LAG Hamm, Urteil vom 29.08.2019 – 17 Sa 170/19

Juni 13, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 29.08.2019 – 17 Sa 170/19

vorher: Az. 4 Ca 1767/18 nachfolgend: Az. 4 AZR 559/19

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 24.01.2019 – 4 Ca 1767/18 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

Er ist 1963 geboren und seit dem 01.08.1991 Erzieher mit staatlicher Anerkennung (Bl. 29 d.A.). Seit dem 01.08.1991 ist er in der Iklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie N tätig. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 01.08.1991 (Bl. 26 d.A.) zugrunde. Nach § 1 des Arbeitsvertrages wurde er als Erzieher eingestellt. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages regelt sich das Arbeitsverhältnis nach den von dem Beklagten für seine Angestellten abgeschlossenen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung.

Der Kläger ist in der Klinik auf der Station 2A eingesetzt.

Nach dem Stationskonzept vom 01.10.2015 (Bl. 34 – 72 d. A.) hat die Station das Ziel, Jugendliche beiden Geschlechts im Alter zwischen 13 und 18 Jahren in Krisen zu schützen, sie zu halten und ihnen zu helfen, eine neue Orientierung zu finden. Es bestehen zwölf reguläre Behandlungsplätze. Die Aufnahmen erfolgen nur notfallmäßig aus einer suizidalen, fremdaggressiven oder anderen Lebenskrise heraus.

Das Team der Station setzt sich aus Mitarbeitern des ärztlichtherapeutischen und des pflegeerzieherischen Fachbereichs sowie aus weiteren fachspezifischen Therapeuten zusammen. Die verschiedenen Berufsgruppen arbeiten im direkten, engen Austausch miteinander, so dass sich die einzelnen Bereiche zu einem auf den jeweiligen Patienten zugeschnittenen Ganzen verbinden können.

Nach der Aufnahme besteht für den jeweiligen Jugendlichen eine Ausgangssperre bis zum ersten Facharztkontakt. Die Beobachtungen des multiprofessionellen Teams sind Grundlage für die ärztliche Entscheidung, inwieweit einem Patienten überhaupt Ausgang, begleiteter Ausgang oder zielgerichteter Ausgang gewährt wird. Die Stationstür ist 24 Stunden geschlossen und darf nur durch autorisierte Personen geöffnet werden. Außenkontakte, die Besuche von Mitarbeitern des Jugendamtes und Erziehungsberechtigten unterliegen der Prüfung durch das Personal.

Die Jugendlichen entscheiden sich teilweise freiwillig für den stationären Aufenthalt in der Klinik, teilweise werden sie durch Gerichtsentscheidung eingewiesen. Auch die Jugendlichen, die sich freiwillig haben aufnehmen lassen, müssen sich mit einem Aufenthalt auf der geschlossenen Station oder in einem geschlossenen Bereich einverstanden erklären.

Ihre Behandlung ist in dem Stationskonzept vom 01.10.2015 beschrieben. Es enthält Ausführungen zum stationären Setting, Kriseninterventionskonzept und stationsinternen Kurzkonzept. Dazu gehören konzeptionell eine Abendrunde, eine Entspannungsgruppe und Maßnahmen der Erlebnispädagogik sowie der Förderung der Kreativität. Weiterhin sieht das Konzept die Einübung lebenspraktischer Fertigkeiten in Form von Stationsdiensten, einer Koch- und Backgruppe und einer Sportgruppe vor.

Auf der Station besteht ein Bezugspflegekonzept, das jedem Jugendlichen einen Therapeuten und einen Erzieher zuweist. Zum Schichtwechsel wird regelmäßig eine etwa einstündige Dienstbesprechung durchgeführt, in der auf die einzelnen Jugendlichen eingegangen wird

Zu den Aufgaben des Klägers gehört u.a. die Zusammenstellung und Verteilung von Medikamenten. Dazu hat er eine Zusatzausbildung “Pharmakologie” absolviert. Die Aufgabe nimmt ihn pro Schicht etwa 15 Minuten in Anspruch.

In der Frühschicht weckt der Erzieher die Patienten, die dann selbständig aufstehen und sich waschen und anziehen, und leitet sie bezüglich der körperlichen Hygiene an.

Anschließend ist es ihre Aufgabe, unter Begleitung des Erziehers ihr Zimmer aufzuräumen. Danach wird Frühsport angeboten, zu dem der Erzieher die Patienten motivieren soll.

Er nimmt mit ihnen gemeinsam – wie in einer Familie – das Frühstück und das Mittagessen ein. Dabei sind die lebenspraktischen Fertigkeiten der Jugendlichen zu fördern. Es finden Gespräche über ihren Tagesablauf statt.

Am Nachmittag sind die Patienten zu motivieren, individuelle erlebnispädagogische Angebote wahrzunehmen, die der Erzieher begleitet.

Vor dem Abendessen erfüllen sie lebenspraktische Aufgaben im Bereich der Ordnung und Sauberkeit auf der Station.

Nach dem Abendessen findet die Abendrunde statt, in der sie mit dem Erzieher zusammensitzen und den Tag reflektieren. Ziel ist die Stärkung ihrer Kommunikationsfähigkeit.

Einmal wöchentlich findet mit den Jugendlichen, die freien Ausgang haben, eine Stadtfahrt statt. Auch hier sollen sie Alltagssituationen erleben.

Der Kläger hat sie in seiner Funktion als Erzieher auch zu Gesprächen mit dem Jugendamt oder mit Wohngruppenmitarbeitern bzw. zur Behandlung durch niedergelassenen Fachärzten zu begleiten.

Zu seinen Aufgaben gehören das Krisenmanagement und die Führung von Entlassungsgesprächen.

Er ist an der Erstellung eines Pflege- und Erziehungsplanes (PEP) beteiligt und hat das Verhalten der Jugendlichen im Klinikalltag zu dokumentieren.

Auf der Station sind gegenwärtig neun Erzieher und acht Pflegekräfte tätig. Es gilt die Verordnung über Maßstäbe und Grundsätze für den Personalbedarf in der stationären Psychiatrie (Psychiatrie-Personalverordnung) vom 18.12.1990.

Der Kläger wurde mit Einführung des TVöD-K von der Vergütungsgruppe Kr VI a in die Vergütungsgruppe Kr VII a übergeleitet. In dieser Entgeltgruppe blieb er bis zum 31.12.2016. Der maßgebliche § 2 TVÜ-LWL sah i.V.m. § 4 TVÜ-VKA ebenso wie die Vorgängernorm im BAT-LWL vor, dass Angestellte mit abgeschlossener Ausbildung als Erzieher, die in Krankenhäusern mit entsprechender Tätigkeit beschäftigt waren, Krankenschwestern/Krankenpflegern in der tariflichen Eingruppierung gleichgestellt waren.

Diese Regelung entfiel mit der Einführung der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum 01.01.2017.

Der Kläger wurde nach Überleitung in die neuen Entgeltgruppen für die Beschäftigten in der Pflege, Anlage – 1 Entgeltordnung (VKA) Teil B XI Abschnitt 1, aus der Entgeltgruppe P 7 vergütet.

