LAG Hessen, 01.12.2017 – 3 Sa 1501/16

März 24, 2019

LAG Hessen, 01.12.2017 – 3 Sa 1501/16
Leitsatz:

Den Tarifvertragsparteien ist bei der Abfassung des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 für Mitarbeiter der LSG mit Verträgen zur Anpassung an die Arbeitszeit (MTV Nr. 2 MaA) in der Fassung vom 01. Januar 2007 ein Redaktionsversehen unterlaufen. Die Vorschrift ist – ausgehend von den allgemeinen Auslegungsregeln – dahin auszulegen, dass bei der Berechnung der U/K-Pauschale für Abruf-Mitarbeiter auf Kalendertage und nicht auf Arbeitstage im Divisor abzustellen ist, nämlich so, wie es aktuell in Art. 1 des ÄnderungsTV Nr. 4 formuliert ist und wie es in der Ursprungsfassung des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 1993 formuliert war.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 22. September 2016 – 20 Ca 8806/15 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über die Nachzahlung eines Differenzbetrages betreffend die tarifvertraglich geregelte Pauschale für Urlaubs- und Krankheitstage (im Folgenden: U/K-Pauschale).

Die Klägerin ist seit 01. März 2006 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin auf Basis eines schriftlichen “Teilzeitvertrag zur Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall” mit einem fest vereinbarten – entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringenden – Einsatzumfang beschäftigt. Nach einer Klausel des zuletzt gültigen Vertrags “gelten neben den Vereinbarungen dieses Vertrages die Bestimmungen der jeweils gültigen Tarifverträge (…) soweit sie Mitarbeiter mit Teilzeitverträgen zur Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall ausdrücklich in ihren Geltungsbereich einbeziehen” (wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 49ff d. A. Bezug genommen).

In der Berufungsverhandlung am 01. Dezember 2017 haben die Parteien übereinstimmend erklärt, dass im Jahre 2011 eine Rechtsnachfolge von der A auf die jetzige Beklagte und einige Jahre zuvor eine Umfirmierung in A stattgefunden hat.

Die Beklagte gehört dem Konzern der B an und stellt – wie ihre Rechtsvorgängerin – Verpflegung für den Verzehr an Bord von Flugzeugen her. Sie ist Mitglied im Arbeitgeberverband Luftverkehr e.V. (nachfolgend: AGVL) und wie ihre Rechtsvorgängerin A Mitglied des Arbeitgeberverbandes “Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e.V.” (nachfolgend: AVH) gewesen. Der AVH, der AGVL und Ver.di haben im Oktober/November 2010 einen “Übernahmevertrag” unterzeichnet. Nach dessen § 1 ist der AGVL anstelle der AVH in sämtliche zwischen der AVH und ver.di zum 01. Januar 2010 (“Stichtag”) bestehenden Tarifverträge, Verträge, Vereinbarungen etc. eingetreten und die Vertragsübernahme erfasst insbesondere die in den Anlagen 2 und 3 beispielhaft aufgelisteten Tarifverträge und Verträge, wegen der weiteren Einzelheiten des Übernahmevertrages wird auf die Anlage BB3, Bl. 221ff d. A. Bezug genommen.

Wie bei ihrer Rechtsvorgängerin sind bei der Beklagten Mitarbeiter mit Verträgen zur Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall (im Folgenden: Abruf-Mitarbeiter) und Nicht-Abruf-Mitarbeiter beschäftigt, letztere sind Vollzeitmitarbeiter oder Teilzeitmitarbeiter mit festgelegten Wochenstunden. Auf die Nicht-Abruf-Mitarbeiter ist u.a. der Manteltarifvertrag Nr. 14 für das Bodenpersonal der B (MTV Nr. 14) anwendbar. Auf beide Arbeitnehmergruppen finden jeweils Tarifverträge Anwendung nach denen u.a. bei Urlaub und Zeiten von Arbeitsunfähigkeit neben der Grundvergütung eine Pauschale an den Arbeitnehmer zu zahlen ist, die sogenannte U/K-Pauschale. Mit dieser Pauschale soll der Wegfall der Möglichkeit Zeitzuschläge bei Urlaub und Arbeitsunfähigkeit zu verdienen, kompensiert werden. Bezüglich der Berechnung der U/K-Pauschale bestehen für Abruf- und Nicht-Abruf-Mitarbeiter unterschiedliche Regelungen.

Nicht-Abruf-Mitarbeitern stehen auf Basis einer 5-Tage-Woche ab dem 5. Beschäftigungsjahr 30 Tage Urlaub im Jahr zu, § 32 Abs. 3 MTV Nr. 14. Ihre Urlaubsvergütung, Krankenbezüge und die U/K-Pauschale bestimmen sich nach §§ 32 Abs. 2, 27 Abs. 2 MTV Nr. 14. Danach wird die U/K-Pauschale auf Basis von Arbeitstagen berechnet. Bei Urlaub des Nicht-Abruf-Mitarbeiters wird der errechnete Betrag arbeitstäglich für maximal 30 Urlaubstage gezahlt. Bei Krankheit wird die U/K-Pauschale auf Basis von Arbeitstagen ermittelt, auf Kalendertage runtergebrochen und kalendertäglich gezahlt. Die tarifliche Regelung zur Berechnung der U/K-Pauschale bei Nicht-Abruf-Mitarbeitern in § 32 Abs. 2 a) MTV Nr. 14 lautete ab 01. Oktober 1991:

“Der Pauschalbetrag errechnet sich aus der Summe der in dem vorausgegangenen Kalenderjahr abgerechneten Mehrarbeitsvergütungen und Zeitzuschlägen, geteilt durch die Zahl der vom Mitarbeiter tatsächlich geleisteten Arbeitstage (einschließlich Dienstreise- und Lehrgangstage) des vorangegangenen Kalenderjahres. Der Divisor wird erhöht um diejenigen planmäßigen Arbeitstage, an denen der Mitarbeiter unentschuldigt gefehlt hat.”

Seit 01. Juli 1998 lautet die Regelung:

“Der Pauschalbetrag errechnet sich aus der Summe der in dem vorausgegangenen Kalenderjahr abgerechneten Zeitzuschlägen auf Grundarbeitsstunden, geteilt durch die Zahl der vom Mitarbeiter tatsächlich geleisteten Arbeitstage (einschließlich Dienstreise- und Lehrgangstage) des vorangegangenen Kalenderjahres. Der Divisor wird erhöht um diejenigen planmäßigen Arbeitstage, an denen der Mitarbeiter unentschuldigt gefehlt hat.”

Da die Einsatztage bei Abruf-Mitarbeiter zu Jahresbeginn nicht feststehen und sich ihr Einsatz theoretisch auf alle Kalendertage eines Monats verteilen kann, erfolgt die Berechnung der U/K-Pauschale für sie auf Basis des – auch auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren – Manteltarifvertrag Nr. 2 für Mitarbeiter der A mit Verträgen zur Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall (im Folgenden: MTV Nr. 2 MaA). Die Ursprungsfassung dieses MTV Nr. 2 MaA vom 21. Januar 1993 ist zwischen der AVH und ver.di vereinbart worden und Bemessungsgrundlage für die Berechnung der U/K-Pauschale sind danach Kalendertage gewesen.

Der MTV Nr. 2 MaA in der Fassung vom 01. Januar 2007 lautet u.a. wie folgt:

Ҥ 4 Arbeitszeit

Die Mitarbeiter sind verpflichtet, entsprechend dem vertraglich vereinbarten Vertragsstundenvolumen im vertraglich vereinbarten Bezugszeitraum ihre Arbeitszeit nach dem Arbeitsanfall zu erbringen.

§ 5 Mehrarbeit

(1) Die Arbeitszeit kann über das vertraglich vereinbarte Vertragsstundenvolumen im vertraglich vereinbarten Bezugszeitraum hinaus nur einvernehmlich erhöht werden.

(2) Für diese mehr geleisteten Arbeitsstunden erfolgt die Vergütung auf Basis der Stundensätze gemäß § 3 Abs. (1) VETV.

(3) Arbeitsstunden, die über das monatliche Stundensoll von Vollzeitarbeitnehmern hinaus geleistet werden, sind Mehrarbeitsstunden.

§ 16 Krankenbezüge

(…)

(2) Bis zur Dauer von 6 Wochen wird als Krankenbezug die aktuelle Grundvergütung weiter gezahlt. Außerdem erhält der Mitarbeiter je Kalendertag zur Abgeltung von Mehrarbeitsvergütung und Zeitzuschlägen einen Pauschalbetrag, der sich nach § 24 Abs. (2) – umgerechnet auf Kalendertage – errechnet. (…)

§ 24 Erholungsurlaub

(…)

(2) Für die Zeit des Erholungsurlaubs werden dem Mitarbeiter die Grundvergütung und die Zulagen weiter gezahlt. Außerdem erhält der Mitarbeiter je Urlaubstag zur Abgeltung von Zeitzuschlägen auf Grundarbeitsstunden einen Pauschalbetrag, der sich wie nachstehend ausgeführt errechnet. Der Pauschalbetrag wird ab dem 01. Urlaubstag berechnet.”

