LAG Hessen, 08.04.2014 – 15 TaBV 151/13

Mai 2, 2019

LAG Hessen, 08.04.2014 – 15 TaBV 151/13

Auch wenn eine Einstellung einer sonstigen Hilfskraft zu Lasten der für Pflegefachkräfte gemäß PsychPV ermittelten und vereinbarten Pflegesätze erfolgt, ergibt sich daraus kein Zustimmungsverweigerungsgrund für den Betriebsrat gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.
Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 24. Juli 2013 – 6 BV 4/13 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe
1

I.

Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren noch um die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zu einer befristeten Einstellung einer Servicekraft im hauswirtschaftlichen Bereich.
2

Die Beteiligte zu 1. (im Folgenden Arbeitgeberin) betreibt psychiatrische Kliniken und ist gemeindepsychiatrischer und sozialpädagogischer Dienstleister. Zu ihr gehören die A – Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie (Erwachsene) in B, die C – Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie – und die Klinik für forensische Psychiatrie B sowie die begleitenden psychiatrischen Dienste D.
3

Der Beteiligte zu 2. (im Folgenden Betriebsrat) ist der bei der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat.
4

Für die Arbeitgeberin gilt die Verordnung über Maßstäbe und Grundsätze für den Personalbedarf in der stationären Psychiatrie (Psychiatrie-Personal-Verordnung – PsychPV). Diese wird zum 1. Januar 2017 aufgehoben werden. Gemäß § 1 Abs. 1 regelt die PsychPV die Maßstäbe und Grundsätze zur Ermittlung des Personals für Ärzte, Krankenpflegepersonal und sonstiges therapeutisches Fachpersonal in psychiatrischen Einrichtungen für Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche mit dem Ziel, eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche stationäre und teilstationäre Behandlung der Patienten zu gewährleisten, die einer Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 Abs. 1 SGB V bedürfen.
5

Die Arbeitgeberin und die Krankenkassen schließen jährlich für die einzelnen Kliniken eine so genannte Pflegesatzvereinbarung (§ 17 BPflV). Darin werden das Budget, die Art, die Höhe und die Laufzeiten tagesgleicher Pflegesätze für die Finanzierung von Krankenhausleistungen geregelt. Das Budget, die Art, die Höhe und die Laufzeiten tagesgleicher Pflegesätze werden aufgrund von nach der PsychPV zu ermittelnden Fachpersonalstellen bestimmt. Grundlage für die Ermittlung dieser Fachpersonalstellen sind je nach Schweregrad der zu behandelnden Leiden in der PsychPV festgelegte Minutenwerte. Die in der PsychPV festgelegten Minutenwerte gehen davon aus, dass allgemeine Versorgungsaufgaben „zentralisiert“, also vollständig von gesonderten Einheiten des Krankenhauses mit gesondertem Personal erledigt werden. Für den Fall, dass das Fachpersonal auch Versorgungsaufgaben (zB. Speisenversorgung mit Tablettsystem, Transport von Laborproben etc.) übernehmen muss, können die Vertragsparteien in der Pflegesatzvereinbarung eine gesonderte Personalbemessung vereinbaren, § 3 Abs. 4 PsychPV.
6

Die Arbeitgeberin erfüllt den nach PsychPV errechneten Personalbedarf für Fachkräfte im so genannten Regeldienst lediglich zu 90%. Bei der Arbeitgeberin müssen die Fachpflegekräfte auch Versorgungsaufgaben übernehmen. In der Budget- und Entgeltvereinbarung für die Arbeitgeberin wurden für den Zeitraum 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2012 für die A 1,50 und für die C 0,56 Personalstellen nach § 3 Abs. 4 PsychPV vereinbart (Bl. 147, 148 d.A.). Dies war auch für die Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2013 vorgesehen.
7

Im Juni 2012 verteilte der Betriebsrat ein Informationsblatt (Bl. 86 d.A.) Mit einem an den Betriebsratsvorsitzenden gerichteten Schreiben vom 3. Juli 2012 reagierte der Geschäftsführer der Arbeitgeberin darauf. Wegen der Einzelheiten und des genauen Inhalts des Schreibens an den Betriebsrat wird auf Blatt 87 der Akten Bezug genommen.
8

