LAG Hessen, 08.10.2014 – 6 Sa 1560/13

April 30, 2019

LAG Hessen, 08.10.2014 – 6 Sa 1560/13

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 19. November 2013 – 3 Ca 308/13 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers und um Differenzlohnansprüche für den Zeitraum von November 2011 bis einschließlich Oktober 2013.
2

Der Kläger ist seit dem Jahr 2004 bei der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt. Er ist auf der Grundlage der Stellenbeschreibung für einen „Back Order Specialist Aftersales Europa“ tätig. Zu seinen Hauptaufgaben gehören unter anderem die europaweite Beschaffung von Vehicle Offroad Teilen sowie die Überwachung der jeweiligen Beschaffungsschritte. Wegen der Einzelheiten der Stellenbeschreibung wird auf die Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 27. September 2013 (Bl. 29-34 d.A.) verwiesen.
3

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für die hessische Metall- und Elektroindustrie Anwendung. Die Beklagte hat den Kläger zunächst in die Entgeltgruppe E8 des Entgeltrahmenabkommens (im Folgenden ERA) eingruppiert und vergütet. Ab dem 01. Mai 2013 ist der Kläger in die Entgeltgruppe E9 ERA eingruppiert und wird entsprechend vergütet. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er sei zutreffend in die Entgeltgruppe E11, hilfsweise in die Entgeltgruppe E10 einzugruppieren. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung im Beschaffungswesen, seiner fünfjährigen positionsbezogenen Berufserfahrung und einer Vielzahl weiterer spezifischer Fachkenntnisse seien die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in E11 erfüllt. Eine mindestens vierjährige Hochschulausbildung sei nicht erforderlich, da diese auch auf einem anderen Weg erworben werden könne. Dies sei bei ihm angesichts seines beruflichen Werdegangs und der von ihm in der Vergangenheit getragenen Verantwortung der Fall.
4

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass er von der Beklagten in die Vergütungsgruppe E11 des Entgeltrahmenabkommens der Metall- und Elektroindustrie Hessen einzugruppieren bzw. einzustufen sei;

hilfsweise festzustellen,

dass er von der Beklagten in die Vergütungsgruppe E10 des Entgeltrahmenabkommens für die Metall- und Elektroindustrie Hessen einzugruppieren bzw. einzustufen sei;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 39.951,48 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, aus jeweils 1.720,00 EUR seit dem 01.12.2011, 01.01.2012, 01.02.2012, 01.03.2012, 01.04.2012, 01.05.2012, 01.06.2012, 01.07.2012, 01.08.2012, 01.09.2012, 01.10.2012, 01.11.2012, 01.12.2012, 01.01.2013, 01.02.2013, 01.03.2013, 01.04.2013, 01.05.2013 und aus jeweils 1.498,20 EUR seit dem 01.06.2013, 01.07.2013, 01.08.2013, 01.09.2013, 01.10.2013 und 01.11.2013 zu zahlen.

5

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Die Beklagte hat gemeint, ein Anspruch des Klägers auf eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E11 bzw. E10 bestehe nicht. Der Kläger sei lediglich für ein Aufgabengebiet zuständig, nicht für einen in den Entgeltgruppen E10 und E11 vorausgesetzten Aufgabenbereich. Ein Aufgabengebiet liege vor, wenn es sich um verschiedene Arbeitsaufgaben handele, die in einem sachlichen Zusammenhang zueinander stünden. Dagegen sei ein Aufgabenbereich gegeben, wenn verschiedene übertragene Arbeitsaufgaben nicht in einem sachlichen Zusammenhang stünden. Im Fall des Klägers seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt, da alle ihm übertragenen Hauptaufgaben in einem sachlichen Zusammenhang zueinander stünden.
7

Die maßgeblichen Vorschriften des ERA lauten wie folgt:

§ 3 Eingruppierungsgrundsätze und Methoden der Arbeitsbewertung

I. Eingruppierungsgrundsätze

(1) Grundlage der Eingruppierung der Beschäftigten ist die übertragene und auszuführende Arbeitsaufgabe. Die Arbeitsaufgabe kann eine Einzelaufgabe beinhalten oder einen Aufgabenbereich umfassen. Es erfolgt eine ganzheitliche Betrachtung der Arbeitsaufgabe, die alle übertragenen und auszuführenden Tätigkeiten umfasst.

[…]

§ 5 Eingruppierung, Entgeltgruppen, Niveaubeispiele und betriebliche Richtbeispiele

(1) Die Beschäftigten werden gemäß § 3 I. in die nachfolgend unter Ziffer (4) beschriebenen Entgeltgruppen eingruppiert.

(2) Soweit die Merkmale einer Entgeltgruppe von einem bestimmten beruflichen Ausbildungsgang ausgehen, die Beschäftigten einen solchen aber nicht durchlaufen haben, sind sie dennoch in diese Entgeltgruppe einzugruppieren, wenn ihre Tätigkeit/Aufgaben/Aufgabengebiete/Aufgabenbereiche die Anforderungen dieser Gruppe erfüllen. Sie können die Kenntnisse und Fertigkeiten auch auf einem anderen Weg erworben haben.

