LAG Hamm, Urteil vom 29.04.2010 – 11 Sa 1464/09

Oktober 1, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 29.04.2010 – 11 Sa 1464/09

Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 02.10.2009 – 4 Ca 697/09 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Weisung des beklagten Landes an den Kläger vom 22.10.2008 unwirksam ist und der Kläger nicht verpflichtet ist, an der flexiblen Arbeitszeit der Generalstaatsanwaltschaft in H1 teilzunehmen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten, ob der Kläger als freigestelltes Mitglied des Bezirkspersonalrats bei der Generalstaatsanwaltschaft H1 wirksam angewiesen worden ist, die Dienstvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit (FLAZ) für die dortigen Beschäftigten zu beachten, wie sie mit dem dortigen örtlichen Personalrat im Dezember 2007 vereinbart worden ist.
Der Kläger ist seit dem Jahre 1976 als Justizangestellter bei der Staatsanwaltschaft M2 zu einem monatlichen Bruttogehalt von derzeit ca. 3.000,00 EUR beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Der Kläger ist seit 1984 Mitglied des örtlichen Personalrats bei der Staatsanwaltschaft M2. Seit 1996 ist er Mitglied des Bezirkspersonalrats, der bei der Generalstaatsanwaltschaft in H1 besteht. Außerdem ist er seit dem Jahr 1996 Mitglied des Hauptpersonalrates, der bei dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen in D3 gebildet ist. Gemäß § 42 Abs. 4 LPVG NW ist der Kläger von der Arbeitsleistung freigestellt. Die Freistellung des Klägers erfolgt aufgrund eines Beschlusses des Bezirkspersonalrates, der ihn zu 80 % von seiner Arbeit freistellt, sowie aufgrund eines weiteren Beschlusses des Hauptpersonalrates, der den Kläger in Höhe von 20 % von seiner dienstlichen Tätigkeit freistellt. Das ständige Büro des Bezirkspersonalrates befindet sich bei der Generalstaatsanwaltschaft H1.
Mit Datum vom 19.12.2007 schlossen die Generalstaatsanwaltschaft und der (örtliche) Personalrat bei dem Generalstaatsanwalt in H1 eine Dienstvereinbarung “Flexible Arbeitszeit” ab. Die Dienstvereinbarung ist am 01.01.2008 in Kraft getreten und hat die Dienstvereinbarung vom 14.12.2004 ersetzt. Wegen des Inhalts der Dienstvereinbarung wird auf die eingereichte Kopie Bezug genommen sowie auf die hierzu erstellte Ausarbeitung “Flexible Arbeitszeit / Leitfaden für die Generalstaatsanwaltschaft H1 – Stand: Januar 2008 – ” und auf das Formular “FLAZ – Korrekturbeleg” (Bl. 15 – 21 GA, Bl. 22 – 31 GA, Bl. 32 GA).
Mit Schreiben vom 23.09.2008 teilte der Generalstaatsanwalt dem Kläger mit, dass er ab dem 01.10.2008 an der bei der Generalstaatsanwaltschaft in H1 bestehenden “flexiblen Arbeitszeit (FLAZ)” teilzunehmen habe (Bl. 8, 9 GA). Ausweislich dieses Schreibens war der Einhaltung der Dienststunden durch den Kläger zuvor nicht nachgegangen worden, an einer Zeiterfassung hatte der Kläger als freigestelltes Mitglied des Bezirkspersonalrats nicht teilgenommen. Nach vorübergehendem Aufschub von einem Monat und kontroverser Kommunikation schrieb der Generalstaatsanwalt unter dem 22.10.2008 zum Betreff “Arbeitszeit freigestellter Personalratsmitglieder” an den Kläger als den Vorsitzenden des Bezirkspersonalrats, man habe die Angelegenheit ausweislich eines beigefügten Vermerks geprüft. Abschließend heißt es: “Ich darf Sie bitten, nunmehr ab 01.01.2009 bei der hiesigen Behörde an der FLAZ teilzunehmen.” Auf die Kopie des Schreibens vom 22.10.2008 und auf den Text des beigefügten Vermerks wird ergänzend Bezug genommen (Bl. 10 GA, Bl. 11 – 13 GA “auszugsweise Abschrift”). Zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Schritte kommt der Kläger der Weisung seit dem 01.01.2009 unter Vorbehalt nach (vgl. Schreiben vom 06.01.2009 Bl. 14 GA).