Nach § 24 Abs. 3 MTV Nr. 2 MaA hat die Dauer des Erholungsurlaubs auf Basis einer 7-Tage-Woche in den ersten zwei Jahren ab tatsächlichem Beginn der Beschäftigung des Abruf-Mitarbeiters 35 Urlaubstage, im dritten und vierten Beschäftigungsjahr 38 und ab dem 5. Jahr 42 Urlaubstage jährlich betragen. Durch den Änderungstarifvertrag Nr. 3 vom 26. Februar 2013 zum MTV Nr. 2 MaA wurde mit Wirkung zum 01. April 2013 für die Abruf-Mitarbeiter der Beklagten die dritte Stufe der Urlaubsstaffel gestrichen und ab dem 3. Beschäftigungsjahr beträgt der jährliche Erholungsurlaubsanspruch durchgehend 38 Urlaubstage.

Die tarifliche Regelung zur Berechnung der U/K-Pauschale bei Abruf-Mitarbeitern in § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA hat sich wie folgt entwickelt:

– Die ab 01. Januar 1993 gültige Ursprungsfassung (Version 1993) lautete:

“Der Pauschalbetrag errechnet sich aus der Summe der Vergütungsbeträge für die in dem vorausgegangenen Kalenderjahr über das Vertragsstundenvolumen hinaus abgerechneten Arbeitsstunden, Mehrarbeitsvergütungen und Zeitzuschlägen. Dieser Betrag ist durch die um die Zahl der Abwesenheitstage, bei denen arbeitsfreie Lehrgangs- und Dienstreisetage (Kalendersymbole F, A, L, R) nicht berücksichtigt werden, reduzierte tatsächliche Jahrestageszahl zu teilen. Der Divisor wird erhöht um denjenigen planmäßigen Arbeitstag, an denen der Mitarbeiter unentschuldigt gefehlt hat”.

– Die ab 01. Juli 1998 gültige Fassung (Version 1998) lautete:

“Der Pauschalbetrag errechnet sich aus der Summe der in dem vorausgegangenen Kalenderjahr abgerechneten Zeitzuschläge auf Grundarbeitsstunden, geteilt durch die Zahl der vom Mitarbeiter tatsächlichen geleisteten Arbeitstage (einschließlich Dienstreise- und Lehrgangstage) des vorausgegangenen Kalenderjahres. Der Divisor wird erhöht um diejenigen planmäßigen Arbeitstage, an denen der Mitarbeiter unentschuldigt gefehlt hat”.

– Die ab 01. Januar 2007 (Version 2007) gültige Fassung lautete:

“Der Pauschalbetrag errechnet sich aus der Summe der im vorausgegangenen Kalenderjahr auf das vereinbarte Vertragsstundenvolumen abgerechneten Zeitzuschläge und der -bis zur Mehrarbeitsauslösegrenze gemäß § 5 Abs. 3 – darüber hinaus tatsächlich abgerechneten Grundarbeitsstunden und Zeitzuschläge, geteilt durch die Zahl der vom Mitarbeiter tatsächlich geleisteten Arbeitstage (einschließlich Lehrgangs- und Dienstreisetage) des vorangegangenen Kalenderjahres. Der Divisor wird erhöht um denjenigen planmäßigen Arbeitstag, an denen der Mitarbeiter unentschuldigt gefehlt hat”.

Bei der Berechnung der U/K-Pauschale nach der Version 1993 hat die Arbeitgeberseite von dem Divisor 360 (12 X 30 Tage) noch folgende Tage abgezogen: Betriebsunfall, Wegeunfall, Sonderurlaub mit Erstattungsanspruch, arbeitsfreie Tage an denen Arbeitsunfähigkeit besteht, Arbeitsunfähigkeit, Mutterschutz, Sonderurlaub bei Pflege des erkrankten Kindes, Sonderurlaub nach §§ 8,9 MTV MaA, Erholungsurlaub, unbezahlte Arbeitsfreistellung, Kuraufenthalt und ganztägige Betriebsratstätigkeit bei nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern. Dagegen hat die Arbeitgeberseite die Tage, an denen die Mitarbeiter auf Abruf lediglich potentiell hätten arbeiten können, aber nicht eingeteilt waren, nicht abgezogen.

Für neueintretende Abruf-Mitarbeiter wurde vorübergehend die ab 01. Juli 1998 gültige Version des § 24 Abs. 2a MTV MaA Nr. 2 angewendet. Die wortlautgetreue Anwendung wurde eingestellt, als die Arbeitgeberseite bemerkt hat, dass diese Handhabung dazu geführt hat, dass sie nahezu jede Entgeltfortzahlung an Urlaubstagen verhindert hätte, weil nur “Zeitzuschläge auf Grundarbeitsstunden” durch die U/K-Pauschale abgegolten worden wären.

Betreffend die Klägerseite ist jedenfalls in der Berufungsverhandlung am 01. Dezember 2017 unstreitig geworden, dass die Beklagte die U/K-Pauschale zumindest im streitgegenständlichen Zeitraum stets nach der Berechnungsmethode der Version 1993 berechnet hat und im Divisor nicht auf Arbeitstage, sondern auf Kalendertage abgestellt hat.

Im Jahr 2006 hat der Mitarbeiter C die Rechtsvorgängerin der Beklagten vor dem Arbeitsgericht Frankfurt auf Zahlung verklagt (Az.: 11 Ca 8766/06).

Mit einem Flugblatt aus dem Mai 2007 hat der Betriebsrat u.a. über die “Wiedereinführung der U+K-Pauschale für alle Mitarbeiter auf Abruf” informiert, wegen dessen Einzelheiten wird auf die die Anlage GHW-E, B. 122f d. A. Bezug genommen.

Wegen einer Nachfrage des Mitarbeiters D zur Berechnung der U/K-Pauschale ist es am 29. August 2008 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der A, zu einer gemeinsamen Besprechung gekommen. An dieser haben u. a. zur Erläuterung der Berechnung der Pauschale zwei seinerzeit für die Lohnabrechnung zuständige Mitarbeiter der B teilgenommen. Die Mitarbeiterin E der Arbeitgeberin, die damals zumindest Gruppenleiterin Personal war, hat darüber eine “Besprechungsnotiz” gefertigt, in der es u.a. heißt:

“Die Berechnungsgrundlagen ergeben sich aus den jeweils gültigen Tarifverträgen. Der Betrag für die U/K-Pauschale wird jeweils zum 01.01. eines jeden Jahres gültig und errechnet sich aus der Summe der im Vorjahr (01.01.-31.12.) abgerechneten Zeitzuschläge und Plusstunden, geteilt durch die Zahl der in diesem Zeitraum vom Abrufmitarbeiter tatsächlich geleisteten Arbeitstage (einschließlich Dienstreisen und Lehrgänge). Dieser Betrag ist in der Januar-Abrechnung (Neuberechnung für Dezember) des Folgejahres zu entnehmen.

Beim Divisor werden für einen vollen Monat 30 Tage bzw. für das volle Jahr auf 360 Tage angesetzt. Dieser wird um die Anwesenheitssymbole (TARIS): A, B, D, E, I, J, K, M, N, O, Q, Y, S, T, U, W und 1-9 gekürzt. Sofern ein Mitarbeiter unterjährig eintritt, kommt wird die U-K-Pauschale im lfd. Jahr auf dieser Basis monatlich neu berechnet”. Wegen der weiteren Einzelheiten der Notiz wird auf die Anlage GHW A, Bl. 52ff d. A. Bezug genommen.

Nach der Besprechung hat Herr D gegenüber der Arbeitgeberseite keine abweichende Berechnung der U/K-Pauschale vom damaligen Tarifwortlaut mehr beanstandet.

Nachdem im Januar 2015 bei der Beklagten, eine am Wortlaut des § 24 Abs. 2a) MTV MaA in der Fassung vom 01. Januar 2007 orientierte Klage auf Nachzahlung der U/K-Pauschale eingegangen war (Az. 20 Ca 9184/14, Arbeitsgericht Frankfurt am Main), haben der AGVL und ver.di Verhandlungen aufgenommen und am 22. Juli 2015 den “Änderungstarifvertrag Nr. 4 zum MTV für Mitarbeiter der A auf Abruf Nr. 2” unterzeichnet (im Folgenden: ÄnderungsTV Nr. 4). Darin heißt es:

“Präambel

Die Tarifvertragsparteien hatten zuletzt am 01.01.2007 eine Änderung der Berechnungsgrundlage der sog. U & K-Pauschale vorgenommen. Die Tarifparteien haben nunmehr festgestellt, dass diese Berechnungsgrundlage offensichtlich dem tarif- und personalpolitischen Verständnis für die Gewährung einer Urlaubs- und Krankheitspauschale widerspricht und zu einer signifikanten Besserstellung der Mitarbeiter auf Abruf im Urlaubs- und Krankheitsfall im Vergleich zu Vollzeitmitarbeitern führt. Diese Besserstellung war im Abschlussjahr 2007 nicht beabsichtigt. Die Regelung ist somit gleichheitswidrig. Die Tarifvertragsparteien berichtigen daher im Einvernehmen diese fehlerhafte Berechnungsgrundlage durch nachfolgenden Tarifvertrag.

Artikel 1

§ 24 Abs. 2 Lit. a des MTV MaA wird wie folgt neu gefasst:

Der Pauschalbetrag errechnet sich aus der Summe der im vorangegangenen Kalenderjahr auf das vereinbarte Vertragsstundenvolumen abgerechnete Zeitzuschläge und der – bis zur Mehrarbeitsauslösegrenze gemäß § 5 Abs. 3 – darüber hinaus tatsächlich abgerechneten Grundarbeitsstunden und Zeitzuschläge. Dieser Pauschalbetrag ist durch die um die Zahl der Abwesenheitstage reduzierte Zahl 360 geteilt.