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 (Bl. 23 d.A.) ersuchte die Arbeitgeberin bei dem Betriebsrat unter anderem um dessen Zustimmung zur zum 1. Januar 2013 beabsichtigten Einstellung der Arbeitnehmerin E auf die Position einer Servicekraft im hauswirtschaftlichen Bereich im Klinikum D in Teilzeit mit 50% der regelmäßigen Arbeitszeit bis zum 31. Dezember 2014. Dem Zustimmungsantrag waren die vollständigen Bewerbungsunterlagen der Arbeitnehmerin E beigefügt. Der Betriebsrat erklärte mit Schreiben vom 27. Dezember 2012 die Zustimmungsverweigerung. Wegen der Einzelheiten und des genauen Inhalts des Schreibens des Betriebsrats wird auf Blatt 25 bis 29 der Akten Bezug genommen.
9

Mit ihrem Antrag, der am 25. Februar 2013 bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangen ist, hat die Arbeitgeberin das Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG eingeleitet. Wegen der Zustimmungsverweigerung zur beabsichtigten Eingruppierung hat sie ihren ursprünglich angekündigten Antrag zu 2. im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht zurückgenommen (Bl. 158 d.A.).
10

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, ein Zustimmungsverweigerungsgrund bestehe nicht. Weder die PsychPV noch eine andere gesetzliche Regelung enthalte eine Verpflichtung zur Besetzung aller nach PsychPV ermittelten Personalstellen. Die PsychPV sei lediglich ein Instrument zur Ermittlung des Finanzbedarfs eines psychiatrischen Krankenhauses, enthalte aber keine Vorgaben über die konkrete Umsetzung des ermittelten Personalbedarfs. Sie hat behauptet, die Einstellung von Frau E führe auch nicht zu einer Arbeitsverdichtung bei den Mitarbeitern im Pflegedienst. Die Einstellung der Arbeitnehmerin führe nicht dazu, dass eine der Pflegestellen gestrichen werde oder einer Pflegekraft infolge der Einstellung gekündigt werde. Sie hat die Auffassung vertreten, der Einwand des Betriebsrats, es werde in das Budget der Pflegekräfte eingegriffen, sei im Rahmen von § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG nicht relevant. Der befürchtete Qualitätsverlust als Folge der Einstellung sei auch kein Verweigerungsgrund im Sinne des § 99 Abs. 2 BetrVG.
11

Sie hat zuletzt noch beantragt,

die Zustimmung des Antragsgegners zur Einstellung der Frau E auf die Position einer Servicekraft im hauswirtschaftlichen Bereich in der Klinik D der Antragstellerin gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen.

12

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

13

Er hat behauptet, die zur Einstellung vorgesehene Servicekraft werde aus dem Budget für Pflegekräfte finanziert, wie sich aus dem Schreiben des Geschäftsführers aus dem Juli 2012 ergebe. Er hat gemeint, bereits der Verstoß gegen die Vorgaben der PsychPV zu Lasten der für die Beschäftigung von Fachkräften zur Verfügung gestellten Mittel berechtige ihn zur Verweigerung der Zustimmung zur Einstellung der Arbeitnehmerin. Insoweit bestehe eine Parallele zur Prüfungs- und Konsultationspflicht des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB IX. Er hat gemeint, es komme nicht auf konkrete Verbote nach der PsychPV an, weil dieser Verordnung bereits nach ihrer Zielsetzung der Charakter einer Vorschrift des Arbeitsschutzes zukomme. Der in den Pflegesatzvereinbarungen nach § 3 Abs. 4 PsychPV insgesamt anerkannte Bedarf von 2,06 Vollkräften beziehe sich ausdrücklich auf die Zahl der Personalstellen nach der PsychPV, also ausschließlich auf Fachkräfte. Er hat behauptet, die Einstellung der Servicekraft führe zu einer Arbeitsverdichtung und Erschwerung der Arbeitsleistung bei den Fachkräften, insbesondere zu einer Vermehrung von Nacht- und Spätdiensten bei den Fachkräften. Er hat behauptet, die vorgesehene Halbtagsbeschäftigung der Arbeitnehmerin E könne gar nicht die angebliche Entlastung von Pflegefachkräften erbringen, sondern bedeute sogar einen Planungsmehraufwand für die Fachpflegekräfte. Hinzukomme, dass die bisherige Miterledigung pflegekraftfachfremder Arbeiten durch die Pflegefachkräfte für diese eine Unterbrechung bei den konzentrationsintensiven und anspruchsvollen Arbeiten geboten habe, die dann wegfalle. Dann aber würden erforderliche Unterbrechungs- und Pausenzeiten erforderlich, weil kein Mensch in der Lage sei, stundenlang hintereinander in gleich konzentrierter Art und Weise fachspezifische anspruchsvolle Leistungen zu erbringen.
14