Gegen die Weisung richtet sich die am 09.03.2009 bei dem Arbeitsgericht eingegangene Klage.
Daneben hatte der Bezirkspersonalrat ein Verfahren gegen die Anordnung bei dem Verwaltungsgericht Arnsberg angestrengt. In der öffentlichen Sitzung der Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen am 18.02.2010 haben die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren daraufhin eingestellt. Im Protokoll vom 18.02.2010 hat das Verwaltungsgericht zunächst die Frage der Antragsbefugnis des Bezirkspersonalrats thematisiert, auf zwei Entscheidungen des OVG für das Land Nordrhein-Westfalen hingewiesen und die Sitzung dann zunächst unterbrochen. Im weiteren Verlauf hat das Gericht ausgeführt, dass nach der einschlägigen Allgemeinen Verfügung des Justizministeriums die Personalangelegenheiten der Angestellten von den Beschäftigungsbehörden zu bearbeiten seien. Dies sei für den hiesigen Kläger die Staatsanwaltschaft M2 und nicht der Generalstaatsanwalt, weshalb es dem Generalstaatsanwalt verwehrt sei, die arbeitsrechtlichen Angelegenheiten u.a. des hiesigen Klägers im Rahmen einer zwischen ihm und dem örtlichen Personalrat [der Generalstaatsanwaltschaft] geschlossenen Dienstvereinbarung zu regeln. Auf das in Kopie eingereichte Protokoll wird verwiesen (VG Arnsberg – Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen – Protokoll v. 18.02.2010 – 20 K 186/09.PVL -, Bl. 244 – 248 GA).
Der Kläger hat vorgetragen, die Generalstaatsanwaltschaft sei nicht berechtigt, ihm Anweisungen zu erteilen. Trotz Freistellung von seiner Arbeitsleistung sei er weiterhin Arbeitnehmer der Staatsanwaltschaft M2. A1 diese sei für dienstrechtliche Belange zuständig. Überdies sei der Personalrat nicht in den Geltungsbereich der “flexiblen Arbeitszeit” einbezogen, so dass der Bezirkspersonalrat nicht zur Einhaltung der Dienststunden verpflichtet sei. Bei der Personalratstätigkeit handele es sich um ein unentgeltliches Ehrenamt. Die Personalratstätigkeit sei keine Arbeitsleitung zur Erfüllung des Arbeitsvertrages. Es obliege dem Personalrat festzulegen, ob, wann und wie er seine Aufgaben wahrnehme. Ein Weisungsrecht des Arbeitgebers bestehe insoweit nicht. Bei Teilnahme an der “flexiblen Arbeitszeit” müsse er ständig Korrekturbögen ausfüllen. Er müsse seine Abwesenheitszeiten begründen. Das führe zu einer mittelbaren Kontrolle der Personalratstätigkeit. Bedingt durch seine Tätigkeiten für den örtlichen Personalrat bei der Staatsanwaltschaft M2, für den Bezirkspersonalrat und für den Hauptpersonalrat habe er seine Tätigkeiten an unterschiedlichen Orten zu verrichten. Letztlich werde durch die Anordnung des Generalstaatsanwaltes in H1 die Fahrt von seiner Stammdienststelle zur Generalstaatsanwaltschaft H1 nicht mehr als Dienstreise anerkannt. Dies habe zur Folge, dass diese Fahrt als private Anfahrt gelte, die lediglich entsprechend der Anordnung zu einem bestimmten Anteil als Arbeitszeit gewertet werde.