LAG Hessen, 03.02.2015 – 15 SaGa 1727/14

April 28, 2019

LAG Hessen, 03.02.2015 – 15 SaGa 1727/14
Es sprechen zwar gute Gründe dafür, dem Betriebsrat auch in Fällen der verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht nach § 102 Abs. 3 BetrVG einzuräumen, denn die Widerspruchsgründe des § 102 Abs. 3 BetrVG beschränken sich nicht auf bestimmte Kündigungsarten, sondern auf bestimmte Lebenssachverhalte. Aber es ist im Falle einer aus verhaltensbedingten Gründen erklärten Kündigung Voraussetzung für die Anerkennung eines Anspruchs des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG, dass der Betriebsrat der Kündigung gerade aus einem für eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommenden Widerspruchsgrund widersprochen hat.
Tenor:

Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 29. Oktober 2014 – 14 Ga 139/14 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand

Die Parteien streiten um das Begehren der Verfügungsklägerin bei der Verfügungsbeklagten beschäftigt zu werden.

Die Verfügungsbeklagte betreibt ein privates Bankhaus und hat zwei Standorte in A. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer außer den zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten. Für die beiden Betriebsstätten ist ein Betriebsrat gebildet.

Die Verfügungsklägerin ist am xx.xx.1976 geboren und seit dem 1. Juli 2008 aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 27. März 2008 (Bl. 48 – 52 d.A.) bei der Verfügungsbeklagten tätig. Mit Wirkung zum 1. April 2009 wurde ihr Prokura erteilt und zum 1. April 2011 wurde sie zur Abteilungsdirektorin ernannt. Mit Wirkung zum 1. April 2013 wurde ihr der Titel eine Direktorin verliehen. Zuletzt erzielte die Verfügungsklägerin eine monatliche Vergütung in Höhe von € 15.816,00 brutto und war – seit dem 17. September 2009 – als Head of Equity Sales & Trading beschäftigt. In dieser Position berichtete die Verfügungsklägerin an den Bereichsleiter des Equity Bereiches. Dies war Herr B. Sie trug als Head of Equity Sales & Trading die Gesamtverantwortung für Equity Sales & Trading. Sie hatte dabei die fachliche und disziplinarische Leitung des Equity Sales- und Handelsteams inne. Zu ihren Aufgaben gehörte die Pflege langfristiger kaufmännisch vernünftiger Kundenbeziehungen im In- und Ausland, die Sicherstellung der Erhaltung aller relevanten (aufsichts-)rechtlicher Vorgaben und Rahmenbedingungen, das Supervisory Account Management, die Steuerung und Überwachung aller Handelsaktivitäten in diesem Bereich, die Vermarktung der Researchprodukte, die Organisation von Kundenroadshows und von Konferenzen, die Vermittlung von Analyse- und Unternehmenskontakten, die Annahme von Aktienorders und deren Weiterleitung an den Aktienhandel, die Zusammenarbeit mit den Analysten des Equityresearch in der Betreuung von Kundenbeziehungen, die Strukturierung von komplexen Aktientransaktionen sowie die Entwicklung zukünftiger Strategien. Zur Ergänzung wird auf die Stellenbeschreibung (Bl. 53 – 55 d.A.) und das Zwischenzeugnis vom 30. September 2014 (Bl. 73, 74 d.A.) verwiesen.

Die Verfügungsbeklagte hat zum 1. Oktober 2014 eine Umstrukturierung vorgenommen. Die frühere Abteilung Sales und Trading existiert in ihrer bisherigen Form nicht mehr, sondern wird als Bereich auf einer höheren hierarchischen Ebene fortgeführt. Die Abteilung, die die Klägerin geleitet hat, wird nunmehr von Herrn C auf Bereichsleiterebene verantwortet. Die Verfügungsbeklagte hat dabei auch entschieden, die nunmehr neue Abteilung Sales durch die Verfügungsklägerin leiten zu lassen.

