LAG Hamm, Urteil vom 27.01.2012 – 10 Sa 1410/11

Juli 6, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 27.01.2012 – 10 Sa 1410/11
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 19.05.2011 – 2 Ca 2031/10 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
Der am 16.05.1963 geborene Kläger ist verheiratet. Er besitzt eine Ausbildung als Bergmann. Seit dem 14.07.1997 ist er bei der Beklagten einem Baubetrieb mit ca. 30 Mitarbeitern, als Bauwerker zu einem Stundenlohn von zuletzt 13,39 Euro brutto beschäftigt. Vor Änderung des Bundestarifvertrages für das Baugewerbe war der Kläger in die ehemalige Lohngruppe VII/1 eingruppiert.
Im Jahre 2008 wurde aufgrund einer mit dem im Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrat vereinbarten Betriebsvereinbarung für die Zeit vom 01.10.2008 bis zum 31.03.2009 Kurzarbeit eingeführt. Die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit, R1, bewilligte daraufhin Kurzarbeitergeld sowie Saisonkurzarbeitergeld.
Auch der Kläger fiel unter die Kurzarbeit. Im Jahre 2008 hätte er bei voller Arbeitsleistung 2088,25 Arbeitsstunden leisten müssen, tatsächlich leistete er nur 1.128,25 Stunden.
Demgegenüber erbrachten im Jahre 2008 die bei der Beklagten beschäftigten Facharbeiter 34.996 Stunden; Ausfallstunden im Rahmen der Kurzarbeiter fielen bei den Facharbeitern in Höhe von 8.329,50 Stunden an.
Im Jahre 2009 wurde bei der Beklagten ebenfalls kurzgearbeitet. Die Sollstunden des Klägers betrugen im Jahre 2009 2.080,5 Stunden; tatsächlich leistete er lediglich 1.024,50 Stunden.
Die Facharbeiter erbrachten im Jahre 2009 insgesamt 26.301,75 Stunden, dem standen Ausfallzeiten wegen Kurzarbeit in Höhe von 13.546 Stunden gegenüber.
Im Jahre 2010 arbeitete der Kläger aufgrund Kurzarbeit lediglich 411,75 Stunden. Demgegenüber leisteten 23 im Betrieb beschäftigte Facharbeiter im Jahre 2010 32.860,75 Stunden, Kurzarbeit fiel bei diesen Facharbeitern in Höhe von insgesamt 7.135,25 Stunden an.
Im Jahre 2010 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Zahlung des Differenzentgelts zwischen gezahltem Kurzarbeitergeld und regelmäßigem Arbeitsentgelt für den Zeitraum von April 2010 bis September 2010 klageweise geltend – 1 Ca 1265/10 Arbeitsgericht Rheine -. In diesem Verfahren haben die Parteien darüber gestritten, ob die Kurzarbeit wirksam durch eine Betriebsvereinbarung vom 29.09.2008 für den Betrieb eingeführt worden ist. Mit rechtskräftigem Urteil vom 09.11.2010 wurden dem Kläger die Ansprüche im Wesentlichen zugesprochen.
Ob der Kläger im Betrieb der Beklagten zuletzt der einzige Bauhelfer gewesen ist, der auf Baustellen eingesetzt wurde, ist zwischen den Parteien ebenso streitig wie die Frage, mit welchen Tätigkeiten der Kläger auf den Baustellen eingesetzt worden ist. Unstreitig arbeiteten zuletzt auf kleineren Baustellen der Beklagten keine Bauhelfer mehr, sondern lediglich noch Facharbeiter, die einfache Helfertätigkeiten mit erledigten.
Die Parteien streiten ferner um die Frage, ob die Beklagte durch ihre Geschäftsführer, die auch die alleinigen Gesellschafter sind, im November 2010 die unternehmerische Entscheidung getroffen hat, auf die Beschäftigung von Bauhelfern künftig zu verzichten und die vorhandenen Baustellen künftig nur noch mit Facharbeitern erledigen zu lassen, die die Bauhelfertätigkeiten mit übernehmen.
Mit Schreiben ohne Datum (Bl. 29 f. d. A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung des Klägers an. Die beabsichtigte Kündigung wurde damit begründet, künftig nur noch ausgebildete Fachkräfte zu beschäftigen.
Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Kündigung zu.
Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 25.11.2010 (Bl. 4 d. A.) aus betriebsbedingten Gründen zum 30.04.2011.
Hiergegen erhob der Kläger am 01.12.2010 Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht und machte neben der Unwirksamkeit der Kündigung seine Weiterbeschäftigung sowie Zahlungsansprüche und die Rücknahme einer Abmahnung geltend.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die ihm ausgesprochene Kündigung vom 25.11.2010 sei sozialwidrig. Insbesondere sei es unrichtig, dass die Tätigkeiten für Bauhelfer/Bauwerker weggefallen seien. Diese Tätigkeiten fielen weiterhin an.