Abwesenheitstage im Sinne dieses Absatzes sind Betriebsunfall, Wegeunfall, Sonderurlaub mit Erstattungsanspruch, arbeitsfreie Tage, an denen Arbeitsunfähigkeit besteht, Arbeitsunfähigkeit, Mutterschutz, Sonderurlaub bei Pflege des erkrankten Kindes, Sonderurlaub nach §§ 8, 9 MTV MaA, Erholungsurlaub, unbezahlte Arbeitsfreistellung, Kuraufenthalt und ganztägige Betriebsratstätigkeit bei nicht nach § 38 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitgliedern. Der Divisor wird erhöht um diejenigen planmäßigen Arbeitstage, an denen der Mitarbeiter unentschuldigt gefehlt hat.

Artikel 2

Dieser Änderungstarifvertrag tritt mit Wirkung zum 01.01.2007 in Kraft.”

Mit der im Dezember 2015 bei Gericht eingegangen und der Beklagten am 03. Februar 2016 zugestellten Klage, begehrt die Klägerin Nachzahlung der U/K-Pauschale zuletzt für Januar 2012 bis Dezember 2014 in Höhe von insgesamt 7.609,83 Euro brutto. Höhe und Berechnung der eingeklagten U/K-Pauschale ist zwischen den Parteien unstreitig. Wegen der Berechnung der Klageforderung wird auf die Klageschrift, ab S. 2, und den klägerischen Schriftsatz vom 29. Juni 2016, dort S. 3 – 4 Bezug genommen.

Wegen des Weiteren streitigen und unstreitigen Parteivorbringens im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird im Übrigen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit am 22. September 2016 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte die U/K-Pauschale für den streitgegenständlichen Zeitraum zutreffend auf Basis von §§ 16 Abs. 2, 24 Abs. 2 MTV Nr. 2 MaA in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 22. Juli 2015 berechnet habe. Die darin zum 01. Januar 2007 vereinbarte rückwirkende Änderung für die Berechnung der U/K-Pauschale sei wirksam. Ein schutzwürdiges Vertrauen der klagenden Partei in die Altregelung sei nicht entstanden, da sie hiervon keine Kenntnis gehabt und die Abrechnungen der U/K-Pauschale in der Vergangenheit nicht beanstandet habe. Die klagende Partei behaupte selbst nicht, die Regelung der Version von 2007 gekannt noch ihr Verhalten daran ausgerichtet und Dispositionen getroffen zu haben.

Als erste Auslegungszweifel hinsichtlich der Version von 2007 aufgekommen seien, hätten die den MTV Nr. 2 MaA schließenden Tarifvertragsparteien unverzüglich Verhandlungen aufgenommen und am 22. Juli 2015 den Änderungstarifvertrag vereinbart. Ab diesem Zeitpunkt sei mit einer Änderung zu rechnen gewesen, wobei auf die Kenntnis der betroffenen Kreise abzustellen sei und nicht auf die der klagenden Partei.

Auch wenn andere Arbeitnehmer die Berechnung der U/K-Pauschale moniert hätten, vermöge dies keinen subjektiven Vertrauensschutz für die klagende Partei zu begründen. Darauf könne sich nur berufen, wer in Kenntnis der Rechtslage eine wirtschaftliche Disposition getroffen habe. Daran fehle es vorliegend.

Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihm am 03. November 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 02. Dezember 2016 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens für rechtsfehlerhaft. Sie vertritt weiterhin die Rechtsansicht, dass die rückwirkende Tarifänderung durch den ÄnderungsTV Nr. 4 nicht wirksam sei und sie Anspruch auf die geltend gemachten Differenzbeträge habe. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts habe das Bundesarbeitsgericht in keiner Entscheidung formuliert, dass schutzwürdiges Vertrauen in die Rechtslage nur entstehe, wenn der Arbeitnehmer die zu ändernde oder geänderte Norm kenne und sein Verhalten danach ausrichte. Insoweit komme es auf die Kenntnis und das Verhalten der betroffenen Kreise an. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien sei bei rückwirkender Änderung durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt. Insofern komme es auf “subjektiv schutzwürdiges Vertrauen” in eine objektive Rechtslage an und nicht auf eine individuelle Prüfung, ob der Arbeitnehmer Dispositionen getroffen habe, etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des BAG vom 05. Juli 2006 -4 AZR 381/05. Auch müsse ein Mitarbeiter darauf vertrauen dürfen, dass sein Arbeitgeber tarifvertragskonform abrechne. Für den Vertrauensschutz sei auch von erheblicher Bedeutung, dass die Beklagte bewusst über Jahre die U/K-Pauschale tarifvertragswidrig abgerechnet habe.

Es sei richtig, dass Abruf-Mitarbeiter bei längeren Fehlzeiten durch die zwischen 2007 und 2015 gültige Regelung gegenüber dem nach MTV Nr. 14 vergüteten Nicht-Abruf-Mitarbeiter profitierten. Insoweit gebiete der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz allenfalls die bessere Behandlung der Nicht-Abruf-Mitarbeiter.

Der MTV Nr. 2 MaA in der Fassung vom 01. Januar 2007 sei durch den ÄnderungsTV Nr. 4 bereits deshalb nicht wirksam abgeändert worden, weil dieser nicht von denselben Tarifvertragsparteien geschlossen worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 22. September 2016, Az.: 20 Ca 8806/15, zugestellt am 03. November 2016 abzuändern und

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin brutto € 7.609,83 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten p.a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil. Sie behauptet, die Berechnung der U/K-Pauschale sei über Jahre hinweg stets unverändert nach der Berechnungsformel von 1993 erfolgt. Alle Beteiligten, auch die Tarifvertragsparteien, seien davon ausgegangen, dass die vorgenommene Berechnung richtig sei. Lediglich kurzfristig sei im Zeitraum vom 01. Juli 1998 bis 01. Januar 2007 die damalige tarifvertraglich ungünstigere Regelung für die Abruf-Mitarbeiter für neu eingetretene Mitarbeiter -nicht die Klägerseite- angewendet worden. Mit dem ÄnderungsTV Nr. 4 von 2015 sei die bereits ursprünglich gewollte und nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien richtig praktizierte Berechnung zutreffend formuliert und wirke auf das Jahr 2007 zurück.

Bis zur Zustellung der Klage F im Januar 2015 sei der Beklagten nicht bekannt gewesen, dass ihre Abrechnung nicht mit dem Wortlaut der tariflichen Regelung übereinstimme. Der Prozess des Mitarbeiters C und das Flugblatt des Betriebsrates vom Mai 2007 hätten die ältere Version aus 1998 betroffen. Auch nach der Besprechung mit Herrn D am 29. August 2008 seien die damalige Gruppenleiterin Personal, Frau E und die Beklagte davon ausgegangen, dass die Berechnung der tariflichen Regelung entspreche. Zu keiner Zeit habe Herr D geäußert, dass die Berechnung der U/K-Pauschale nicht der Regelung im Tarifvertrag entspreche.

Die Beklagte meint, die Voraussetzungen für einen rückwirkenden Eingriff in wohlerworbene Rechte, seien erfüllt. Denn entgegenstehendes schutzwürdiges Vertrauen in die frühere Rechtslage setze die Kenntnis der Rechtslage und entsprechende Disposition voraus, daran fehle es. Jedenfalls komme ein schutzwürdiges Vertrauen in eine offensichtlich gleichheitswidrige Regelung ohnehin nicht in Betracht. Wegen des Vorbringens zur Ungleichbehandlung von Abruf- und Nicht-Abruf-Mitarbeitern wird auf das Vorbringen der Beklagten in der Berufungserwiderung vom 12 Januar 2017, dort S. 10ff, nebst der in der Anlage BB1 angefügten Beispielsrechnung und ihren Schriftsatz vom 08. Juli 2017, dort S. 3f Bezug genommen.

Mit der im Übernahmevertrag von Oktober/November 2010 verbindlich vereinbarten Übernahme sämtlicher Tarifverträge sei der AGVL an die Stelle des AVH getreten und damit Partei der Tarifverträge geworden.

In der Berufungsverhandlung am 14. Juli 2017 hat das Gericht der Klägerseite aufgegeben, zum vorgelegten Übernahmevertrag und ggfl. zur Rechtsgrundlage für die Anwendung der Tarifverträge vorzutragen. Die Beklagte hat Gelegenheit zur Erwiderung und Erläuterung der vorgelegten Modellrechnung erhalten, wegen der Einzelheiten des Beschlusses wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen, Bl. 229ff d. A.

Innerhalb verlängerter Frist hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2017 die Rechtsauffassung vertreten, dass der geltend gemachte Zahlungsanspruch sich nicht aus § 611 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag und § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA in der Version 2007 ergebe. Dies ergebe eine Auslegung dieser tariflichen Vorschrift. § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA in der Version 2007 sei auslegungsbedürftig, weil seine wortlautgetreue Anwendung zu einem offensichtlich systemwidrigen Ergebnis führe und damit unklar sei. Ausgehend vom Willen der Tarifvertragsparteien, einem Vergleich mit den Regelungen der U/K-Pauschale bei Nicht-Abruf-Mitarbeitern und der Entwicklung der tariflichen Vorschrift handele es sich bei der Regelung in § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA in der Version 2007 um ein offensichtliches Redaktionsversehen. Auch führe die buchstabengetreue Anwendung von § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA in der Version 2007 dazu, das ein Abruf-Mitarbeiter für Urlaubs- und Krankheitszeiträume ein höheres Entgelt erhalten würde, als wenn er tatsächlich gearbeitet hätte. Diese Besserstellung sei nicht beabsichtigt gewesen. Dies zeige auch der ÄnderungsTV Nr. 4, mit dem die Tarifvertragsparteien eine missglückte Regelung korrigiert hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vorbringens der Beklagten, Ausführungen zur Gleichheitswidrigkeit des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA in der Version 2007 und zum wirksamen ÄnderungsTV Nr. 4 wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 13. Oktober 2017 Bezug genommen.

