LAG Hamm, Urteil vom 28.05.2010 – 7 Sa 565/10

September 30, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 28.05.2010 – 7 Sa 565/10

Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 05.11.2009 – 2 Ca 721/09 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 25,48 euro; (brutto) zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten vor dem Hintergrund eines unterschiedlichen Verständnisses der einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmung um die Zahlung eines tariflichen Mehrarbeitszuschlags.
Der 1965 geborene Kläger ist seit 1985 bei der Beklagten als Facharbeiter mit einem Stundenlohn von zuletzt 12,63 euro; (brutto) bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund der Gewerkschaftszugehörigkeit des Klägers sowie eines Anschlusstarifvertrages, den die Beklagte abschloss, der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer in der Ziegelindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (ausgenommen Bayern) vom 30.08.2006 (im Folgenden MTV) Anwendung.
Der Kläger leistete im Monat Januar 2009 acht Mehrarbeitsstunden. Den dafür aus seiner Sicht zu zahlenden Mehrarbeitszuschlag von 25 % errechnete er mit insgesamt 25,48 euro; (brutto) und machte diesen Betrag mit Schreiben vom 04.03.2009 schriftlich geltend.
Die wöchentliche Arbeitszeit im Betrieb der Beklagten beträgt durchgängig 38 Stunden. Eine Vereinbarung über die Arbeitszeit existiert im Betrieb der Beklagten nicht. Die Vergütung der Arbeitszeit erfolgt auf der Grundlage der konkret im Monat geleisteten Stunden. Eine unterschiedliche Verteilung dieser wöchentlichen Arbeitszeit findet nicht statt.
§ 6 MTV legt zu Anspruch und Höhe des Mehrarbeitszuschlags Folgendes fest:
§ 6
Zuschläge
Zuschlagsätze
Für angeordnete Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit, soweit nicht regelmäßige Arbeitszeit, sind folgende Zuschläge zu bezahlen:
für Mehrarbeit 25 %
die ersten 10 Stunden, die über die nach
§ 5 Ziffer 2 Abs. 1 vereinbarten Monats-
stunden hinaus geleistet werden, sind
zuschlagsfrei.
(…)
§ 5 MTV bestimmt dabei Folgendes:
§ 5
Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit
(…)
Bei gleichmäßiger Verteilung der tariflichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochen des Jahres ist Mehrarbeit die über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nach § 3 Abs. 1 oder 9 hinausgehende Arbeit.
Sollte bei dieser Arbeitszeitverteilung eine ganzjährige Beschäftigung gewährleistet werden oder zumindest eine Beschäftigung von 8 Monaten und 1 Tag, so gelten abweichend die Regelungen in Abs. 3 und 4.
Bei unterschiedlicher Verteilung der tariflichen Arbeitszeit auf der Basis eines Arbeitszeitverteilungsplanes mit dem Ziel der durchgehenden jährlichen Beschäftigung, zumindest aber der weitgehenden Verhinderung oder zeitlichen Verschiebung von Winter- oder Saisonkündigungen (Erreichen einer für jeden Mitarbeiter zumindest durchgehenden Beschäftigung von 8 Monaten und 1 Tag), sind Mehrarbeit erst die Stunden, die über die im Rahmen eines Arbeitszeitverteilplans festgelegte Gesamtarbeitszeit hinausgehen.
Die Betriebe sind jedoch berechtigt, ausschließlich zum Erreichen des Ziels einer ganzjährigen Beschäftigung der Mitarbeiter diese Stunden zuschlagsfrei auf das nächste Jahresarbeitszeitkonto zu übertragen. Ist dies von Arbeitgeberseite nicht gewollt, sind die anfallenden Zuschläge in Geld abzugelten.
Die Mehrarbeit sollte vorrangig durch entsprechende Freizeit an anderen Tagen abgegolten werden. Erfolgt der Freizeitausgleich im Laufe eines Zeitraums, der bis zu 18 Monate betragen kann, entfällt die Zuschlagspflicht. Ist dies nicht möglich, sind die anfallenden Zuschläge in Geld oder Freizeit abzugelten.