Mit Schreiben vom 16.08.2017 (Bl. 83 d.A.) beantragte er seine Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 8b der Anlage 1 Teil B XXIV. Mit Schreiben vom 28.08.2017 (Bl. 84 d.A.) vertrat der Beklagte die Auffassung, die klägerische Tätigkeit sei dem pflegerischen Bereich zuzurechnen, er sei deshalb richtig eingruppiert.

Mit Schreiben vom 08.03.2018 (Bl. 82 d.A.) teilte er ihm mit, ihn ab dem 01.01.2017 aus der Entgeltgruppe P 8 TVöD-VKA zu vergüten.

Mit seiner am 23.08.2018 bei dem Arbeitsgericht Herne eingegangenen Klage verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

Er hat die Auffassung vertreten:

Er übe eine seiner Ausbildung als Erzieher mit staatlicher Anerkennung entsprechende Tätigkeit aus. Er arbeite erzieherisch, nicht überwiegend pflegerisch. Er übe besonders schwierige fachliche Tätigkeiten i.S.d. Entgeltgruppe S 8b aus, da die von ihm betreuten Kinder und Jugendliche behinderte Menschen i.S.d. § 2 SGB IX bzw. Menschen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten seien.

Er hat behauptet:

Die auf Station 2A behandelten Patienten hätten affektive Störungen wie Depressionen und Manien. Es sei davon auszugehen, dass die der akuten Krisensituation zugrunde liegenden Erkrankungen länger als sechs Monate bestünden. Aus den Krankheitsbildern folge darüber hinaus, dass die pädagogische Einflussnahme auf die Entwicklung und das Verhalten der Patienten schwierig sei.

Es handele sich im Übrigen um eine geschlossene (gesicherte) Gruppe i.S.d. Protokollerklärung Nr. 6 d) des Teils B XXIV der Anlage 1.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm rückwirkend ab den 01.01.2017 Vergütung aus der Entgeltgruppe S 8b des Anhangs 2 (zu § 1 Nr. 13) Anlage 1 Teil B Besonderer Teil XXIV Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst des TVöD zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet:

Die Station A ermögliche neben der offenen auch die geschützte Behandlung von Personen. Die Station sei nicht ganzjährig geschlossen. Die Verweildauer der Jugendlichen betrage im Durchschnitt lediglich 20 Tage.

Er hat die Auffassung vertreten:Der Kläger übe überwiegend pflegerische Tätigkeit aus, da die Zweckbestimmung der Einrichtung maßgeblich zu berücksichtigen sei. Die Jugendlichen seien nicht zum Zwecke der Erziehung auf der Station untergebracht, sondern mit dem Ziel ihrer Genesung von psychischen Erkrankungen. Psychiatrische Pflege beinhalte, dem Kranken Hilfe zu geben, um ihn in die Lage zu versetzen, für sich selbst zu sorgen und soziale Kompetenzen zu entwickeln. Der erzieherische Effekt sei lediglich Nebenfolge der Behandlung. Im Übrigen sei Erziehung während des kurzen Aufenthalts tatsächlich nicht möglich.

Mit Urteil vom 24.01.2019 hat das Arbeitsgericht Herne der Klage stattgegeben und ausgeführt:

Die zulässige Klage sei begründet, da der Kläger mit Wirkung ab dem 01.01.2017 in der Entgeltgruppe S 8b der Anlage 1 TVöD-VKA eingruppiert sei.

Die sich aus dem TVöD-VKA ergebenden Vergütungsregelungen seien jedenfalls aufgrund arbeitsvertragliche Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden.

Die Eingruppierung in der Entgeltgruppe S 8b erfolge nicht bereits als originäre Eingruppierung aus § 12 TVöD-VKA, denn der Kläger sei zum 01.01.2017 zunächst zutreffend in die Entgeltgruppe P 7 bzw. P 8 übergeleitet worden.

Er habe jedoch einen Antrag gemäß § 29b Abs. 1 S. 1 TVÜ-LWL gestellt. Dieser Antrag sei weiter in der Klageerhebung zu sehen.

Der Antrag könne auch dann gestellt werden, wenn der Beschäftigte geltend mache, er sei nach der neuen Entgeltordnung nach anderen – spezielleren – Tätigkeitsmerkmalen des Teils B einzugruppieren. Das ergebe die Auslegung des § 29b Abs. 1 S. 1 TVÜ-LWL (LAG Hamm 29.08.2018 – 6 Sa 297/18).

Die Tätigkeiten des Klägers erfolgten in einem einheitlichen Arbeitsvorgang, denn alle Einzeltätigkeiten in Form der Begleitung und Unterstützung der Jugendlichen seien auf das Arbeitsergebnis der Betreuung in der Fachklinik mit dem Ziel der Mitwirkung an ihrer Genesung gerichtet. Eine Aufteilung in verschiedene Arbeitsvorgänge je nachdem, ob erzieherische oder pflegerische Tätigkeiten erbracht würden, sei nicht geboten. Die Tätigkeiten seien dem Kläger einheitlich nach einem Gesamtkonzept übertragen worden.

Er übe als staatlich anerkannter Erzieher auch entsprechende Tätigkeiten i.S.d. Entgeltgruppe S 8b aus.

Die Anwendung der speziellen Tätigkeitsmerkmale sei nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil er nicht im Bereich des TVöD-B beschäftigt sei.

Die Frage, ob er entsprechende Tätigkeiten ausübe, sei unter Zugrundlegung des Berufsbildes eines Erziehers zu beantworten.

Erzieherische Tätigkeiten seien zum Beispiel in der Anleitung der Jugendlichen zur Eigenhygiene und Nahrungsaufnahme, in ihrer Begleitung zum Jugendamt oder zu Mitarbeitern von Wohngruppen bzw. zu Therapieterminen sowie in den Entlassungsgesprächen und dem Krisenmanagement zu sehen. Das entspreche dem Stationskonzept, das gerade ein multiprofessionelles Team vorsehe. Der multiprofessionelle Ansatz bedinge, dass die einzelnen Teammitglieder jeweils entsprechend ihrer Ausbildung und nicht fachfremd eingesetzt seien. Die Erziehungsarbeit des Klägers sei zwar Teil der Behandlung, verliere dadurch aber nicht ihren Charakter als Erziehungsarbeit. Auch der Zweck des stationären Aufenthaltes verändere nicht den Inhalt seiner Tätigkeit. Die Anwendung der Psych-PV auf die Iklinik führe nicht zu einer anderen Bewertung, da gemäß § 9 Psych-PV die Beschäftigung von Personen der Berufsgruppe “Erziehungsdienst” ausdrücklich vorgesehen sei. Auch wenn die Medikamentenausgabe als pflegerische Tätigkeit einzuordnen sei, seien für den Arbeitsbereich des Klägers die Mitwirkung am Pflege- und Erziehungsplan und die erzieherische Tätigkeit prägend.

Er übe besonders schwierige fachliche Tätigkeiten i.S.d. Entgeltgruppe S 8b aus.