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 14. November 2017, auf den ergänzend Bezug genommen wird, hat die Klägerseite bestritten, dass die Arbeitgeberseite seit 1993 die U/K-Pauschale stets unverändert nach der Regelung aus dem Jahr 1993 vorgenommen habe und dass ein Abruf-Mitarbeiter für Urlaubszeiträume ein höheres Entgelt erhalten würde, als wenn er tatsächlich gearbeitet hätte. Im selben Schriftsatz hat er das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 13. Oktober 2017 ab Seite 3 für neu gehalten, es mit Nichtwissen bestritten und für unbeachtlich gehalten. Die tarifliche Regelung in § 24 MTV Nr. 2 MaA sei nicht auslegungsbedürftig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens und ihrer Erklärungen in den Berufungsverhandlungen wird auf die gewechselten Schriftsätze und Protokollniederschriften der Berufungsverhandlungen Bezug genommen.
Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

A. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 22. September 2016 ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft, § 64 Abs. 2b ArbGG. Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten form- und fristgerecht eingelegt, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

B. In der Sache ist die Berufung unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht gegen die Beklagte der geltend gemacht Anspruch auf Nachzahlung der U/K-Pauschale für die Zeit von Januar 2012 bis Dezember 2014 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu, er ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 16, 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA in der Version 2007. Dies ergibt die Auslegung der einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmung des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA in der Version 2007.

Die sich aus §§ 16, 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA in der Version 2007 ergebenden klägerischen Ansprüche hat die Beklagte bereits erfüllt.

I. Grundsätzlich folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. st. Rspr. vgl. z. B. BAG 27. Juli 2017 – 6 AZR 701/16 – Rn. 19, ZTR 2017, 720; BAG 22. April 2010 – 6 AZR 962/10 – Rn. 17f, BAGE 134, 184 [BAG 22.04.2010 – 6 AZR 962/08]; BAG 12. September 1984 – 4 AZR 336/81 – Rn. 24, BAGE 46, 308ff [BAG 12.09.1984 – 4 AZR 336/82]). Bei der Auslegung eines ablösenden Tarifvertrags kann neben dem ablösenden Tarifvertrag selbst auch der abgelöste Tarifvertrag mit herangezogen werden. Dies folgt schon aus dem insoweit unmittelbar ersichtlichen tariflichen Regelungszusammenhang (st. Rspr. des BAG, z. B. BAG 27. Juli 2017 – 6 AZR 701/16 – Rn. 19, ZTR 2017, 720; BAG 14. Juli 2015 – 3 AZR 903/13, Rn. 17, zitiert nach juris).

Es ist anerkannt, dass bei der Auslegung von Tarifverträgen eine Bindung an den möglichen Wortsinn eines Begriffs dann nicht besteht, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang das Vorliegen eines Redaktionsversehens ergibt. Dieser Gesamtzusammenhang muss sich aus den Tarifnormen ergeben. Redaktionsversehen können ausschließlich dann zu einer vom Tarifwortlaut abweichenden Auslegung des Tarifvertrages führen, wenn die Tarifnorm nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang unklar ist und der von den Tarifvertragsparteien erkennbar verfolgte Regelungszweck verfehlt wird (BAG 04. August 2016 – 6 AZR 129/15 – Rn. 37, NZA-RR 2016, 627, unter Verweis auf: BAG 19. Januar 2016 – 9 AZR 608/14 – Rn 19, ZTR 2016, 455; BAG 21. November 2012 – 4 AZR 139/11 – Rn. 16, AP § 1 TVG Nr. 54: Lufthansa; BAG 13. Dezember 1995 – 4 AZR 615/95, II 4 der Entscheidungsgründe, Rn. 40ff, NZA 1996,1050, jeweils mwN.; für Gesetze z.B. BVerfG 19. Dezember 2017 – 1 BvL 3/14 und 1 BvL 4/14 – NJW 2018, 361, Rn. 147).

II. In Anwendung der dargestellten Grundsätze ist für die klägerischen Ansprüche, entgegen der Ansicht der Berufung, davon auszugehen, dass den Tarifvertragsparteien bei der Abfassung des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 2007 ein Redaktionsversehen unterlaufen ist. Diese Vorschrift ist dahin auszulegen ist, dass bei der Berechnung der U/K-Pauschale für Abruf-Mitarbeiter auf Kalendertage und nicht auf Arbeitstage im Divisor abzustellen ist, nämlich so wie es aktuell in Art. 1 des ÄnderungsTV Nr. 4 formuliert ist und wie es in der Ursprungsfassung des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 1993 formuliert war.

1. Zuzugeben ist der Klägerseite, dass der Wortlaut des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 2007 isoliert betrachtet und auf den ersten Blick eindeutig erscheint und für die von der Klägerseite favorisierte Berechnung der U/K-Pauschale auf Basis von Arbeitstagen und nicht Kalendertagen im Divisor spricht. Entgegen der Auffassung der Klägerseite ergibt jedoch die Erforschung des tariflichen Gesamtzusammenhangs, dass der Wortlaut des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 2007 unklar ist, damit der von den Tarifvertragsparteien erkennbar verfolgte Regelungszweck verfehlt wird und die Norm abweichend vom Wortlaut auszulegen ist.

Insoweit geht die erkennende Kammer -anders als die Kammer 5 des Hessischen Landesarbeitsgerichts betreffend die Rechtsstreite einer eigenständigen Schwestergesellschaft der hiesigen Beklagten- davon aus, dass trotz des vermeintlich klaren Wortlauts von § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 2007 ein Redaktionsversehen der Tarifvertragsparteien vorliegt und die Norm dahin auszulegen ist, dass bei der Berechnung der U/K-Pauschale für Abruf-Mitarbeiter auf Kalendertage und nicht auf Arbeitstage im Divisor abzustellen ist.

2. Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt sich das Vorliegen eines Redaktionsversehens, weil die Tarifnorm nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang unklar ist und bei wörtlichem Verständnis erkennbar dazu führen würde, dass der tarifliche Regelungszweck verfehlt würde. Die Norm steht in einem Gesamtzusammenhang mit anderen Normen, nämlich zunächst den Vorschriften des Tarifvertrages, die sich gleichermaßen auf die Berechnung der U/K-Pauschale beziehen.

a) § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA betrifft die Berechnung der U/K-Pauschale bei den bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigten Abruf-Mitarbeiter. Mit dieser Pauschale soll der Wegfall der Möglichkeit Zeitzuschläge in Krankheits- und Urlaubszeiten zu verdienen, kompensiert werden. Hierzu gibt es bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin für die beschäftigten Abruf-Mitarbeiter und die Nicht-Abruf-Mitarbeiter in den jeweils anwendbaren Tarifverträgen unterschiedliche Regelungen. In den jeweiligen tarifvertraglichen Regelungen zur Berechnung der U/K-Pauschale haben die Tarifvertragsparteien unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Grundarbeitsstunden, Dauer des Erholungsurlaubs und der möglichen Einsatztage eine möglichst gleichmäßige Behandlung beider Arbeitnehmergruppen angestrebt. Hierzu hat bereits das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 15. Dezember 2016 -8 Sa 603/16- bezüglich der Abruf-Mitarbeiter und des MTV Nr. 2 MaA und der Nicht-Abruf-Mitarbeiter und des MTV Nr. 14 einer Schwestergesellschaft der hiesigen Beklagten ausgeführt:

“(1) Ausgangspunkt der Betrachtung ist, dass es Wille der Tarifvertragsparteien war, den nicht auf Abruf eingesetzten Mitarbeitern der Beklagten einen bezahlten Jahresurlaub von 5 Wochen ab ihrem Eintritt zu gewähren, der dann gestaffelt nach Betriebszugehörigkeit auf bis zu sechs Wochen (ab dem 01.04.2013 auf bis zu fünf Wochen und 2 Tage) steigen sollte. Dementsprechend normiert § 32 Abs. 3 MTV Nr. 14 auf Basis einer planmäßigen fünftägigen Arbeitswoche einen Jahresurlaubsanspruch von 25 bzw. 27 (und früher 30) Urlaubstagen. Ergänzend stellt Abs. 4 der Vorschrift klar, dass es einer Urlaubnahme nur für die Tage bedarf, an denen der Mitarbeiter dienst- bzw. schichtplanmäßig zur Arbeit eingeteilt ist. Für diese und nur für diese Tage ist ihm die Grundvergütung inklusive Zulagen und eine “kleine”- U-Pauschale zur Abgeltung entgehender Zeitzuschläge gemäß § 32 Abs. 2, 2a) MTV Nr. 14 zu zahlen. Für Tage, an denen der Mitarbeiter nicht zur Arbeit eingeteilt ist, muss er keinen Urlaub nehmen, erhält aber auch keine Urlaubsvergütung. Entsprechend regelt § 27 Abs. 2 MTV Nr. 14 die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Wochen: Der Arbeitnehmer wird (im Wesentlichen) durchbezahlt; er erhält das, was er auch im Arbeitsfalle an Entgelt zu beanspruchen hätte.

