LAG Hessen, 01.10.2014 – 2 Sa 287/14

April 30, 2019

LAG Hessen, 01.10.2014 – 2 Sa 287/14

1.

Im Rahmen einer vorzunehmenden Rechtsmissbrauchskontrolle sind bei der gebotenen Gesamtabwägung grundsätzlich alle zwischen den Arbeitsvertragsparteien geschlossenen befristeten Arbeitsverträge zu berücksichtigen.
2.

Dies gilt auch für befristet geschlossene Arbeitsverträge zur vorübergehenden Vertretung für jeweils einige Tage aufgrund einer zwischen den Arbeitsvertragsparteien zuvor abgeschlossenen Rahmenvereinbarung “Verlässliche Schule” nach § 15a des Hessischen Schulgesetzes.
3.

Lediglich geringfügige Unterbrechungen zwischen zwei befristet geschlossenen Arbeitsverträgen von nicht wesentlich mehr als sechs Monaten sind unschädlich.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 31. Januar 2014 – Aktenzeichen 10 Ca 233/13 – wird als unzulässig verworfen, soweit die Klägerin Feststellung dahingehend begehrt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages der Parteien vom 19. Dezember 2012 unbefristet fortbesteht.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 31. Januar 2014 – Aktenzeichen 10 Ca 233/13 – zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin über die Wirksamkeit einer Befristung und hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit der Befristungskontrollklage, über den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages des Parteien vom 19. Dezember 2012.

Die 52-jährige (geboren am XXX ) Klägerin, die verheiratet und Mutter zweier Kinder ist, absolvierte ein Studium zur Diplom-Dolmetscherin für die Sprachen Englisch und Französisch sowie das Ersatzfach Volkswirtschaft. Da sie für die Sprache Französisch die mündliche Abschlussprüfung nicht bestand, erhielt die Klägerin kein Diplom. Die Klägerin schloss mit dem beklagten Land unter dem Datum des 24. August 2006 zunächst eine Rahmenvereinbarung, in der es auszugsweise wie folgt heißt:

Rahmenvereinbarung

Zwischen dem Lande Hessen, endvertreten durch den Leiter/die Leiterin der

A XXX -Schule in E,

Herrn B

und Herrn/Frau C (Klägerin) (im Folgenden: “Externe Vertretungskraft”)

wird im Hinblick auf eine möglichst kurzfristige Unterrichtsvertretung auf der Grundlage von § 15a des Hessischen Schulgesetzes in Verbindung mit der Verordnung zur Sicherstellung der Verlässlichen Schule nach § 15a des Hessischen Schulgesetzes vom 21. Juli 2006 (ABl. S. 620) an der oben genannten Schule Folgendes vereinbart:

1. Zweck der Rahmenvereinbarung

Zur Vermeidung eines Unterrichtsausfalls, insbesondere auf Grund kurzfristiger, zeitlich begrenzter z.B. krankheitsbedingter Ausfälle von regulären Lehrkräften, werden an den Schulen des Landes Hessen Vertretungskräfte jeweils befristet für kurzfristige Unterrichtsvertretungen eingesetzt. Dazu werden bei den Schulen Pool-Listen geführt, auf denen die für eine kurzfristige Unterrichtsvertretung grundsätzlich in Betracht kommenden Vertretungskräfte aufgeführt sind.

Die externe Vertretungskraft ist auf der Pool-Liste für die oben genannte Schule geführt. Für den Fall des Zustandekommens einer kurzfristigen befristeten Unterrichtsvertretung vereinbaren die Vertragsparteien in dieser Rahmenvereinbarung nachfolgend die für das jeweilige befristete Arbeitsverhältnis geltenden allgemeinen Arbeitsbedingungen. Die externe Vertretungskraft verpflichtet sich, den Schulleiter oder die Schulleiterin zu informieren, falls sie bereits eine Rahmenvereinbarung für kurzfristige Unterrichtsvertretung an einer anderen Schule des Landes abgeschlossen hat. Eventuelle weitere Abschlüsse von Rahmenvereinbarungen wird sie dem Schulleiter oder der Schulleiterin unverzüglich anzeigen.

2. Keine Verpflichtung zum Abschluss eines Arbeitsvertrags

Die externe Vertretungskraft ist nicht verpflichtet, Angebote zur Übernahme einer kurzfristigen Unterrichtsvertretung anzunehmen. Ebenso besteht für die Schule bzw. das Land Hessen keine Verpflichtung, der externen Vertretungskraft bei einem kurzfristigen Ausfall einer regulären Lehrkraft eine kurzfristige Unterrichtsvertretung anzubieten.