Es könne dahin stehen, ob er sich zutreffend auf das Tätigkeitsbeispiel Nr. 6 b) der Protokollerklärung beziehen könne. Jedenfalls sei nach dem Vorbringen der Parteien das Tätigkeitsbeispiel Nr. 6 d) zu bejahen. Der Kläger habe anschaulich vorgetragen, dass es sich bei der Station 2A um eine Akutstation handele, deren Türen ganzjährig verschlossen seien und nur von Personen mit entsprechender Autorisierung geöffnet werden dürften. Die Patienten könnten freiwillig der geschlossenen Unterbringung zustimmen. Lehnten Patienten dies ab, während die Sorgeberechtigten eine solche befürworteten, sei mit ärztlichem Attest ein Antrag beim zuständigen Familiengericht zu stellen. Bei einer Unterbringung gegen den Willen des Patienten sei ebenfalls eine gerichtliche Entscheidung erforderlich. Ausgang werde dem Patienten nur bei therapeutischer Anordnung gewährt. Bei einer Unterbringung aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung gebe es zunächst überhaupt keinen Ausgang. Der Beklagte habe lediglich ausgeführt, die Station werde deshalb nicht ganzjährig geschlossen geführt, weil die Behandlung möglichst mit Einverständnis der Patienten erfolgen solle und der Stationsalltag regelmäßig auch Aktivitäten außerhalb der Station bzw. des Klinikgeländes vorsehe. Damit habe er jedoch gezeigt, dass die Unterbringung grundsätzlich geschlossen erfolge. Der Charakter der Geschlossenheit entfalle auch nicht durch das Konzept, das Aktivitäten außerstationär vorsehe. Die Aufenthalte außerhalb der Station stellten gerade die Ausnahme dar. Der Beklagte habe letztlich auch nicht zu dem klägerischen Vorbringen Stellung genommen, die Türen der Station dürften nur von autorisiertem Personal geöffnet werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Bl. 152 – 168 d.A. Bezug genommen.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 30.01.2019 zugestellte Urteil am 13.02.2019 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 02.05.2019 am 02.05.2019 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend begründet.

Er rügt das erstinstanzliche Urteil als fehlerhaft und führt aus:

Das erstinstanzliche Gericht habe zu Unrecht angenommen, dass die tarifliche Regelung zur Eingruppierung auf Antrag nach § 29b Abs. 1 S. 2 TVÜ-LWL ein Antragsrecht nicht nur bei einer Höhergruppierung vorsehe, sondern auch bei einer Eingruppierung nach spezielleren Tätigkeitsmerkmalen. Nach dem Tarifwortlaut gehe es bei dem Antragsrecht lediglich um eine “Höhergruppierung”. Zu berücksichtigen sei des Weiteren, dass § 29b TVÜ-LWL eine Ausnahme von der Tarifautomatik darstelle und deshalb eng auszulegen sei. Der Kläger sei danach zum 01.01.2017 zutreffend übergeleitet worden.

Das Arbeitsgericht habe auch verkannt, dass er gerade nicht eine der Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher entsprechende Tätigkeit ausübe.

Dagegen spreche, dass im Rahmen der Verhandlungen zum TVÜ-LWL, der das bisherige LWL-Eingruppierungsrecht abgelöst habe, die Eingruppierung von “gelernten” Erziehern in seinem Psychiatrieverbund ausdrücklich diskutiert worden sei. Es sei insbesondere am 25.01.2017 klargestellt worden, dass der Abschluss der Ausbildung zum Erzieher nicht allein maßgeblich sein könne, es vielmehr darauf ankomme, ob tatsächlich überwiegend erzieherische Tätigkeiten oder pflegerische Tätigkeiten ausgeübt würden. Es sei auch angesprochen worden, dass es sowohl für die Pflegekräfte als auch für die Erzieher dieselben Stellenbeschreibungen gebe. Diese Beschäftigten seien nicht überwiegend erzieherisch tätig.

Auch der Kläger sei eindeutig überwiegend in der Pflege tätig. Deshalb sei er nach dem Willen der Tarifvertragsparteien auch nach dem 31.12.2016 wie eine Pflegekraft einzugruppieren.

Dafür, dass mit der Einführung der neuen Entgeltordnung keine Änderung habe eintreten sollen, spreche der in § 29a TVÜ-LWL verankerte Grundgedanke, dass die Überleitung zu keiner Überprüfung und Neufeststellung der Eingruppierung habe führen sollen.

Selbst wenn der Antrag zulässig gewesen sei, sei der Kläger gleichwohl als Beschäftigter in der Pflege zutreffend in der Entgeltgruppe P 8 eingruppiert.

Bei der Bestimmung, ob er erzieherische oder pflegerische Tätigkeiten verrichte, sei entscheidend auf die Zweckbestimmung der Einrichtung abzustellen. Die Kinder und Jugendlichen seien in der Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie gerade nicht zum Zwecke der Erziehung, sondern zur Heilung untergebracht.

Die Anleitung zur Selbsthilfe bei der Körperhygiene sei typisch für psychiatrische Pflege. Zur psychiatrischen Pflege gehöre auch die Sozio- und Milieutherapie. Der Frühsport gehöre zu den therapeutischen Aktivierungsangeboten, wobei die Teilnahme nur nach ärztlichtherapeutischer Diagnose erfolge. Das gemeinsame Frühstück, das gemeinsame Mittagessen, die Morgenrunde und die Begleitung der Jugendlichen zu Terminen sowie die Dokumentation des Pflegeprozesses seien typische psychiatrische Pflegeaufgaben. Die Abendrunde sei Bestandteil des therapeutischen Konzeptes und nicht Gegenstand der erzieherischen Tätigkeit. Das Deeskalationsmanagement im Rahmen einer Krise sei ebenfalls keine Erziehungsaufgabe. Die Elternarbeit erfolge im Rahmen des Therapiekonzeptes.

In den Teambesprechungen seien nicht die Verhaltensweisen der Patienten, sondern ihr Gesundheitszustand sowie die Symptomatik der jeweiligen psychiatrischen Erkrankung Gesprächsgegenstand.

Der Kläger übe jedenfalls keine “besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten” aus.

Bezüglich der Voraussetzungen einer geschlossenen (gesicherten) Gruppe verweise er auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.03.1991. Es handele sich bei den Patienten auf der Station 2A gerade nicht um eine geschlossene Gruppe, da der Kläger selbst zutreffend vorgetragen habe, dass die Patienten die Station verließen.