Wegen des erstinstanzlichen weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die Gründe I. des angefochtenen Beschlusses (Bl. 161 – 165 d.A.) Bezug genommen.
15

Mit dem am 24. Juli 2013 verkündeten Beschluss hat das Arbeitsgericht die verweigerte Zustimmung zur Einstellung der Arbeitnehmerin E ersetzt. Es hat angenommen, der Zweck der PsychPV könne nicht nur dadurch erreicht werden, dass die Einstellung der Arbeitnehmerin E unterbleibe, § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Es hat weiter angenommen, dass auch kein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Ziffer 3 BetrVG bestehe, denn eine Erschwerung der Arbeitsbedingungen für die Fachpflegekräfte entstehe dadurch nicht. Die reine Zuweisung pflegerischer Aufgaben an die Fachpflegekräfte unterliege dem Direktionsrecht der Arbeitgeberin und auch die mögliche Nichtbesetzung frei werdender Fachkräftestellen sei kein Nachteil iSd. § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG.
16

Der Betriebsrat hat gegen den ihm am 9. September 2013 zugestellten Beschluss am 27. September 2013 Beschwerde eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 9. Dezember 2013 am 9. Dezember 2013 begründet.
17

Er meint nach wie vor, bei den zusätzlichen Stellen nach § 3 Abs. 4 PsychPV handele es sich um zusätzliche Stellen des Pflegedienstes und damit um solche für Fachkräfte, denn die PsychPV sehe nur Stellen für Fachkräfte vor. Auch die vorgelegten Personalstellenberechnungen (Bl. 147, 148 d.A.) für die A und die C mit insgesamt 2,06 Personalstellen seien solche für den Pflegedienst. Da die Einstellung der Arbeitnehmerin E zu Lasten dieser Stellen erfolge, werde dadurch das Personalstellenbudget des Pflegedienstes belastet. Er hält auch an seinen Auffassungen fest, dass nach der PsychPV nur eine Einstellung von Fachkräften möglich sei und dass durch seine Zustimmungsverweigerung verhindert werden soll, dass ungelernte Hilfskräfte zulasten der Pflegekräfte in den Betrieb aufgenommen würden.
18

Er beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 24. März 2014 – 6 BV 4/13 abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

19

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

20

Sie verteidigt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages den Beschluss des Arbeitsgerichts.
21

Wegen des weiteren Vortrages der Beteiligten im Beschwerderechtszug wird ergänzend auf den Schriftsatz des Betriebsrats vom 6. Dezember 2013 (Bl. 201 – 207 d.A.) und den Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 28. Januar 2014 (Bl. 220 – 224 d.A.) sowie das Protokoll des Anhörungstermins am 8. April 2014 Bezug genommen.
22

II.

Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig. Sie ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und gemäß §§ 87 Abs. 2 S. 1, 89 Abs. 2, 66 Abs. 2 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
23

Die Beschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet. Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist nicht abzuändern, da die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung der Arbeitnehmerin E zu ersetzen ist.
24

Die formelle Ordnungsgemäßheit der Anhörung gemäß § 99 BetrVG ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Davon ist offenbar auch das Arbeitsgericht ausgegangen.
25

Die auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 und 3 BetrVG gestützte Zustimmungsverweigerung ist unbegründet.
26

1. Der Antrag ist zulässig. Die Arbeitgeberin hat ein Rechtsschutzbedürfnis an der begehrten Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung der Arbeitnehmerin E. Diese gilt nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Der Betriebsrat hat der Einstellung form- und fristgerecht unter Berufung auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 und 3 BetrVG widersprochen.
27

a) Nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung der Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers innerhalb einer Woche nach der Unterrichtung durch den Arbeitgeber unter Angabe von Gründen schriftlich mitzuteilen. Geht dem Arbeitgeber innerhalb der Frist keine ordnungsgemäße Zustimmungsverweigerung zu, gilt die Zustimmung nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt.
28

b) Der Betriebsrat hat der beabsichtigten Einstellung der Arbeitnehmerin form- und fristgerecht widersprochen. Die Anhörung ist dem Betriebsrat am 21. Dezember 2012 zugegangen, er hat darauf am 27. Dezember 2012 die Zustimmung verweigert. Sie genügte auch im Übrigen den Anforderungen des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, da sie schriftlich erfolgte und ausreichend Zustimmungsverweigerungsgründe iSv. § 99 Abs. 2 BetrVG bezeichnet.
29

2. Der Betriebsrat hat die Zustimmung zur Einstellung der Arbeitnehmerin E als Servicekraft im Hauswirtschaftlichen Bereich zu Unrecht verweigert. Die personelle Maßnahme der Einstellung verstößt nicht gegen die PsychPV und die Fachkräfte erleiden infolge der Einstellung keine sonstigen Nachteile. Daher besteht weder ein Zustimmungsverweigerungsrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG noch nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG.
30

a) Nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung zu einer vom Arbeitgeber beabsichtigten personellen Einzelmaßnahme verweigern, wenn diese gegen ein Gesetz, eine Verordnung eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung verstoßen würde. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, gilt dies nur, wenn die Maßnahme selbst gegen ein Gesetz, einen Tarifvertrag oder eine sonstige Norm verstößt (vgl. etwa BAG 25. Januar 2005 – 1 ABR 61/03 – zu B II 4 b bb (3) (a) der Gründe mwN, BAGE 113, 218). Dazu muss es sich nicht um ein Verbotsgesetz im technischen Sinne handeln, das unmittelbar die Unwirksamkeit der Maßnahme herbeiführt. Es muss nur hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen, dass der Zweck der betreffenden Norm darin besteht, die personelle Maßnahme selbst zu verhindern (BAG 17. Juni 2008 – 1 ABR 20/07 – Rn. 20 mwN, BAGE 127, 51).
31

b) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen die Vorgaben des PsychPV, indem er die ihm für eine nach § 3 Abs. 4 PsychPV abweichend vereinbarte Zahl der Personalstellen zur Verfügung gestellten Mittel zur Finanzierung einer nicht pflegerisch tätigen Hilfskraft verwendet, begründet bei Einstellungen nicht pflegerisch tätiger Hilfskräfte kein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.
32

aa) Zutreffend geht der Betriebsrat – entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts im angefochtenen Beschluss – davon aus, dass die PsychPV nur die Ermittlung des Budgets für Fachpersonal regelt, § 1 Abs. 1 PsychPV. Danach regelt die Verordnung die Grundsätze zur Ermittlung des Personalbedarfs für Ärzte, Krankenpflegepersonal und sonstiges therapeutisches Fachpersonal. In § 9 PsychPV sind die Berufsgruppen genannt und die zugrunde zu legenden Minutenwerte. Auch hier sind nur Fachkräfte wie Ärzte, Krankenpflegepersonal, der Erziehungsdienst, Diplom-Psychologen, Ergotherapeuten, Bewegungstherapeuten, Krankengymnasten, Physiotherapeuten, Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Heilpädagogen, Sprachtherapeuten und Logopäden genannt. Hinzukommt, dass bereits in den „Grundsätzen des Verordnungskonzepts“ zur PsychPV (BR-Drucks. 666/90 S. 25/28) ausdrücklich festgehalten ist, dass zwar pflegerische Hilfskräfte, soweit ihr Einsatz erforderlich ist, auf die Stellen für Krankenpflegepersonal anzurechnen sind. Es heißt dort jedoch weiter: „Stationshilfen und sonstige Hilfskräfte sind in der Verordnung nicht berücksichtigt.“ Eine Servicekraft im hauswirtschaftlichen Bereich ist keine pflegerische Hilfskraft, sondern eine sonstige Hilfskraft.
33