(…)
Zur “regelmäßigen Arbeitszeit” haben die Tarifvertragsparteien in § 3 MTV – soweit von Bedeutung – folgende Regelung getroffen:
§ 3
Regelmäßige Arbeitszeit
Präambel
Die Tarifvertragsparteien verfolgen mit den Möglichkeiten zur verbesserten Flexibilisierung der Arbeitszeit das Ziel, den Unternehmen und Betrieben interne Lösungsmöglichkeiten zu eröffnen um
auf auftragsbedingte Schwankungen besser reagieren zu können und
soweit unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten möglich, witterungsbedingte Kündigungen oder Saisonkündigung zu vermeiden oder zeitlich zu verkürzen.
a) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 38 Stunden (…). Die tarifliche Arbeitszeit kann gleichmäßig oder ungleichmäßig innerhalb eines betrieblich festzulegenden Verteilungszeitraums der bis zu 18 Monaten betragen kann, verteilt werden. Zu diesem Zweck können die Betriebsparteien ein Arbeitszeitkonto einrichten. Hierdurch sollen Kündigungen nach § 2, IV oder Saisonschluss nach § 2, V, soweit betrieblich möglich, vermieden oder zeitlich verkürzt werden. (…)
b) (…)
Bei ungleichmäßiger Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit wird das tarifliche Monatsentgelt auf der Basis der regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit multipliziert mit dem tatsächlichen persönlichen Stundenverdienst durchgezahlt. Näheres ist in Betriebsvereinbarungen zu regeln.
(…)
Der Kläger hat die Auffassung geäußert, die einschränkende Bestimmung in § 6 Ziffer 1 MTV, wonach die ersten 10 Mehrarbeitsstunden zuschlagsfrei seien, fände keine Anwendung, weil im Betrieb der Beklagten keine Arbeitszeitregelung i. S. d. § 5 Ziffer 2 Abs. 1 MTV bestehe. Die Privilegierung einer Zuschlagsfreiheit für die ersten 10 Mehrarbeitsstunden greife in den Fällen der gleichmäßigen und unterschiedlichen Verteilung der tariflichen Arbeitszeit nach § 5 Ziffer 2 Abs. 1 MVT. Eine gleichmäßige Verteilung der tariflichen Arbeitszeit liege vor, wenn die wöchentliche Arbeitszeit im Jahresverlauf unterschiedlich hoch festgesetzt sei, ohne dass sie im eigentlichen Sinne flexibel gehandhabt werde. In jedem Fall setze die Privilegierung voraus, dass eine Vereinbarung über die Arbeitszeit im Betrieb bestehe. Dies spiegele sich auch in der Anspruchsnorm des § 6 Ziff. I. 1. MTV wider werde dort von “vereinbarten Monatsstunden” gesprochen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25,48 euro; (brutto) zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung geäußert, es könne nicht angenommen werden, dass die Regelung über die Zuschlagsfreiheit der ersten 10 Mehrarbeitsstunden in § 6 I. Ziffer 1 MTV nur dann greife, wenn eine Vereinbarung über ein Arbeitsmodell bestehe. Nach den tarifvertraglichen Bestimmungen könne die Arbeitszeit entweder gleichmäßig oder ungleichmäßig innerhalb eines Verteilzeitraums von maximal 18 Monaten verteilt werden. Die ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit diene der Flexibilisierung. Insoweit könne ein Arbeitszeitkonto sinnvoll erscheinen. Bei einer gleichmäßigen Verteilung der tariflichen Arbeitszeit gebe es hingegen keine tarifliche Wochenarbeitszeit, die regelmäßig unter- bzw. überschritten werden könne und deshalb innerhalb eines Verteilzeitraums auszugleichen sei. Die Formulierung “gleichmäßig” in § 5 Ziffer 2 MTV mache deutlich, dass die Zuschlagsprivilegierung greife, sofern auf die einzelnen Wochen des Jahres die gleiche Arbeitszeit entfalle. Dies sei in ihrem Betrieb gegeben.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 05.11.2009 abgewiesen, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Zwar betrage die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nach § 3 Ziff. 1 a Abs. 1 S. 1 MTV 38 Stunden. Doch erlaube § 3 Ziff. 1 a Abs. 1 S. 2 MTV eine “gleichmäßige” oder “ungleichmäßige” Verteilung der “regelmäßigen” wöchentlichen Arbeitszeit. Die Möglichkeit einer unterschiedlichen Verteilung der Arbeitszeit ändere aber nichts daran, dass als “regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit” 38 Stunden definiert seien.