3. Zustandekommen eines Arbeitsvertrages

Durch die Aufnahme in die Pool-Liste und den Abschluss dieser Rahmenvereinbarung wird kein Arbeitsverhältnis begründet. Ein Arbeitsvertrag kommt zwischen den Vertragsparteien jeweils erst durch ein schriftliches Angebot über eine kurzfristige Unterrichtsvertretung und dessen schriftliche Annahme durch die externe Vertretungskraft zustande. Dieser Arbeitsvertrag ist jeweils befristet für die Dauer des vereinbarten Einsatzzeitraums. Die externe Vertretungskraft verpflichtet sich, keinen Unterricht zu leisten, bevor sie nicht einen entsprechenden schriftlichen Arbeitsvertrag unterzeichnet hat, dessen Inhalte sich aus dem beigefügten Muster ergeben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Rahmenvereinbarung der Parteien vom 24. August 2006 wird auf Bl. 93 – 95 d. A. verwiesen.

In der Folge schlossen die Parteien im Zeitraum von November 2006 bis Juni 2008 auf Grundlage der Rahmenvereinbarung vom 24. August 2006 rund 34 Arbeitsverträge (Bl. 96 – 111 d. A.) über kurzfristige Unterrichtsvertretungen mit einer jeweils maximalen Dauer von vier Tagen ab.

Mit Wirkung ab dem 30. Juli 2008 schlossen die Parteien unter dem Datum des 25. Juli 2008 einen Arbeitsvertrag, wonach die Klägerin als nicht vollbeschäftigte Lehrkraft mit durchschnittlich wöchentlich 17 Pflichtstunden wegen Vorliegens eines sachlichen Grundes als Aushilfsangestellte zur Vertretung bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit von Frau D XXX, längstens bis zum 10. Juli 2009 beschäftigt wurde. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf Bl. 5 bis 7 d. A. verwiesen. In der Folge schlossen die Parteien die folgenden weiteren Arbeits- bzw. Änderungsverträge:
Arbeits-/Änderungsvertrag Beschäftigungszeitraum
5. Februar 2009 9. Feb. 2009 – 10. Juli 2009 (Aufstockung)
17. März 2009 1. April 2009 – 10. Juli. 2009 (Sachgrund)
26. März 2009 11. Juli 2009 – 21. August 2009
11. August 2009 22. August 2009 – 31. Januar 2010
21. Januar 2010 1. Februar 2010. – 15. August 2010
13. Juli 2010 16. August 2010 – 30. Januar 2011

In der Zeit vom 31. Januar 2011 bis zum 4. August 2011 wurden zwischen der Klägerin und dem beklagten Land keine weiteren Arbeitsverträge über eine befristete Beschäftigung als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft geschlossen. In diesem Zeitraum schlossen die Parteien auf Grundlage der Rahmenvereinbarung vom 24. August 2006 wiederum weitere 4 Arbeitsverträge (Bl. 112 – 114 d. A.) über kurzfristige Unterrichtsvertretungen mit einer jeweils maximalen Dauer von einigen Tagen ab.

Daneben schloss die Klägerin für das 2. Halbjahr des Schuljahres 2010/2011 mit dem Verein zur Förderung des Ganztagsangebotes am A XXX -Gymnasium in E XXX einen “Vertrag zur Erteilung eines Lehrauftrags im Rahmen des Pädagogischen Ganztagsangebotes am A XXX – Gymnasium” vom 17. Januar 2011, hinsichtlich dessen nähere Einzelheiten auf Bl. 122 bis 125 d. A. verwiesen wird.

Im Anschluss schlossen die Parteien mit Wirkung ab dem 5. August 2011 die folgenden weiteren Arbeits- bzw. Änderungsverträge über eine befristete Beschäftigung der Klägerin als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft ab:
Arbeits-/Änderungsvertrag Beschäftigungszeitraum
25. Juli 2011 5. Aug. 2011 – 3. Feb. 2012
13. Januar 2012 4. Februar 2012 – 29. Juni 2012
12. März 2012 23. April 2012 – 29. Juni 2012 (Aufstockung)
3. Juli 2012 10. August 2012 – 3. Februar 2013
11. Oktober 2012 29. Oktober 2012 – 3. Feb. 2013 (Aufstockung)

Zuletzt schlossen die Parteien unter dem Datum des 19. Dezember 2012 einen Arbeitsvertrag (Bl. 34 – 36 d. A.), wonach die Klägerin ab dem 4. Februar 2013 als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 13 Pflichtstunden befristet eingestellt wurde. Weiter heißt es in § 1:

“Das Arbeitsverhältnis ist befristet bis zur Wiederaufnahme des Dienstes von Frau F XXX, längstens bis zum 5. Juli 2013:

Nach § 2 (1) des Arbeitsvertrages der Parteien vom 19. Dezember 2012 bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen (TV-H), dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Landes Hessen in den TV-H und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-H sowie den Tarifverträgen, die den TV-H und den TVÜ-H ergänzen, ändern oder ersetzen, in der jeweils geltenden Fassung. In § 2 (4) heißt es, auf das Arbeitsverhältnis findet § 21 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Anwendung. Die Bruttomonatsvergütung lag zuletzt bei rund € 1.300,00.