Es sei zu berücksichtigen, dass auch auf offenen Stationen der Kinderpsychiatrie Aufsichtspflichten zu erfüllen seien. Jugendliche Patienten auf offenen Stationen könnten diese nicht nach freiem Wunsch verlassen. Sie würden über Nacht gesichert. Unzweifelhaft sei eine geschlossene Gruppe bei Unterbringung von Menschen im Maßregelvollzug gegeben. Dieser Grad der Freiheitsbeschränkung sei auf der Station 2A nicht gegeben. Die fachärztliche Untersuchung, bis zu der kein Ausgang genehmigt werde, finde spätestens innerhalb von 24 Stunden statt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 24.01.2019 – AZ 4 Ca 1767/18 -, ihm zugestellt am 30.01.2019, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt aus:

§ 29b Abs. 1 TVÜ-LWL sei anwendbar. Bei der Überleitung in die neue Entgeltordnung sei zu berücksichtigen, dass die Tarifvertragsparteien die Sonderregelungen für die Beschäftigten des Beklagten im Erziehungsdienst, die dem Pflegepersonal eingruppierungsrechtlich gleichgestellt gewesen seien, ersatzlos aufgehoben hätten. Daraus folge, dass vor der Überleitung eine Eingruppierung in den Abschnitt XXIV der Anlage 1 hätte vorgenommen werden müssen. Nur so sei es möglich, den Zustand vor und nach Inkrafttreten der Entgeltordnung zu vergleichen, um festzustellen, ob eine höhere Eingruppierung i.S.d. § 29b TVÜ-LWL in Betracht komme. Dem Beklagten sei deshalb lediglich im Ergebnis dahin zuzustimmen, dass sein Feststellungsbegehren nicht über § 29b TVÜ-LWL zu erreichen sei, sondern er nach § 29a TVÜ-LWL in die begehrte Entgeltgruppe hätte übergeleitet werden müssen.

Er übe seit Beginn des Arbeitsverhältnisses überwiegend erzieherische Tätigkeiten aus. Insoweit sei der Begründung des Arbeitsgerichts zu folgen. Seine Tätigkeit als Erzieher sei im Konzept der Station verankert. Dagegen spreche nicht, dass es sich bei der Psychiatriefachpflege ebenfalls nicht vorrangig um eine somatische Pflege handele, sondern um die Pflege von Psyche und Geist, und dass er unter Zugrundelegung dieses Pflegebegriffes auch pflege.

Er übe eine besonders schwierige fachliche Tätigkeit in einer geschlossenen (gesicherten) Gruppe aus. Ein Verlassen der Station sei nur in Begleitung und aus therapeutischen Gründen möglich.

Er sei ferner in einer Gruppe von Behinderten i.S.d. § 2 SGB IX tätig, weil die Gruppe der untergebrachten Patienten seelische, geistige Beeinträchtigungen oder Sinnesbeeinträchtigungen aufweise, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberichtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern könnten. Die Patienten litten überwiegend unter affektiven Störungen wie Depressionen oder Manien. Sie würden in Krisensituationen aufgenommen. Den Krankheitsbildern wohne zudem inne, dass die Beeinträchtigungen letztendlich zu vielfältigen Problemen in der sozialen Umwelt, in der Schule, im Elternhaus und in Tageseinrichtungen führten. Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten betrage 10 – 12 Wochen. Oftmals verließen sie die Klinik nach der Behandlung auf der Station 2A nicht unmittelbar, sondern wechselten auf eine offene Station. Häufig schließe sich eine tagesklinische Behandlung an. Depressionen und Manien ließen sich nicht innerhalb von sechs Monaten heilen. Bei Depressionen mit Suizidgedanken sei regelmäßig mit einer Gesamtbehandlungsdauer von nicht unter einem Jahr zu rechnen.

Die Patienten der Station 2A wiesen regelmäßig wesentliche Erziehungsschwierigkeiten auf. Bei Depressionen und Manien sei immer auch ein Rückzug aus der sozialen Umgebung mit der Folge gegeben, dass die Sozialisation in der Gruppe Gleichaltriger ausbleibe oder jedenfalls erschwert sei. Diese Hemmnisse seien bei den Patienten erheblich verfestigt, so dass die Erziehung nicht wie bei gesunden Kindern und Heranwachsenden erfolgen könne.

Es handele sich um eine geschlossene Gruppe. Die Sicherung folge nicht zur Erfüllung von Aufsichtspflichten des Beklagten, sondern aus therapeutischen Gründen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Gründe

A.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthaft und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgericht Herne vom 24.01.2019 ist unbegründet. Zu Recht hat erstinstanzliche Gericht der Klage stattgegeben.

I.

Der Feststellungsantrag ist zulässig.

Es handelt sich bei der Klage auf Feststellung des Anspruchs auf Vergütung aus einer bestimmten Entgeltgruppe um eine im öffentlichen Dienst übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen, wenn durch die Entscheidung Rechtsfrieden geschaffen wird und die Parteien – wie hier – nicht über weitere Faktoren streiten, die die Vergütungshöhe bestimmen (BAG 28.02.2018 – 4 AZR 816/16 – Rdnr. 14, BAGE 162, 181; 27.08.2014 – 4 AZR 518/12 – Rdnr. 15; 17.10.2007 – 4 AZR 1005/06 – Rdnr. 15, BAGE 124, 240).

II.

Der Antrag ist begründet.

Der Beklagte ist gemäß § 12 Abs. 1 TVöD-K verpflichtet, den Kläger ab dem 01.01.2017 aus der Entgeltgruppe S 8b der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) Teil B XXIV zu vergüten.

1.

Der TVöD-K und die Eingruppierungsvorschriften sind kraft Tarifbindung der Parteien auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Insofern besteht kein Streit.

2.

Für die von dem Kläger begehrte Eingruppierung sind zunächst folgende Tarifvorschriften maßgeblich:

§ 12 TVöD-K

(1) Die Eingruppierung der/des Beschäftigten richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA). Die/der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.

(2) Die/der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (z.B. vielseitige Fachkenntnisse), sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen. Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Satz 2 bestimmte Maß ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübenden Tätigkeit, für jede Anforderung. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von den Sätzen 2 bis 4 abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person der/des Beschäftigten bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein.

Protokollerklärung zu Abs. 2:

Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der/des Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z.B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, eines Widerspruchs oder eines Antrags, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung, Konstruktion einer Brücke oder eines Brückenteils, Bearbeitung eines Antrags auf eine Sozialleistung, Betreuung einer Person oder Personengruppe, Durchführung einer Unterhaltungs- oder Instandsetzungsarbeit). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. Eine Anforderung im Sinne der Sätze 2 und 3 ist auch das in einem Tätigkeitsmerkmal geforderte Herausheben der Tätigkeit aus einer niedrigeren Entgeltgruppe.

Zur Überleitung der Beschäftigten in die neue Entgeltordnung trafen die Tarifvertragsparteien im TVÜ-LWL u.a.folgende Bestimmung:

§ 29 b Höhergruppierungen

(1) Ergibt sich nach der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD eine höhere Entgeltgruppe, sind die Beschäftigten auf Antrag in der Entgeltgruppe eingruppiert, die sich nach § 12 (VKA) TVöD ergibt. Der Antrag kann nur bis zum 31. Dezember 2017 gestellt werden (Ausschlussfrist) und wirkt auf den 01. Januar 2017 zurück; nach dem Inkrafttreten der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD eingetretene Änderungen der Stufenzuordnung in der bisherigen Entgeltgruppe bleiben bei der Stufenzuordnung nach den Absätzen 2 bis 5 unberücksichtigt. Ruht das Arbeitsverhältnis am 01.Januar 2017, beginnt die Frist von einem Jahr nach Satz 1 mit der Wiederaufnahme der Tätigkeit; der Antrag wirkt auf den 01. Januar 2017 zurück.

a.

Der Kläger war bis zum 31.12.2016 in der Entgeltgruppe Kr 7a TVöD- K eingruppiert.

