LAG Hessen, 05.11.2014 – 2 Sa 794/14

April 30, 2019

LAG Hessen, 05.11.2014 – 2 Sa 794/14

Einzelfall einer wirksamen (unmittelbaren) Vertretungsbefristung im Schulbereich, unter anderem da trotz zwischen den Parteien insgesamt abgeschlossener 13 Arbeits-/Änderungsverträgen in knapp sieben Jahren ein institutioneller Rechtsmissbrauch nicht anzunehmen war.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 2. Mai 2014 – Aktenzeichen 10 Ca 283/13 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin über die Wirksamkeit einer Befristung und hilfsweise, für den Fall des Obsiegens, über einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

Die 49-jährige (geboren am xxxxxxx ), ledige Klägerin, die studierte Diplom-Designerin ist (Bl. 41 und 42 d. A.) und über keine pädagogische Ausbildung verfügt, wurde ab dem 5. Februar 2007 bei dem beklagten Land aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft tätig. Im Einzelnen beruhte das Arbeitsverhältnis der Parteien zunächst auf folgenden Arbeits-/Änderungsverträgen (Bl. 6 – 38 d. A.):
Arbeits-/Änderungsvertrag: Beschäftigungszeitraum:
2. Februar 2007 5. Februar 2007 -6. Juli 2007
18. Juni 2007 15. August 2007 – 20. Juni 2008
11. Juli 2008 30. Juli 2008 -10. Juli 2009
30. März 2009 11. Juli 2009 -21. August 2009
27. Juli 2009 22. August 2009 -15. August 2010
28. Juli 2010 16. August 2010 – 30. Januar 2011
5. Januar 2011 31. Januar 2011 – 7. August 2011
30. Juni 2011 8. August 2011 – 3. Februar 2012
12. Januar 2012 4.Februar 2012 -12. August 2012
1. Februar 2012 6. Februar 2012 -12. August 2012
11. Juli 2012 13. August 2012 -3. Februar 2013
20. Dezember 2012 4.Februar 2013 -18. August 2013.

Bereits mit Abordnungsverfügung des beklagten Landes vom 2. April 2013 (Bl. 47 und 48 d. A.) wurde die Lehrkraft für die Fächer Kunst und Englisch A XXX – mittlerweile verheiratete B XXX – für die Zeit vom 1. August 2013 bis zum 31. Juli 2016 mit 26 Wochenstunden von der XXX C XXX in XXX D XXX an das XXX E XXX , Abteilung XXX x XXX , in F abgeordnet.

Zuletzt schlossen die Parteien unter dem Datum des 26. Juli 2013 einen Arbeitsvertrag (Bl. 6 – 8 d. A.), wonach die Klägerin ab dem 19. August 2013 bis zur Wiederaufnahme des Dienstes von Frau A XXX , längstens bis zum 31. Januar 2014 als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 16 Pflichtstunden befristet eingestellt wurde. Nach § 2 (1) des Arbeitsvertrages bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen (TV-H), dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Landes Hessen in den TV-H und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-H sowie den Tarifverträgen, die den TV-H und den TVÜ-H ergänzen, ändern oder ersetzen, in der jeweils geltenden Fassung.

Die Klägerin wurde bei dem beklagten Land ab dem 5. Februar 2007 zunächst an der Gesamtschule G XXX in D XXX und ab dem 15. August 2007 durchgängig an der C XXX, einem Gymnasium in D XXX ,zur Erteilung von Kunstunterricht für Klassen der Sekundarstufe I (Klassen 5 bis 10) eingesetzt. An der XXX C XXX lag die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin zwischen mindestens 16 und maximal 20 Pflichtstunden. Die Klägerin bezog zuletzt eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von € 2.922,00.