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Weisung des Beklagten an den Kläger vom 22.10.2008 rechtswidrig ist und der Kläger nicht verpflichtet ist, an der flexiblen Arbeitszeit bei der Generalstaatsanwaltschaft in H1 teilzunehmen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat den Standpunkt vertreten, die Anweisung zur Teilnahme an der “flexiblen Arbeitszeit” sei dem Kläger zu Recht erteilt worden. Dem Kläger stehe kein Feststellungsinteresse zu, weil bereits der Bezirkspersonalrat eine Klage erhoben habe. Die Weisung sei rechtmäßig, da sie jeden Bediensteten gleichmäßig treffe und Personalratsmitglieder hiervon nicht ausgeschlossen seien. Auch bei Zugehörigkeit zum Personalrat sei der Kläger an die Einhaltung der Dienststunden gebunden. Das Weisungsrecht sei von dem Generalstaatsanwalt in H1 auszuüben, da der Kläger in die dortige Dienststelle eingebunden sei. Aufgrund der Weisung, an der “flexiblen Arbeitszeit” teilzunehmen erfolge keine Benachteiligung des Klägers. Selbst wenn der Kläger steuerliche Nachteile erleiden sollte, was er nicht dargetan habe, so führe dies nicht zu einer unzulässigen Benachteiligung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 02.10.2009 abgewiesen. Die zulässige Feststellungsklage sei unbegründet. Auch als freigestelltes Mitglied des Bezirkspersonalrats unterfalle der Kläger der Dienstvereinbarung “Flexible Arbeitszeit” bei der Generalstaatsanwaltschaft vom 19.12.2007. Durch die (überwiegende) Freistellung für die Tätigkeit im Bezirkspersonalrat habe sich der Dienstort des Klägers von der Staatsanwaltschaft M2 an den Ort verlagert, an dem der Bezirkspersonalrat seinen Sitz habe, hier also zur Generalstaatsanwaltschaft H1. Das arbeitgeberseitige Weisungsrecht werde somit von dem dortigen Dienstherrn, dem Generalstaatsanwalt, ausgeübt. Damit unterfalle der Kläger als Mitglied des Bezirkspersonalrats dem Geltungsbereich der Dienstvereinbarung vom 19.12.2007. Der Kläger sei deshalb gehalten, für die Zeiten, die er außerhalb der Generalstaatsanwaltschaft tätig sei, Korrekturbögen auszufüllen. Der Kläger habe deshalb entsprechend der Anweisungen des Generalstaatsanwalts an der “Flexiblen Arbeitszeit” teilzunehmen.
Das Urteil ist dem Kläger am 26.10.2009 zugestellt worden. Der Kläger hat am 18.11.2009 Berufung eingelegt und diese am 28.12.2009 (Montag) begründet.
Der Kläger wendet ein, entgegen der Begründung des Arbeitsgerichts sei er durch seine Wahl zum Bezirkspersonalratsmitglied und die darauf bezogene 80%-ige Freistellung für dieses Gremium nicht in die Dienststelle des Generalstaatsanwaltes in H1 eingegliedert worden. Beschäftigungsdienststelle sei unverändert die Staatsanwaltschaft M2. Dort sei er nach wie vor aktiv und passiv wahlberechtigt. Bereits diese Wahlberechtigung zeige, dass er kein Angehöriger der Dienststelle Generalstaatsanwaltschaft in H1 sei und damit auch nicht unter den Geltungsbereich dort geltender Dienstvereinbarungen falle. Die Dienstvereinbarung gelte nur für diejenigen, die Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft seien, in die Dienststelle eingegliedert und weisungsrechtlich dem Generalstaatsanwalt unterworfen seien. Auch das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Beschluss vom 14.02.1990 klargestellt, dass der Personalrat zur Wahrnehmung seiner Personalratstätigkeit unter Umständen seinen Dienstort wechseln müssen, jedoch nicht im engen gesetzlichen Sinne abgeordnet sei. Liege aber keine Abordnung vor, so könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Personalratsmitglied einer anderen Weisungsbefugnis unterstellt werde. Es verbleibe mithin bei der Eingliederung und Unterstellung des Personalratsmitglieds bei der Beschäftigungsdienststelle. Das