Er ist bei unveränderter Tätigkeit gemäß § 29 Abs. 1 S. 1, 2, 29 d TVÜ-LWL zum 01.01.2017 zutreffend in die Entgeltgruppe P 7 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) Teil B Abschnitt XI übergeleitet worden. Eine Überprüfung der Eingruppierung bis zum 31.12.2016 war tariflich nicht vorgesehen.

Der TVÜ-LWL enthält keine Sonderregelungen für die Überleitung und Eingruppierung der Beschäftigten, die bis zum 31.12.2016 als Erzieher nach der Kr-Anwendungstabelle eingruppiert waren. §§ 2 TVÜ-LWL, 4 TVÜ-VKA sahen wie die Vorgängernorm im BAT-LWL bis zum 31.12.2016 vor, dass Angestellte mit abgeschlossener Ausbildung als Erzieher, die in Krankenhäusern mit entsprechender Tätigkeit beschäftigt sind, Krankenschwestern/Krankenpflegern in der tariflichen Eingruppierung gleichgestellt waren. Diese Tarifregelung ist zum 01.01.2017 entfallen.

b.

Mit Schreiben vom 16.08.2017 hat der Kläger fristgerecht einen Antrag nach § 29b Abs. 1 S. 1, 2 TVÜ-LWL auf Vergütung nach der Entgeltgruppe S 8b gestellt.

Er begehrt damit nicht nur eine Höhergruppierung innerhalb der Entgeltgruppen der Anlage 1 Teil B Abschnitt XI, sondern eine Höhergruppierung aus den für die Berufsgruppe der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst nach Abschnitt XXIV geltenden Eingruppierungsvorschriften.

Auch die Eingruppierung nach anderen Tätigkeitsmerkmalen ist entgegen der Auffassung des Beklagten eine Höhergruppierung i.S.d. § 29b Abs. 1 TVÜ-LWL, wie das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 29.08.2018 (6 Sa 297/18 – Rdnr. 96 ff.) ausgeführt hat. Die Kammer schließt sich dem mit überzeugenden Gründen gefundenen Auslegungsergebnis der 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts an. Auch nach Auffassung der Berufungskammer im vorliegenden Fall spricht der Wortlaut des § 29 b Abs. 1 TVÜ-LWL nicht gegen eine Höhergruppierung unter Wechsel in einen spezielleren Abschnitt des Teils B der Anlage 1. Sinn und Zweck der Tarifnorm sprechen dafür, dass auch dann ein Antragsfall gegeben ist, wenn der Beschäftigte aufgrund der Neuformulierung von Tätigkeitsmerkmalen für bestimmte Berufsgruppen nach diesen (neuen) Merkmalen eingruppiert sein will (Kuner/Bergauer, Die neue Entgeltordnung TVöD-VKA, 2017, Rdnr. 361). Ausgehend von der Überlegung, dass anlässlich der neuen Eingruppierungsordnung eine Überleitung ohne erneute Überprüfung der Eingruppierung auf ihre Richtigkeit hin erfolgen sollte, haben die Tarifvertragsparteien in dem Wissen, dass sich für die Beschäftigten eine Besserstellung aus den neuen Eingruppierungsregeln ergeben kann, die Antragsmöglichkeit nach § 29b Abs. 1 TVÜ-LWL eingeführt. Die Wahlmöglichkeit gilt uneingeschränkt. Daraus folgt, dass die Tarifvertragsparteien allen Beschäftigten den Zugang zu der neuen Eingruppierungsordnung gleichermaßen eröffnen wollten. Voraussetzung ist lediglich, dass sich ihre Tätigkeit nicht verändert hat und sie geltend machen, nach der neuen Entgeltordnung höher eingruppiert zu sein, sei es im Wege der Höher-/ Umgruppierung nach spezielleren Tätigkeitsmerkmalen.

Der Beklagte hat dem Antrag des Klägers lediglich insoweit stattgegeben, als er die Voraussetzungen einer Eingruppierung in der Entgeltgruppe P 8 bejaht hat.

3.

Der Kläger erfüllt die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe S 8b der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) Teil B Abschnitt XXIV und ist gemäß § 29b Abs. 1 S. 2 TVÜ-LWL ab dem 01.01.2017 aus dieser Entgeltgruppe zu vergüten.

Die für diese Eingruppierung maßgeblichen Tätigkeitsmerkmale lauten wie folgt:

Entgeltgruppe S 8a

Erzieherinnen/Erzieher, Heilerziehungspflegerinnen/Heilerziehungspfleger und Heilerzieherinnen/Heilerzieher mit staatlicher Anerkennung und jeweils entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.

Entgeltgruppe S 8b

Nr.1 Erzieherinnen/Erzieher, Heilerziehungspflegerinnen/Heilerziehungspfleger und Heilerzieherinnen/Heilerzieher mit staatlicher Anerkennung und jeweils entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten.

Protokollerklärungen:

6. Besonders schwierige fachliche Tätigkeiten sind zum Beispiel die

b) Tätigkeiten in Gruppen von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX oder von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten.

d) Tätigkeiten in geschlossenen (gesicherten) Gruppen,

a.

Die Tätigkeiten des Klägers erfolgen in einem einheitlichen Arbeitsvorgang.

Gemäß § 12 Abs. 2 TVöD-K ist Bezugsobjekt der tariflichen Bewertung der Arbeitsvorgang. Bei einer Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können jedoch dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinander gehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Dafür reicht die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte oder Arbeitsaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte übertragen zu können, solange sie nach der tatsächlichen Arbeitsorganisation des Arbeitgebers als einheitliche Arbeitsaufgabe einer Person real übertragen sind. Tatsächlich getrennt sind Arbeitsschritte nicht, wenn sich erst im Laufe der Bearbeitung herausstellt, welchen tariflich erheblichen Schwierigkeitsgrad der einzelne Fall aufweist. Zur Tätigkeit rechnen auch die Zusammenhangstätigkeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben des Beschäftigten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger “Atomisierung” der Arbeitseinheit nicht getrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind.

Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt bei der Bestimmung der Arbeitsvorgänge außer Betracht. Erst nachdem der Arbeitsvorgang bestimmt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen tariflichen Merkmals zu bewerten. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die Tarifvertragsparteien verschiedene Beispiele für schwierige Tätigkeiten angeführt haben. Damit haben sie die Bewertung von Einzeltätigkeiten festgelegt, nicht aber die Bestimmung von Arbeitsvorgängen vorgegeben, die gerade nicht nach der Wertigkeit der Einzeltätigkeiten, sondern vielmehr ohne Rücksicht auf diese vorzunehmen ist. An der früher vertretenen Auffassung, tatsächlich trennbare, tariflich verschieden zu bewertende Tätigkeiten könnten nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden, hält das Bundesarbeitsgericht seit längerem nicht mehr fest. Es kommt für die tarifliche Bewertung nicht darauf an, ob und inwieweit Einzelaufgaben verwaltungstechnisch verschiedenen Beschäftigten zugewiesen werden könnten, solange sie im Zusammenhang als eine einheitliche Arbeitsaufgabe tatsächlich einer Person übertragen sind. Stellt die Eingruppierungsvorschrift auf qualifizierte Merkmale wie beispielsweise das Merkmal der “schwierigen Tätigkeit ab” so ist dieses im Umfang von mindestens der Hälfte erfüllt, wenn Arbeitsvorgänge, die mindestens die Hälfte der gesamten Arbeitszeit der Person in Anspruch nehmen, schwierige Tätigkeiten enthalten. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die für die Höherwertigkeit maßgebenden Einzeltätigkeiten innerhalb des Arbeitsvorgangs zeitlich überwiegend anfallen. Vielmehr genügt es, dass die Anforderungen in einem rechtlich nicht ganz unerheblichen Ausmaß anfallen und ohne sie ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt würde (BAG 28.02.2018 – 4 AZR 816/16 – Rdnr. 14, BAGE 162, 181).