Gegen das dem Kläger am 24.03.2010 zugestellte Urteil, in dem die Berufung für ihn zugelassen worden war, richtet sich dessen am 23.04.2010 eingelegte und am 21.05.2010 begründete Berufung.
Der Kläger weist daraufhin, dass § 5 Ziffer 2 Abs. 1 MTV nicht die Monatsstunden regele, sondern lediglich auf § 3 MTV verweise. Dort sei in Satz 1 geregelt, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 38 Stunden betrage. In § 3 Ziffer 1 a Abs. 1 Satz 2 MTV sei aber auch festgehalten, dass die tarifliche Arbeitszeit gleichmäßig oder ungleichmäßig innerhalb eines betrieblichen festgelegten Verteilungszeitraums verteilt werden könne.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Rheine vom 25.01.2010 – 1 Ca 715/09 – die Beklagte zu verteilen, an ihn 25,48 euro; (brutto) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Der Verweis auf § 3 Abs. 1 MTV, der über die §§ 6 Ziff. 1 MVT, 5 Ziff. 2 Abs. 1 MVT erfolge, stehe dem Auslegungsergebnis des Arbeitsgerichts nicht entgegen. Die Tarifvertragsparteien hätten für die Zuschlagsfreiheit auf den Begriff “Monatsstunden” als Bezugsgröße abgestellt. § 5 Ziff. 2 Abs. 1 MVT spreche ausdrücklich von einer “gleichmäßiger Verteilung der tariflichen Arbeitszeit”. Damit könne nichts anderes gemeint sein, als dass bei einer gleichmäßigen Verteilung der tariflichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochen des Jahres mit jeweils 38 Stunden die ersten 10 Stunden zuschlagsfrei sein sollen.
Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
I.
Die nach § 64 Abs. 2 lit. a ArbGG im Urteil des Arbeitsgerichts ausdrücklich zugelassen Berufung, die nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG am 23.04.2010 gegen das am 24.03.2010 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt sowie innerhalb der Frist des § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG und auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) am 21-05.2010 begründet worden, ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
II.
Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 25,48 euro; (brutto) aus den § 611 Abs. 1 BGB, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG i. V. m. § 6 I. Ziff. 1. MTV zu. Nach § 6 I. Ziff. 1 MTV ist für angeordnete Mehrarbeit ein Zuschlag von 25 % zu bezahlen. Der Kläger hat im Monat Januar 2009 unstreitig acht Mehrarbeitsstunden geleistet, für die rechnerisch zutreffend ein Zuschlag in Höhe der Klageforderung anfällt.
1.
Diesem Anspruch steht die einschränkende Regelung in § 6 I. Ziff. 1 MTV nicht entgegen, wonach die ersten 10 Stunden, die über die nach § 5 Ziff. 2 Abs. 1 MTV vereinbarten Monatsstunden hinaus geleistet werden, zuschlagsfrei sind. Dem Arbeitsgericht ist nicht zu folgen, ist es der Auffassung, die Zuschlagsfreiheit greife auch für den Fall, dass in einem Betrieb die tarifliche Wochenarbeitszeit von 38 Stunden unverändert zur Anwendung kommt. Voraussetzung für die Privilegierung einer Zuschlagsfreiheit ist vielmehr, dass es zu einer “gleichmäßigen” oder “ungleichmäßigen” Verteilung der Arbeitszeit gekommen ist. An einer Verteilung der Arbeitszeit fehlt es hingegen im Betrieb der Beklagten.