Mit ihrer am 10. September 2013 bei dem Arbeitsgericht Gießen eingegangenen und dem beklagten Land am 18. September 2013 (Bl. 44 d. A.) zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 2014 gewandt und hilfsweise, für den Fall des Obsiegens, ihre vorläufige Weiterbeschäftigung als Lehrkraft bis zum rechtskräftigen Abschluss des Befristungskontrollverfahrens verlangt.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ein Sachgrund liege nicht vor. Zudem stelle die Befristung bei einer vorliegenden Gesamtdauer von mehr als sechs Jahren und insgesamt 13 Verträgen einen Verstoß gegen Treu und Glauben im Rahmen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs dar. Es bestehe der Verdacht, dass die Klägerin tatsächlich Dauerbedarf mit ihrer Tätigkeit abdecke.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 24. Juli 2013 vereinbarten Befristung am 31. Januar 2014 beendet wird;
2.

im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 das beklagte Land zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lehrkraft weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat die Ansicht vertreten, der erforderliche Sachgrund liege vor. Es hat behauptet, die Klägerin habe die wegen Abordnung zeitlich vorübergehend der XXX C XXX nicht zur Verfügung stehende Stammlehrkraft XXX A XXX unmittelbar vertreten. Mit der Rückkehr der vertretenen Lehrkraft A sei zu rechnen, da die zu Grunde liegende Abordnungsverfügung zeitlich befris tet sei und die Stamm lehrkraft XXX A XXX an die XXX C XXX zurückkehren werde. Im Übrigen, so die weitere Ansicht des beklagten Landes, rechtfertigen die bisherige Dauer der befristeten Beschäftigung und die Anzahl von befristeten Arbeitsverträgen nicht die Bewertung “rechtsmissbräuchlich”.

Das Arbeitsgericht Gießen hat mit einem am 2. Mai 2014 verkündeten Urteil – 10 Ca 283/13 (Bl. 152 – 163 d. A.) – nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, im Hinblick auf die Abordnung der Lehrkraft XXX A XXX liege ein die zuletzt vereinbarte Befristung für die Zeit vom 19. August 2013 bis zum 31. Januar 2014 rechtfertigender Sachgrund der Vertretung iSd. § 14 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 3 TzBfG vor, da die Zeugin XXX H XXX anlässlich ihrer Vernehmung eine unmittelbare Vertretung durch die Klägerin in Gestalt der Erteilung von Kunstunterricht bestätigt habe. Rechtsmissbrauch liege im Hinblick auf Befristungsdauer und Anzahl der Befristungen sowie aufgrund der Gesamtumstände auch nicht vor.

Das erstinstanzliche Urteil ist der Klägerin am 21. Mai 2014 (Bl. 164 d. A.) zugestellt worden. Die Berufung der Klägerin ist am 11. Juni 2014 (Bl. 166 ff. d. A.) und ihre Berufungsbegründung am 18. Juli 2014 (Bl. 174 ff. d. A.) bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Klägerin behauptet, sie habe die Lehrkraft XXX A XXX gar nicht unmittelbar vertreten können, da Lehrkräfte mit der Lehrbefähigung für das Fach Kunst für das Lehramt an Gymnasien wie die Lehrkraft XXX A XXX an der XXX C XXX in der Oberstufe eingesetzt würden. Daher wäre die Lehrkraft XXX A XXX im Falle ihrer Anwesenheit an der XXX C XXX niemals mit nahezu 62 % ihrer Pflichtstunden ausschließlich im Fach Kunst und ausschließlich in der Sekundarstufe I eingesetzt worden. Es sei auch, so die Ansicht die Klägerin, ein Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs gegeben. Insbesondere sei nicht ersichtlich, wann sich welcher Vertretungsgrund ereignet und wann sich welche zeitlichen Prognosen des zu überbrückenden Ausfalls konkret abgezeichnet haben, so dass auch die große Anzahl der Befristungen mit den jeweiligen Befristungszeiträumen keinen Zusammenhang zu einem bestehenden Vertretungsbedarf erkennen lasse. Schließlich spreche für einen institutionellen Rechtsmissbrauch, dass sich der Einsatz der Klägerin auf die Sekundarstufe I beschränkt habe, die Lehrkraft XXX A XXX aber auch mit dem Kunstunterricht in der Oberstufe ausgefallen sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Gießen vom 2. Mai 2014, Az. 10 Ca 283/13