Arbeitsgericht gehe damit fehl, wenn es ausführe, dass er vom Geltungsbereich der Gleitdienstvereinbarung der Generalstaatsanwaltschaft erfasst sei, weil dort alle Beschäftigten gemeint seien, die an die Einhaltung von Dienststunden gebunden seien. Er müsse nicht an der elektronischen Zeiterfassung teilnehmen und auch keine Korrekturbelege ausfüllen. Bei der Art und Beschaffenheit der auszufüllenden Korrekturbelege sei zu befürchten, dass er – im Falle einer Ausfüllung – in seiner Unabhängigkeit bei der Ausübung des Personalratsamtes beeinträchtigt werde. Mit dem Korrekturbeleg werde nicht nur der Ort des Dienstgeschäftes abgefragt sondern auch der Grund, warum nicht an der regulären elektronischen Zeiterfassung teilgenommen werde. Weiterhin solle das Dienstgeschäft angegeben werden, dessen Erledigungsort und ggfs. das Aktenzeichen. Diese Angaben seien geeignet, erkennbar werden zu lassen, welche konkrete Personalratstätigkeit er an einem bestimmten Tage ausgeübt habe und stellten damit eine unzulässige Beeinträchtigung der Personalratstätigkeit dar. Die Fachkammer für Personalvertretungssachen bei dem Verwaltungsgericht Arnsberg habe in der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2010 darauf hingewiesen, dass der Generalstaatsanwalt gegenüber den Mitgliedern des Bezirkspersonalrats nicht weisungsberechtigt sei. Nachdem der Generalstaatsanwalt mit Schreiben vom 04.03.2010 mitgeteilt habe, dass die betroffenen Bezirkspersonalratsmitglieder weiterhin an der FLAZ der Behörde teilzunehmen hätten, sei das personalverwaltungsrechtliche Beschlussverfahren erneut anhängig gemacht worden (Kopie des Schreibens des Bezirkspersonalrats an den Generalstaatsanwalt vom 02.03.2010, Blatt 249 GA., Schreiben des Generalstaatsanwaltes an den Bezirkspersonalrat vom 04.03.2010, Blatt 250, 251 GA).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts M2 – 4 Ca 697/09 – vom 02.10.2009 abzuändern und festzustellen, dass die Weisung des beklagten Landes an den Kläger vom 22.10.2008 rechtswidrig ist und der Kläger nicht verpflichtet ist, an der flexiblen Arbeitszeit der Generalstaatsanwaltschaft in H1 teilzunehmen.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das beklagte Land verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Feststellungsantrag sei unzulässig, da er auf die Klärung einer Rechtsfrage ziele. Mit der Feststellungsklage könne nur das Bestehen oder das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses geklärt werden und nicht isoliert eine Rechtsfrage geklärt werden. Unabhängig davon sei die Feststellungsklage aber auch unbegründet. Der Kläger sei schon deshalb verpflichtet, an der flexiblen Arbeitszeit der Generalstaatsanwaltschaft H1 teilzunehmen, weil – unstreitig – die flexible Arbeitszeit auch bei seiner Stammdienststelle, der Staatsanwaltschaft M2, gelte. Ein freigestelltes Personalratsmitglied sei verpflichtet, während der vertraglich vereinbarten oder durch Dienstvereinbarung geregelten Arbeitszeit in der Dienststelle anwesend zu sein. Es habe hierbei auch Regelungen, die seine Betriebsanwesenheit kontrollierten, zu beachten. Unabhängig davon sei der Kläger auch deshalb entsprechend der Weisung verpflichtet, weil er aufgrund seiner Mitgliedschaft in dem bei der Generalstaatsanwaltschaft H1 gebildeten Bezirkspersonalrat in die dortige