,00 Euro veruntreut, hat aber eingeräumt, dass über ihre Geldbestellung und die Kontenbewegungen gesprochen wurde, dass sie das Gespräch selbst als Aufklärungsgespräch verstand.

In ihrer Stellungnahme zu den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in dem Revisionsurteil hat sie noch einmal erklärt, es sei am 7. April 2016 ua. um ihre Geldbestellung am 27. Mai 2015 gegangen. Nach eigenem Vorbringen wurde sie sogar auf die polizeilichen Ermittlungen angesprochen, die eben auch gegen sie gerichtet waren, wie sie wusste. Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte sie infolge ihrer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit seit dem 23. Februar 2016 nicht mehr beschäftigte, konnte sie auch nicht annehmen, ihr werde tatsächlich noch Vertrauen entgegengebracht, die Beklagte ziehe sie – anders als die Kriminalpolizei – auch jetzt noch nicht als potentielle Täterin in Betracht. Nach ihrem Vortrag wies der Geschäftsführer N ausdrücklich auf die Ermittlungen hin und erklärte, er habe in diesem Zusammenhang Fragen an sie.

Es ist für die Wirksamkeit der Anhörung nicht erheblich, dass sie den Gesprächsverlauf als unergiebig empfand, soweit es um ihre Überlegungen zu der Geldbestellung ging. Sie hat eingeräumt, Gelegenheit gehabt zu haben, diese darzulegen. Es war nicht erforderlich, dass sich die Beklagte von ihr überzeugen ließ. Die Klägerin hatte nach ihren eigenen Ausführungen auch ausreichend Gelegenheit, den Bargeldbestand in ihrem Tresorschließfach zu erläutern. Auch insoweit musste die Beklagte ihr nicht Glauben schenken.

Ob sie in ausreichendem Maße Gelegenheit hatte, zu den Bewegungen auf den Konten ihrer Angehörigen und auf ihren eigenen Konten unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen das Geldwäschegesetz Stellung zu nehmen, kann dahinstehen. Dass ungewöhnliche Kontobewegungen stattfanden, ist unstreitig. Dazu wurde die Klägerin auch angehört.

Einer Protokollierung des Anhörungsgespräches bedurfte es nicht, mag diese auch üblich und empfehlenswert sein.

In der Gesamtschau wurde die Klägerin zu den Indiztatsachen, die den Vorwurf der Untreue rechtfertigen, entsprechend dem Kenntnisstand der Beklagten zum Zeitpunkt der Anhörung ausreichend gehört.

c. Ob sie schwerwiegend gegen ihre Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verstieß, die in dem Geldwäschegesetz geregelten Pflichten zu erfüllen und die bei der Beklagten eingeführten Strategien, Kontrollen und Verfahren zur Verhinderung von Geldwäsche genauestens zu beachten, brauchte die Kammer nicht abschließend zu entscheiden. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts in dem Revisionsurteil (Rn. 47) ist ihre Beteiligung an zweifelhaften Transaktionen und Geschäftsbeziehungen jedenfalls nicht ausgeschlossen.

2. Die Interessenabwägung musste zu ihren Lasten ausfallen.

Im Rahmen der Gesamtwürdigung des Kündigungssachverhaltes ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an seinem Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 25. Oktober 2012 – 2 AZR 495/1 – Rn. 15; 19. April 2012 – 2 AZR 258/11 – Rn. 14). Die zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkung der Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Dem Arbeitgeber muss eine mildere Reaktionsmöglichkeit unzumutbar sein (BAG 9. Juni 2012 – 2 AZR 323/10 – Rn. 27). Als Alternativen zur außerordentlichen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere die Abmahnung und eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn sie schon geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen (BAG 9. November 2011 – 2 AZR 381/10 – Rn. 18; 25. Oktober 2012 aaO. Rn. 15; 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 34, BAGE 134, 349).

a. Die Beklagte war nicht gemäß §§ 314 Abs. 2, 323 Abs. 2 BGB gehalten, das Fehlverhalten der Klägerin abzumahnen.

Das Abmahnungserfordernis ist zwar bei jeder Kündigung zu prüfen. Die Abmahnung entspricht nicht nur dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, sondern dient der Objektivierung der Negativprognose. Eine vorherige Abmahnung ist jedoch entbehrlich, wenn es sich um eine schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar und bei der eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offenkundig ausgeschlossen ist. Das gilt auch bei Störungen im Vertrauensbereich (BAG 9. Juni 2011 aaO. Rn. 18).