Der Koordinierungsbedarf sei bei Beschäftigung von Bauwerkern nicht höher, als wenn nur Facharbeiter beschäftigt würden. Die Geschäftsleitung koordiniere auch keine Arbeitsabläufe; die Einteilungen übernähmen die Poliere. Es gebe auch keine Wartezeiten der Facharbeiter, bis der Helfer jeweils seine Arbeit erledigt hätte. Unzutreffend sei es auch, dass die Arbeit entweder zunächst brach liege, bis der Facharbeiter sie fortsetze, oder aber der Facharbeiter seine Arbeit noch nicht aufnehmen könne, wenn sich Bearbeitungszeiten durch die Bauhelfer verlängerten oder verzögerten. Im Gegenteil verzögerten sich die Arbeiten der Facharbeiter, wenn diese Hilfs- oder Bauwerkertätigkeiten mit übernehmen müssten. Wenn ein Facharbeiter bei Klinkerarbeiten sämtliche Arbeitsschritte selbst ausführen müsste, müsste er Mörtel mischen, Klinker packen, Klinker schneiden und, wenn ein Kranfahrer nicht vorhanden sei, die Klinkersteine auch selbst hoch fahren. Dadurch verzögerten sich die Arbeitsabläufe beim Klinkern ganz erheblich.
Es werde auch nicht jeder Arbeitsschritt eines unqualifizierten Bauhelfers durch einen qualifizierten Facharbeiter überwacht. Der Kläger arbeite selbständig. Die Beklagte habe die Arbeitsabläufe nicht neu koordiniert, sie seien unverändert.
Der Kläger habe zudem nicht ausschließlich Arbeiten der Lohngruppe 1 verrichtet. Er habe alle anfallenden Arbeiten erledigt, regelmäßig auch Facharbeiten wie etwa Eisen legen, Betonieren von Decken, Sohlen, Fahrstuhlschächten etc., Beton glätten, Dickbeschichtung (Bitumen) auftragen, Gerüst aufbauen, Umbauen (Aufstocken) und Abbauen, Ausschalen, Führen von Kränen, Stemm- und Abbrucharbeiten, Flexarbeiten, Anbringen von Dämmungen am Mauerwerk etc.. Er, der Kläger, werde auch regelmäßig als Kranführer eingesetzt und fahre unter anderem Steine und Betonbomben und be- und entlade LKW. Obgleich er über die erforderliche Erlaubnis nicht verfüge, habe die Geschäftsleitung ihn auch in Einzelfällen ausdrücklich angewiesen, Kräne zu führen.
Unrichtig sei auch, dass sich die Auftrags- und Firmenstruktur der Beklagten geändert habe. Die Beklagte habe sich immer an Ausschreibungen auch für größere Baustellen beteiligt. Unrichtig sei es auch, dass lediglich in der Vergangenheit größere Baustellen angefallen seien, auf denen der Einsatz von Bauhelfern sinnvoll erscheine.
Neben dem Kläger beschäftige die Beklagte ferner weitere ungelernte Arbeitnehmer, die er, der Kläger, jedoch namentlich nicht benennen könne. Auch der Mitarbeiter C1 W1 werde als Helfer eingesetzt. Ungeachtet des mit dem Zeugen W1 abgeschlossenen Arbeitsvertrages seien die Aufgabenbereiche, die er bislang wahrgenommen habe, und die des Zeugen W1 im Wesentlichen identisch.
Der Kläger hat ferner seine Zahlungsansprüche und den geltend gemachten Entfernungsanspruch der Abmahnung aus der Personalakte näher begründet.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25.11.2011 nicht aufgelöst worden ist,
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen in der vereinbarten Tätigkeit als Bauwerker über den 30.04.2010 hinaus weiter zu beschäftigen,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Arbeitslohn in Höhe von 220,94 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2010 zu zahlen,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 58,59 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.902,11 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 733,14 EUR seit 16.01.2011 sowie aus 1.168,97 EUR seit 16.02.2011 zu zahlen,
die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 03.12.2010 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die ausgesprochene Kündigung vom 25.11.2010 sei aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.
Hierzu hat sie behauptet, sie habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, auf die Beschäftigung von ungelernten Arbeitnehmern künftig vollständig zu verzichten. Nach Prüfung der Arbeitsabläufe habe sie festgestellt, dass die künstliche Aufteilung der Bautätigkeiten in einfache und qualifizierte Tätigkeiten ineffizient sei und einem modernen Betriebsablauf nicht mehr entspreche. Zudem entspreche es dem Anspruch der Geschäftsleitung, vor Ort für die Kunden qualifiziertes Personal vorzuhalten, welches auch qualifizierte Auskünfte geben könne. Durch den Verzicht auf die Beschäftigung ungelernter Arbeitnehmer würden Zeitverluste vermieden, die die Aufteilung der Arbeitsgänge mit sich brächte. Der Koordinierungsbedarf durch die Geschäftsleitung verringere sich, gleichzeitig erhöhe sich die Qualität der Arbeitsergebnisse. Auch werde die Kundenkommunikation verbessert. Gleichzeitig fiele die Tätigkeit für die Überwachung der einfachen Bauwerker weg.