(2) Das in §§ 27, 32 MTV Nr. 14 niedergelegte System der Entgeltberechnung im Urlaubs- und Krankheitsfall lässt sich auf Mitarbeiter auf Abruf indes nicht übertragen, und zwar jedenfalls nicht auf Mitarbeiter, die – wie ursprünglich beabsichtigt – nicht quasi in Vollzeit und/oder kontinuierlich arbeiten (wie das beim Kläger der Fall sein mag), sondern tatsächlich flexibel und nicht mit einem im Vorhinein nicht zu prognostizierenden Einsatzvolumen. Steht nämlich zu Beginn des Jahres nicht fest, an wie vielen Tagen ein solcher Abrufmitarbeiter im Laufe des Jahres eingesetzt werden wird, kann auch nicht vorausbestimmt werden, wie viele Urlaubstage dieser Mitarbeiter braucht, damit er auf die von den Tarifvertragsparteien gewollten fünf Wochen bzw. fünf Wochen und zwei Tage Jahresurlaub kommt. Zudem steht im Zeitpunkt einer konkreten Urlaubsplanung des Abrufmitarbeiters nicht fest, ob er für einen bestimmten Tag oder eine bestimmte Woche Monate später einen Urlaubsantrag stellen muss oder nicht: Er weiß ja noch gar nicht, ob er dort abgerufen werden soll. Gleiches gilt für den Krankheitsfall. Hier besteht zudem die Besonderheit, dass es Anreize für die Arbeitgeberseite zu verhindern gilt, einen erkrankten Mitarbeiter schlicht nicht mehr abzurufen und dadurch den Entgeltfortzahlungsanspruch zu unterlaufen.

(3) Dieser Problematik haben die Tarifvertragsparteien in §§ 16 Abs. 1, 24 Abs. 2, 3 MTV MaA Nr. 2 durch ein besonderes Zusammenspiel eines der Höhe nach modifizierten Urlaubsanspruchs und einer entsprechend angepassten Berechnungsformel für die Bestimmung der U/K-Pauschale Rechnung getragen; für letztere war zudem zu berücksichtigen, dass sie bei den Abrufmitarbeitern nicht nur die erarbeiteten Zeitzuschläge, sondern auch die Grundvergütung für das über 40 Monatsstunden hinausgehende Arbeitsvolumen zu beinhalten hatte, um eine gesetzmäßige Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall zu gewährleisten. Die Tarifvertragsparteien haben sich dabei für eine kalendertägliche Betrachtung entschieden, die sich im Ergebnis der im MTV Nr. 14 niedergelegten Berechnung soweit als möglich annähert, ohne mit ihr völlig identisch zu sein. Der Abrufarbeitnehmer kann Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und insbesondere die Zahlung der U/K-Pauschale für jeden Kalendertag seiner Arbeitsunfähigkeit verlangen (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 MTV MaA Nr. 2); ob er an diesem Tage gearbeitet hätte oder nicht, spielt keine Rolle. Ebenso wird dem Abrufarbeitnehmer ein im Verhältnis zum Nicht-Abruf-Mitarbeiter proportional erhöhter Urlaubsanspruch von 35 bzw. 38 Kalendertagen auf Basis einer 7-Tage-Woche (§ 24 Abs. 3 MTV MaA Nr. 2) eingeräumt, den er dann allerdings auch zur Arbeitsbefreiung an Tagen einsetzen muss, an denen er (wie sich im Nachhinein vielleicht herausgestellt hätte) gar nicht gearbeitet hätte. Es bleibt aber rechnerisch bei einem Urlaubsanspruch von 5 bzw. (etwa) 5,4 Wochen pro Jahr.

(4) Wird nun die U/K-Pauschale für mehr Tage und auch für Tage gezahlt, an denen der Kläger gar nicht gearbeitet hätte, bedarf es eines Korrektivs zur Vermeidung einer Schlechterstellung der Nicht-Abruf-Mitarbeiter, die ihr Entgelt nur für Kranken- und Urlaubstage fortgezahlt erhalten, an denen sie andernfalls tatsächlich gearbeitet hätten. Diese erfolgt über die Erhöhung des Divisors bei der Berechnung der U/K-Pauschale, in dem eben – im Ergebnis wie oberhalb des Bruchs – dort 360 Kalendertage zum Ansatz kommen. Nur so können dem Grunde nach Äpfel mit Äpfeln (eine fiktive Zahl an einzusetzenden Urlaubstagen und eine fiktive Zahl potentieller Arbeitstage bei den Abrufmitarbeitern) und Birnen mit Birnen (Tage mit realer Arbeitsbefreiung infolge Krankheit bzw. Urlaub und im Vorjahr tatsächlich absolvierte Arbeitstage) verglichen bzw. ins Verhältnis gesetzt werden. Dass durch die Erhöhung des Divisors bei den Abrufarbeitnehmern der Tagessatz der U/K-Pauschale geringer ausfällt als bei den unter den MTV Nr. 14 fallenden Arbeitskollegen, versteht sich dabei von selbst. Das wird aber dadurch ausgeglichen, dass die Abrufmitarbeiter diesen Tagessatz auch für mehr Tage im Jahr gewährt bekommen, nämlich für 38 statt für 27 Urlaubstage. Beide Regelungen können daher nur gemeinsam rechtlich betrachtet und bewertet werden. Genau das meint auch das Arbeitsgericht mit seiner “5/5 – 7/7”-Argumentation.

(5) Diese Konnexität haben die Tarifvertragsparteien in der Ursprungsregelung des MTV Nr. 14 und des MTV MaA Nr. 2 aus dem Jahre 1993 voll umfänglich beachtet. Das änderte sich zum 01.07.1998, als die Neuregelung des § 32 Abs. 2a) MTV Nr. 14 zum Anlass genommen wurde, eine wortgleiche Bestimmung in § 24 Abs. 2a) MTV MaA Nr. 2 aufzunehmen, der – wenn man ihn wörtlich genommen hätte – nahezu jede Entgeltfortzahlung an Urlaubstagen verhindert hätte, weil danach nur “Zeitzuschläge auf Grundarbeitsstunden” durch die U/K-Pauschale abgegolten worden wären. Im Zuge dieses offensichtlichen Redaktionsversehens wurde zudem erstmals der für Abrufmitarbeiter nicht passende Begriff der “tatsächlich geleisteten Arbeitstage” in die Tarifregelung implementiert. Dieser Zustand wurde sodann auch bei der Korrektur im Jahre 2007 beibehalten mit der Folge, dass sich der Tagessatz der U/K-Pauschale nach den im Vorjahr absolvierten Arbeitstagen des Abrufmitarbeiters berechnete, während sich die Zahl der zu gewährenden Urlaubstage nach der Anzahl der Kalendertage in fünf bzw. sechs Urlaubswochen bemaß. Um im Zahlenbeispiel des Arbeitsgerichts zu bleiben: Im Dividend taucht die “7” auf, im Divisor hingegen die “5”. Damit haben die Tarifvertragsparteien den im Jahre 1998 missglückten Wortlaut des § 24 Abs. 2a) MTV MaA Nr. 2 zu Beginn des Jahres 2007 durch einen anderen, aber ebenfalls misslungenen Normtext ersetzt. Erst die Neufassung im Jahre 2015 trägt den vorgenannten Erwägungen Rechnung und kehrt zur gebotenen Gegenüberstellung von Kalendertagen in Dividend und Divisor zurück” (so ausdrücklich Landesarbeitsgericht Düsseldorf 15. Dezember 2016 -8 Sa 603/16).

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf schließt sich die erkennende Kammer an.

Auf diese Ausführungen hat sich augenscheinlich auch die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 13. Oktober 2017 bezogen. Soweit die Klägerseite dieses Vorbringen mit Schriftsatz vom 14. November 2017 als verspätet gerügt hat, greift die Verspätungsrüge schon deshalb nicht durch, weil es sich ausschließlich um Rechtsausführungen und nicht um Tatsachenbehauptungen handelt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerseite das Vorbringen im Schriftsatz der Beklagten vom 13. Oktober 2017 “ab Seite 3 des Schriftsatzes” als neu bezeichnet, mit Nichtwissen bestreitet und für unbeachtlich hält. Im Hinblick auf § 138 ZPO ist von der Klägerseite zu verlangen, dass sie relevantes Tatsachenvorbringen der Beklagten ausdrücklich und nicht pauschal bestreitet, dies ist allerdings nicht erfolgt, so dass es bei der Verwertbarkeit des Vorbringens der Rechtsausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 13. Oktober 2017 bleibt.

Soweit die Klägerin meint, dass LAG Düsseldorf habe entweder einen anderen Sachverhalt beurteilt oder die Beklagte habe dort den Sachverhalt falsch dargestellt, vermag sich das Berufungsgericht dem nicht anzuschließen. Diese Rechtsauffassung hat die Klägerin weder konkret belegt noch ist sie nach dem vorliegenden Urteil des LAG Düsseldorf nachvollziehbar.

b) Für den Willen der Tarifvertragsparteien, eine an Kalendertagen orientierte Berechnung der U/K-Pauschale für die Nicht-Abruf-Mitarbeiter auch mit der Version 2007 beizubehalten und ein Redaktionsversehen bei der Abfassung des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 2007 spricht auch der Wortlaut der Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 MTV Nr. 2 MaA Version 2007.