Im Wege der Auslegung der einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen lässt sich feststellen, dass ein Akt der Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit Voraussetzung für die Zuschlagsfreiheit der ersten 10 Stunden ist. Zutreffend weist das Arbeitsgericht darauf hin, dass der normative Teil eines Tarifvertrages in ständiger arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln auszulegen ist. Somit ist zunächst vom Wortlaut der tarifvertraglichen Bestimmung auszugehen. Der maßgebliche Sinn der Erklärung ist festzustellen, ohne am Buchstaben zu haften. Ist der Tarifwortlaut nicht eindeutig, so ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, sofern er in den tariflichen Normen Ausdruck gefunden hat. Dabei ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert. Nur so können Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden. Lässt sich auf diesem Weg ein zweifelsfreies Auslegungsergebnis nicht ermitteln, kann ohne Bindung an eine Reihenfolge ergänzend auf weitere Kriterien zurückgegriffen werden, etwa die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages oder auch die praktische Tarifübung. Letztlich ist auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen. Verbleiben Zweifel, gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rspr., vgl. BAG 01.04.2009, 10 AZR 593/08, juris; 19.01.2000, 4 AZR 814/98, NZA 2000, 1300, jeweils m.w.N.).
Für die Zuschlagsfreiheit nach § 6 I. Ziff. 1. MTV kommt es darauf an, ob es sich um Stunden handelt, die über die nach “§ 5 Ziff. 2 Abs. 1 vereinbarten Monatsstunden” hinaus geleistet werden. Dies sind nach § 5 Ziff. 2 Abs. 1 MTV bei einer “gleichmäßigen” Verteilung der tariflichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochen des Jahres die Arbeitsstunden, die über die “regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit” nach § 3 Abs. 1 MTV hinausgehen.
Die “regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit wird in § 3 Ziff. 1. a) Abs. 1 S. 1 MTV definiert. Sie beträgt nach dieser Bestimmung 38 Stunden. Diese Arbeitszeit von 38 Stunden kann nach § 3 Ziff. 1. a) Abs. 1 S. 2 MTV als “tarifliche Arbeitszeit” entweder “gleichmäßig” oder “ungleichmäßig” innerhalb eines betrieblich festzulegenden Verteilungszeitraums, der bis zu 18 Monate betragen kann, verteilt werden. Die Tarifvertragsparteien verwenden das Verb “verteilen” in der Flexionsform des Passivs. Es bezieht sich auf das um die Adjektive “gleichmäßig” und “ungleichmäßig” ergänzte Substantiv “Arbeitszeit”. Die Tarifvertragsparteien machen damit deutlich, dass die “regelmäßige” Arbeitszeit des § 3 Ziff. 1. a) Abs. 1 MTV einem Veränderungsprozess unterworfen ist, dessen Ergebnis eine “gleichmäßige” oder “ungleichmäßige” Verteilung der Arbeitszeit sein muss. Es greift damit zu kurz, alleine auf den in § 3 Ziff. 1. a) Abs. 1 S. 1 MTV verwandten Begriff “regelmäßig” abzustellen, die von den Tarifvertragsparteien verwandten Begriffe “regelmäßig” und “gleichmäßig” als Synonyme zu verstehen, um sodann die von der Beklagten unverändert übernommene regelmäßige Arbeitszeit von 38 Stunden einer “gleichmäßigen Arbeitszeit” im Sinne des § 5 Ziff. 2 Abs. 1 MTV gleichzusetzen.