bb) Da nichtpflegerische Hilfskräfte in der PsychPV gar nicht berücksichtigt sind, sind auch von der Zahl der Personalstellen nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 PsychPV abweichend vereinbarte Personalstellen nicht solche, die mit nichtpflegerischen Hilfskräften besetzt werden dürfen. Die Verwendung von Mitteln für eine nach § 3 Abs. 4 PsychPV abweichend vereinbarte Zahl der Personalstellen zur Finanzierung einer nicht pflegerisch tätigen Hilfskraft verstößt daher gegen die PsychPV.
34

cc) Dennoch begründet ein solcher Verstoß bei Einstellungen nicht pflegerisch tätiger Hilfskräfte kein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Bei der Auslegung des § 99 BetrVG ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Vorschrift dem Betriebsrat nur die Möglichkeit gibt, der Einstellung in der vom Arbeitgeber beabsichtigten Form zuzustimmen oder die Zustimmung insgesamt zu verweigern. Er kann hingegen nicht die Einstellung zu anderen – normgemäßen – Bedingungen durchsetzen. Insoweit steht ihm nur ein negatives Mitgestaltungsrecht zu. Dieser “Rigorismus der Rechtsfolgen des § 99 BetrVG” (Kohte, AuR 1986, 188, 191) gebietet eine differenzierende Betrachtung von Normverstößen. Eine Zustimmungsverweigerung ist danach nicht bei jedem Verstoß gerechtfertigt, sondern erst dann, wenn der Normzweck nur dadurch erreicht werden kann, dass die Einstellung insgesamt unterbleibt (BAG 28. Juni 1994 – 1 ABR 59/93– Rn 26, BAGE 77, 165-173).
35

Gebietet also einerseits die PsychPV die Verwendung der in der Pflegesatzvereinbarung genannte Zahl an gemäß § 3 Abs. 4 PsychPV abweichend vereinbarte Zahl von Personalstellen nur für Fachkräfte, rechnet andererseits der Arbeitgeber die Beschäftigung einer nicht pflegerisch tätigen Hilfskraft gerade auf eine solche Fachkraftpersonalstelle an, kann die Verletzung der PsychPV jederzeit durch eine weitere Einstellung einer Fachkraft ausgeschlossen werden, sodass die Verletzung der PsychPV nicht nur dadurch ausgeschlossen werden kann, dass die Einstellung einer nicht pflegerisch tätigen Hilfskraft unterbleibt. Nach dem Normzweck der PsychPV ist nicht die Beschäftigung nicht pflegerisch Tätiger Hilfskräfte als solche untersagt, sondern nur die Verwendung von für Personalstellen gemäß Pflegesatzvereinbarung für Fachkräfte gewährter Mittel. Dieser Normzweck wird durch die Einstellung einer nicht pflegerischen Hilfskraft zumindest so lange nicht vereitelt, wie die Personalstellendeckung nach Pflegesatzvereinbarung im Betrieb der Arbeitgeberin – unstreitig – ohnehin nicht zu 100% erreicht wird. Denn solange nicht eine 100%ige Besetzung sämtlicher Fachpersonalstellen, die in der jährlichen Pflegesatzvereinbarung vereinbart sind, erreicht ist, schließt die Einstellung einer Nichtpflegefachkraft die Besetzung einer Fachpersonalstelle mit einer Fachkraft nicht aus.
36