Die Aufteilung eines Arbeitsvorganges in mehrere Teilschritte solle vermieden werden. Der Koordinierungsbedarf für die Beklagte sei höher, wenn für einen Arbeitsgang zwei Personen vorgehalten werden müssten, deren Arbeit aufeinander aufbauen solle. Praktisch bedeute dies, dass der Facharbeiter mit der Arbeit so lange warten müsse, bis der Helfer die Vorarbeiten erledigt habe. Die Geschäftsleitung müsse gleichzeitig dafür sorgen, dass der Hilfsarbeiter so eingesetzt werde, dass der Facharbeiter möglichst zeitlich nahtlos hieran anschließen könne. Verlängerten oder verkürzten sich die Bearbeitungszeiten durch den Hilfsarbeiter, so liege die Arbeit entweder zunächst brach, bis der Facharbeiter diese fortsetze, oder aber der Facharbeiter könne seine Arbeiten noch nicht aufnehmen. Bereite der Facharbeiter jedoch seine Arbeit selbst vor, so komme es weder zum Stillstand der Arbeit noch zur Unterbrechung der Arbeit des Facharbeiters. Die Verlagerung der wenigen noch von den Bauhelfern ausgeübten Tätigkeiten auf die qualifizierten Arbeitnehmer führe damit zur Verbesserung der Qualität des Arbeitsergebnisses, zur Verringerung des Koordinierungsbedarfs und zu einem effizienten Einsatz der qualifizierten Facharbeiter, da diese nicht noch einen Bauhelfer beaufsichtigen müssten.
Die Beklagte hat ferner behauptet, der Kläger habe in der Vergangenheit lediglich einfache Bau- und Montagearbeiten nach Anweisung und einfache Wartungs- und Pflegearbeiten an Baumaschinen und Geräten nach Anweisung ausgeführt. Dabei handele es sich um Bauhelfertätigkeiten nach der Tätigkeitsbeschreibung in der Lohngruppe 1. Der Kläger habe keine Facharbeitertätigkeiten ausgeübt und lediglich gelegentlich den Kran geführt. Noch in der Klageschrift habe der Kläger sich selbst als Bauwerker bezeichnet.
Die Beklagte hat ferner behauptet, der Kläger sei zuletzt der einzige ungelernte Mitarbeiter der Beklagten gewesen. Bei allen anderen Mitarbeitern habe es sich um Facharbeiter gehandelt. Mit dem Zeugen W1 sei der Kläger nicht vergleichbar. Der Zeuge W1 sei Facharbeiter. Er sei auch gemäß Arbeitsvertrag vom 03.07.2006 (Bl. 143 d. A.) als Baufacharbeiter eingestellt worden.
Der Abbau der letzten Bauhelferstelle sei letztlich nur der Schlusspunkt einer Entwicklung gewesen. Die Auftrags- und die Firmenstruktur habe sich in der Vergangenheit verändert. Während in der Vergangenheit regelmäßig größere Baustellen (15 Arbeiter und mehr) angefallen seien, sei dies in den letzten Jahren eher die Ausnahme gewesen. Im Jahre 2010 habe es nur eine größere Baustelle gegeben. Im Übrigen seien lediglich Aufträge bezogen auf Bauvorhaben mit weniger Facharbeitern zu erledigen. Auf solchen kleineren Baustellen mache der Einsatz eines Hilfsarbeiters keinen Sinn, da die Vorbereitungshandlungen und einfachen Bauwerkertätigkeiten nicht in einem Maße anfielen, die den Einsatz eines Bauhelfers erforderlich oder sinnvoll machten. Um einen Bauhelfer überhaupt auszulasten, müsste er von Baustelle zu Baustelle geschickt werden, wobei die Facharbeiter auf die Erledigung der Vorarbeiten durch den Helfer warten müssten. Deshalb sei auf den weit überwiegenden Baustellen kein Bauhelfer mehr im Einsatz gewesen. Obgleich die Beklagte immer mehrere Baustellen gleichzeitig unterhalte, sei sie gleichwohl mit nur einem Bauhelfer ausgekommen. Hieran werde deutlich, dass auf Bauhelfer ohne Weiteres ohne Beeinträchtigung des Betriebsablaufs verzichtet werden könne. Dies sei auf neun von zehn Baustellen ohnehin bereits der Fall.