Der Einsatz der Klägerin bei dem beklagten Land erfolgte während der gesamten Zeiträume stets am A XXX -Gymnasium in E . Die Klägerin unterrichtete die Fächer Englisch und Französisch.

Mit ihrer am 25. Juli 2013 bei dem Arbeitsgericht Gießen eingegangenen und dem beklagten Land am 29. Juli 2013 (Bl. 38 d. A.) zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 5. Juli 2013 gewandt. Im Protokoll über die Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Gießen am 6. September 2013 (Bl. 50 d. A.) heißt es auszugsweise wie folgt:

Der Beklagtenvertreter bot der Klägerin eine Prozessbeschäftigung für den vorliegenden Prozess bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits auf der Basis des letzten Arbeitsvertrages vom 19. Dezember 2012 mit 13 Wochenarbeitsstunden an.

Die Klägerin erklärte, dass sie dieses Angebot der Prozessbeschäftigung annehme.

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Klägerin am kommenden Montag ihre Tätigkeit am A XXX -Gymnasium in E XXX aufnehme.

Der Beklagtenvertreter erklärte, dass er die Beschäftigung der Klägerin für die gesamte Zeit am A XXX -Gymnasium in E XXX nicht garantieren könne. Es sei allerdings nicht beabsichtigt, die Klägerin an eine andere Schule zu versetzen. Das Land müsse sich jedoch das Direktionsrecht vorbehalten.

Mit klageerweiterndem Schriftsatz vom 2. Januar 2014 hat die Klägerin in diesem Zusammenhang hilfsweise den Antrag angekündigt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 19. Dezember 2012 fortbesteht.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, es fehle für die zuletzt vereinbarte Befristung mit Arbeitsvertrag vom 19. Dezember 2012 ein sachlicher Grund. Sie behauptet, die vertretene Lehrkraft F XXX könne nach der Geburt ihres zweiten Kindes überhaupt nicht mehr im bisherigen Umfang auf ihre Stelle am A XXX -Gymnasium zurückkehren. Ohnehin bestehe dort ein enormer Bedarf an weiteren Lehrkräften. Anhand der Vielzahl der allein mit ihr seit 2006 geschlossenen Arbeitsverträge zeige sich, dass es sich tatsächlich um die Deckung eines Dauerbedarfs handele. Jedenfalls bestehe durch die in der Güteverhandlung vom 6. September 2013 vereinbarte Prozessbeschäftigung mangels Einhaltung der gebotenen Schriftform das Arbeitsverhältnis als unbefristet fort.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom 19. Dezember 2012 “ab 04.02.2013 bis längstens zum 05.07.2013” beendet ist, sondern über diesen Zeitraum hinaus fortbesteht;
2.

hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 19. Dezember 2012 unbefristet fortbesteht.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat die Ansicht vertreten, es liege ein Sachgrund für die zuletzt vereinbarte Befristung vor. Es behauptet, die Klägerin habe die gemäß Verfügung vom 12. August 2011 (Bl. 43 und 44 d. A.) für die Zeit vom 26. September 2011 bis zum 26. Juli 2013 in Elternzeit befindliche Lehrkraft F XXX (Fächer: Englisch und Deutsch) vertreten. Dabei habe sie für die Lehrkraft F XXX 8 Stunden Englisch (Klassen 8d und 9c) sowie für die Lehrkraft G XXX 5 Stunden Französisch (Klasse 6b) übernommen, wobei die Lehrkraft G XXX wiederum 5 Stunden Deutsch (Klasse 6b) für die Lehrkraft F XXX übernommen habe. Mit Ende ihrer Elternzeit habe die Lehrkraft F XXX ausweislich der Verfügung vom 8. August 2013 (Bl. 47 und 48 d. A.) ihren Dienst in Teilzeit mit reduzierter Stundenzahl wiederaufgenommen. Aufgrund der bisherigen Dauer der befristeten Beschäftigung und die Anzahl von befristeten Arbeitsverhältnissen könne nicht, so die Ansicht des beklagten Landes, von einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung ausgegangen werden. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung der Nichtbeschäftigung in der Zeit vom 31. Januar 2011 bis zum 4. August 2011 und anschließend verbleibenden zwei Jahren befristeter Beschäftigung bei vier hintereinander geschalteten befristeten Arbeitsverträgen. Im Übrigen sei die Klägerin aufgrund der Rahmenvereinbarung vom 24. August 2006 im Zeitraum ab November 2006 auch nur sporadisch beschäftigt worden. Schließlich sei zu berücksichtigen der Wegfall eines Doppeljahrgangs im Zusammenhang mit der Umstellung des A XXX -Gymnasiums von “G9” zu “G8” mit Abschluss des Schuljahrs 2012/2013. Bei der Protokollierung der Prozessbeschäftigung im Terminsprotokoll der Güteverhandlung vom 6. September 2013 handele es sich um eine ständige Praxis der 10. Kammer des Arbeitsgerichts Gießen, auf die sich das beklagte Land verlassen habe und verlassen durdie Lehrkraftfte. Ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis sei hierdurch nicht begründet worden.