1.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der am 24. Juli 2013 vereinbarten Befristung am 31. Januar 2014 beendet wurde;
2.

im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 das beklagte Land zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lehrkraft weiter zu beschäftigen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Wegen des weiteren Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen vom 18. Juli 2014 (Bl. 174 -177 d. A.), 22. Juli 2014 (Bl. 178 d. A.) und 25. August 2014 (Bl. 191 – 195 d. A.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlungen vom 5. November 2014 (Bl. 197 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 2. Mai 2014 – 10 Ca 283/13 – ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG; 519, 520 Abs. 1, 3 und 5 ZPO.

II.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Die Befristungskontrollklage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch die in dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 24. Juli 2013 vereinbarte Befristung zum 31. Januar 2014. Diese Befristung ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 TzBfG wegen des Sachgrundes der Vertretung wegen der in Abordnung befindliche Lehrkraft A gerechtfertigt. Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt im Hinblick auf die Dauer und/oder die Anzahl der Befristungen kein missbräuchlicher Rückgriff des beklagten Landes auf befristete Arbeitsverträge vor. Damit fällt der hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit der Befristungskontrollklage gestellte Antrag zu 2 auf vorläufige Weiterbeschäftigung dem Berufungsgericht nicht zur Entscheidung an. Dieses Entscheidungsergebnis beruht kurz zusammengefasst auf folgenden Erwägungen (§ 313 Abs. 3 ZPO):

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch die im Arbeitsvertrag der Parteien vom 24. Juli 2013 vereinbarte Befristung zum 31. Januar 2014. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 des kraft einzelvertraglicher Vereinbarung anwendbaren TV-H sind befristete Arbeitsverträge zulässig auf Grundlage des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) sowie anderer gesetzlicher Vorschriften über die Befristung von Arbeitsverträgen; die Voraussetzungen für eine wirksame Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG liegen vor.

a) Mit der Klage hat die Klägerin eine zulässige Befristungskontrollklage iSd. § 17 Satz 1 TzBfG erhoben, die sich gegen die zuletzt in dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 24. Juli 2013 vereinbarte Befristung zum 31. Januar 2014 richtet.

b) Weiterhin gilt die Befristung nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam, denn die Klägerin hat deren Rechtsunwirksamkeit rechtzeitig geltend gemacht. Mit ihrer bereits am 10. September 2013 bei dem Arbeitsgericht Gießen eingegangenen und dem beklagten Land am 18. September 2013 (Bl. 44 d. A.) zugestellten Klage hat sie die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG eingehalten. Diese wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Berufungskammer folgt, auch durch die Erhebung einer Klage vor dem Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit gewahrt (vgl. BAG, Urteil vom 2. Juni 2010 – 7 AZR 136/09 – Rn. 13 mwN, zitiert nach ).

c) Die im Arbeitsvertrag der Parteien vom 24. Juli 2013 vereinbarte Befristung für die Zeit vom 19. August 2013 bis zum 31. Januar 2014 ist rechtswirksam. Sie ist durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 TzBfG sachlich gerechtfertigt.