Die Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, die Wirtschaftlichkeit der von der Beklagten getroffenen Unternehmerentscheidung sei durch das Arbeitsgericht nicht zu überprüfen. Sie sei auch nicht willkürlich und beruhe nicht auf unsachlichen Erwägungen. Angesichts der in der Vergangenheit für den Kläger und auch bei den Facharbeitern angefallenen Ausfallstunden hätten im Jahre 2008 und 2009 die Facharbeiter lediglich 12 Minuten mehr arbeiten müssen, um den Wegfall des letzten Bauhelfers zu kompensieren. Dies wäre ohne Weiteres möglich gewesen, indem etwa die Zeiten von konjunktureller Kurzarbeit bei Facharbeitern reduziert worden wären. Für das Jahr 2010 hätte dies bedeutet, dass die vorhandenen 23 Facharbeiter täglich nur etwa fünf Minuten mehr hätten arbeiten müssen, um die Arbeit des Klägers mit zu übernehmen. Auch dies wäre an Stelle von Kurzarbeit möglich gewesen.
Durch Urteil vom 19.05.2011 hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage und dem Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Zur Begründung der stattgebenden Entscheidung hat es ausgeführt, dass zwar von einer Unternehmerentscheidung der Beklagten ausgegangen werden könne, auf die Beschäftigung von einfachen Bauwerkern zu verzichten; es fehlten jedoch nachvollziehbare Angaben, um die behauptete Unternehmerentscheidung vom bloßen Entschluss, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu beenden, zu trennen. Auf einen zurückgehenden Arbeitsanfall bei einfachen Bauwerkern berufe sich die Beklagte selbst nicht. Nach den eigenen Angaben werde die Arbeitsmenge im Helferbereich nicht geringer, sondern lediglich auf andere Arbeitnehmer verteilt. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, die fehlende Arbeitskraft des Klägers könne dadurch aufgefangen werden, dass die verbleibenden Facharbeiter ca. fünf bis zwölf Minuten täglich länger arbeiteten, sei diese Berechnung nicht plausibel, weil sie lediglich vergangenheitsbezogen sei und nur Kurzarbeitszeiträume aus Zeiten schwacher Konjunktur berücksichtige. Woraus sich die Prognose der Beklagten ergebe, dass die Auftragslage auch künftig eine vollzeitige Auslastung aller Arbeitnehmer nicht ermögliche, sei nicht erkennbar. Es sei auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Arbeiten im Betrieb der Beklagten einfach in längere Zeiträume verlegt werden könnten. Bauaufträge seien in bestimmten Zeiträumen abzuschließen. Die Beklagte habe auch nicht substantiiert vorgetragen, dass sie beabsichtige, die Arbeit der Facharbeiter zu verdichten. Ihr weiteres Vorbringen, durch den Verzicht auf Bauwerker würden Zeitverluste ausgeglichen, sei nicht bewiesen und erschließe sich auch nicht von selbst. Aus welchen Gründen der Einsatz von Helfern einen höheren Koordinierungsbedarf erfordere, sei nicht vorgetragen worden. Dass die Arbeitsmenge der Bauwerker selbst rückläufig sei, behaupte die Beklagte selbst nicht. Auch der allgemeine Hinweis der Beklagten auf weniger zu bearbeitende Großbaustellen sei unsubstantiiert. Aus all diesen Gründen reduziere sich die Organisationsentscheidung der Beklagten auf die Entscheidung zur Kündigung des Klägers, die nicht ausreichend begründet sei.
Gegen das der Beklagten am 08.08.2011 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 08.09.2011 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 20.09.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags ist die Beklagte weiter der Auffassung, sie habe eine nicht überprüfbare Unternehmerentscheidung getroffen, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers geführt habe. Das Arbeitsgericht sei von einem falschen Prüfungsmaßstab ausgegangen und habe an den Sachvortrag des kündigenden Arbeitgebers zu hohe Anforderungen gestellt. Weder habe die Beklagte die Stelle des Klägers neu definiert noch sei das Anforderungsprofil erhöht worden. Die Stelle des Klägers sei vielmehr ersatzlos gestrichen worden. Die Beklagte müsse den Kläger auch nicht zum Facharbeiter weiter qualifizieren und ihm eine mehrjährige Ausbildung zum Facharbeiter zu Teil werden lassen. Durch das erstinstanzliche Urteil habe das Arbeitsgericht in die Planungshoheit des Arbeitgebers eingegriffen und der Beklagten ein eigenes Wirtschaftskonzept entgegengehalten.
Durch das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten ergebe sich bereits, dass die Übernahme der Helfertätigkeiten durch die Facharbeiter für diese keine überobligatorischen Leistungen darstellten. Die Übernahme der Helfertätigkeiten durch die Facharbeiter sei auch angesichts der in der Vergangenheit angefallenen erheblichen Ausfallzeiten bei den Facharbeitern möglich gewesen. Diese seien zeitlich dazu in der Lage, die Arbeiten des Klägers mit zu übernehmen.