Das Arbeitsgericht Gießen hat mit einem am 31. Januar 2014 verkündeten Urteil – 10 Ca 233/13 (Bl. 135 – 152 d. A.) – die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zunächst habe für die zuletzt vereinbarte und im Hauptantrag angegriffene Befristung ein Sachgrund iSd. § 14 Abs. 1 TzBfG vorgelegen, denn die Klägerin habe mit dem befristeten Arbeitsvertrag vom 19. Dezember 2012 die Lehrkraft F XXX während deren Elternzeit vertreten, und zwar im Umfang von 8 Stunden Englischunterricht unmittelbar und im Umfang von 5 Stunden Französischunterricht mittelbar über die Lehrkraft G XXX, die stattdessen 5 Stunden Deutschunterricht für die abwesende Lehrkraft F XXX übernommen habe. Ein Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs, an den hohe Anforderungen zu stellen seien, liege nicht vor. Vielmehr liege bei einem Zeitraum von knapp 5 Jahren mit insgesamt nur neun Befristungen, die generell von einem Befristungsgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG bestimmt gewesen seien, eine noch zulässige Kettenbefristung vor. Die weiter abgeschlossenen vier Aufstockungsbefristungen seien dabei unbeachtlich, da hierdurch jeweils der Befristungszeitraum nicht verlängert worden sei. Hingegen würden die aufgrund Rahmenvereinbarung vom 24. August 2006 zwischen den Parteien zuvor in den Jahren 2006 bis 2008 geschlossenen befristeten Arbeitsverträge einen besonderen, vom Gesetzgeber in § 15a des Hessischen Schulgesetzes (“Verlässliche Schule”) geregelten Sachverhalt betreffen und seien deshalb bei der Prüfung des Rechtsmissbrauchs nicht zu berücksichtigen. Schließlich bestehe mit Blick auf die in der Güteverhandlung vereinbarte Prozessbeschäftigung kein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 19. Dezember 2012. Es liege ein Rechtsverhältnis sui generis vor, durch das die Parteien kein neues Arbeitsverhältnis und keinen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen hätten. Aus diesem Grund sei die Vereinbarung der Prozessbeschäftigung durch einen gerichtlichen Vergleich bzw. Teilvergleich nicht erforderlich gewesen. Ohnehin habe die Art der gerichtlichen Protokollierung im Terminsprotokoll Sinn und Zweck und die Voraussetzungen der Schriftlichkeit der Erklärungen im Sinne des § 14 Abs. 4 TzBfG erfüllt. Sowohl die Beweisfunktion wie auch Klarheit und Eindeutigkeit der Erklärungen der Parteien sei bei Protokollierung der entsprechenden Erklärungen durch das Gericht gewahrt worden.

Das erstinstanzliche Urteil ist der Klägerin am 24. Februar 2014 (Bl. 153 d. A.) zugestellt worden. Die Berufung der Klägerin ist am 12. März 2014 (Bl. 159 ff. d. A.) und ihre Berufungsbegründung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24. Mai 2014 (Bl. 165 d. A.) am 22. Mai 2014 (Bl. 166 ff. d. A.) bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die in den Jahren 2006 bis 2008 zwischen den Parteien auf Grundlage der Rahmenvereinbarung vom 24. August 2006 (§ 15a Hessisches Schulgesetz “Verlässliche Schule”) geschlossenen befristeten Arbeitsverträge seien bei der Prüfung eines Rechtsmissbrauchs zu berücksichtigen. Eine Differenzierung zwischen diesen befristeten Arbeitsverträgen und denen als teilzeitbeschäftigte Tarifkraft verbiete sich. Entscheidend sei, dass während der gesamten Beschäftigungsdauer der Klägerin fortwährend Vertretungsbedarf in den von ihr unterrichteten Fächern bestanden habe.