Die Vorschrift des § 16 MTV Nr. 2 MaA Version 2007 betrifft die Höhe der Krankenbezüge des Abruf-Mitarbeiters, sie lautet:

“§ 16 Krankenbezüge

(1) Wird der Mitarbeiter durch Erkrankung oder Unfall arbeitsunfähig, so erhält er für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit unter den nachfolgenden Voraussetzungen Krankenbezüge.

(2) Bis zur Dauer von sechs Wochen wird als Krankenbezug die aktuelle Grundvergütung weitergezahlt. Außerdem erhält der Mitarbeiter je Kalendertag zur Abgeltung von Mehrarbeitsvergütung und Zeitzuschlägen einen Pauschalbetrag, der sich nach § 24 Abs. (2) – umgerechnet auf Kalendertage – errechnet. (…)”

Damit bestimmt § 16 Abs. 2 Satz 2 MTV Nr. 2 MaA Version 2007 nach seinem Wortlaut “umgerechnet auf Kalendertage”ausdrücklich, dass der nach § 24 Abs. 2 zu berechnende Pauschalbetrag zur Abgeltung von Mehrarbeitsvergütung und Zeitzuschlägen auf Kalendertage umzurechnen ist. Mithin wird in dieser Regelung hinsichtlich der Berechnung der Krankenbezüge nach dem Wortlaut ausdrücklich eine Umrechnung auf Kalendertage vorgesehen – anders als nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 2007. Allerdings finden sich aus Sicht der Kammer keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien die Pauschale zur Abgeltung von Mehrarbeitsvergütung und Zeitzuschlägen bei Urlaub und Zeiten von Arbeitsunfähigkeit (neben der Grundvergütung) unterschiedlich regeln wollten.

c) Für ein Redaktionsversehen in § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 2007 sprechen der tarifliche Gesamtzusammenhang und der erkennbare Regelungszweck.

Dafür, dass die Tarifvertragsparteien, eine an Kalendertagen orientierte Berechnung der U/K-Pauschale für die Nicht-Abruf-Mitarbeiter auch mit der Version 2007 beibehalten wollten, der Wortlaut der Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 MTV Nr. 2 MaA Version 2007 ihrem tatsächlichen Willen entsprach, während der Wortlaut des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 2007 auf einem Redaktionsversehen beruhte, sprechen zahlreiche weitere Vorschriften des MTV Nr. 2 MaA Version 2007. Soweit ersichtlich stellen sämtliche weiteren Vorschriften des MTV Nr. 2 MaA Version 2007, die Regelungen zur Berechnung oder Kürzung von Vergütung oder Urlaub enthalten, ebenfalls auf Kalendertage ab, beispielsweise:

§ 8 Sonderurlaub und zeitweilige Arbeitsbefreiung aus besonderem Anlass

(1) )…)

Die Vergütung bemisst sich wie folgt:

(…)

2. Ist für den Zeitraum des Sonderurlaubs keine Arbeitszeit konkretisiert, so beträgt die Vergütung für jeden Tag des Sonderurlaubs 1/30 des auf einen Monat errechneten Vertragsstundenvolumens.

§ 10 Anspruch auf Vergütung

(…)

(3) Für den Monat, in dem das Beschäftigungsverhältnis nicht den ganzen Monat hindurch bestand, reduziert sich das auf einen Monat errechnete Vertragsstundenvolumen pro Kalendertag des Nichtbestehens um 1/30 des auf einen Monat errechneten Vertragsstundenvolumens, höchstens um 30/30.

(4) (…)

a) Bei Arbeitsunfähigkeit ohne Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung ist für jeden Kalendertag des Bestehens der Arbeitsunfähigkeit 1/30 der monatlichen Vergütung in Abzug zu bringen, ist hiernach die Vergütung um mehr als 15/30 zu kürzen, erhält der Mitarbeiter für jeden kalendertag mit Vergütungsanspruch 1/30 der monatlichen Vergütung.

(…)

(5) Bei Abgeltung für nicht genommenen Urlaub oder Rückrechnung für unberechtigt erhaltenen Urlaub ist für jeden so zu berechnenden Urlaubstag 1/30 der Urlaubsvergütung gemäß § 24 Abs. (2) zugrunde zu legen.

§ 19 Urlaubs- und Weihnachtsgeld

(…)

(3) (…)

Sofern ein Anspruch auf Vergütung oder Krankenbezüge nach § 16 Abs. (1) bis (4) wird für jeden Kalendertag 1/360 in Abzug gebracht; dabei werden je 5 Kalendertage 2 Tage hinzugerechnet.

§ 27 Anteiliger Urlaub im laufenden Urlaubsjahr

(…)

(4) (…) wird der Urlaub anteilig für diejenige Zeit gekürzt, in der das Arbeitsverhältnis ruhte, und zwar für jeden Kalendertag um 1/365, (…)”

Die genannten Regelungen des MTV Nr. 2 MaA Version 2007 verwenden entweder ausdrücklich den Begriff “Kalendertag” -wie § 10 Abs. 3 und Abs. 4, § 19 Abs. 3 und § 27 Abs. 4- und/oder sie verwenden die Bezeichnungen “1/30” sofern Anknüpfungspunkt ein Monat ist -wie § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 2, § 10 Abs. 3 und Abs. 4 und Abs. 5- oder “1/360” bzw. “1/365” wenn Anknüpfungspunkt für eine Kürzung ein Kalenderjahr ist -wie in § 19 Abs. 3 und in § 27 Abs. 4. Damit bestätigt der tarifliche Gesamtzusammenhang zunächst, dass die Tarifvertragsparteien grundsätzlich zwischen Arbeitstag und Kalendertag, also dem im Kalender festgelegten Tag zwischen 0 und 24 Uhr (so Brockhaus Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1982, Stichwort Kalendertag) unterschieden haben und bei sämtlichen Regelungen im MTV Nr. 2 MaA Version 2007, die sich auf Berechnung oder Kürzung von Vergütung oder Urlaub beziehen, grundsätzlich auf Kalendertage abgestellt haben bzw. einen entsprechenden Bruch in die Formulierung aufgenommen haben. Ausschließlich bei der Regelung in § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 2007 haben sie im Hinblick auf die Berechnung der Urlaubspauschale den Begriff “Arbeitstage” aufgenommen. Dies beruht auf einem Redaktionsversehen der Tarifvertragsparteien.

Zur Grundlage des Redaktionsversehen hat bereits das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Tarifvertragsparteien im Jahr 1998 die Neuregelung des § 32 Abs. 2a) MTV Nr. 14, welche die Nicht-Abruf-Mitarbeiter betraf, zum Anlass genommen haben, eine wortgleiche Bestimmung in § 24 Abs. 2a) MTV Nr. 2 MaA Version 1998 aufzunehmen, in der erstmals der Begriff der “tatsächlich geleisteten Arbeitstage” in die Tarifregelung aufgenommen wurde. Die wortlautgetreue Anwendung der ab 01. Juli 1998 gültigen Version des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA wurde von der Beklagten lediglich vorübergehend für neueintretende Abruf-Mitarbeiter angewendet und eingestellt, als die Beklagte bemerkt hat, dass diese Regelung dazu geführt hat, dass sie nahezu jede Entgeltfortzahlung an Urlaubstagen verhindert hätte, weil nur “Zeitzuschläge auf Grundarbeitsstunden” durch die U/K-Pauschale abgegolten worden wären.

Den im Jahre 1998 missglückten Wortlaut des § 24 Abs. 2a) MTV MaA Nr. 2 haben die Tarifvertragsparteien mit der Version 2007 durch einen anderen, aber ebenfalls misslungenen Normtext ersetzt und insbesondere die Formulierung der “tatsächlich geleisteten Arbeitstage” beibehalten.

Gegen einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien dahin, dass bei den Abruf-Mitarbeitern bei Berechnung der U/K-Pauschale auf tatsächlich geleistete Arbeitstage im Divisor abzustellen ist, spricht auch ihr erkennbarer Wille. Dieser Wille ging seitens der Tarifvertragsparteien stets dahin, Abruf- und Nicht-Abruf-Mitarbeiter bei Berechnung der U/K-Pauschale soweit als möglich gleich zu behandeln. So haben sie jedenfalls die Regelung zur Berechnung der U/K-Pauschale in der Version MTV Nr. 2 MaA in der Ursprungsversion von 1993 ausgestaltet und auch im ÄnderungsTV Nr. 4. Wohingegen die Versionen 1998 und 2007 des § 24 Abs. 2a Nr. 2 MTV Nr. 2 MaA bei wortlautgetreuer Anwendung zu Ungleichbehandlungen beider Gruppen bei der U/K-Pauschale führen. So hätte die wortlautgetreue Anwendung von § 24 Abs. 2a Nr. 2 MTV Nr. 2 MaA Version 1998 dazu geführt, dass es kaum Entgeltfortzahlung an Urlaubstagen gegeben hätte, weil lediglich “Zeitzuschläge auf Grundarbeitsstunden” durch die U/K-Pauschale abgegolten worden wären. Die wortlautgetreue Anwendung von § 24 Abs. 2a Nr. 2 MTV Nr. 2 MaA Version 2007 führt -was auch die Klägerseite in der Berufung eingeräumt hat- jedenfalls bei längeren Fehlzeiten der Abruf-Mitarbeiter dazu, dass diese gegenüber den nach MTV Nr. 14 vergüteten Nicht-Abruf-Mitarbeitern profitierten. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien insoweit eine Ungleichbehandlung beider Arbeitnehmergruppen beabsichtigt haben, sind hingegen nicht ersichtlich. Im Gegenteil haben sich die Tarifvertragsparteien gerade bemüht, den Urlaubsanspruch -unter Berücksichtigung der jeweiligen Arbeitstage pro Woche- annähernd gleich zu bemessen. Für beide Gruppen sehen die jeweils einschlägigen Tarifverträge fünf Wochen Jahresurlaub bzw. fünf Wochen und zwei oder drei Tage Urlaub vor (je nach Betriebszugehörigkeit). Der Urlaubsanspruch der Nicht-Abruf-Mitarbeiter errechnet sich auf der Basis von fünf Tagen pro Woche und sie müssen Urlaub für die Tage beantragen an denen sie zur Arbeit eingeteilt sind, nur für diese Tage erhalten sie Urlaubsvergütung (§ 32 Abs. 2, 2a MTV Nr. 14). Dagegen hat der Abruf-Mitarbeiter auf Basis von sieben Tagen pro Woche einen erhöhten Urlaubsanspruch und muss auch für die Tage Urlaub beantragen, an denen er nicht hätte arbeiten müssen(§ 24 Abs. 3 MTV MaA Nr. 2). Insoweit wird nochmals ergänzend auf die bereits zitierten Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf Bezug genommen. Im Ergebnis bleibt es für beide Gruppen bei einem Urlaubsanspruch von 5 Wochen bzw. fünf Wochen und zwei oder drei Tagen.