Unter dem Datum des 13. August 2014 wandte die Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin sich an die Verfügungsbeklagte und verlangte die vertragsgemäße Beschäftigung der Verfügungsklägerin. Auszugsweise heißt es in dem anwaltlichen Schreiben:

” … L Gegenstand unserer Beauftragung ist die Mitteilung des neuen Vorgesetzen unserer Mandantin, Herrn B, dass die Bereiche Financial Markets und Equities Sales & Trading zusammen gelegt würden und die bisherige Position unserer Mandantin Head of Equity Sales & Trading, nunmehr ab dem 15.09.2014 durch eine externen Kollegen, Herrn C, übernommen werde. Im Zuge dessen werde unsere Mandantin nur noch das Sales Team verantworten. Dies stellt eine unzulässige Degradierung dar. L … “

Wegen der Einzelheiten und des genauen Inhalts des außergerichtlichen Schreibens vom 13. August 2014 wird auf Blatt 59, 60 der Akten Bezug genommen. In der Folgezeit korrespondierten die Arbeitsvertragsparteien über ihre Prozessbevollmächtigten mehrfach miteinander (Bl. 61 – 64, Bl. 66 d.A.) und verhandelten auch über eine einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses.

Mit Schreiben vom 3. September 2014 stellte die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin widerruflich von der Arbeitsleistung frei (Bl. 65 d.A.). Mit Schreiben vom 23. September 2014 (Bl. 67, 68 d.A.) forderte die Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin deren vertragsgemäße Beschäftigung als Head of Equity Sales & Trading. Die Beklagte lehnte die Entgegennahme der Arbeitsleistung schriftlich ab (Bl. 69 d.A.).

Mit Schreiben vom 25. September 2014 kündigte die Verfügungsbeklagte das Arbeitsverhältnis zur Verfügungsklägerin aus verhaltensbedingten Gründen zum 31. Dezember 2014 (Bl. 110, 111 d.A.). Gegen diese Kündigung hat die Verfügungsklägerin Kündigungsschutzklage erhoben. Der Betriebsrat hat der Kündigungsabsicht mit Schreiben vom 23. September 2014 widersprochen. Wegen der Einzelheiten und des genauen Inhalts dieses Schreibens wird auf Blatt 103, 104 der Akten Bezug genommen.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 30. September 2014 (Bl. 70, 71 d.A.) forderte die Verfügungsklägerin unter anderem die Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG. Die Verfügungsbeklagte wies den Weiterbeschäftigungsanspruch zurück, verwies auf die Freistellungsvereinbarung im Arbeitsvertrag und wies darauf hin, dass die Kündigung nicht betriebsbedingt erfolgt sei (Bl. 72 d.A.).

Mit Schriftsatz, der am 8. Oktober 2014 bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangen ist, hat die Klägerin das vorliegende einstweilige Verfügungsverfahren eingeleitet.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2014 hat die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin vom 15. Dezember 2014 bis zum 30. Dezember 2014 Urlaub gewährt und eine bereits erfolgte Urlaubsgewährung innerhalb dieses Zeitraums bestätigt (Bl. 141 d.A.).

Die Verfügungsklägerin hat die Auffassung vertreten, da das Arbeitsverhältnis noch bis zum 31. Dezember 2014 bestehe, habe sie auch einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung. Die arbeitsvertragliche Freistellungsoption sei nicht wirksam. Ein überwiegendes Interesse der Verfügungsbeklagten an der Freistellung bestehe nicht. Der Verfügungsgrund bestehe. Ihr qualifiziertes Beschäftigungsinteresse folge daraus, dass die Nichtbeschäftigung ihren guten Ruf nachhaltig beschädige. Da sie von einem Tag auf den anderen für Geschäftspartner nicht mehr wie bisher erreichbar sei, werde der Eindruck erweckt, sie habe sich schwerste Verfehlungen zu Schulden kommen lassen. Gleiches gelte für den bei Kollegen erweckten Eindruck. Außerdem verliere sie mit der Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist auch den dringend notwendigen Anschluss an das Marktgeschehen und könne sich auch über geschäftliche Veränderungen und die aktuellen Entwicklungen nicht mehr auf dem Laufenden halten.