Ein Veränderungsprozess, der die “regelmäßige Arbeitszeit” betroffen hat, hat hingegen bei der Beklagten nicht stattgefunden. Sie hat die “regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit” im Sinne des § 3 Ziff. 1. a) Abs. 1 S. 1 MTV gerade nicht verändert. Damit ist die Arbeitszeit zwar nach wie vor “regelmäßig”, aber nicht “gleichmäßig” verteilt im Sinne des § 5 Ziff. 2 S. 1 MTV. Da die Voraussetzung einer “gleichmäßigen Verteilung” im Sinne dieser tariflichen Bestimmung nicht erfüllt ist, greift auch die Zuschlagsprivilegierung des § 6 I. Ziff. 1. MTV nicht, die auf den Anwendungsbereich des § 5 Ziff. 2 S. 1 MTV verweist.
In dieses Auslegungsergebnis fügt sich zwanglos die Verwendung der Worte “vereinbarte(n) Monatsstunden”, wie sie die Tarifvertragsparteien in § 6 I. Ziff. 1. MTV aufgenommen haben. § 3 Ziff. 1. a) Abs. 1 S. 3 MTV spricht davon, dass die Betriebspartner zum Zwecke der Verteilung der Arbeitszeit ein Arbeitszeitkonto einrichten können. § 3 Ziff. 1. a) Abs. 2 S. 1 MTV sieht vor, dass in “Betriebsvereinbarungen” nähere Regelungen zur Ausgestaltung der Arbeitszeitverteilung zu treffen sind. Die Tarifvertragsparteien gehen erkennbar davon aus, dass das Ergebnis des Verteilungsprozesses regelmäßig in die Form einer Vereinbarung der Betriebspartner zu kleiden ist. Nur in diesem Fall sollen die Stunden, die über diese “vereinbarten Monatsstunden” hinausgehen, nach § 6 I. Ziff. 1. a) MTV zuschlagsfrei bleiben.
Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch den tariflichen Gesamtzusammenhang bestätigt, der stets zu berücksichtigten ist. Bereits der Präambel in § 3 MTV lässt sich entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien die Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Arbeitszeit vereinbart haben, damit auf auftrags- und witterungsbedingte sowie saisonale Schwankungen besser reagiert werden kann. Kündigungen sollen dadurch vermieden werden. Nutzt der Arbeitgeber eine solche Möglichkeit im Sinne der Arbeitnehmer, wird er im Hinblick auf Mehrarbeitszuschläge privilegiert.
Dies ergibt sich für eine “unterschiedliche” Verteilung der tariflichen Arbeitszeit aus § 5 Ziff. 2 Abs. 5 MTV. Danach entfällt ein Mehrarbeitszuschlag, sofern die Mehrarbeit innerhalb des Verteilzeitraums durch Freizeit ausgeglichen wird.
Eine vergleichbare Privilegierung enthält die Regelung in § 5 Ziff. 2 Abs. 1 MTV bei einer “gleichmäßigen” Verteilung der tariflichen Arbeitszeit. Hier wird nach § 5 Ziff. 2 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 S. 1 MTV die Möglichkeit geschaffen, Mehrarbeitsstunden zuschlagsfrei auf das nächste Jahresarbeitszeitkonto zu übertragen, sofern das Ziel einer ganzjährigen Beschäftigung der betroffenen Arbeitnehmer verfolgt wird.
Diese Flexibilisierungsmöglichkeiten werden durch die Zuschlagsfreiheit in § 6 I. 1. MTV für die ersten 10 Mehrarbeitsstunden, die über die vereinbarten Monatsstunden hinausgehen, weiter verstärkt.
Diese Zuschlagsprivilegierungen sollen aber nur greifen, wenn sich die Arbeitgeberin den Mühen einer Gestaltung der “regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit” unterzogen hat, die letztlich dem Arbeitsplatzerhalt dient. Daher führt die fehlende Veränderung der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit im Betrieb der Beklagten dazu, dass der Anwendungsbereich dieser Privilegierung für die Beklagte nach § 6 I. 1. MTV nicht eröffnet ist.
2.
Der Anspruch ist nicht untergegangen. Er wurde nach § 20 Ziff. 1 MTV innerhalb einer Frist von 2 Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht und sodann rechtzeitig nach § 20 Ziff. 2 MTV innerhalb einer weiteren Frist von zwei Monaten eingeklagt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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