Hinzu komme der zunehmende Wegfall von Großbaustellen, aus dem sich ergebe, dass von Bauhelfern immer weniger sinnvoll erscheine. Kämen auf einem Objekt nur wenige Facharbeiter zum Einsatz, so fielen an diesem Objekt auch weniger Hilfstätigkeiten an. Eine Auslastung ließe sich – wenn überhaupt – nur noch durch eine höhere Koordinierung erreichen, weil eine kleinere Baustelle allein keine Vollzeithelfertätigkeit erfordere und man den Helfer letztlich von “Bau zu Bau” schicken müsse. Zuletzt im Jahre 2010 habe es nur eine Baustelle gegeben, auf der mehr als 15 Arbeiter beschäftigt gewesen seien.
Auch dieses Konzept der Beklagten habe der Kläger selbst bestätigt, indem er vorgetragen habe, dass auf einzelnen Baustellen der Beklagten ohne Bauhelfer gearbeitet werde. Der Kläger habe auch selbst nicht behauptet, dass Facharbeiter überlastet seien. Hiernach hätte es dem Kläger oblegen, die Gründe vorzutragen, die das Konzept der Beklagten als undurchführbar erscheinen ließen.
Der nichtüberprüfbaren Unternehmerentscheidung entspreche es auch, wenn die Beklagte eine verlangsamte Arbeitserledigung in Kauf nehme. Ob und wann und für welchen Zeitraum mit welchem Fertigstellungstermin die Beklagte Aufträge annehme, sei allein ihre Sache. Da sie heute noch nicht wisse, welche Aufträge ihr konkret angedient würden, könne von ihr insoweit kein konkreter Sachvortrag abverlangt werden. Wie bei jeder anderen Firma werde bei zukünftigen Aufträgen geprüft, ob sie in der vorgegebenen Zeit erledigt werden könnten. Gerade im privaten Bausektor bestehe die Möglichkeit, im Rahmen der Vertragsverhandlungen – je nach Auslastung – auch spätere Fertigstellungstermine zu vereinbaren. Aus Sicht der Beklagten hätten keine Anhaltspunkte vorgelegen, dass zukünftig wieder mehr Großbaustellen anfallen würden und sich die in der Vergangenheit aufgetretene Auftrags- und Auslastungssituation zukünftig ändern werde. Dies ergebe sich auch aus der Beschäftigungssituation im Betrieb nach Ausspruch der Kündigung. Zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung beschäftige die Beklagte insgesamt 30 Mitarbeiter, davon 25 Facharbeiter, einfache Bauhelfer seien seit der Kündigung des Klägers bei der Beklagten nicht mehr beschäftigt. Zurzeit würde eine Großbaustelle betreut, auf der etwa neun Facharbeiter eingesetzt würden. Daneben seien mehrere kleinere Baustellen vorhanden, auf denen etwa vier oder fünf Facharbeiter eingesetzt seien. Darunter seien mehrere Einfamilienhäuser, auch ein Fünffamilienhaus.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Rheine vom 19.05.2011 – 2 Ca 2031/10 – die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und bestreitet nach wie vor die von der Beklagten getroffene Unternehmerentscheidung. Die Arbeit der Bauwerker sei nicht weggefallen. Aus dem Vorbringen der Beklagten ergebe sich auch nicht, dass sie die behauptete Organisationsentscheidung durchgeführt und umgesetzt habe. Dazu hätte die Beklagte näher vortragen müssen, welche Tätigkeiten bislang vom Kläger ausgeübt worden seien und welche Tätigkeiten zukünftig von den Facharbeitern übernommen würden. Dass die Arbeitsmenge der Tätigkeiten der Bauwerker rückläufig sei, trage die Beklagte selbst nicht vor. Es werde nach wie vor bestritten, dass einfache Hilfsarbeitern von den qualifizierten Facharbeitern in einem Arbeitsgang mit erledigt werden könnten und dass eine Umverteilung derjenigen Arbeiten, die der Kläger bislang verrichtet habe, ohne Weiteres möglich sei. Unrichtig sei es auch, dass Großbaustellen zunehmend wegfielen.
Im Übrigen könne der Kläger, der in der Vergangenheit auch Facharbeiten ausgeführt habe, ohnehin nicht als einfacher Bauhelfer angesehen werden.
Schließlich könne die Beklagte sich auch nicht auf die in der Vergangenheit angeordnete Kurzarbeit berufen, diese habe nur bis September 2011 gedauert. Ab Oktober 2011 sei weitere Kurzarbeit nicht angeordnet worden.
Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage des Klägers sowie dem Weiterbeschäftigungsbegehren stattgegeben.