Sie hat beantragt,

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, sie bis zum 31.12.2014 zu unveränderten Bedingungen als Head of Equity Sales & Trading zu beschäftigen.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, es bestehe weder ein Verfügungsanspruch noch ein -grund zu Gunsten der Verfügungsklägerin. Bei beabsichtigten Beendigungen von Arbeitsverhältnissen würden im Bankenbereich regelmäßig Freistellungen erfolgen. Auch aus Sicht der Kunden und Geschäftspartner handle es sich um einen üblichen Vorgang, der nicht zu Nachteilen bei der zukünftigen Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit führe. Sie hat gemeint, der Widerspruch des Betriebsrats sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Soweit der Widerspruch eine fehlerhafte Sozialauswahl rüge, habe das Gremium verkannt, dass es sich um eine verhaltensbedingte Kündigung handele, so dass die Frage der Sozialauswahl unerheblich sei. Soweit der Betriebsrat ihr vorwerfe, die Kündigung verstoße gegen § 612a BGB, hat sie dies für offensichtlich nicht haltbar angesehen. Sie hat behauptet die Verfügungsklägerin sei umfassend über die Umstrukturierungen unterrichtet gewesen.

Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhaltes und des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 29. Oktober 2014 gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 115, 116 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit vorgenanntem Urteil abgewiesen. Es hat angenommen, die Verfügungsklägerin habe einen Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Eine besondere Eilbedürftigkeit im Sinne eines Verfügungsgrundes sei anzunehmen, wenn der Erlass der einstweiligen Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus sonstigen Gründen notwendig sei. An die Eilbedürftigkeit seien im Falle der Leistungsverfügung, die zur Vorwegnahme der Hauptsache führe, hohe Anforderungen zu stellen. Jedoch stelle die bloße Unwiederbringlichkeit des Beschäftigungsanspruchs der Verfügungsklägerin durch Zeitablauf keinen Notstand dar, der allein den Erlass einer Leistungsverfügung zu Gunsten der Verfügungsklägerin rechtfertigen könne. Eine Nichtbeschäftigung bis zum 31. Dezember 2014 – also für die Dauer von 2,75 Monaten seit Antragstellung -verletze die Klägerin, da diese bereits über einen jährlichen Urlaubsanspruch von sechs Wochen verfüge nicht in einem Maße in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, dass der Erlass der begehrten Leistungsverfügung ohne das Vorliegen besonderer Eilbedürftigkeit gerechtfertigt sei. Sonstige Gründe zur besonderen Eilbedürftigkeit habe die Verfügungsklägerin nicht dargelegt. Den Vortrag der Klägerin zur Rufschädigung durch die Freistellung innerhalb des Betriebs und gegenüber Dritten, sowie deren Vortrag, dass sie den Anschluss an das Marktgeschehen verliere und sich über aktuelle Entwicklungen und geschäftliche Veränderungen nicht auf dem Laufenden halten könne, hat das Arbeitsgericht für unsubstantiiert gehalten.

Gegen dieses Urteil hat die Verfügungsklägerin innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 3. Februar 2015 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Sie ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe ihr den effektiven Rechtsschutz zur Durchsetzung ihres Beschäftigungsanspruchs verwehrt. Außerdem verkehre die Entscheidung die Darlegungs- und Beweislast über einen unstreitig bestehenden Beschäftigungsanspruch unberechtigt zu ihren Lasten. Insbesondere sei die Darlegung besonderer Nachteile bei einer generellen Freistellung nicht erforderlich. Es sei auch nicht erkennbar, wie das Arbeitsgericht zu der Annahme gelangt sei, dass sie regelmäßig 2 1/2 Monate Urlaub am Stück mache. Das Arbeitsgericht habe insbesondere verkannt, dass sich die von ihr geleitete Abteilung in einer Umbruchphase befinde. Die mit ihrer Entfernung aus dem Betrieb in diesem Zusammenhang erfolgende Umverteilung der Arbeit mache ihr letztlich eine Rückkehr in den Betrieb unmöglich. Das Arbeitsgericht habe auch ihren Beschäftigungsanspruch gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG ab dem 1. Januar 2015 und die offensichtliche Unwirksamkeit der Kündigung unbeachtet gelassen. Die in dem Kündigungsschreiben gegebene Begründung könne unter keinem Gesichtspunkt eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen.

