LAG Hessen, 05.09.2014 – 14 SaGa 812/14

April 30, 2019

LAG Hessen, 05.09.2014 – 14 SaGa 812/14
Berufung im einstweiligen Verfügungsverfahren wegen tatsächlicher Beschäftigung. Der Antrag war abzuweisen, nachdem die beklagte Arbeitgeberin während des Laufs der Kündigungsfrist eine weitere, diesmal außerordentliche fristlose Kündigung ausgesprochen hat, die jedenfalls nicht offensichtlich unwirksam ist.
Tenor:

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12. Juni 2014 – 1 Ga 64/14 – wird auf Kosten des Verfügungsklägers zurückgewiesen.
Tatbestand:
1

Von der Fertigung eines Tatbestands wird gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
2

I.

Von der Fertigung eines Tatbestands wird gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
3

II.

1. Die Berufung des Verfügungsklägers ist statthaft, §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b ArbGG, 511 ZPO. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 517, 519, 520 Abs. 2 und 3 ZPO.
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2. Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht den Verfügungsantrag zurückgewiesen. Zwar kann gemäß §§ 68 Abs. 2 ArbGG, 116 ff, 935, 949 ZPO auch im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens der Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt werden. Der Verfügungskläger hat jedoch gegen die Verfügungsbeklagte keinen Verfügungsanspruch auf Beschäftigung.
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a) Nachdem die Verfügungsbeklagte vorliegend gegenüber dem Verfügungskläger am 4. Juli 2014 eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat, steht nicht der allgemeine Beschäftigungsanspruch des Arbeitsnehmers im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis in Rede, sondern es kommen die vom Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 27. Februar 1985 (– GS 1/84– BAGE 48, 122) entwickelten Grundsätze zur Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers im streitigen Arbeitsverhältnis zur Anwendung. Ob ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Beschäftigung im streitigen Arbeitsverhältnis besteht, ist danach außerhalb des Anwendungsbereichs des §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 Bundespersonalvertretungsgesetz im Rahmen einer Interessenabwägung festzustellen. Dabei ist zu unterscheiden, ob bereits eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des streitigen Beendigungstatbestandes ergangen ist. Der große Senat geht dabei in der genannten Grundsatzentscheidung vom 27. Februar 1985 (- GS 1/84– a. a. O.) davon aus, dass vor dem Ergehen einer erstinstanzlichen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess grundsätzlich das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers dessen Beschäftigungsinteresse überwiegt. Dem ist zu folgen. Bedient sich der Arbeitgeber der Kündigung als dem ihm gesetzlich eingeräumten Gestaltungsrecht zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, muss er die Kündigung praktisch auch vollziehen können. Die Beschäftigung des Arbeitnehmers während des Kündigungsschutzprozesses führt bei späterer rechtskräftiger Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung zur Begründung eines – wie auch immer rechtlich zu qualifizierenden- tatsächlichen Arbeitsverhältnisses. Etwas anderes gilt nach der zitierten Grundsatzentscheidung des Großen Senats nur dann, wenn die umstrittene Kündigung offensichtlich unwirksam ist, weil in solchen Fällen objektiv gar keine Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses besteht oder bei Vorliegen besonderer schutzwürdiger Belange des gekündigten Arbeitnehmers, die das Interesse des Arbeitgebers an einer Nichtbeschäftigung im Einzelfall zurücktreten lassen.
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b) Vorliegend ist keine der genannten Fallgestaltung gegeben. Weder ist die außerordentliche Kündigung vom 4. Juli 2014 offensichtlich unwirksam noch hat der Verfügungskläger besondere Interessen an seiner Weiterbeschäftigung vorgetragen, die die Interessen der Verfügungsbeklagten an seiner Nichtbeschäftigung überwiegen würden.

Von einer offensichtlichen Unwirksamkeit der Kündigung ist nur dann auszugehen, wenn sich schon nach dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers ohne jede Beweiserhebung und ohne, dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre, jedem Kundigem die Unwirksamkeit der Kündigung nahezu aufdrängen muss. Die Unwirksamkeit muss also ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu tragen treten (vgl. BAG 27. Februar 1985 – GS 1/84– a. a. O.). Diese Voraussetzung ist im Hinblick auf die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 4. Juli 2014 nicht erfüllt. Der insoweit darlegungspflichtige Verfügungskläger (vgl. etwa LAG Hamburg 6. Mai 1986 – 1 Ta 7/86– DB 1986, 1629; LAG Köln 17. September 1986 – 7 Sa 547/86 – RZK I 10 J Nr. 6; KR-Etzel § 102 BetrVG Rz. 289) hat keine Tatsachen vorgetragen, die zu einer offensichtlichen Unwirksamkeit der Kündigung führten.

Die Frage, ob die ausgesprochene Kündigung vorliegend durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt ist, kann nicht ohne dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre beantwortet werden. Die Verfügungsbeklagte begründet die außerordentliche Kündigung vom 4. Juli 2014 zum einen mit der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung durch den Kläger im vorliegenden Verfahren, zum anderen mit seiner Bekleidung politischer Ämter für die A und der aus ihrer Sicht damit gegebenen mangelnden Verfassungstreue des Klägers als Beschäftigter im öffentlichen Dienst auf einer Position, in der er Ansprechpartner für Antragsteller mit Migrationshintergrund ist. Keiner der angeführten Gründe kann ohne jede Bewertung und ohne Ausübung eines Ermessens als nicht ausreichend gewichtig zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB angesehen werden.

Es liegt vorliegend auch keine offensichtliche Versäumung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB vor. Hinsichtlich der vom Kläger eingenommenen politischen Ämter für die A handelt es sich um einen Dauertatbestand. Die eidesstattliche Versicherung des Verfügungsklägers vom 20. Juni 2014, in der er auf der ersten Seite unzutreffend angibt, vorliegend gäbe es keine Kündigung, obgleich ihm eine solche unter dem 11. Juni 2014 ausgesprochen wurde, ist der Verfügungsbeklagten am 25. Juni 2014 übersendet worden, sodass auch insofern die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten ist.

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c) Der Verfügungskläger hat auch nicht vorgetragen, dass trotz offenen Ausgangs des Kündigungsschutzverfahrens ausnahmsweise für ihn besondere schutzwürdige Belange streiten, die seine Weiterbeschäftigung bedingen. Im Gegenteil ist bei der Bewertung des Beschäftigungsinteresse des Klägers zur berücksichtigten, dass zum 30. September 2014 eine ordentliche Kündigung ausgesprochen wurde, die gleichfalls nicht offensichtlich unwirksam ist.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
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3. Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben, § 72 Abs. 4 ArbGG.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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