I. Die Unwirksamkeit der Kündigung vom 25.11.2010 zum 30.04.2011 ergibt sich aus § 1 Abs. 1 KSchG.
Sowohl die Beschäftigungszeit des Klägers im Betrieb der Beklagten als auch die Größe des Betriebes der Beklagten rechtfertigen die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes, §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG.
Die Kündigungsschutzklage ist auch rechtzeitig erhoben worden, § 4 KSchG.
1. Die Kündigung des Klägers vom 25.11.2010 ist sozial ungerechtfertigt, weil sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Beklagten entgegenstehen, bedingt ist, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.
a) Dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG liegen dann vor, wenn infolge eines Überhanges an Arbeitskräften für die Beschäftigung eines Arbeitnehmers wirtschaftlich kein Bedarf mehr vorhanden ist und andere Mittel unter Abwägung des Betriebes und der Belegschaft nicht zumutbar sind. Dringende betriebliche Erfordernisse sind dann gegeben, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein. Dabei können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z.B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z. B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen “dringend” sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Beruft sich der Arbeitgeber auf außerbetriebliche oder innerbetriebliche Umstände, darf er sich nicht auf schlagwortartige Umschreibungen beschränken; er muss seine tatsächlichen Angaben vielmehr so im Einzelnen darlegen, dass sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden können. Der Vortrag des Arbeitgebers muss erkennen lassen, ob durch eine innerbetriebliche Maßnahme oder durch einen außerbetrieblichen Anlass das Bedürfnis an der Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt.
Bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen muss der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen und technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer auswirken. Von den Arbeitsgerichten ist insbesondere voll nachzuprüfen, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist. Auch wenn die Unternehmerentscheidung selbst nur dahingehend zu überprüfen ist, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist, so unterliegt es stets der vollen Überprüfung, ob die Unternehmerentscheidung tatsächlich ursächlich für den vom Arbeitgeber geltend gemachten Beschäftigungswegfall ist (BAG 07.12.1978 – 2 AZR 155/77 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 6; BAG 17.06.1999 – 2 AZR 141/99 – AP KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101; BAG 21.09.2000 – 2 AZR 440/99 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 112; BAG 13.03.2008 – 2 AZR 1037/06 – AP KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 176, Rn. 12; BAG 10.07.2008 – 2 AZR 1111/06 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181; KR/Griebeling, 9. Aufl., § 1 KSchG Rn. 514 ff., 553 ff.; ErfK/Oetker, 11. Aufl., § 1 KSchG Rn. 211 ff., 241, 259 ff. m.w.N.).
Für eine beschlossene und tatsächlich durch durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist und kein Rechtsmissbrauch vorliegt (BAG 21.09.2006 – 2 AZR 607/05 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 130; BAG 23.04.2008 – 2 AZR 1110/06 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 177, Rn. 18 m.w.N.). Wenn allerdings die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss ohne nähere Konkretisierung praktisch deckungsgleich sind, so kann die Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht in jedem Fall von vornherein greifen. Die Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur noch von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist von den Arbeitsgerichten grundsätzlich nur dann zu respektieren, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der auszuführenden Arbeiten haben (BAG 24.06.2004 – 2 AZR 326/03 -AP KSchG 1969 § 1 Nr. 76; BAG 07.07.23005 – 2 AZR 399/04 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138. Aus diesem Grund muss der Arbeitgeber in derartigen Fällen zur Begründung des dringenden betrieblichen Erfordernisses die Unternehmerentscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffs “Dauer” näher darlegen und gegebenenfalls beweisen, um so dem Gericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob die Unternehmerentscheidung nicht offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Der Arbeitgeber muss in diesen Fällen konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeit auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Änderungsbedarf besteht. Er muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben auf die zukünftige Arbeitsmenge anhand einer schlüssigen Prognose konkret darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können (BAG 17.06.1999 – 2 AZR 522/98 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 102; BAG 22.05.2003 – 2 AZR 326/02 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128; BAG 07.07.2005 – 2 AZR 399/04 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138; BAG 13.02.2008 – 2 AZR 1041/06 – AP KSchG 1969 § 1 Nr. 174; BAG 10.07.2008 – 2 AZR 1111/06 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181; BASG 16.12.2010 – 2 AZR 770/09 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186; KR/Griebeling, a.a.O., § 1 KSchG Rn. 557; ErfK/Oetker, a.a.O., § 1 KSchG Rn. 292 m.w.N.).
b) In Anwendung der vorgenannten Grundsätze ist das Arbeitsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass betriebsbedingte Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung des Klägers nicht sozial rechtfertigen können.
Außerbetriebliche Gründe, die unmittelbar und ursächlich zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers geführt haben, hat die Beklagte selbst nicht geltend gemacht.