aa) Ein zur Befristung eines Arbeitsvertrages erforderlicher sachlicher Grund liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Der die Befristung rechtfertigende sachliche Grund liegt in diesen Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend an der Arbeitsleistung verhinderten Arbeitnehmer in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Arbeitnehmers rechnen muss. Damit besteht an der Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Arbeitnehmer obliegenden Aufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis (vgl. BAG, Urteil vom 16. Januar 2013 – 7 AZR 661/11 – Rn. 13, zitiert nach ). Der Sachgrund liegt zum einen vor, wenn der befristet zur Vertretung eingestellte Mitarbeiter die vorübergehend ausfallende Stammkraft unmittelbar vertritt und die von ihr bislang ausgeübten Tätigkeiten erledigt. Notwendige Voraussetzung für eine Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG ist das aber nicht. Der Vertreter kann vielmehr auch mit anderen Aufgaben betraut werden. Dabei muss allerdings sichergestellt sein, dass die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers wegen des Arbeitskräftebedarfs erfolgt, der durch die vorübergehende Abwesenheit des zu vertretenden Mitarbeiters entsteht. Fehlt dieser Kausalzusammenhang, ist die Befristung nicht durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt (BAG, Urteil vom 25. März 2009 – 7 AZR 34/08 – Rn. 14, zitiert nach ). Werden dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer Aufgaben übertragen, die der vertretene Mitarbeiter nie ausgeübt hat, besteht der erforderliche Kausalzusammenhang nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gleichwohl, wenn der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich in der Lage wäre, dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer im Falle seiner Anwesenheit die dem Vertreter zugewiesenen Aufgaben zu übertragen. In diesem Fall ist allerdings zur Gewährleistung des Kausalzusammenhangs zwischen der zeitweiligen Arbeitsverhinderung der Stammkraft und der Einstellung der Vertretungskraft erforderlich, dass der Arbeitgeber bei Vertragsschluss mit dem Vertreter dessen Aufgaben einem oder mehreren vorübergehend abwesenden Beschäftigten nach außen erkennbar gedanklich zuordnet. Dies kann insbesondere durch eine entsprechende Angabe im Arbeitsvertrag geschehen (BAG, Urteil vom 14. April 2010 – 7 AZR 121/09 – Rn. 16, zitiert nach ).

bb) Gemessen an diesen vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Rechtsgrundsätzen zur Befristungskontrolle ergibt sich, dass die im Arbeitsvertrag der Parteien vom 24. Juli 2013 vereinbarte und von der Klägerin angegriffene Befristung zum 31. Januar 2014 durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt war. Diese Befristung beruhte, wie im erstinstanzlichen Urteil zutreffend festgestellt, auf dem Ausfall der Stammlehrkraft XXX A XXX. Diese befand sich bereits seit dem 1. August 2013 (erneut) in einer bis zum 31. Juli 2016 befristeten Abordnung an das XXX E XXX. Dass die Lehrkraft XXX A XXX während der Zeit der hier maßgeblichen Befristung vom 19. August 2013 bis zum 31. Januar 2014 durch die Klägerin unmittelbar in der Erteilung von Kunstunterricht an der XXX C XXX vertreten wurde, hat das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend ausgeführt. Das Berufungsgericht folgt dem angefochtenen Urteil insoweit uneingeschränkt, macht sich dessen Gründe zu Eigen und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese (Seiten 6 bis 7 des angefochtenen Urteils, Bl. 157 und 158 d. A.). Die Angriffe der Berufung rechtfertigen in dieser Hinsicht kein anderes Ergebnis. Das Berufungsgericht vermag keine “Unvollständigkeiten” und “Ungereimtheiten” im Vortrag des beklagten Landes erkennen, die das Arbeitsgericht nicht beachtet hätte. Ob die vertretene Lehrkraft XXX A XXX tatsächlich, wie von der Klägerin behauptet, im Falle ihrer Anwesenheit überwiegend in der Oberstufe zur Erteilung von Kunstunterricht eingesetzt worden wäre, kann dahinstehen. Unstreitig hätte die Lehrkraft A jedenfalls im Falle ihrer Anwesenheit im fraglichen Zeitraum durch das beklagte Land zur Erteilung von Kunstunterricht an der XXX C XXX auch in der Sekundarstufe I eingesetzt werden können.