Die Verfügungsklägerin beantragt nunmehr,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 29.10.2014 – 14 Ca 139/14 – zu erkennen: Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, sie über den 31.12.2014 hinaus zu unveränderten Bedingungen als Head of Equity Sales & Trading weiterzubeschäftigen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung. Sie behauptet, der Umzug in ein anderes Gebäude, habe keine besondere Auswirkung auf die Tätigkeit der Verfügungsklägerin. Sie behauptet, die Verfügungsklägerin habe eine Beschäftigung als Leiterin der Abteilung Sales abgelehnt und statt dessen gefordert, auf Bereichsleiterebene, einer hierarchisch höheren Stufe, beschäftigt zu werden. Sie hält die arbeitsvertraglich vereinbarte Freistellungsklausel nach wie vor für wirksam und den Widerspruch des Betriebsrats für nicht ordnungsgemäß.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 127 – 131) sowie die Berufungserwiderung (Bl. 139, 140 d.A.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3. Februar 2015 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 29. Oktober 2014 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG). Die Verfügungsklägerin hat es auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 519 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG).

Die Berufung ist hingegen nicht erfolgreich. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch der Verfügungsklägerin über den 31. Dezember 2014 hinaus besteht weder gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG noch wegen offensichtlicher Unwirksamkeit der zum 31. Dezember 2014 erklärten Kündigung.

1. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung für die Zeit bis zum 31. Dezember 2014 zwar zu Unrecht den Erfolg versagt, aber nachdem die Verfügungsklägern wegen Zeitablaufs den Antrag im Berufungsrechtszug auf eine Weiterbeschäftigung für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist – ab dem 1. Januar 2015 – gerichtet hat, ist über den erstinstanzlich gestellten Beschäftigungsantrag nicht mehr zu befinden.

2. Die Klage ist zulässig insbesondere ist der Antrag hinreichend bestimmt genug und die Klageänderung in der Berufungsinstanz gemäß §§ 533, 263 ZPO zulässig. Bereits erstinstanzlich hat sich die Klägerin auch gegen eine Nichtbeschäftigung für die Zeit nach dem 31. Dezember 2014 gewandt. Es ist sachdienlich, sämtliche in diesem Zusammenhang anstehenden Fragen in der Berufungsinstanz mit abzuhandeln. Die wesentlichen Tatsachen dazu wurden bereits in der ersten Instanz vorgetragen, § 533 Nr. 2 ZPO.

3. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch ergibt sich für die Zeit ab dem 1. Januar 2015 nicht aus § 102 Abs. 5 BetrVG.

Gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen, wenn der Arbeitnehmer gegen eine ordentliche Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben hat und der Betriebsrat der ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen hat.

Vorliegend fehlt es jedenfalls an einem ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrats gegen die von der Verfügungsbeklagten allein und ausdrücklich auf Gründe im Verhalten der Klägerin gestützte ordentliche Kündigung, gegen die die Klägerin Kündigungsschutzklage erhoben hat. Es sprechen zwar gute Gründe dafür, dem Betriebsrat auch in Fällen der verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht nach § 102 Abs. 3 BetrVG einzuräumen (BAG 16. März 1978 – 2 AZR 424/76 – Rn. 25 – im Ergebnis offen lassend, ob und unter welchen Voraussetzungen bei einer Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers eine Widerspruchsmöglichkeit besteht – zitiert nach ), denn die Widerspruchsgründe des § 102 Abs. 3 BetrVG beschränken sich nicht auf bestimmte Kündigungsarten, sondern auf bestimmte Lebenssachverhalte. Aber es ist im Falle einer aus verhaltensbedingten Gründen erklärten Kündigung Voraussetzung für die Anerkennung eines Anspruchs des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG, dass der Betriebsrat der Kündigung gerade aus einem für eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommenden Widerspruchsgrund widersprochen hat (vgl. für derartige Fallgestaltungen BAG 22. Juli 1982 – 2 AZR 30/81 – Rn. 31 – zitiert nach ) zB. weil zu erwarten ist, dass das zu missbilligende Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers bei Einsatz auf einem anderen Arbeitsplatz entfällt.