Die Kündigung des Klägers vom 25.11.2010 ist aber auch nicht aufgrund einer innerbetrieblichen Unternehmerentscheidung sozial gerechtfertigt.
aa) Zwar hat die Beklagte behauptet, dass sie am 12.11.2010 durch ihre Geschäftsführer, die gleichzeitig die beiden Gesellschafter der Beklagten sind, die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, auf ungelernte Bauhelfer zukünftig vollständig zu verzichten und deren Tätigkeiten in vollem Umfang auf die bei ihr beschäftigten Facharbeiter zu übertragen. Derartige Entscheidungen eines Arbeitgebers können zwar grundsätzlich eine unternehmerische Entscheidung darstellen, die zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses von bestimmten Arbeitnehmern führt und nur einer eingeschränkten Überprüfung durch die Arbeitsgerichte unterliegt (BAG 11.09.1986 – 2 AZR 564/85 – BB 1987, 1882 = EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 54; BAG 17.06.1999 – 2 AZR 522/98 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 102). Der Kläger hat jedoch erstinstanzlich wie auch im Berufungsverfahren ausdrücklich bestritten, dass eine derartige Unternehmerentscheidung bei der Beklagten tatsächlich getroffen worden ist. Ob eine derartige unternehmerische Entscheidung der Beklagten tatsächlich vorliegt, konnte jedoch weder vom Arbeitsgericht noch von der Berufungskammer überprüft werden, da die Beklagte für die behauptete Unternehmerentscheidung keinen Beweis angetreten hat. Hierauf hat bereits der Kläger im Laufe des vorliegenden Kündigungsschutzverfahrens mehrfach ausdrücklich hingewiesen.
bb) Die Beklagte hat auch darüber hinaus weder erstinstanzlich noch im Berufungsverfahren in ausreichender Weise deutlich machen können, in welcher Weise sie ihre behauptete unternehmerische Entscheidung im Betrieb umgesetzt hat und durch diese Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger entfallen ist. Insoweit fehlt es, wie das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, an einem ausreichenden tatsächlichen Vorbringen der Beklagten, in welcher Weise diese Entscheidung tatsächlich umgesetzt worden ist und hierdurch die Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger als Bauwerker tatsächlich weggefallen ist. Das gesamte Vorbringen der Beklagten ist insoweit nach wie vor unsubstantiiert. Aus ihrem Vorbringen ergibt sich nicht in nachprüfbarer Weise, dass die unternehmerischen Vorgaben der Beklagten sich anhand einer schlüssigen Prognose dauerhaft in der Weise auswirken, dass zukünftig auf die Arbeit eines Bauhelfers verzichtet werden kann.
Zwar kann zu Gunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass der Kläger zuletzt der einzige bei ihr noch beschäftigte Bauwerker gewesen ist. Die Berufungskammer unterstellt auch zu Gunsten der Beklagten, dass auch die Baufacharbeiter in den letzten Jahren aufgrund der im Betrieb angeordneten Kurzarbeit nicht in vollem Umfang ausgelastet gewesen sind und Ausfallzeiten aufgrund Kurzarbeit in dem von der Beklagten angegebenen Umfang angefallen sind, wobei diese Ausfallzeiten es ermöglicht haben, die Tätigkeiten, die der Kläger als Bauwerker in der Vergangenheit zuletzt ausgeübt hat, durch die von der Beklagten beschäftigten Facharbeiter mit verrichten zu lassen.
Diese Umstände allein ermöglichen die Überprüfung, ob der Beschäftigungsbedarf für den Kläger tatsächlich entfallen und die Entscheidung der Beklagten weder offensichtlich unsachlich noch willkürlich ist, jedoch nicht. Zu Recht hat das Arbeitsgericht bereits in dem angefochtenen Urteil darauf hingewiesen, dass die Berechnung der Beklagten hinsichtlich der Ausfallzeiten vergangenheitsbezogen gewesen ist sich auf Kurzarbeitszeiträume aus Zeiten schwacher Konjunktur bezieht. Dafür, dass zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung am 25.11.2010 die sachlich gerechtfertigte Prognose bestand, dass es in der Zukunft ebenfalls zu Kurzarbeitszeiten kommen wird, mit der Folge, dass die Facharbeiter nicht genügend ausgelastet und demzufolge in der Lage sind, einfache Bauwerkertätigkeiten mit zu übernehmen, hat die Beklagte keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen. Im Termin vor der Berufungskammer vom 27.01.2012 hat sich hingegen herausgestellt, dass über die witterungsbedingte Kurzarbeit hinaus keinerlei Kurzarbeit im Jahre 2011 angeordnet worden ist. Hieraus muss entnommen werden, dass die Facharbeiter, die die Beklagte beschäftigt, jedenfalls zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist am 30.04.2011 in vollem Umfang ausgelastet gewesen sind. Auch aus einem Vergleich der in den Zeiten der Kurzarbeit – 2008 bis 2010 – beschäftigten Anzahl der Facharbeiter mit der Anzahl der im Jahr 2011 Beschäftigten Facharbeiter ergeben sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte. Die Anzahl der im Jahr 2011, 2012 beschäftigten Facharbeiter hat gegenüber der Zeit der Kurzarbeit sogar leicht zugenommen.