d) Die Befristung zum 31. Januar 2014 im Arbeitsvertrag der Parteien vom 24. Juli 2013 ist auch unter Berücksichtigung der vom Bundesarbeitsgericht in Konkretisierung der nach dem Urteil des EuGH vom 26. Januar 2012 (C 586/10 – Kücük, NJW 2012, S. 989 ff. [EuGH 26.01.2012 – Rs. C-586/10]) unionsrechtlich gebotenen Missbrauchskontrolle in ersten Entscheidungen (vgl. Urteile vom 18. Juli 2012 – 7 AZR 443/09 und vom 10. Juli 2013 – 7 AZR 761/11 und 19. Februar 2014 – 7 AZR 260/12, allesamt zitiert nach ) entwickelten Rechtsgrundsätzen nicht rechtsunwirksam.

aa) Die Frage, wann genau eine mehrfache Befristung rechtsmissbräuchlich ist, und welche Umstände hierfür eine Rolle spielen, ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts danach abschließend noch nicht geklärt. Das Bundesarbeitsgericht hat zuletzt in seinen Entscheidungen vom 19. Februar 2014 (vgl. BAG, Urteil vom 19. Februar 2014-7 AZR 260/12 – Rn. 36, zitiert nach ) und 24. September 2014 (vgl. BAG, Urteil vom 24. September 2014 – 7 AZR 987/12 – Rn. 38, zitiert nach ) noch einmal betont, dass eine Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalles notwendig ist und keine zeitlichen oder zahlenmäßigen Grenzen statuiert, sondern lediglich grobe Orientierungshilfen gegeben. Danach kann das Überschreiten der gesetzlichen Grenzwerte in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG den Schluss auf eine missbräuchliche Gestaltung zulassen, wenn diese Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ mehrfach überschritten werden. In diesem Fall ist eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten, in deren Rahmen es zunächst Sache des Arbeitnehmers ist, noch weitere für einen Missbrauch sprechende Umstände vorzutragen. Werden die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ in besonders gravierendem Ausmaß überschritten, kann eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung indiziert sein. In einem solchen Fall hat allerdings der Arbeitgeber regelmäßig die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Bundesarbeitsgericht bei einer Dauer von insgesamt sieben Jahren und neun Monaten bei vier befristeten Arbeitsverhältnissen sowie keinen weiteren – vom Arbeitnehmer vorzutragenden – Umständen keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch gesehen (vgl. BAG, Urteil vom 18. Juli 2012 -7 AZR 783/10, zitiert nach ). Bei einer Gesamtdauer von mehr als elf Jahren und einer Anzahl von 13 Befristungen sowie einer gleichbleibenden Beschäftigung zur Deckung eines ständigen Vertretungsbedarfs ist das Bundesarbeitsgericht demgegenüber davon ausgegangen, die rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit der Vertretungsbefristung sei indiziert, könne aber vom Arbeitgeber noch widerlegt werden (vgl. BAG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 7 AZR 443/09, zitiert nach ).