Die Klägerin beantragt,

1.

das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 31. Januar 2014 – Az. 10 Ca 233/13 – aufzuheben;
2.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristung im Arbeitsvertrag der Parteien vom 19. Dezember 2012 zum 5. Juli 2013 beendet wurde;

hilfsweise für den Fall des Unterliegens,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages der Parteien vom 19. Dezember 2012 unbefristet fortbesteht.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land verteidigt ausdrücklich das erstinstanzliche Urteil. Es verweist darauf, dass ein “fortwährender Vertretungsbedarf” nicht bestanden habe. Vielmehr sei die Klägerin nach Abschluss der Rahmenvereinbarung vom 24. August 2006 im Zeitraum 2006 bis 2008 nur sporadisch beschäftigt worden. Es habe sich um keine durchgängige Beschäftigung gehandelt.

Wegen des weiteren Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen vom 21. Mai 2014 (Bl. 166 und 167 d. A.), 11. Juli 2014 (Bl. 178 – 182 d. A.) und 28. Juli 2014 (Bl. 183 d. A.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 1. Oktober 2014 (Bl. 185 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

I.

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 31. Januar 2014 – 10 Ca 233/13 – ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. b und c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht iSv. §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG, 519 ZPO eingelegt worden.

2. Die Berufung ist auch form- und fristgerecht iSv. §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 und 5 ArbGG, 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO begründet worden. Jedoch genügt sie den inhaltlichen Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung nur hinsichtlich des erstinstanzlich abgewiesenen Hauptantrages. Soweit es den erstinstanzlich abgewiesenen Hilfsantrag – über den das Arbeitsgericht nach Unterliegen mit dem Hauptantrag zu entscheiden hatte – betrifft, hat die Klägerin das erstinstanzliche Urteil mit der Berufungsbegründung nicht hinreichend angegriffen. Die Berufung ist insoweit unzulässig:

a) Nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG ist § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO auch im Arbeitsgerichtsverfahren anwendbar (BAG, Urteil vom 10. Februar 2005 – 6 AZR 183/04 – Rz. 17, zitiert nach ). Danach hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn es diese bekämpfen will (BAG, Urteil vom 15. August 2002 – 2 AZR 473/01 -Rz. 24, zitiert nach ). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es einerseits nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung des Arbeitsgerichts mit formelhaften Wendungen zu rügen, lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG, Urteil vom 6. März 2003 – 2 AZR 596/02 – Rz. 13, zitiert nach ). Allerdings kann vom Berufungsführer auch nicht mehr Begründung verlangt werden, als vom Arbeitsgericht selbst gegeben worden ist (BAG, Urteil vom 28. Mai 2009 – 2 AZR 223/08 -Rz. 18, zitiert nach ). Bezieht sich die Berufung auf mehrere Ansprüche im prozessualen Sinn, ist zu jedem Anspruch eine ausreichende Begründung zu geben. Fehlen Ausführungen zu einem Anspruch, ist die Berufung insoweit unzulässig (BAG, Urteil vom 8. Mai 2008 – 6 AZR 517/07- Rz. 28, zitiert nach ). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Begründetheit des einen Anspruchs denknotwendig von der des anderen abhängt. In diesem Fall genügt eine Auseinandersetzung mit der “Hauptbegründung” (BAG, Urteil vom 16. März 2004 – 9 AZR 323/03 – Rz. 61, zitiert nach ).

b) In Anwendung dieser Grundsätze hat die Klägerin den erstinstanzlich abgewiesenen Hilfsantrag nicht ausreichend angegriffen. Die Berufungsbegründung verhält sich hierzu nicht, sie enthält zu den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung, soweit diese den abgewiesenen Hilfsantrag betreffen, schlichtweg keinerlei Ausführungen.

3. Die Berufung der Klägerin war deshalb hinsichtlich des erstinstanzlich abgewiesenen Hilfsantrages als unzulässig zu verwerfen.

II.

Soweit die Berufung zulässig ist, hat sie keinen Erfolg. Die Befristungskontrollklage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch die in dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 19. Dezember 2012 vereinbarte Befristung zum 5. Juli 2013. Diese Befristung ist nach §§ 21 Abs. 1 BEEG, 14 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 TzBfG wegen des Sachgrundes der Vertretung für die in Elternzeit befindliche Lehrkraft F XXX gerechtfertigt. Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt im Hinblick auf die Dauer und/oder die Anzahl der Befristungen auch kein missbräuchlicher Rückgriff des beklagten Landes auf befristete Arbeitsverträge vor. Dieses Entscheidungsergebnis beruht kurz zusammengefasst auf folgenden Erwägungen (§ 313 Abs. 3 ZPO):