d) Das Auslegungsergebnis – wonach bei der Berechnung der U/K-Pauschale gemäß § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 2007 auf Kalendertage und nicht auf Arbeitstage im Divisor abzustellen ist, nämlich so wie es aktuell in Art. 1 des ÄnderungsTV Nr. 4 formuliert ist und wie es in der Ursprungsfassung des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 1993 formuliert war- entspricht auch einer sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren tariflichen Regelung (vgl. z.B. BAG 21. November 2012 -4 AZR 139/11- Rn. 28, AP § 1 TVG Nr. 54 Tarifverträge: Lufthansa, mwN.).

Tatsächlich haben die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin bezüglich der Klägerseite stets und über Jahre unstreitig die U/K-Pauschale auf der Basis von Kalendertagen abgerechnet. Damit ist sie zu sachlichen und praktisch brauchbaren Abrechnungsergebnissen gelangt, insbesondere zu einer Gleichbehandlung von Abruf- und Nicht-Abruf-Mitarbeitern bei der Berechnung der U/K-Pauschale. Denn indem die Arbeitgeberseite stets auf Basis von Kalendertagen nach der Version 1993 abgerechnet hat, haben die Abruf-Mitarbeiter auch bei längeren Krankheitszeiten nicht aufgrund der zwischen 2007 und 2015 gültigen Regelung gegenüber den nach MTV Nr. 14 vergüteten Nicht-Abruf-Mitarbeitern profitiert.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Arbeitgeberseite bezüglich der Klägerseite die U/K-Pauschale stets unverändert nach der Berechnungsformel § 24 Abs. 2a MTV MaA Nr. 2 der Version 1993 abgerechnet und ausgezahlt hat.

Betreffend den streitgegenständlichen Zeitraum ist jedenfalls in der Berufungsverhandlung am 01. Dezember 2017 ausdrücklich unstreitig geworden, dass die U/K-Pauschale für die Klägerseite nach der Version 1993 berechnet wurde.

Darüber hinaus ist zwischen den Parteien auch unstreitig, dass die Arbeitgeberseite betreffend die Klägerseite stets nach der Berechnungsformel § 24 Abs. 2a MTV MaA Nr. 2 der Version 1993 abgerechnet und ausgezahlt hat. Dies wurde von der Beklagten stets so vorgetragen und von der Klägerseite im Schriftsatz vom 14. November 2017 hierzu ausschließlich behauptet, dass “die Regelungen aus dem Jahr 1998 in der Folgezeit” auf einen bestimmten Teil der Mitarbeiter angewandt wurden. Gegenteiliges hat auch die Beklagte nicht behauptet. Diese hat vielmehr vorgetragen, dass sie für neueintretende Abruf-Mitarbeiter vorübergehend die ab 01. Juli 1998 gültige Version des § 24 Abs. 2a MTV MaA Nr. 2 angewendet hat und dessen wortlautgetreue Anwendung eingestellt hat, als sie bemerkt hat, dass andernfalls nahezu jede Entgeltfortzahlung an Urlaubstagen verhindert würde, weil nur “Zeitzuschläge auf Grundarbeitsstunden” durch die U/K-Pauschale abgegolten worden wären. Dieses Vorbringen ist zwischen den Parteien unstreitig, weil die Klägerseite dem zu keinem Zeitpunkt substantiiert entgegengetreten ist. Damit ist zugleich unstreitig, dass die Arbeitgeberseite bezüglich der Klägerin stets nach der Berechnungsformel des § 24 Abs. 2a MTV MaA Nr. 2 der Version 1993 abgerechnet und ausgezahlt hat.

Im Übrigen hätte die Klägerseite, um ihrer Erklärungspflicht hinsichtlich der ihr bekannten Tatsachen nach § 138 ZPO nachzukommen, im Einzelnen und konkret vortragen müssen, in welchem genauen Zeitraum die Arbeitgeberseite von der Berechnungsformel des § 24 Abs. 2a MTV MaA Nr. 2 in der Version 1993 abgewichen ist. Dies war auf der Grundlage der erteilten Abrechnungen möglich und zumutbar.

3. Ein anderes Verständnis des § 24 Abs. 2a MTV MaA Nr. 2 Version 2007 -nämlich nach der vom Kläger favorisierten Berechnung der U/K-Pauschale auf Basis von Arbeitstagen- wäre auch im Hinblick auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz zumindest problematisch.

Hierzu hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 15. Dezember 2016 -8 Sa 603/16- ausgeführt:

“(1) Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dabei ist es grundsätzlich dem Normgeber überlassen, die Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln. Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständigen Grundrechtsträgern aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie bei der Ausgestaltung tariflicher Regelungen ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser reicht, hängt von den im Einzelfall vorliegenden Differenzierungsmerkmalen und dem Zweck der Leistung ab. Dabei steht den Tarifvertragsparteien in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative zu. Nach der Konzeption des Grundgesetzes ist die Festlegung der Höhe des Entgelts wie auch der weiteren, den tarifgebundenen Arbeitnehmern zufließenden Leistungen grundsätzlich Sache der Tarifvertragsparteien, weil dies nach Überzeugung des Gesetzgebers zu sachgerechteren Ergebnissen führt, als eine staatlich beeinflusste Entgelt- und Leistungsfindung. Das schließt auch die Befugnis zur Vereinbarung von Regelungen ein, die Betroffenen ungerecht und Außenstehenden nicht zwingend sachgerecht erscheinen mögen. Die Tarifvertragsparteien sind nicht dazu verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gar gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffenen, differenzierenden Regelungen ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt. Zudem müssen ihre Verallgemeinerungen im Normzweck angelegt sein und dürfen ihm nicht widersprechen. Die bei einer solchen Typisierung entstehenden unvermeidlichen Ungerechtigkeiten und Härten in einzelnen, besonders gelagerten Fällen, in denen die Interessenlage von derjenigen abweicht, die die Tarifvertragsparteien als typisch angenommen haben, sind grundsätzlich hinzunehmen, wenn sie nicht besonders schwerwiegend sind und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (Grundsätze der ständigen Rechtsprechung des BAG, zuletzt etwa Urteile vom 14.09.2016 – 4 AZR 456/14, juris; vom 15.12.2015 – 9 AZR 611/14, NZA 2016, 772).

(2) Diesen Vorgaben trägt § 24 Abs. 2a) MTV MaA Nr. 2 allemal Rechnung. Die Frage, wie der Urlaubs- und Krankenlohn bei Abrufmitarbeitern und der sonstigen Arbeitnehmern der Beklagten zu berechnen ist, betrifft nicht im Wesentlichen Gleiches, sondern im Wesentlichen Ungleiches. Soll eine gesetzeskonforme Berechnung vor dem Hintergrund der Vorgaben des BUrIG und des EFZG ermöglicht werden, muss die jeweilige Regelung die Besonderheiten des Einsatzes beider Beschäftigtengruppen berücksichtigen. Aus den bereits mehrfach genannten Erwägungen verbietet es der Zweck der Regelung des § 24 Abs. 2a) MTV MaA Nr. 2, bei den Abrufarbeitnehmem auf Arbeitstage in Dividend wie Divisor abzustellen. Dazu bedarf es nicht einmal, den Tarifvertragsparteien vorliegend die Inanspruchnahme eines “weiten Gestaltungsspielraums” zu attestieren oder ihnen zugute zu halten, sie hätten schließlich nicht die gerechteste, sondern lediglich eine vertretbare Regelung vereinbaren müssen. Gerade umgekehrt zeugen die Bestimmungen davon, dass es den Tarifvertragsparteien darum ging, alle Beschäftigten wegen der ihnen zustehenden Urlaubs- und Krankenvergütungsansprüche so gleich als möglich zu behandeln. Genau das vom Kläger favorisierte Festhalten am Wortlaut des § 24 Abs. 2a) MTV MaA Nr. 2 hingegen führte dazu, dass Abrufmitarbeiter gegenüber den -zum Teil ebenfalls in Teilzeitbeschäftigten – Nicht-Abruf-Mitarbeitern bevorzugt behandelt würden. Ersteren würde quasi eine zusätzliche Urlaubsvergütung zuteil, letzteren nicht. Die Kammer vermag hierfür nicht einmal ansatzweise eine sachliche Begründung zu erkennen.”

Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an. Aus Sicht der Kammer kann dahinstehen, ob -wie augenscheinlich die Klägerin meint- ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz evtl. sachlich gerechtfertigt wäre. Denn jedenfalls war ein solcher Verstoß von den Tarifvertragsparteien so nicht gewollt und es gab aus ihrer Sicht keine Sachgründe, die für eine Ungleichbehandlung der beiden Arbeitnehmergruppen gesprochen hätten.

4. Das dargestellte Auslegungsergebnis, wonach bei der Berechnung der U/K-Pauschale gemäß § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 2007 auf Kalendertage und nicht auf Arbeitstage im Divisor abzustellen ist, wird auch durch den ÄnderungsTV Nr. 4 bestätigt.

a) Auf Basis obiger Ausführungen -Ziffer B. II. 1. – 3. der Entscheidungsgründe- haben die Tarifvertragsparteien mit dem ÄnderungsTV Nr. 4 im Ergebnis lediglich klarstellend bestätigt, wie die U/K-Pauschale bereits seit der Version 2007 zu berechnen ist und nicht rückwirkend eine geänderte Formel für die Berechnung der U/K-Pauschale bei Abruf-Mitarbeitern geschaffen. Damit stellt sich aus Sicht des Berufungsgerichts nicht die Frage, ob die in Artikel 1 des Änderungstarifvertrages vom 22. Juli .2015 vorgesehene Berechnung der U/K-Pauschale ab dem 01. Januar 2007 gegen das Rückwirkungsverbot verstößt, weil es sich um eine echt rückwirkende Norm handelt und ob diese Rückwirkung ausnahmsweise zulässig ist. Dies kann dahinstehen.

b) Bereits mit dem Wortlaut der Präambel des ÄnderungsTV Nr. 4 haben die Tarifvertragsparteien klargestellt, dass sie bei wortlautgetreuer Anwendung des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 2007 eine signifikante Besserstellung der Mitarbeiter auf Abruf im Urlaubs- und Krankheitsfall im Vergleich zu den Vollzeitmitarbeitern sehen, welche nicht beabsichtigt war. Denn insoweit heißt es ausdrücklich: “Die Tarifparteien haben nunmehr festgestellt, dass diese Berechnungsgrundlage offensichtlich dem tarif- und personalpolitischen Verständnis für die Gewährung einer Urlaubs- und Krankheitspauschale widerspricht und zu einer signifikanten Besserstellung der Mitarbeiter auf Abruf im Urlaubs- und Krankheitsfall im Vergleich zu Vollzeitmitarbeitern führt. Diese Besserstellung war im Abschlussjahr 2007 nicht beabsichtigt.”

c) Entgegen der klägerischen Rechtsansicht steht der Klarstellung des MTV Nr. 2 MaA Version 2007 durch den ÄnderungsTV Nr. 4 nicht entgegen, dass beide Tarifverträge seitens des Arbeitgeberverbandes, “nicht von denselben Tarifvertragsparteien” geschlossen wurden.

aa) Den MTV Nr. 2 MaA Version 2007 hat im Jahr 2007 der Arbeitgeberverband AVH mit ver.di und den ÄnderungsTV Nr. 4 hat im Jahr 2015 der Arbeitgeberverband AGVL mit ver.di geschlossen. Grundsätzlich setzt die Ablösung tariflicher Regelungen durch einen anderen Tarifvertrag voraus, dass die aufeinanderfolgenden Tarifvereinbarungen von denselben Tarifvertragsparteien geschlossen werden (st. Rsprg., vgl. z. B. BAG 19. November 2014 -4 AZR 761/12- Rn. 28, BAGE 150, 97). Aber auch wenn vorliegend zwei unterschiedliche Arbeitgeberverbände die beiden Tarifverträge geschlossen haben, kann dahinstehen, ob der MTV Nr. 2 MaA Version 2007 überhaupt durch den ÄnderungsTV Nr. 4 abgeändert worden ist. Denn auch wenn eine solche Abänderung unterstellt wird (und nicht wie unter B. II. 4.a) ausgeführt, lediglich eine Klarstellung durch den ÄnderungsTV Nr. 4 vorliegt), stünde dieser Abänderung nicht entgegen, dass beide Tarifverträge nicht vom selben Arbeitgeberverband abgeschlossen worden sind, weil der AGVL anstelle des AVH Tarifvertragspartei des MTV Nr. 2 MaA Version 2007 geworden ist.

Dies ergibt sich aus dem Übernahmevertrag vom Oktober/November 2010. Ausweislich des von der Beklagten als Anlage BB3 vorgelegten dreiseitigen Übernahmevertrags zwischen AVH, AGVL und ver.di aus dem Oktober/November 2010 ist der AGVL anstelle der AVH mit Zustimmung von ver.di in sämtliche zwischen der AVH und ver.di zum 01. Januar 2010 (“Stichtag”) bestehenden Tarifverträge, Verträge, Vereinbarungen etc. eingetreten. Damit ist der AGVL in die Stellung des AVH als Tarifvertragspartei der zum Stichtag 01. Januar 2010 bestehenden Verbandstarifverträge mit ver.di eingetreten (Rechtsgedanke der §§ 414f BGB), auch in den MTV Nr. 2 MaA Version 2007. Aus Sicht der Berufungskammer bestehen keine Bedenken gegen diesen Eintritt des AGVL anstelle des AVH als Tarifvertragspartei, denn auch ver.di war mit diesem Eintritt des AGVL als Tarifvertragspartei einverstanden und es ist nicht ersichtlich, dass die Mitglieder der tarifvertragschließenden Parteien durch diesen Wechsel benachteiligt würden.

bb) Anders als die Klägerin meint, ist nicht erheblich, dass der hier maßgebliche MTV Nr. 2 MaA Version 2007 in der vorgelegten Anlage 2 der übernommenen Tarifverträge nicht explizit aufgeführt ist. Denn nach § 1 Abs. 3 Satz 1 des Übernahmevertrages umfasst die Vertragsübernahme “insbesondere die in Anlage 2 aufgeführten Tarifverträge” und in § 1 Abs. 3 Satz 2 heißt es ausdrücklich: “Die Auflistungen in den Anlagen 2 und 3 sind jeweils nicht abschließend”. Dementsprechend heißt es auch auf dieser Anlage 2 des Übernahmevertrages: “Anlage 2 (beispielhafte Aufzählung)”.

III. Nachdem den Tarifvertragsparteien bei der Abfassung des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 2007 ein Redaktionsversehen unterlaufen ist und diese Vorschrift dahin auszulegen ist, dass bei der Berechnung der U/K-Pauschale für Abruf-Mitarbeiter auf Kalendertage und nicht auf Arbeitstage im Divisor abzustellen ist, wie es nämlich aktuell in Art. 1 des ÄnderungsTV Nr. 4 formuliert ist und wie es in der Ursprungsfassung des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 1993 formuliert war (siehe B. II der Entscheidungsgründe), kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte, wie die Klägerin meint, § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 2007 bewusst über Jahre hinweg entgegen seinem eigentlichen Wortlaut angewendet hat. Denn jedenfalls hat die Beklagte die U/K-Pauschale für den streitgegenständlichen Zeitraum stets entsprechend der Auslegung des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 2007 abgerechnet und ausgezahlt. Damit ist ihr gerade nicht vorzuwerfen, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum nicht wortlautgetreu auf Basis von Arbeitstagen die U/K-Pauschale abgerechnet und ausgezahlt hat.

IV. Zugunsten der Klägerin unterstellt, dass es darauf ankäme, ob die Beklagte bewusst über Jahre die U/K-Pauschale tarifvertragswidrig abgerechnet hat, vermag die Kammer dies auf Basis des klägerischen Vorbringens nicht zu erkennen.

Denn der Prozess des Mitarbeiters C und das Flugblatt des Betriebsrats vom Mai 2007 haben die ältere Version des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA aus dem Jahr 1998 betroffen.

Die gemeinsame Besprechung am 29. August 2008 auf Initiative des Herrn D hat zwar die Version 2007 des MTV Nr. 2 MaA betroffen und die Berechnung der U/K-Pauschale, allerdings ist weder der Besprechungsnotiz selbst noch dem klägerischen Vorbringen zu entnehmen, dass die Teilnehmer der Besprechung den Normtext des § 24 Abs. 2a MTV Nr. 2 MaA Version 2007 überhaupt in Augenschein genommen haben noch, dass ihnen die Diskrepanz zwischen tatsächlicher Berechnung und Tarifwortlaut bewusst war. Im Übrigen ist zwischen den Parteien streitig, ob Herr D konkret geäußert hat, dass die Berechnung der U/K-Pauschale mit der tariflichen Regelung nicht übereinstimmt. Jedenfalls ist zwischen den Parteien unstreitig, dass Herr D nach der Besprechung gegenüber der Arbeitgeberseite keine vom Tarifwortlaut abweichende Berechnung der U/K-Pauschale mehr beanstandet hat. Daraus kann aus Sicht der Kammer nur geschlossen werden, dass sämtliche Gesprächsteilnehmer im Anschluss an die Besprechung davon ausgingen, dass die tatsächliche Berechnung der Beklagten der tariflichen Regelung entsprach.

C. Als unterlegener Partei waren der Klägerin die Kosten ihrer erfolglosen Berufung aufzuerlegen.

Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

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