bb) Unter Berücksichtigung dessen ergibt sich bei der gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls vorliegend keine missbräuchliche Ausnutzung der Vertretungsbefristung bezogen auf die Klägerin. Zunächst errechnet sich unter Berücksichtigung aller von der Klägerin mit dem beklagten Land geschlossenen befristeten Arbeitsverträge eine Gesamtdauer von unter sieben Jahren. In dieser Zeit schlossen die Parteien insgesamt 13 Arbeits- bzw. Änderungsverträge, darunter allerdings einen Änderungsvertrag vom 1. Februar 2012 (Bl. 14 und 15 d. A.) für die Zeit vom 6. Februar 2012 bis längstens zum 12. August 2012, der zu keiner zeitlichen Verlängerung des Arbeitsverhältnisses führte. Es handelte sich vielmehr allein um eine Aufstockung der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 16 auf 20 Wochenstunden. Aufgrund dieser Umstände, nämlich vor diesem Hintergrund letztlich zu berücksichtigender zwölf Arbeitsverträge mit einer Gesamtdauer von unter sieben Jahren, kann nach Ansicht der Berufungskammer unter Berücksichtigung der angezogenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (vgl. insbesondere auch BAG, Urteil vom 13. Februar 2013-7 AZR 225/11 – Rn 40, in dem der 7. Senat bei einer knapp mehr als fünfeinhalbjährigen Dauer und 13, nach Angaben der Klägerin überwiegend auf Vertretungsbedarf gestützten, befristeten Verträgen einen Missbrauch nicht von vornherein ausgeschlossen, aber auch nicht als indiziert angesehen hat) nicht von einer Überschreitung der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ in besonders gravierendem Ausmaß ausgegangen werden, wodurch eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung indiziert wäre. Vor diesem Hintergrund ist zwar eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten, in deren Rahmen es danach aber Sache der Klägerin gewesen wäre, noch weitere für einen Missbrauch sprechende Umstände vorzutragen. Daran fehlt es. Zwar mag der Klägerin zuzugestehen sein, dass ihre Arbeitsaufgaben während der gesamten Dauer der befristeten Arbeitsverträge mit der Erteilung von Kunstunterricht fast ausschließlich an der XXX C stets gleich geblieben sind. Hieraus vermag die Berufungskammer allerdings nicht auf eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung schließen. Dem Einsatz einer Lehrkraft ist immanent, dass es sich um eine stets gleich bleibende Arbeitsaufgabe, nämlich die Erteilung von Unterricht in den ausgebildeten bzw. in Betracht kommenden Fächern, handelt. Im Falle der Klägerin war dies aufgrund ihrer Ausbildung als Diplom-Designerin der Kunstunterricht. Es wurde zudem bereits ausgeführt, dass die von der Klägerin zuletzt vertretene Lehrkraft XXX A XXX wenn sie im fraglichen Zeitraum zur Unterrichtserteilung zur Verfügung gestanden hätte, auch für die Erteilung von Kunstunterricht in der Sekundarstufe I an der XXX C XXX in Betracht gekommen wäre. Ob im Streitfalle durch die vorübergehende Abwesenheit der vertretenen Lehrkräfte, wie von der Klägerin erstinstanzlich angenommen, sogar ein Dauer(vertretungs)bedarf an der XXX C XXX in XXX D XXX vorhanden war, muss hingegen nicht entschieden werden. Das beklagte Land wäre trotzdem berechtigt, einen solchen dauerhaft bestehenden Vertretungsbedarf durch befristet eingestellte Arbeitnehmer abzudecken (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 17. Juli 2013-7 Sa 450/13, zitiert nach ). Schließlich hat die Klägerin bezweifelt, dass die einzelnen mit ihr geschlossenen Befristungsvereinbarungen orientiert waren am vertretungsbedingten Beschäftigungsbedarf; allerdings hat sie keine näheren Ausführungen hierzu gemacht. Zu berücksichtigen ist demgegenüber, dass der Schulbetrieb durchaus Besonderheiten aufweist, was für die Berufungskammer insbesondere anzunehmen ist im Hinblick auf den in jedem Schuljahr in nicht vorhersehbaren Umfang entstehenden Vertretungsbedarf bspw. aufgrund von Sonderurlaub, Elternzeit, Mutterschutz, längerfristigen Erkrankungen und Arbeitszeitreduzierungen für Lehrkräfte in unterschiedlicher Stundenhöhe. Hieraus ergeben sich ständig wechselnde Anforderungen an die Vertretungs- und Lehrplangestaltung. So wurde die Klägerin durch das beklagte Land auch immer wieder mit wechselnden Stundenkontingenten beschäftigt, zu Beginn mit Arbeitsvertrag vom 2. Februar 2007 für die Zeit vom 5. Februar 2007 bis zum 6. Juli 2007 sogar mit nur durchschnittlich wöchentlich nur vier Pflichtstunden und zudem noch an einer anderen Schule in XXX D XXX. Andere, für einen Rechtsmissbrauch sprechende Umstände hat das Berufungsgericht indes nicht erkennen können.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, da die Berufung der Klägerin erfolglos bleibt.

Für die Zulassung der Revision ist kein Grund im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG ersichtlich.

Schlagworte

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Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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