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch die im Arbeitsvertrag der Parteien vom 19. Dezember 2012 vereinbarte Befristung zum 5. Juli 2013. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 des kraft einzelvertraglicher Vereinbarung anwendbaren TV-H sind befristete Arbeitsverträge zulässig auf Grundlage des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) sowie anderer gesetzlicher Vorschriften über die Befristung von Arbeitsverträgen; die Voraussetzungen für eine wirksame Befristung nach §§ 21 Abs. 1 BEEG, 14 Abs. 1 Satz 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG liegen vor.

a) Mit der Klage hat die Klägerin eine zulässige Befristungskontrollklage iSd. § 17 Satz 1 TzBfG erhoben, die sich gegen die zuletzt in dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 19. Dezember 2012 vereinbarte Befristung zum 5. Juli 2013 richtet.

b) Weiterhin gilt die Befristung nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam, denn die Klägerin hat deren Rechtsunwirksamkeit rechtzeitig geltend gemacht. Mit ihrer am 25. Juli 2013 bei dem Arbeitsgericht Gießen eingegangenen und dem beklagten Land am 29. Juli 2013 (Bl. 38 d. A.) jedenfalls noch demnächst zugestellten Klage hat sie die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG eingehalten, § 167 ZPO.

c) Die im Arbeitsvertrag der Parteien vom 19. Dezember 2012 vereinbarte Befristung für die Zeit vom 4. Februar 2013 bis zum 5. Juli 2013 ist rechtswirksam. Sie ist durch den Sachgrund der Vertretung nach §§ 21 Abs. 1 BEEG, 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 TzBfG sachlich gerechtfertigt.

aa) Ein zur Befristung eines Arbeitsvertrages erforderlicher sachlicher Grund liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Neben dieser allgemeinen Regelung bestimmt § 21 Abs. 1 BEEG, dass ein die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigender sachlicher Grund gegeben ist, wenn ein Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers für die Dauer eines Beschäftigungsverbotes laut dem Mutterschutzgesetz, eine Elternzeit, einer auf Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglicher Vereinbarung beruhenden Arbeitsfreistellung zur Betreuung eines Kindes oder für diese Zeiten zusammen oder für Teile davon eingestellt wird (vgl. BAG, Urteile vom 18. Juli 2012 – 7 AZR 783/10 – Rn. 12 und 7 AZR 443/09 – Rn. 16, jeweils zitiert nach ). Der die Befristung rechtfertigende sachliche Grund liegt in diesen Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend an der Arbeitsleistung verhinderten Arbeitnehmer in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Arbeitnehmers rechnen muss. Damit besteht an der Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Arbeitnehmer obliegenden Aufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis (vgl. BAG, Urteil vom 16. Januar 2013 – 7 AZR 661/11 – Rn. 13, zitiert nach ). Der Sachgrund liegt zum einen vor, wenn der befristet zur Vertretung eingestellte Mitarbeiter die vorübergehend ausfallende Stammkraft unmittelbar vertritt und die von ihr bislang ausgeübten Tätigkeiten erledigt. Notwendige Voraussetzung für eine Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG ist das aber nicht. Der Vertreter kann vielmehr auch mit anderen Aufgaben betraut werden. Dabei muss allerdings sichergestellt sein, dass die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers wegen des Arbeitskräftebedarfs erfolgt, der durch die vorübergehende Abwesenheit des zu vertretenden Mitarbeiters entsteht. Fehlt dieser Kausalzusammenhang, ist die Befristung nicht durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt (BAG, Urteil vom 25. März 2009 – 7 AZR 34/08 – Rn. 14, zitiert nach ). Werden dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer Aufgaben übertragen, die der vertretene Mitarbeiter nie ausgeübt hat, besteht der erforderliche Kausalzusammenhang nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gleichwohl, wenn der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich in der Lage wäre, dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer im Falle seiner Anwesenheit die dem Vertreter zugewiesenen Aufgaben zu übertragen. In diesem Fall ist allerdings zur Gewährleistung des Kausalzusammenhangs zwischen der zeitweiligen Arbeitsverhinderung der Stammkraft und der Einstellung der Vertretungskraft erforderlich, dass der Arbeitgeber bei Vertragsschluss mit dem Vertreter dessen Aufgaben einem oder mehreren vorübergehend abwesenden Beschäftigten nach außen erkennbar gedanklich zuordnet. Dies kann insbesondere durch eine entsprechende Angabe im Arbeitsvertrag geschehen (BAG, Urteil vom 14. April 2010 – 7 AZR 121/09 -Rn. 16, zitiert nach ).