Auch der Hinweis der Beklagten darauf, die Baustellenstruktur habe sich in der letzten Zeit geändert, es fielen immer weniger Großbaustellen an, sodass der Einsatz von Bauhelfern immer weniger sinnvoll erscheine, ist unzureichend. Auch dieses Vorbringen hat der Kläger in ausreichender Weise bestritten. Die Beklagte hat hingegen weder erstinstanzlich noch im Berufungsverfahren näher erläutert, in welchem Umfang in den vorangegangenen Jahren Großbaustellen weggefallen und in welchem Umfang lediglich kleinere Baustellen zu betreuen gewesen sind, auf denen der Einsatz eines Bauhelfers nicht mehr sinnvoll erscheint. So ist von der Beklagten lediglich vorgetragen worden, dass es früher regelmäßig größere Baustellen mit etwa 15 Arbeitnehmern gegeben habe, im Jahre 2010 habe es nur eine größere Baustelle gegeben, die annähernd einen derartigen Personaleinsatz erfordert habe, auf neun von zehn Baustellen könne auf die Tätigkeit eines Bauhelfers verzichtet werden. Dieses Vorbringen ist unzureichend, weil es eine Überprüfung der Vermutung, die von der Beklagten behauptete Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht zulässt. Bereits das Arbeitsgericht hat in dem angefochtenen Urteil darauf hingewiesen, dass der allgemeine Hinweis der Beklagten auf weniger zu bearbeitende Großbaustellen unzureichend ist. Die Beklagte hätte vielmehr vortragen müssen, welche Großbaustellen sie in der Vergangenheit gehabt hat, auf denen der Einsatz des Klägers als Bauwerker noch sinnvoll gewesen ist und wann, in welchem Zeitraum und in welchem Umfang die Anzahl derartiger Großbaustellen, auf denen der Einsatz des Klägers noch Sinn machte, weggefallen ist. Hierzu fehlen jegliche Anhaltspunkte im Beklagten vorbringen. Auch die Erörterungen im Termin vor der Berufungskammer haben hierzu keine näheren Erläuterungen gebracht. Die Beklagte hat insoweit lediglich vorgetragen, sie betreue zurzeit eine Großbaustelle, auf der etwa neun Facharbeiter eingesetzt würden. Daneben seien mehrere kleinere Baustellen vorhanden, Einfamilienhäuser, auch ein Fünffamilienhaus, auf denen etwa vier oder fünf Facharbeiter eingesetzt würden. Auch aus diesem Vorbringen ergibt sich nicht, dass ein Einsatz des Klägers etwa auf der derzeit vorhandenen Großbaustelle oder auf den weiteren Baustellen keinen Sinn mehr macht. Es hätte auch näher dargelegt werden müssen, aus welchen Gründen ein Einsatz des Klägers als Bauhelfer etwa auf der derzeit betreuten Großbaustelle überflüssig erscheint. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass etwa bei dem Bau eines Fünffamilienhauses der Einsatz eines Bauwerkers mangels Auslastung nicht in Betracht kommt.
II. Zu Recht hat das Arbeitsgericht aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung vom 25.11.2010 auch dem Weiterbeschäftigungsbegehren des Klägers stattgegeben.
Der Beschäftigungsanspruch des Klägers ist abzuleiten aus den §§ 611, 613, 242 BGB, Art. 1 und 2 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 27.02.1985 – GS 1/84 – AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14) hat der gekündigte Arbeitnehmer einen allgemeinen Beschäftigungsanspruch außer im Fall einer offensichtlich unwirksamen Kündigung mindestens dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. Ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers ist nur bis zur Entscheidung der ersten Instanz im Kündigungsschutzprozess anzuerkennen. Diese Interessenlage ändert sich dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. In diesem Fall kann die Ungewissheit über den endgültigen Prozessausgang für sich allein ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr begründen. Will der Arbeitgeber auch für diesen Fall die Beschäftigung verweigern, so muss er zusätzliche Gründe anführen, aus denen sich sein überwiegendes Interesse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers ergibt.
Derartige Gründe hat die Beklagte weder erstinstanzlich noch im Berufungsrechtszug vorgetragen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht trotz der Kündigung durch die Beklagte vom 25.11.2010 hinaus fort. Gründe, die ein überwiegendes Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers begründen könnten, liegen nicht vor, nachdem die Beklagte in zwei Instanzen im Kündigungsrechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung vom 25.11.2010 gescheitert ist.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.
Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz geändert und war für das Berufungsverfahren gem. § 63 GKG neu festzusetzen. Er beläuft sich auf 11.595,78 Euro (5 Monatsverdienste).
Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

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