Aus eben diesem Grund kann die Kammer den Regelungen der PsychPV auch nicht den Zweck eines Schutzgesetzes zumessen. Die PsychPV enthält keine Regelungen, die eine Beschäftigung unter gleichzeitiger Zweckentfremdung von für Fachpersonal zugewandter Mittel generell untersagt. Die PsychPV regelt lediglich nicht die Aufbringung von Mitteln für Nichtpflegefachpersonal. Ein weitergehender regelrechten „Absperrzweck“ wohnt der PsychPV nicht inne. Die Vorschriften der PsychPV wollen auch nicht zum Schutze einzelner Fachkräfte oder der Gruppe aller Fachkräfte die in der jährlichen Pflegesatzvereinbarung vereinbarten Personalstellen ausschließlich für Fachkräfte sichern. Gemäß § 1 Abs. 1 PsychPV erschöpft sich der Zweck der PsychPV vielmehr in der `Regelung der Maßstäbe und der Grundsätze zur Ermittlung des Personalbedarfs für Fachkräfte´. Insoweit ist der Wortlaut des § 1 PsychPV zum Anwendungsbereich eindeutig.
37

c) Nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung zu einer vom Arbeitgeber beabsichtigten personellen Einzelmaßnahme verweigern, wenn die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, ist unter “sonstigen Nachteilen” i.S. dieser Vorschrift die Verschlechterung des bisherigen rechtlichen oder tatsächlichen Status anderer Arbeitnehmer des Betriebs zu verstehen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Schutzzweck der Norm. Der Zustimmungsverweigerungsgrund wurde auch geschaffen, um die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer vor unberechtigten Eingriffen in ihre tatsächliche und rechtliche Stellung zu schützen. Es sollen deshalb auch solche Nachteile von der Belegschaft abgewehrt werden, die den Arbeitnehmern infolge Erschwerung ihrer Arbeitsbedingungen drohen (BAG 15. September 1987, BAGE 56, 108, 116 f. = AP Nr. 46 zu § 99 BetrVG 1972, zu B I 2 c der Gründe, mit zust. Anm. Streckel, SAE 1988, 194 mit zust. Anm. Oetker).
38

aa) In seiner Zustimmungsverweigerungserklärung hat der Betriebsrat tatsächliche Nachteile von nicht unerheblichem Gewicht, die anderen Arbeitnehmern infolge der Einstellung der Arbeitnehmerin E drohen, im Sinne der befürchteten Arbeitsverdichtung für die bereits beschäftigten Pflegefachkräfte zwar genannt.
39

bb) Jedoch folgt die erkennende Kammer zunächst den Gründen unter II. 2. b) des angefochtenen Beschlusses. Auch hier gilt ergänzend Folgendes:
40

So lange die nach Pflegesatzvereinbarung zu besetzenden Fachpersonalstellen nicht zu 100% besetzt sind, führt jedenfalls die Einstellung einer Nichtpflegefachkraft nicht zu einer Belastung der Fachpflegekräfte. Anders ausgedrückt: Nicht die Einstellung der sonstigen Hilfskraft führt zur Arbeitsverdichtung, sondern die Nichtbesetzung sämtlicher nach der PsychPV ermittelter und damit erforderlicher Fachpersonalstellen.
41

Die Nichtbesetzung der Fachpersonalstellen erfolgt im Übrigen nicht infolge der Einstellung der Arbeitnehmerin E. Insofern wird auch nicht nur mittelbar der Gesundheitsschutz der bereits beschäftigten Fachpersonals infolge der Einstellung der Arbeitnehmerin E tangiert.
42

cc) Eine Verschlechterung der bisherigen rechtlichen Stellung anderer Arbeitnehmer im Betrieb hat der Betriebsrat nicht geltend gemacht. Deswegen konnte eine Prüfung unterbleiben.
43

Gegen diese gemäß § 2 Abs. 2 GKG gerichtskostenfrei ergehende Entscheidung ist gemäß § 92 Abs. 1 iVm. § 72 Abs. 2 ArbGG die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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