Es war für die Klägerin ohne jede Schwierigkeit und ohne jeden Zweifel erkennbar, dass die Beklagte sie auch nur bei dem dringenden Verdacht einer Untreue nicht weiterbeschäftigten würde, zumal der Schaden von 115.000,00 Euro erheblich ist.

b. Zugunsten der 1964 geborenen Klägerin hat das Gericht berücksichtigt, dass sie bis zum Renteneintritt keine gleichwertige Arbeit wird finden können. Wenn sie – ggf. nach der Haftentlassung – überhaupt eine Stelle finden wird, wird sie das Arbeitsverhältnis voraussichtlich zu deutlich ungünstigeren Bedingungen eingehen müssen. Die Kammer hat auch bedacht, dass sie als Hauptverdienerin der Familie auf das Einkommen aus dem Arbeitsverhältnis angewiesen ist und sie sich – soweit bekannt – bis Mai 2015 pflichtgemäß verhalten hat.

Die Kammer hatte aber zu ihren Lasten zu berücksichtigen, dass sie allein schon durch den dringenden Tatverdacht das für die Tätigkeit als Bankangestellte unabdingbare Vertrauen in ihre Integrität unwiderruflich zerstört hat. Sie hatte das Vermögen der Beklagten und ihrer Kunden zu betreuen und zu schützen und auch im öffentlichen Interesse alle Sicherheitsvorgaben penibel einzuhalten. Dagegen spricht nicht, dass die Beklagte sie zunächst beschäftigte und im Januar 2016 in die Tresorverwaltung umsetzte. Zu diesem Zeitpunkt hatte die zweite Durchsuchung des Bankschließfachs noch nicht stattgefunden, war der Beklagten das Ergebnis der Untersuchungen der Internen Revision nicht bekannt, das ihrem Vorstand erst am 4. April 2016 vorgelegt wurde.

II. Die Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist von zwei Wochen gemäß § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

Wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 25. April 2018 (Rn. 54) ausgeführt hat, durfte sie den Fortgang des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens abwarten und musste den Sachverhalt nicht innerhalb von zwei Wochen nach dem 28. Mai 2015 aufklären.

Der Arbeitgeber ist in der Wahl seiner Mittel zur Aufklärung nicht beschränkt. Es steht ihm frei, eigene Ermittlungen anzustellen und/oder den Fortgang oder Ausgang eines Ermittlungs- und Strafverfahrens abzuwarten.

Die Beklagte führte die erforderlichen Ermittlungen mit der gebotenen Eile durch. Sie schaltete unmittelbar nach der Entdeckung der Straftat die Ermittlungsbehörden ein und brachte den Vorfall zur Anzeige. Danach durfte sie den Verlauf des Ermittlungsverfahrens zunächst abwarten. Sie entschloss sich auch nicht willkürlich im Laufe des Ermittlungsverfahrens zur Kündigung. Anlass für die Aufnahme eigener Ermittlungen war die Durchsuchung des Bankschließfaches am 24. Februar 2016, die zu der Feststellung führte, dass sich entgegen der ersten Durchsuchung nur noch ein geringer Geldbetrag in dem Schließfach befand, so dass sich die Frage des Verbleibs des Geldes stellte. Entsprechend beauftragte sie die Interne Revision mit der Untersuchung der Konten der Klägerin und ihrer Familienangehörigen. Angesichts des von der Klägerin selbst geschilderten Umfangs des Berichts der Internen Revision sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Ermittlungsauftrag nicht zügig bearbeitet wurde. Am 4. April 2016 wurde der Bericht dem Vorstand vorgelegt, bereits nach drei Tagen die Klägerin angehört.

Die Kündigungserklärung ging ihr innerhalb von zwei Wochen ab dem 7. April 2016 am 20. April 2016 zu.

III. Die Kündigung erweist sich auch nicht als nach § 74 Abs. 3 LPVG NW unwirksam. Die Vorschrift gilt nicht nur, wenn der Personalrat überhaupt nicht, sondern auch, wenn er nicht ordnungsgemäß angehört wurde.

Gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 LPVG NW ist er vor der außerordentlichen Kündigung anzuhören. Nach § 74 Abs. 2 Satz 2 LPVG NW sind die Gründe, auf die sich die Kündigung stützen soll, vollständig anzugeben.

1. Die Beklagte informierte den Personalrat mit Schreiben vom 14. April 2016 ausreichend.

a. Sie unterbreitete ihm die nötigen Angaben zum Alter der Klägerin, zu der Beschäftigungsdauer und ihrem Familienstand.

b. Sie wies auch darauf hin, dass das Arbeitsverhältnis gemäß § 34 Abs. 2 TVöD-S nur noch außerordentlich, fristlos bzw. außerordentlich mit sozialer Auslauffrist kündbar war.

Sie informierte ihn von ihrer Absicht, das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende kündigen zu wollen.

c. Die Kündigungsgründe wurden ebenfalls ausreichend bekannt gegeben.

Der notwendige Inhalt der Unterrichtung richtet sich nach Sinn und Zweck der Anhörung. Dieser besteht darin, den Personalrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht, dh. gegebenenfalls zugunsten des Arbeitnehmers auf den Arbeitgeber einzuwirken. Der Personalrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen und sich eine eigene Meinung bilden können. Die Anhörung soll ihm dagegen nicht die selbständige – objektive – Überprüfung der rechtlichen Wirksamkeit der Kündigung ermöglichen. Deshalb reicht die Mitteilungspflicht nicht so weit wie die Darlegungslast des Arbeitgebers im Prozess. Es gelten insoweit die gleichen Anforderungen, wie sie an die Betriebsratsanhörung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gestellt werden (BAG 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15 – Rn. 63).