Dienststelle und damit die dortige Dienstaufsicht eingebunden sei. Die Generalstaatsanwaltschaft H1 habe bezüglich der Tätigkeit des Klägers als Bezirkspersonalratsmitglied Dienststellenfunktion. Aufgrund der Dienststellenfunktion sei die Dienstaufsicht der Generalstaatsanwaltschaft H1 als Mittelbehörde gegeben. Insoweit ruhe die Dienstaufsicht aus dem dienstlichen Verhältnis zur Beschäftigungsbehörde. Der Kläger unterfalle dem Anwendungsbereich der Dienstvereinbarung vom 19.12.2007. Auch freigestellte Personalratsmitglieder seien an die Dienststunden gebunden. Die Weisung bewirke keine unzulässige Kontrolle der Personalratstätigkeit. Auch bezogen auf die Mitglieder eines Personalrats stehe dem Arbeitgeber das Recht zu, die Einhaltung der Dienstzeiten zu überprüfen. Dies sei Folge des Umstands, dass die Personalratsmitglieder auch während ihrer Freistellung in ihre Dienststellen eingebunden seien und nicht neben ihnen stünden. Die von dem Verwaltungsgericht ausweislich des dortigen Protokolls zitierte allgemeine Verfügung des Justizministeriums NRW vom 05.11.2000 (2500-IB.65) regele nicht die Weisungsbefugnisse gegenüber den zum Bezirkspersonalrat entsandten Personalratsmitgliedern. Insoweit seien die allgemeinen Weisungsbefugnisse unter Berücksichtiung der dienstaufsichtsrechtlichen Zuständigkeiten maßgeblich. Nach der Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20.03.1935, insbesondere deren § 14, 15, unterfielen alle bei den Staatsanwaltschaften beschäftigten Angestellten der Dienstaufsicht des Generalstaatsanwalts. Mangels anderweitiger Regelung zur Weisungsbefugnis sei hiernach der Generalstaatsanwalt gegenüber den Bezirkspersonalratsmitgliedern weisungsberechtigt (Kopie der Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. März 1935 in aktueller Fassung: Blatt 255, 256 GA).
Gründe
Die Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG. Der Kläger hat die Berufung form- und fristgerecht entsprechend den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet. In Abänderung der arbeitsrechtlichen Entscheidung war dem Klagebegehren zu entsprechen.
1. Die Feststellungsklage ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Nach der st. Rspr. des BAG können die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Weisung und das Bestehen bestimmter Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers mit einer Feststellungsklage gerichtlich überprüft werden (BAG 29.09.2004 – 1 AZR 473/03 – NZA-RR [LSe]; BAG 16.09.1998 AP BAT-O § 24 Nr.2; BAG 26.01.1993 NZA 1993, 714; ErfK-Preis, 10.Aufl. 2010, § 611 BGB Rn. 7). Das erforderliche Feststellungsinteresse fehlt nicht deshalb, weil inzwischen vor dem VG Arnsberg erneut ein personalvertretungsrechtliches Beschlussverfahren zur Thematik anhängig ist. Die Verfahren haben unterschiedliche Streitgegenstände.
2. Die Feststellungsklage ist begründet. Entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts ist der Kläger nicht an die am 22.10.2008 ergangene Weisung, die Flexible Arbeitszeit (FLAZ) gemäß der Dienstvereinbarung vom 19.12.2007 einzuhalten. Die Weisung vom 22.10.2008 ist wegen unterbliebener Mitbestimmung nach dem LPVG NW unwirksam. Der Kläger ist nicht verpflichtet, an der Flexiblen Arbeitszeit bei der Generalstaatsanwaltschaft nach der dort abgeschlossenen Dienstvereinbarung teilzunehmen.