An einem solchen Widerspruch fehlt es vorliegend. Der Betriebsrat hat seinen Widerspruch ausdrücklich auf § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG gestützt. Dieser Widerspruchsgrund kommt nur bei betriebsbedingten Kündigungen in Betracht (Däubler/Kittner/Klebe-Bachner, BetrVG, § 102 Rn. 186). Auch der im Widerspruchsschreiben genannte soziale Gesichtspunkt, den der Arbeitgeber nach Meinung der Betriebsrats übersehen hat – hier: Betriebszugehörigkeit der Verfügungsklägerin im Vergleich zum Arbeitnehmer C – ist allein ein solcher, den der Arbeitgeber bei der nach § 1 Abs. 3 KSchG im Falle einer betriebsbedingten Kündigung durchzuführenden Sozialauswahl zu berücksichtigen hat. Der damit vom Betriebsrat angesprochene Lebenssachverhalt trifft mithin auf den Lebenssachverhalt, den die Verfügungsbeklagte als Kündigungsgrund angeführt hat, nicht zu, denn dem vom Betriebsrat für im Rahmen einer Sozialauswahl für vergleichbar gehaltenen Arbeitnehmer C wirft die Verfügungsbeklagte kein Fehlverhalten vor, das nach ihrem Verständnis eine vertrauensvolle Zusammenarbeit als Führungskraft mit der nächstübergeordneten Führungskraft ausschließt.

Auch der weiter vom Betriebsrat schriftlich geäußerte Widerspruchsgrund, wonach nach Meinung des Gremiums die Kündigung gegen § 612a BGB verstößt, vermag keinen Weiterbeschäftigungsanspruch zu Gunsten der Verfügungsklägerin im Sinne des § 102 Abs. 5 BetrVG zu begründen. Die fünf in § 102 Abs. 3 BetrVG genannten Widerspruchsgründe sind abschließend aufgezählt. Ein Widerspruch eines Betriebsrats, der sich nicht auf einen der in § 102 Abs. 3 BetrVG genannten Widerspruchsgründe bezieht, ist nicht ordnungsgemäß Im Sinne von § 102 Abs. 5 BetrVG (BAG 12. September 1985 – 2 AZR 324/84 – Rn. 42 – zitiert nach ). Ein Verstoß einer Kündigung gegen ein Gesetz ist als Widerspruchsgrund in § 102 Abs. 3 BetrVG nicht genannt.

4. Es ist auch nicht von einer offensichtlichen Unwirksamkeit der gegenüber der Verfügungsklägerin ausgesprochenen Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen auszugehen, die auch vor Erlass eines erstinstanzlichen zugunsten des Arbeitnehmers ergehenden Kündigungsschutzklageurteils zu einem Weiterbeschäftigungsanspruch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus führen könnte (vgl. BAG 27.-Februar 1985 – GS 1/84 – ). Von einer offensichtlich unwirksamen Kündigung ist nur dann auszugehen, wenn sich schon aus dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers ohne Beweiserhebung und ohne dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre, jedem Kundigen die Unwirksamkeit der Kündigung geradezu aufdrängen muss. Die Unwirksamkeit der Kündigung muss also ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegen (BAG a.a.O. Rn. 85).

Davon ist vorliegend nicht auszugehen. Dies ergibt sich zum einen nicht aus dem Inhalt des Kündigungsschreibens, im Übrigen hat die Verfügungsklägerin keine weiteren Tatsachen für eine offensichtliche Unwirksamkeit der Kündigung vorgetragen.

Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben; § 72 Abs. 4 ArbGG.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

a very tall building with a moon in the sky

Ist Mobbing strafbar?

März 13, 2024
Von RA und Notar Krau:Mobbing kann je nach den Umständen strafbar sein, aber nicht immer.Es gibt kein spezifisches Gesetz, das Mobbing al…
filling cans with freshly brewed beers

Tarifliche Nachtarbeitszuschläge – Gleichheitssatz – BAG 10 AZR 473/21

Februar 4, 2024
Tarifliche Nachtarbeitszuschläge – Gleichheitssatz – BAG 10 AZR 473/21 – Urteil vom 15.11.2023 – Nachtarbeit im Rahmen von Wechselschichtarbeit…
man holding orange electric grass cutter on lawn

Annahmeverzug – Anderweitiger Verdienst aus einer Geschäftsführertätigkeit – BAG 5 AZR 331/22

Februar 4, 2024
Annahmeverzug – Anderweitiger Verdienst aus einer Geschäftsführertätigkeit – BAG 5 AZR 331/22 – Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes …