LAG Hessen, 03.08.2015 – 2 Ta 289/15

April 21, 2019

LAG Hessen, 03.08.2015 – 2 Ta 289/15
Leitsatz:

Der Auftraggeber ist verpflichtet, nach Erhalt der Kostenrechnung seines Rechtsanwalts verbunden mit einer Zahlungsaufforderung unter Fristsetzung im Fall anschließender längerer Abwesenheit von seiner Wohnung (hier: sechswöchiger Aufenthalt in einer Fachklinik) Vorkehrungen zu treffen, damit ihn gerichtliche Zustellungen im Rahmen des Verfahrens zur Vergütungsfestsetzung erreichen.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers vom 16. Januar 2015 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 22. Dezember 2014 – Aktenzeichen 7 Ca 747/13 – wird kostenpflichtig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Mit Beschluss vom 22. Dezember 2014 – Aktenzeichen 7 Ca 747/13 (Bl. 164 d.A.) – hat das Arbeitsgericht Wiesbaden gemäß § 11 Abs. 1 RVG die von dem Beschwerdeführer an seinen Unterbevollmächtigten zu zahlende Vergütung auf € 744,94 nebst Zinsen festgesetzt.

Gegen den ihm am 24. Dezember 2014 durch Niederlegung (Bl. 165 d.A.) zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 16. Januar 2015 durch Erklärung vor dem Arbeitsgericht Emden zu Protokoll der dortigen Rechtsantragsstelle, per Telefax eingegangen beim Arbeitsgericht Wiesbaden noch am gleichen Tag, sofortige Beschwerde eingelegt und hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt (Bl. 167 f. d.A.). Zur Begründung hat er unter Vorlage einer Entlassungsmitteilung der A vom 7. Januar 2015 vorgebracht, er habe sich in der Zeit vom 19. November 2014 bis zum 7. Januar 2015 dort befunden und deshalb ggf. die maßgebliche Rechtsmittelfrist nicht einhalten können. Er könne nicht bestimmen, wann ihm der Beschluss zugegangen sei. Im Übrigen mache er mit dem Grund der Schlechtleistung der Unterbevollmächtigten Einwendungen geltend, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund hätten und von ihm noch weiter spezifiziert werden könnten.

Mit Beschluss vom 2. Juli 2015 – Aktenzeichen 7 Ca 747/13 (Bl. 182 d.A.) – hat das Arbeitsgericht Wiesbaden den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers als unbegründet zurückgewiesen, der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers ist wegen Versäumung der Beschwerdefrist unzulässig.

Das nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 11 Abs. 2 Satz 3 RVG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO gegebene Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen die Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG muss nach § 569 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses eingelegt werden. Der Beschluss vom 22. Dezember 2014 wurde dem Beschwerdeführer am 24. Dezember 2014 ausweislich der Postzustellungsurkunde zugestellt. Die Beschwerdefrist lief demzufolge mit Ablauf des 7. Januar 2015 ab, §§ 188 Abs. 2, 187 Abs. 1, 222 Abs. 1 BGB. Die am 16. Januar 2015 bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangene sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers hat die zweiwöchige Beschwerdefrist nicht gewahrt und war als unzulässig zu verwerfen, § 572 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

Dem Beschwerdeführer war auf seinen Antrag hin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO zu gewähren, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Es fehlt bereits an einem Vorbringen, das Feststellungen ermöglicht, dass der Beschwerdeführer ohne ein Verschulden verhindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten. Zwar hat der Beschwerdeführer eine Entlassungsmitteilung der A in B vorgelegt, wonach er am 7. Januar 2015 entlassen worden sei. Daraus ergibt sich allerdings nicht, warum der in C wohnende Beschwerdeführer die an diesem Tag ablaufende zweiwöchige Beschwerdefrist ohne sein Verschulden nicht hat einhalten können. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers lässt sich aus den Zustellungsunterlagen auch der genaue Zeitpunkt der Niederlegung und damit der Zustellung entnehmen.

Entscheidend ist aber vielmehr, dass der Beschwerdeführer vor Antritt seines Aufenthalts in den A in der Zeit vom 19. November 2014 bis zum 7. Januar 2015 keine Vorkehrungen zur Wahrnehmung seiner Rechte im Zusammenhang mit dem von ihm vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden – Az. 7 Ca 747/13 -, dem Hessischen Landesarbeitsgericht – Az. 8 Sa 3/14 – und dem Bundesarbeitsgericht – Az. 9 AZN 507/14 – geführten Rechtsstreit getroffen hat. Zwar trifft grundsätzlich keinen Staatsbürger die Pflicht, für jede vorübergehende Abwesenheit von seiner ständigen Wohnung besondere Vorkehrungen zu treffen, damit gerichtliche Zustellungen ihn auch erreichen. Denn der Betroffene darf damit rechnen, dass ihm bei Frist- oder Terminversäumnissen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder anderweitig eine nachträgliche Möglichkeit zu rechtlichem Gehör gewährt wird (vgl. LG Osnabrück, Urteil vom 7. März 2012 – 2 S 531/11 – Rn. 13 m.w.N., zitiert nach ). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn konkret mit gerichtlichen Zustellungen gerechnet werden muss (vgl. bspw. OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. November 2001 – 8 WF 241/01 – Rn. 5, zitiert nach ; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 233 ZPO Rn. 23). So liegt der Fall hier. Der Unterbevollmächtigte hat dem Beschwerdeführer seine Kostenrechnung unter dem Datum des 30. Oktober 2014 und einer Zahlungsfrist bis zum 7. November 2014 bereits über zwei Wochen vor Antritt des Klinikaufenthalts übersandt. Das Procedere der Kostenfestsetzung war dem Beschwerdeführer bereits im Zusammenhang mit dem zuvor zugunsten der Beklagten erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 22. September 2014 – Az. 7 Ca 747/13 (Bl. 155 d.A.) – bekannt. Trotzdem hat es der Beschwerdeführer für die Dauer seines Klinikaufenthalts unterlassen, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, damit ihn gerichtliche Zustellungen erreichen. In dem er dies trotz Kenntnis von der kostenmäßig noch ausstehenden Angelegenheit des Unterbevollmächtigten unterließ, hat er sich nach Ansicht des Beschwerdegerichts in nicht entschuldbarer Weise verhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Da ein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 78 Satz 2 iVm. 72 Abs. 2 ArbGG nicht besteht, ist der Beschluss unanfechtbar, §§ 78 Satz 1 ArbGG iVm. 574 Abs. 1 ZPO.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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