a) Die Weisung vom 22.10.2008 unterliegt nach § 72 Abs.4 Nr. 1 LPVG NW der Mitbestimmung. Nach dieser Vorschrift hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Auch nach dem neuen Gesetzeswortlaut vom 09.10.2007 unterfällt die Einführung und Ausgestaltung gleitender und flexibler Arbeitszeiten nach wie vor der Mitbestimmung des Personalrats (Cecior-Vallendar-Lechtermann-Klein, Das Personalvertretungsrecht in Nordrhein-Westfalen, Stand: 01.01.2010, § 72 LPVG NW Rn. 462, 497 ff [10´2008]). Die an den Kläger ergangene Weisung stellt sich nicht als mitbestimmungsfreie Individualmaßnahme dar. Betroffen ist die abgrenzbare Gruppe der freigestellten Mitglieder des Bezirkspersonalrats und dies generell für die Zeit ab dem 01.01.2009. Eine solche an einen funktional abgrenzbaren Teil der Beschäftigten für die weitere Zukunft gerichtete Maßnahme ist mitbestimmungspflichtig (zu diesem Erfordernis: OVG Nordrhein-Westfalen 05.02.1998 – 1 A 651/97.PVL – PersR 1999, 28; – kritisch zu dieser Anforderung: Cecior-Vallendar-Lechtermann-Klein, aaO, § 72 LPVG NW Rn. 460 [10´2008]: “sowohl im Einzelfall als auch bei generellen Maßnahmen”; vgl. auch Richardi-Kaiser, BPersVG, 3.Aufl. 2007, § 75 BPersVG Rn. 234).
b) Ein Mitbestimmungsverfahren ist zu der Weisung vom 22.10.2008 nicht durchgeführt worden.
Zwar haben Dienstvereinbarungen – wie hier die Vereinbarung vom 19.12.2007 – den Zweck, die Beteiligung der Personalvertretung in einer Vielzahl von Einzelfällen mit gleichem Gegenstand zu erübrigen. Der Abschluss einer Dienstvereinbarung stellt sich als vorweggenommene Mitbestimmung dar (BVerwG 30.03.2009 – 6 PB 29/08 – ZTR 2009,339). Dabei umfasst der persönliche Geltungsbereich einer Dienstvereinbarung die Beschäftigten in der Dienststelle (Richardi-Weber, BPersVG, 3.Aufl. 2007, § 73 BPersVG Rn. 26). Die Dienstvereinbarung vom 19.12.2007 betrifft jedoch den Kläger nicht. Stammdienststelle des Klägers ist nach wie vor die Staatsanwaltschaft M2. Eine Abordnung liegt dem Tätigwerden des Klägers für den Bezirkspersonalrat in den bei der Generalstaatsanwaltschaft zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten des Bezirkspersonalrats nicht zugrunde, eine Abordnung hat niemand verfügt (vgl. Cecior-Vallendar-Lechtermann-Klein, aaO, § 10 LPVG NW Rn. 25 [12´2000]). Als freigestelltes Mitglied des Bezirkspersonalrats mit Stammdienststelle bei einer nachgeordneten Behörde (Staatsanwaltschaft M2) ist der Kläger nicht in die örtliche Mittelbehörde (Generalstaatsanwaltschaft) eingegliedert. Der Annahme einer Eingliederung steht entgegen, dass die Mitglieder der Stufenvertretung nicht mit den Aufgaben der Dienststelle der Mittelbehörde befasst sind (BVerwG 20.11.1979 – 6 P 12/79 – ZBR 1980, 322 = PersV 1981, 285; Cecior-Vallendar-Lechtermann-Klein, aaO, § 10 LPVG NW Rn. 25 [12´2000]). In Konsequenz dessen sind die Mitglieder der Stufenvertretung auch nach ihrer Wahl nicht bei der Mittelbehörde sondern weiterhin für die Personalvertretung ihrer Stammdienststelle wahlberechtigt (Cecior-Vallendar-Lechtermann-Klein, aaO, § 10 LPVG NW Rn. 25 [12´2000]; vgl. auch die ausdrückliche Regelung in § 13 Abs.2 S.2 BPersVG sowie Lorenzen-Schlatmann, BPersVG, Stand: Februar 2010, § 13 BPersVG Rn. 41, 42 [7´2009] und Fischer-Goeres-Gronimus, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, Stand Lfg. 1/10, K § 13 BPersVG Rn. 24 b).
