LAG Hessen, 07.08.2015 – 2 Ta 321/15

April 21, 2019

LAG Hessen, 07.08.2015 – 2 Ta 321/15
Leitsatz:

Der Ausschluss der Kostenerstattung für die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistands vor dem Arbeitsgericht nach § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG gilt auch im Urteilsverfahren unter Beteiligung der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers vom 15. Juli 2015 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 8. Juli 2015 – Aktenzeichen 9 Ca 1698/13 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Mit Beschluss vom 8. Juli 2015 – Aktenzeichen 9 Ca 1698/13 (Bl. 109 d.A.) – hat das Arbeitsgericht Wiesbaden den Antrag des Beklagten vom 20. April 2015 auf Festsetzung der erstinstanzlichen Kosten für seinen Prozessbevollmächtigten gemäß § 104 ZPO gegen den Kläger in Höhe von € 3.551,20 kostenpflichtig mit dem Hinweis auf § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG zurückgewiesen.

Gegen den am 10. Juli 2015 (Bl. 110 d.A.) zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 15. Juli 2015 (Bl. 111 d.A.) am gleichen Tag bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden sofortige Beschwerde erhoben. Zur Begründung hat er angeführt, von Sinn und Zweck sei vorliegend eine teleologische Reduktion des § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG geboten. Es sei im Rechtsstreit um Beiträge der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft gegangen, einer behördenähnlichen Institution mit fachkundigem Personal. Für ihn als Einzel- und Kleinunternehmer, der mit Verfahren durch den Kläger “auf Verdacht” überzogen werde, sei es hingegen nicht möglich, sich ordnungsgemäß zu wehren, wenn von vornherein feststehe, dass erhebliche Kosten auch im Fall des Obsiegens auf ihn zukommen würden. Zudem sei die Hemmschwelle für den Kläger erheblich niedriger, auch Kleinunternehmer wie ihn mit Forderungen zu überziehen, die den Ruin bedeuten würden. Schließlich sei mit Blick auf Art. 3 GG eine Waffengleichheit nicht gegeben.

Mit Beschluss vom 31. Juli 2015 – Aktenzeichen 9 Ca 1698/13 (Bl. 115 d.A.) – hat das Arbeitsgericht Wiesbaden der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers ist gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 2 ZPO; 11 Abs. 1 RPflG; 78 ArbGG statthaft und nach einem Beschwerdewert von mehr als € 200,00 auch im Übrigen zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben, § 569 ZPO.

2. Die sofortige Beschwerde ist aber unbegründet.

Zu Recht hat die Rechtspflegerin den Antrag des Beschwerdeführers vom 20. April 2015 auf Festsetzung der Kosten gemäß § 104 ZPO gegen den Kläger in Höhe von € 3.551,20 zurückgewiesen. Diese Kosten sind unter Berücksichtigung von § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG nicht erstattungsfähig. Nach dieser gesetzlichen Regelung besteht im Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes. Diese Vorschrift sieht bis auf den in § 12a Abs. 1 Satz 3 ArbGG genannten Fall einer Verweisung keine Ausnahme vor und enthält daher ein öffentlich-rechtliches Gebot, das die Kostenfestsetzung gegenüber dem Prozessgegner erster Instanz generell ausschließt (vgl. LAG München, Beschluss vom 14. Juli 2009 – 10 Ta 18/08 – Rn. 12, zitiert nach ). Zweck von § 12a ArbGG ist es, das Kostenrisiko für beide Parteien im arbeitsgerichtlichen Verfahren erster Instanz zu beschränken. Verfassungsrechtlich bestehen gegen die Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 1 ArbGG keine Bedenken (vgl. zur Vorgängerregelung in § 61 Abs. 1 S. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 3. September 1953: BVerfG, Beschluss vom 20. Juli 1971 – 1 BvR 231/69, zitiert nach ). Weder der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß § 103 Abs. 1 GG noch der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch das Rechtsstaatsprinzip sind verletzt; auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 GG, Art. 9 Abs. 3 GG, Art. 14 GG und Art. 19 Abs. 4 GG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. Schwab-Weth-Vollstädt, 4. Aufl., ArbGG § 12a Rn. 5 m.w.N.) Ausnahmen von dem Ausschluss der Erstattungsfähigkeit machen die Arbeitsgerichte und das Schrifttum allein in zwei Fällen: Nicht vom Ausschluss erfasst ist zum einen die Haftung des Drittschuldners auf Ersatz unnützer aufgewandter Kosten des Einziehungserkenntnisverfahrens wegen Verletzung der Auskunftspflicht aus § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO(str., siehe im Einzelnen GK-ArbGG/Schleusener § 12a ArbGG Rn. 42 f.). Zum anderen findet der Ausschluss von Kostenerstattungsansprüchen nach § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG seine Grenze, wenn eine Prozesspartei dessen Wirkung vorsätzlich und sittenwidrig zur Schädigung des Prozessgegners einsetzt (vgl. Schwab-Weth-Vollstädt, 4. Aufl., ArbGG § 12a Rn. 27). Vor diesem Hintergrund ist im Streitfalle keine teleologische Reduktion geboten. Der Beklagte möge sich vor Augen führen, dass jeder Arbeitnehmer, der sich einer Schadensersatzklage seines Arbeitgebers über eine namhafte Summe ausgesetzt sieht, sich in einer vergleichbaren Situation befindet. Dass der Kläger das vorliegende Verfahren mit dem Ziel eingeleitet hat, den Beklagten mit außergerichtlichen Kosten zu belasten, hat hingegen der Beklagte selbst nicht behauptet (vgl. Natter/Gross, ArbGG, 2. Aufl. § 12a ArbGG Rn. 7).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Da ein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 78 Satz 2 iVm. 72 Abs. 2 ArbGG nicht besteht, ist der Beschluss unanfechtbar, §§ 78 Satz 1 ArbGG iVm. 574 Abs. 1 ZPO.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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