Der Inhalt der Anhörung ist grundsätzlich subjektiv determiniert. Der Arbeitgeber muss dem Personalrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben (BAG 16. Februar 2015 – 2 AZR 15/15 – Rn. 14, BAGE 152, 118). Dem kommt er nur dann nicht nach, wenn er dem Personalrat einen schon aus seiner Sicht unzutreffenden oder unvollständigen Sachverhalt unterbreitet (BAG 16. Februar 2015 aaO. Rn. 16). Die subjektive Überzeugung des Arbeitsgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist für den Umfang der Unterrichtung dann nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Anhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Personalrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen Entschluss ohne Bedeutung waren (BAG 23. Oktober 2014 – 2 AZR 736/13 – Rn. 14).

Die Beklagte teilte dem Personalrat alle Tatsachen mit, auf die sich ihr Verdacht, aber auch die Annahme einer Tatbegehung gründet. Sie schilderte ihm den Verlauf des Geschehens am 28. Mai 2015 und teilte mit, dass nach den Ermittlungen der Kriminalpolizei und des Landeskriminalamtes keine Verdachtsmomente gegen die Mitarbeiter der Deutschen Bundesbank bestünden, die Klägerin bei der Öffnung des Behälters gegen das Vier-Augen-Prinzip verstoßen, am 27. Mai 2015 eine überhöhte Geldbestellung abgegeben und die Gelegenheit gehabt habe, am 27. Mai 2015 oder 28. Mai 2015 das Geld an sich zu nehmen. Sie informierte ihn auch von den Ergebnissen der Durchsuchungen des Schließfaches der Klägerin und wies auf deren finanzielle Situation hin. Weiterhin berichtete sie von den Bareinzahlungen auf die familiären Konten.

Sie versetzte den Personalrat des Weiteren in die Lage, die Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB nachzuvollziehen, indem sie ihre Ermittlungsbemühungen im Einzelnen schilderte.

Im Übrigen hat die Klägerin eingeräumt, der Personalratsvorsitzende habe an dem Gespräch am 7. April 2016 teilgenommen. Seine in der Anhörung gewonnenen Kenntnisse musste sich der Personalrat gemäß § 29 Abs. 2 LPVG NW zurechnen lassen.

Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe den Personalrat unzutreffend informiert, verkennt sie, dass die Personalratsanhörung subjektiv determiniert ist. Der Arbeitgeber darf den Personalrat lediglich nicht bewusst täuschen oder irreleiten. Er darf auch nicht entlastende Tatsachen bewusst verschweigen.

Das ist der Beklagten nicht vorzuwerfen. Soweit die Klägerin auch im Rahmen ihrer Rüge, die Personalratsbeteiligung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, ihre Anhörung vom 7. April 2016 als unzureichend schildert, ist ihr Einwand unerheblich, wie die Kammer bereits begründet hat. Die Beklagte musste gegenüber dem Personalrat auch nicht schlüssig begründen, warum sie von Verstößen der Klägerin gegen das Geldwäschegesetz ausging. Es reichte aus, dem Personalrat die von ihr festgestellten Tatsachen mitzuteilen, zumal dem Personalratsvorsitzenden ihre Einlassungen im Anhörungstermin bekannt waren.

Das Ergebnis der Befragung der Filialleiterin C2 und des Kollegen T wurde dem Personalrat mitgeteilt. Die Bewertung ihrer Aussagen, sie hätten der Klägerin weder am 27. Mai 2015 noch am 28. Mai 2015 den zweiten Tresorschlüssel überlassen, als Schutzbehauptung ist nicht irreführend, sondern entsprach der Bewertung der Beklagten.

Dass der Kollege T dem Vorstandsmitglied N nach Behauptung der Klägerin wenige Tage nach dem Vorfall berichtete, sie habe vor der Geldlieferung 50-Euro-Scheine aus dem Tresor sortiert, ist keine sie objektiv entlastende Tatsache, die dem Personalrat hätte mitgeteilt werden müssen. Dazu hat das Gericht bereits Stellung genommen.

2. Das Anhörungsverfahren war bei Kündigungsausspruch durch Zustimmung des Personalrats am 15.04.2016 beendet.

IV. Auf die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien vom 02.09.2019 und 18.10.2019 war nach alldem die mündliche Verhandlung nicht gemäß § 156 Abs.1, 2 ZPO wieder zu eröffnen, da sie ihr Vorbringen lediglich zusammengefasst und bereits angesprochenen Fragen vertieft haben.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die unterlegene Klägerin hat die gesamten Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Gründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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