Nach diesen Grundsätzen sind alle Tätigkeiten des Klägers auf das Arbeitsergebnis der Betreuung der in der Klinik auf der Station 2A befindlichen Jugendlichen mit dem Ziel ausgerichtet, dass sie den Rahmen der geschützten Station nicht mehr benötigen und sich nach einer notfallmäßigen Aufnahme aufgrund einer Lebenskrise wieder in ihr bisheriges oder in ein neues Umfeld außerhalb der Klinik eingliedern können (Nr. 1 des Stationskonzeptes, Bl. 42 d.A.). Die Tätigkeiten im pflegerisch- erzieherischen Fachbereich können nicht aufgeteilt werden in pflegerische und erzieherische Tätigkeiten, die jeweils Arbeitsvorgänge bilden. Sie können nicht von vornherein auseinander gehalten und organisatorisch voneinander getrennt werden. Im Laufe des Arbeitstages fallen die Aufgaben wie Richten und Ausgeben von Medikamenten, Anleitung und Hilfe zur selbständigen Körperpflege, Begleitung bei der Nahrungsaufnahme, bei Therapiemaßnahmen, bei Arztbesuchen, Motivation zur Annahme von sportlichen und erlebnispädagogischen Angeboten, Spielangeboten an, während der Kläger gleichzeitig die Aufgabe hat, die Jugendlichen im Klinikalltag zu beobachten und sich mit den Mitarbeitern des ärztlichen- therapeutischen Teams und den weiteren fachspezifischen Therapeuten in einem multiprofessionellen Team über den jeweiligen Patienten auszutauschen. Er hat als Bezugspfleger Gespräche mit den Jugendlichen als Einzel- oder Gruppengespräche zum Beispiel im Rahmen der Abendrunde zu führen, an der die anwesenden Mitarbeiter des Pflege- und Erziehungsdienstes teilnehmen (3.1.1 des Stationskonzeptes, Bl. 50 d.A.). Soweit er zum Beispiel die Dokumentation der Maßnahmen erstellt, handelt es sich um Zusammenhangstätigkeiten zu der Betreuung (LAG Hamm 29.08.2018 a.a.O., Rdnr. 123).

b.

Der Eingruppierung nach Teil B Abschnitt XXIV steht nicht entgegen, dass der Kläger außerhalb des Geltungsbereiches des TVöD-B beschäftigt ist. Gemäß § 36 Abs. 2 TVöD-VKA finden die Regelungen des § 1 der Anlage zu Abschnitt VIII Sonderregelungen (VKA) § 56 BT-V auch dann Anwendung, wenn die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst außerhalb des Geltungsbereichs des BT-V oder des BT-B tätig sind.

c.

Die Tätigkeiten des Klägers erfüllen die Merkmale der Ausgangsfallgruppe S 8a.

In dieser Entgeltgruppe sind Erzieherinnen/Erzieher mit staatlicher Anerkennung und jeweils entsprechender Tätigkeit eingruppiert.

aa.

Der Kläger ist staatlich anerkannter Erzieher.

bb.

Er übt auch eine entsprechende Tätigkeit aus.

Entsprechende Tätigkeit bedeutet, dass, um die Tätigkeitsmerkmale zu erfüllen, dem Kläger eine Tätigkeit übertragen sein muss, die die tariflich geforderte Ausbildung erfordert und dem Berufsbild eines Erziehers entspricht. Der Aufgabenbereich muss der geforderten Ausbildung entsprechend. Der tariflich verwendete Begriff des Erziehers ist im berufskundlichen Sinne zu verstehen (LAG Hamm 29.08.2018 a.a.O., Rdnr. 126 unter Verweisung auf BAG 27.01.1999 – 4 AZR 88/98 – Rdnr. 33).

Wie die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm ausgeführt hat (29.08.2018 a.a.O., Rdnr. 128) beobachten Erzieher das Verhalten und Befinden von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, betreuen und fördern sie, analysieren die Ergebnisse nach pädagogischen Grundsätzen und beurteilen zum Beispiel Entwicklungsstand, Motivation und Sozialverhalten. Auf dieser Grundlage erstellen sie langfristige Erziehungspläne und bereiten Aktivitäten sowie pädagogische Maßnahmen vor, die zum Beispiel das Sozialverhalten oder die individuelle Entwicklung unterstützen. Sie fördern die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, indem sie diese zu kreativer Betätigung sowie zu freiem und gelenktem Spielen anregen. Darüber hinaus bereiten sie Speisen zu, behandeln leichte Erkrankungen und Verletzungen und leiten zu Körperpflege- und Hygienemaßnahmen an. Erzieher reflektieren die erzieherische Arbeit im Team, gegebenenfalls auch zusammen mit Vorgesetzten oder Fachleuten aus der Medizin, Psychologie und Therapie, und arbeiten mit anderen sozialpädagogischen Fachkräften zusammen. Zu Eltern, bzw. Erziehungsberechtigten halten sie engen Kontakt und stehen ihnen informierend und beratend zur Seite (berufenet.arbeitsagentur/berufenet/faces/index?path=null/suchergebnisse/kurzbeschreibung&dkz=9162&such=erzieher, zuletzt abgerufen am 01.08.2019).

Die Aufgaben des Klägers entsprechen dem Berufsbild.

Dabei hat die Kammer nicht verkannt, dass er die auf der Station 2A aufgenommenen Jugendlichen nur für eine relativ kurze Zeit betreut und fördert. Nach Vortrag des Beklagten haben sie sich in 2018 nur durchschnittlich drei Wochen in der Akutbetreuung befunden. Eine langfristig angelegte Erziehung wie zum Beispiel in einem Heim findet nicht statt.

Gleichwohl steht hinter ihrer Betreuung auch ein erzieherischer Ansatz. Nach 2.2 des Stationskonzeptes ist Ziel der Klinikintervention nicht die Änderung von Verhaltens- oder Beziehungsmustern. Erzieherischen Aktivitäten, die langfristig das Sozialverhalten oder die individuelle Entwicklung des Patienten fördern und unterstützen sollen, sind nicht gefordert. Die Klinikintervention enthält jedoch insoweit einen pädagogischerzieherischen Aufgabenansatz, als bei den Patienten eine innere Distanz zu eigenen Verhaltensweisen und sogar Veränderungs- und Behandlungsmotivation entstehen sollen.

Dieser Zielsetzung entspricht die Zusammensetzung des Teams, das aus ärztlichtherapeutischen und pflegeerzieherischen Mitarbeitern besteht. wobei die verschiedenen Berufsgruppen im direkten, engen Austausch zusammenarbeiten, so dass sich die einzelnen Bereiche zu einem auf den jeweiligen Patienten zugeschnittenen Ganzen verbinden (Nr. 1 des Stationskonzepts, Bl. 38, 39 d.A.).

Gegenwärtig beschäftigt der Beklagte auf der Station 2A etwa gleich viele Pflegekräfte und Erzieherinnen/Erzieher.

Die dem Kläger im Rahmen des Stationskonzeptes übertragenen Aufgaben sind typische Aufgaben eines Erziehers. Er leitet die Jugendlichen zur Eigenhygiene und Nahrungsaufnahme an. Dabei beschränkt sich seine Tätigkeit nicht auf die Grundpflege. Er soll ihnen vielmehr durch Begleitung und Ratschläge die Bedeutung eines pflegsamen Umgangs mit sich selbst nahe bringen und ihnen eine hilfreiche Alltagsstruktur bieten. Er begleitet sie zur Klinikschule, zu Sport- und Therapiestunden und achtet auf die Termintreue der Patienten. Er führt Gespräche mit ihnen, die der Reflektion des Verhaltens in der Gruppe und im Klinikalltag dienen und die Jugendlichen unterstützen und stärken sollen. Er ist in das pädagogischerzieherisch angelegte Konzept der Abendrunde (Nr. 3.1 des Stationskonzepts, Bl. 49 ff. d.A.) eingebunden, das gerade dazu dient, das Sozialverhalten und die individuelle Entwicklung, die individuelle Selbstwahrnehmung anzusprechen und zu fördern.

Der Kläger ist eindeutig erzieherisch, nicht pflegerisch tätig im Rahmen des Konzeptes der Erlebnispädagogik, das Lernprozesse anstoßen und Entwicklungen im Verhalten, Denken und Fühlen ermöglichen soll (Nr. 3.3 des Stationskonzeptes, Bl. 55 ff. d.A.).

Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, seine Tätigkeiten seien Tätigkeiten, die auch von Fachkinderpflegern für Psychiatrie ausgeübt werden, ist ihm nur teilweise zuzustimmen. Auch diese betreuen die Jugendlichen, stellen eine persönliche Verbindung zu ihnen her und kümmern sich um ihre körperlichen, seelischen und sozialen Bedürfnisse. Sie begleiten und beobachten die zu betreuenden Kinder und Jugendlichen. Allerdings stellt die eigentliche Pflegetätigkeit neben der psychosozialen Begleitung und Betreuung das wichtigste Aufgabenfeld dar, zum Beispiel in Form der Grundpflege und der pflegerischpsychiatrischen Gruppenarbeit (vgl. berufenet.arbeitsagenturberufenet/faces/index?path=null/suchergebnisse/kurzbeschreibung&dkz=14830&such=Fachkinderkrankenpfleger%2Fin+-+Psychiatrie, abgerufen am 01.08.2019).

Der Kläger ist nicht in die Grundpflege eingebunden. Seine Tätigkeit verliert auch nicht dadurch den erzieherischen Charakter, dass Fachkinderkrankenpfleger ebenfalls in der Betreuung, auch in der Gruppenarbeit tätig sind (so auch LAG Hamm 29.08.2018 – Rdnr. 30).

Er übt keine fachfremden Aufgaben als Fachkinderkrankenpfleger aus, sondern ist seiner Ausbildung entsprechend eingesetzt, wenn er auch nicht in einer klassischen Erziehungseinrichtung wie Kindergarten, Erziehungsheim tätig ist.

Die erzieherischen Tätigkeiten sind für seinen Aufgabenbereich prägend und für die Eingruppierung entscheidend.

Auch die Tarifvertragsparteien sind davon ausgegangen, dass Erzieher ihrer Ausbildung entsprechende Tätigkeiten in den Kliniken des Beklagten erbringen. Bis zum 31.12.2016 galt tariflich, dass Angestellte mit abgeschlossener Ausbildung als Erzieherinnen/Erzieher, die in Krankenhäusern mit entsprechender Tätigkeit beschäftigt sind, den Kinderkrankenschwestern/-krankenpflegern in der tariflichen Eingruppierung gleichgestellt sind. Damit haben die Tarifvertragsparteien anerkannt, dass die Tätigkeit in einem Krankenhaus erzieherische Arbeit sein kann, nicht allein aus der Zielsetzung der Heilung erfolgt und die Tätigkeit nicht per se als pflegerische Arbeit anzusehen ist. Ansonsten hätte es der Regelung nicht bedurft.

Sie ist zum 01.01.2017 entfallen, ohne dass die Tarifvertragsparteien eine neue vergleichbare Regelung getroffen haben. Die Eingruppierung soll demnach nunmehr nach den Grundsätzen des § 12 TVöD-K i.V.m. der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) erfolgen, die bei den Eingruppierungsmerkmalen zwischen Pflegerinnen und Pflegern mit mindestens dreijähriger Ausbildung und entsprechender Tätigkeit, Teil B Abschnitt XI Entgeltgruppe P 7 Fallgruppe 1, und Erzieherinnen und Erziehern, Teil B Abschnitt XXIV Entgeltgruppe S 8a, unterscheidet.

Die Psych-PV widerspricht ebenfalls nicht der Bewertung, dass der Kläger eine erzieherische Tätigkeit ausübt, da gemäß § 9 Psych-PV in Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie die Beschäftigung von Personen der Berufsgruppe “Erziehungsdienst” vorgesehen ist (LAG Hamm 29.08.2018 a.a.O., Rdnr. 133).

b.

Der Kläger übt auch besonders schwierige fachliche Tätigkeiten i.S.d. Hervorhebungsmerkmals der Entgeltgruppe S 8b Fallgruppe 1 aus.

aa.

Nach der Protokollerklärung Nr. 6 b) sind besonders schwierige fachliche Tätigkeiten zum Beispiel Tätigkeiten in Gruppen von behinderten Menschen i.S.d. § 2 SGB IX oder von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten.

Dazu hat der Kläger unzureichend vorgetragen. Die Jugendlichen werden nicht konkret wegen einer Behinderung oder wegen bestehender Erziehungsschwierigkeiten, sondern wegen suizidaler, fremdaggressiver oder anderen Lebenskrisen auf der Station 2A aufgenommen. Eine solche Lebenskrise mag auch auf psychischen Erkrankungen beruhen, die im Einzelfall zu einer Behinderung i.S.d. § 2 SGB IX oder zu wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten führen. Das ist aber nicht zwangsläufig so. Der Vortrag des Klägers zu den Krankheitsbildern, die zu einer notfallmäßigen Aufnahme führen können, ist nicht konkret auf die von ihm betreuen Jugendlichen zugeschnitten.

Eine schwierige fachliche Tätigkeit ist jedoch zu bejahen, weil er Tätigkeiten in einer geschlossenen (gesicherten) Gruppe verrichtet, Protokollerklärung Nr. 6 d).