bb) Gemessen an diesen vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Rechtsgrundsätzen zur Befristungskontrolle ergibt sich, dass die im Arbeitsvertrag der Parteien vom 19. Dezember 2012 vereinbarte und von der Klägerin angegriffene Befristung zum 5. Juli 2013 durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt war. Hierzu hat das beklagte Land unwidersprochen (§ 138 Abs. 3 ZPO) vorgetragen, die Klägerin habe in der Zeit vom 4. Februar 2013 bis zum 5. Juli 2013 die sich seinerzeit in Elternzeit befundene Lehrkraft F XXX vertreten. Die Klägerin habe für diese in unmittelbarer Vertretung in den Klassen 8d und 9c insgesamt acht Stunden Englisch und in mittelbarer Vertretung für die Lehrkraft G XXX in der Klasse 6b fünf Stunden Deutsch unterrichtet, damit die Lehrkraft G XXX wiederum für die abwesende Lehrkraft F XXX in der Klasse 6b fünf Stunden Deutsch unterrichten konnte.

d) Die Befristung zum 5. Juli 2013 im Arbeitsvertrag der Parteien vom 19. Dezember 2012 ist auch unter Berücksichtigung der vom Bundesarbeitsgericht in Konkretisierung der nach dem Urteil des EuGH vom 26. Januar 2012 (C 586/10 – Kücük, NJW 2012, S. 989 ff. [EuGH 26.01.2012 – Rs. C-586/10]) unionsrechtlich gebotenen Missbrauchskontrolle in ersten Entscheidungen (vgl. Urteile vom 18. Juli 2012 – 7 AZR 443/09 und vom 10. Juli 2013 – 7 AZR 761/11 und 19. Februar 2014 – 7 AZR 260/12, allesamt zitiert nach ) entwickelten Rechtsgrundsätzen nicht rechtsunwirksam.

aa) Die Frage, wann genau eine mehrfache Befristung rechtsmissbräuchlich ist, und welche Umstände hierfür eine Rolle spielen, ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts danach abschließend noch nicht geklärt. Das Bundesarbeitsgericht hat zuletzt in seinen Entscheidungen vom 19. Februar 2014 (vgl. BAG, Urteil vom 19. Februar 2014 – 7 AZR 260/12 – Rn. 36, zitiert nach ) und 24. September 2014 (vgl. BAG, Urteil vom 24. September 2014 – 7 AZR 987/12 – Rn. 38, zitiert nach ) noch einmal betont, dass eine Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalles notwendig ist und keine zeitlichen oder zahlenmäßigen Grenzen statuiert, sondern lediglich grobe Orientierungshilfen gegeben. Danach kann das Überschreiten der gesetzlichen Grenzwerte in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG den Schluss auf eine missbräuchliche Gestaltung zulassen, wenn diese Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ mehrfach überschritten werden. In diesem Fall ist eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten, in deren Rahmen es zunächst Sache des Arbeitnehmers ist, noch weitere für einen Missbrauch sprechende Umstände vorzutragen. Werden die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ in besonders gravierendem Ausmaß überschritten, kann eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung indiziert sein. In einem solchen Fall hat allerdings der Arbeitgeber regelmäßig die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Bundesarbeitsgericht bei einer Dauer von insgesamt sieben Jahren und neun Monaten bei vier befristeten Arbeitsverhältnissen sowie keinen weiteren – vom Arbeitnehmer vorzutragenden – Umständen keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch gesehen (vgl. BAG, Urteil vom 18. Juli 2012 -7 AZR 783/10, zitiert nach ). Bei einer Gesamtdauer von mehr als elf Jahren und einer Anzahl von 13 Befristungen sowie einer gleichbleibenden Beschäftigung zur Deckung eines ständigen Vertretungsbedarfs ist das Bundesarbeitsgericht demgegenüber davon ausgegangen, die rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit der Vertretungsbefristung sei indiziert, könne aber vom Arbeitgeber noch widerlegt werden (vgl. BAG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 7 AZR 443/09, zitiert nach ).