Ein über die Dienstvereinbarung vom 19.12.2007 hinausgehendes anderweitiges Mitbestimmungsverfahren zur Weisung vom 22.10.2008 hat nicht stattgefunden. Dies hat das beklagte Land weder schriftsätzlich dargelegt, noch hat es dies bei der Diskussion der Mitbestimmungsfragen in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer vorgetragen.
c) Die nicht durchgeführte Mitbestimmung führt zur Unwirksamkeit der Weisung vom 22.10.2008. Nach § 66 Abs.1 LPVG NW kann eine Maßnahme, soweit sie der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, nur mit dessen Zustimmung getroffen worden. Mit den Worten “kann nur” bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers eingeschränkt werden. Eine Verknüpfung zwischen der Verletzung des Mitbestimmungsrechts und dem individualrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wird hergestellt durch die vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung. Die Verletzung von Mitbestimmungsrechten führt zur Unwirksamkeit von Maßnahmen und Rechtsgeschäften, die den Arbeitnehmer belasten. Die Rechtsunwirksamkeit von arbeitsrechtlichen Maßnahmen ist in einer solchen Konstellation eine Sanktion dafür, dass der Arbeitgeber ein Mitbestimmungsrecht verletzt hat (BAG 13.04. 1994 AP LPVG NW § 72 Nr. 9; BAG 20.02.2002 AP LPVG NW § 72 Nr. 23 Rn. 17= NZA 2002,811; BAG 18.04.2007 AP LPVG NW § 72 Nr. 33 Rn. 26). Diese Grundsätze sind auch bei Arbeitgeberweisungen zu Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung zu beachten (vgl. Richardi-Weber, BPersVG, 3.Aufl. 2007, § 69 BPersVG Rn. 125). Nach diesen Grundsätzen ergibt sich die Unwirksamkeit der Weisung vom 22.10.2008 wegen unterbliebener Mitbestimmung.
d) Aus den unter b) dargestellten Gründen ergibt sich eine Verpflichtung des Klägers zur Einhaltung der Flexiblen Arbeitszeit auch nicht unabhängig von einer Weisung unmittelbar aus der Dienstvereinbarung. Stammdienststelle des Klägers ist – nach wie vor – die Staatsanwaltschaft M2. Als Mitglied des Bezirkspersonalrates ist der Kläger nicht in die Dienststelle Generalstaatsanwaltschaft eingegliedert (s.o.). Er unterfällt nicht dem persönlichen Geltungsbereich der Dienstvereinbarung vom 19.12.2007, die der Generalstaatsanwalt für die Beschäftigten seiner örtlichen Dienststelle mit dem dortigen Personalrat vereinbart hat (s.o.).
e) Ob die Weisung des Generalstaatsanwaltes vom 22.10.2008 entsprechend dem Hinweis des VG Arnsberg auch wegen Verstoßes gegen die Allgemeine Verfügung (AV) des Justizministeriums NRW vom 05.11.2000 unbeachtlich ist, ist nach den vorstehenden Ausführungen zu a) – d) hier nicht entscheidungserheblich und kann deshalb dahingestellt bleiben (AV 2500 – I B.65 / JMBl. NRW 2000, 218 i.d.F.v. 06.11.2003 JMBl. NRW 2003, 266 – Bl. 261 ff GA – Protokoll VG Arnsberg vom 18.02.2010 – 20 K 186/09.PVL, Bl. 244 – 248 GA). Aus dem nämlichen Grund bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit den Vorschriften der Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20.03.1935 über die Ausübung der Dienstaufsicht im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Bl. 255 ff GA). Ebenfalls erübrigt sich ein Eingehen auf die vom Land benannten Gerichtsentscheidungen und Literaturstellen betreffend Fragen von Weisungsrecht und Dienstaufsicht. Nicht durchgreifend ist schließlich das Argument des Landes, bei der Staatsanwaltschaft M2 bestehe ebenfalls eine Dienstvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit. Diese Dienstvereinbarung ist nicht Gegenstand der streitgegenständlichen Weisung und nicht Gegenstand des klägerischen Feststellungsbegehrens.
3. Als unterlegene Partei hat das beklagte Land gemäß § 91 Abs.1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer gemäß § 72 Abs.2 Nr. 1 ArbGG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Schlagworte

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