Die hier zu Therapiezwecken gebildete Gemeinschaft von bis zu zwölf Jugendlichen auf der Station 2A, die das gemeinsame Interesse verbindet, eine psychische Lebenskrise zu überwinden, ist eine Gruppe (dazu BAG 29.01.1992 – 4 AZR 217/91 – Rdnr. 24).

Es handelt sich auch um eine geschlossene (gesicherte) Gruppe.

Es ist zunächst davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien durch den Klammerzusatz “gesichert” den Begriff “geschlossen” erläutern wollten. Als gesichert ist eine Gruppe dann anzusehen, wenn sie gegen gefährdende Außeneinflüsse abgeschirmt wird. Bei psychisch Kranken, die in einem Krankenhaus untergebracht sind, besteht die Sicherung darin, dass sie daran gehindert werden, den Stationsbereich zu verlassen und mit Außenstehenden in Verbindung zu treten. Dabei muss die ganze Gruppe als gesicherte Gruppe anzusehen sein. Da es für eine Gruppe kennzeichnend ist, dass alle Gruppenmitglieder ein gemeinsames Interesse verbindet, kann von einer geschlossenen (gesicherten) Gruppe nur dann gesprochen werden, wenn sämtliche Gruppenmitglieder gesichert sind. Es reicht nicht aus, wenn die Stationstür abgeschlossen und die Fenster gesichert sind, eine kleinere Untergruppe von Patienten gehindert wird, den Stationsbereich zu verlassen und mit Außenstehenden in Verbindung zu treten, sich die übrigen Patienten jedoch frei bewegen können, weil ihnen das Pflegepersonal auf Anforderung das Verlassen des gesicherten Bereiches gewähren muss (BAG 29.01.1992 a.a.O. Rdnr. 25).

Die auf der Station 2A behandelte Patientengruppe, mit der der Kläger arbeitet, ist nach diesen Grundsätzen eine geschlossene Gruppe.

Die Station ist unstreitig 24 Stunden abgeschlossen und darf nur von autorisierten Mitarbeitern des Beklagten geöffnet werden. Anders als in dem von dem Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall gibt es keine Patienten, denen allein auf ihren Wunsch hin die Stationstür geöffnet werden muss. Nicht nur die aufgrund eines Gerichtsbeschlusses in die Klinik eingewiesenen Jugendlichen, sondern auch die mit ihrer Zustimmung aufgenommenen Patienten haben ihr Einverständnis mit der geschlossenen Unterbringung zu erklären. Unstreitig haben alle Patienten bis zum ersten Facharztkontakt eine Ausgangssperre. Danach wird sowohl bei den durch Gerichtsbeschluss eingewiesenen als auch bei den freiwillig in die stationäre Behandlung eingetretenen Jugendlichen aufgrund der Prüfung ihrer besonderen Situation, ihrer Entwicklung im Einzelfall ärztlich entschieden, ob eine Ausgangssperre zu verhängen ist, Ausgang in Begleitung, später unbegleiteter Ausgang zu Hofgängen, zum Besuch der Klinikschule oder von Therapien oder am Ende sogar freier Ausgang gewährt wird. In Nr. 1 des Stationskonzeptes ist ausgeführt, dass das Setting der Station den Erfordernissen des einzelnen Jugendlichen angepasst wird und zur Ruhekommen sowie eine reizarme Umgebung erforderlich sein können, es aber auch notwendig sein kann, dass der Jugendliche rund um die Uhr unter der direkten Aufsicht von Mitarbeitern steht. Erst wenn es der Zustand des Jugendlichen ermöglicht, ist ihm Orientierung bezüglich der Räumlichkeiten und der zeitlichen Abläufe sowie der Freiräume zu geben, die er nutzen kann, um schließlich den Alltag in Richtung altersentsprechender Anforderungen durch Besuch von Fachtherapien, der Schule auf dem Klinikgelände und der Teilnahme an Aktivitäten außerhalb des Gebäudes bzw. des Klinikgeländes gestalten können. Ziel der Behandlung ist es nach Nr. 1 des Stationskonzeptes, dass “der Jugendliche den Rahmen der geschützten Station schließlich nicht mehr benötigt” (Nr. 1 des Konzeptes, Bl. 42 d.A.). Unter Nr. 2.7 des Stationskonzeptes (Bl. 48, 49 d.A.) wird unter dem Thema “körperliche Aktivität” ausdrücklich die Gefahr des Entweichens von Patienten aufgrund eines hohen Erregungsgrades thematisiert.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist eine Gruppe nicht erst dann als geschlossene (gesicherte) Gruppe zu bezeichnen, wenn die Gruppenmitglieder wie im Maßregelvollzug weitgehend von der Außenwelt und Außenkontakten abgeschnitten sind. Eine geschlossene Gruppe liegt nach Auffassung der Kammer schon dann vor, wenn die Gruppenmitglieder die Kontakte zur Umwelt nicht nach eigenem Gefallen gestalten können, sondern ihnen die Kontaktmöglichkeiten nach einem therapeutischen Konzept entsprechend ihrer individuellen Entwicklung, entsprechend ihrem Krankheitsbild eingeräumt werden. Soweit eine Zwangseinweisung nicht gegeben ist, können die sich auf der Station 2A befindlichen Patienten beziehungsweise ihre Sorgeberechtigten den stationären Aufenthalt (endgültig) abbrechen. Sie können jedoch nicht nach freiem Wunsch “kommen und gehen”.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass es auch auf offenen Stationen Regeln gibt, die i.S.d. Behandlungserfolgs zu beachten sind. Auf Stationen für Kinder- und Jugendliche besteht eine Aufsichtspflicht mit der Folge, dass minderjährige Patienten die Station nicht jederzeit nach ihrem Willen verlassen können. Die Stationen sind jedoch nicht 24 Stunden verschlossen. Sie werden nach Vortrag des Beklagten nur über Nacht gesichert.

Wird zusätzlich die Möglichkeiten des Kontaktes der Außenwelt zu den jugendlichen Patienten auf der Station 2A in den Blick genommen, zeigt sich, dass sich Erziehungsberechtigte, Mitarbeiter des Jugendamts nicht unmittelbar an die Jugendlichen wenden können, sondern die Kontakte durch die Stationsmitarbeiter zu prüfen und letztlich zu steuern sind. Es handelt sich auch insoweit um eine “geschützte” Station, während Kinder und Jugendliche auf einer offenen Station unter Beachtung der Behandlungsgegebenheiten jederzeit besucht werden können.

Für das Eingruppierungsmerkmal der “geschlossenen (gesicherten) Gruppe” ist dagegen nicht entscheidungserheblich, dass freiheitseinschränkende Maßnahmen (Nr. 1 des Stationskonzeptes, Bl. 41 d.A.) verhängt werden können, denn diese betreffen nur Einzelpatienten, nicht die gesamte Gruppe.

Insgesamt ist festzuhalten, dass in der Gruppe alle Patienten nicht nur aus Gründen der Aufsichtspflicht, sondern aus therapeutischen Gründen in den Außenkontakten, Bewegungsräumen nicht frei sind, sondern die Einräumung von Freiräumen beschränkt ist und einer ärztlichen Entscheidung unterliegt.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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