bb) Unter Berücksichtigung dessen ergibt sich bei der gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls vorliegend keine missbräuchliche Ausnutzung der Vertretungsbefristung bezogen auf die Klägerin. Das hat das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung im Ergebnis zutreffend erkannt. Allerdings hat die Klägerin zu Recht darauf hingewiesen, dass grundsätzlich alle mit dem beklagten Land geschlossenen befristeten Arbeitsverträge im Rahmen der gebotenen Rechtsmissbrauchskontrolle zu berücksichtigen sind. Weder hindert daran die geringfügige Unterbrechung in der Beschäftigung als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft in der Zeit vom 31. Januar 2011 bis zum 4. August 2011 noch die gesetzliche Regelung des § 15a des Hessischen Schulgesetzes für die auf Grundlage der Rahmenvereinbarung vom 24. August 2006 jeweils geschlossenen kurzen Arbeitsverträge über eine Beschäftigung als Vertretungskraft im Rahmen der “Verlässlichen Schule”. Nicht zu berücksichtigen ist im Rahmen der Missbrauchskontrolle allerdings der von der Klägerin mit dem Verein zur Förderung des Ganztagsangebotes am A XXX -Gymnasium in E XXX geschlossene “Vertrag zur Erteilung eines Lehrauftrags im Rahmen des Pädagogischen Ganztagesangebotes am A XXX -Gymnasium” vom 17. Januar 2011, denn hierbei war Vertragspartner der Klägerin nicht das beklagte Land. Aber auch unter Heranziehung aller von der Klägerin mit dem beklagten Land geschlossenen befristeten Arbeitsverträge ergibt sich eine Gesamtdauer von gerade mal rund fünf Jahren. Die Anzahl an Befristungen als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft beträgt neun; weitere vier geschlossene Änderungsverträge führten hingegen nicht zu einer Verlängerung der jeweiligen Befristungsdauer. Auf Grundlage der Rahmenvereinbarung vom 24. August 2006 kommen zwar rund 40 befristete Arbeitsverträge jeweils über maximal einige Tage hinzu, in denen die Klägerin als Vertretungskraft im Rahmen der “Verlässlichen Schule” beschäftigt wurde. Deren sehr hohe Anzahl kann unter Berücksichtigung der Rahmenvereinbarung vom 24. August 2006 und des Modells “Verlässliche Schule” nach Ansicht der Berufungskammer allerdings nicht dazu führen, dass von einer Überschreitung der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ in besonders gravierendem Ausmaß auszugehen und damit eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung indiziert wäre. Sinn und Zweck der Rahmenvereinbarung vom 24. August 2006 war es, möglichst kurzfristig Unterrichtsvertretung auf der Grundlage von § 15a des Hessischen Schulgesetzes in Verbindung mit der Verordnung zur Sicherstellung der Verlässlichen Schule nach § 15a des Hessischen Schulgesetzes vom 21. Juli 2006 vereinbaren zu können. Hierzu wurde die Klägerin in eine Pool-Liste aufgenommen. Der Abschluss der befristeten Arbeitsverträge erfolgte kurzfristig bei Ausfall einer regulären Lehrkraft für die Dauer von einigen Tagen. Für die Klägerin bestand im Falle des Angebots keine Verpflichtung zum Abschluss eines Vertrages. Alles das ist nicht vergleichbar mit einem “üblichen” befristeten Arbeitsverhältnis einer teilzeitbeschäftigten Lehrkraft und führt im Streitfall zu einer anderen Bewertung. Vor diesem Hintergrund ist zwar eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten, in deren Rahmen es danach aber Sache der Klägerin gewesen wäre, noch weitere für einen Missbrauch sprechende Umstände vorzutragen. Daran fehlt es. Auch wenn der Klägerin zuzugestehen ist, dass sie während der gesamten Dauer der befristeten Arbeitsverträge stets und ausschließlich am A XXX -Gymnasium in E XXX eingesetzt wurde und jedenfalls während der Zeiträume ihrer Beschäftigung als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft ausschließlich die Fächer Englisch und Französisch unterrichtete, vermag die Berufungskammer allein daraus nicht auf eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung schließen. Unterrichtserteilung ausschließlich in den von einer Lehrkraft beherrschten Fächern ist dem Schulbetrieb immanent. Der von der Klägerin erstinstanzlich weiterhin angeführte ständige Vertretungsbedarf während ihrer Beschäftigungszeit kann im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung ebenfalls nicht herangezogen werden. Der Schulbetrieb weist durchaus Besonderheiten auf, was für die Berufungskammer insbesondere anzunehmen ist im Hinblick auf den in jedem Schuljahr in nicht vorhersehbaren Umfang entstehenden Vertretungsbedarf bspw. aufgrund von Sonderurlaub, Elternzeit, Mutterschutz, längerfristigen Erkrankungen und Arbeitszeitreduzierungen für Lehrkräfte mit unterschiedlichen Fächerkombinationen in unterschiedlicher Stundenhöhe. Das beklagte Land ist nicht verpflichtet, eine Personalreserve vorzuhalten, sondern darf auch einen dauerhaft bestehenden Vertretungsbedarf durch befristet eingestellte Arbeitnehmer abdecken (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 17. Juli 2013 – 7 Sa 450/13, zitiert nach ). Ihr erstinstanzlich als “besonderer Umstand” angeführtes Lebensalter von über 50 ist für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs insoweit ohne Belang, da die Klägerin selbst keine Befristung durch das beklagte Land “wegen” ihres Lebensalters von über 50 behauptet hat. Weitere, für einen Rechtsmissbrauch sprechende Umstände hat das Berufungsgericht indes nicht erkennen können.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, da die Berufung der Klägerin erfolglos bleibt.

Für die Zulassung der Revision ist kein Grund im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG ersichtlich.

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