[…]

(4) Es gilt der folgende Entgeltgruppenkatalog:

[…]

E8 Ein Aufgabengebiet, das im Rahmen von bestimmten Richtlinien erledigt wird oder hochwertigste Facharbeiten, die hohes Dispositionsvermögen und umfassende Verantwortung erfordern.

Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch eine abgeschlossene mindestens dreijährige fachspezifische Berufsausbildung und eine mindestens zweijährige Fachausbildung erworben werden sowie zusätzliche Kenntnisse und Fertigkeiten, die durch langjährige Berufserfahrung erworben werden.

E9 Ein erweitertes Aufgabengebiet, das im Rahmen von Richtlinien erledigt wird.

Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie durch den Abschluss einer mindestens vierjährigen Hochschulausbildung erworben werden. Diese Kenntnisse und Fertigkeiten können auch durch eine abgeschlossene mindestens dreijährige fachspezifische Berufsausbildung und eine mindestens zweijährige Fachausbildung und eine langjährige Berufserfahrung sowie eine zusätzliche spezielle Weiterbildung oder auf einem anderen Weg erworben werden.

E10 Ein Aufgabenbereich, der im Rahmen von allgemeinen Richtlinien erledigt wird.

Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie durch den Abschluss einer mindestens vierjährigen Hochschulausbildung erworben werden und Fachkenntnisse durch mehrjährige spezifische Berufserfahrung. Diese Kenntnisse und Fertigkeiten können auch auf einem anderen Weg erworben werden.

E11 Ein erweiterter Aufgabenbereich, der teilweise im Rahmen von allgemeinen Richtlinien erledigt wird.

Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie durch den Abschluss einer mindestens vierjährigen Hochschulausbildung erworben werden sowie Fachkenntnisse und langjährige spezifische Berufserfahrung. Diese Kenntnisse und Fertigkeiten können auch auf einem anderen Weg erworben werden.

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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Eingruppierung in die Entgeltgruppe E11 habe. Auch bestehe kein Anspruch auf die mit dem Hilfsantrag begehrte Eingruppierung in die Entgeltgruppe E10. Der Kläger habe die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E11 ERA nicht dargelegt. Seinem Vortrag sei nicht zu entnehmen, dass er tatsächlich einen erweiterten Aufgabenbereich wahrnehme, der nur teilweise im Rahmen von allgemeinen Richtlinien erledigt werde. Es fehle insbesondere an Anhaltspunkten für die Feststellung, dass der Kläger nicht nur in einem „Aufgabengebiet“, sondern tatsächlich in einem „Aufgabenbereich“ tätig wird. Nach der Rechtsprechung des Hessischen Landesarbeitsgerichts (Entscheidung vom 12.08.2010 – 5 TaBV 25/10 – veröffentlicht in juris) sei für die Abgrenzung des Aufgabengebietes vom Aufgabenbereich entscheidend, inwieweit verschiedene Aufgaben erledigt werden, die sich gemessen an fachlichen und/oder organisatorischen Kriterien sachlich zusammenfassen lassen. Bei einem Aufgabengebiet handele es sich nach der Auslegung des Tarifvertrages um mehrere verschiedene Aufgaben, die sachlich zusammenhängen. Demgegenüber umfasse ein Aufgabenbereich verschiedene Arbeitsaufgaben, die sich nicht alle sachlich zusammenfassen lassen. Eine „Erweiterung“ sei anzunehmen, wenn über die Kerntätigkeit des Aufgabengebiets hinaus zusätzliche Aufgaben erledigt würden. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sei nicht ersichtlich, dass die Tätigkeit des Klägers verschiedene Arbeitsaufgaben betreffe, die nicht sachlich zusammenhängen. Nach der vorgelegten Stellenbeschreibung sei die Hauptaufgabe des Klägers gerichtet auf die europaweite Beschaffung von „Vehicle Offroad“-Teilen, die auf normalem Weg nicht zu beschaffen sind sowie die Überwachung der jeweiligen Beschaffungsschritte. Dazu zählen auch die Entscheidungen über Sonderfahrten sowie die Ausnutzung aller bestehenden Möglichkeiten zur Beschaffung von erforderlichen Teilen. Der Stellenbeschreibung im Vortrag des Klägers könne nicht entnommen werden, dass der Kläger nicht in einem sachlichen Zusammenhang stehende Aufgaben wahrnehme. Im Kern befasse sich der Kläger durchweg mit der Beschaffung von Fahrzeugteilen. Sofern die Aufgabe in der Stellenausschreibung einerseits aufgeteilt wird in Beschaffung von „Vehicle Offroad“-Teilen (75%), die Überwachung der Beschaffungsschritte und die Entscheidung über Sonderfahrten (20%) sowie die Ausnutzung aller bestehenden Möglichkeiten zur Beschaffung von Teilen (5%) führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Allein die Aufteilung in der Stellenbeschreibung lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass tatsächlich unterschiedliche Aufgaben, die nicht in einem Sachzusammenhang stehen, durchgeführt werden.
9

Gegen dieses Urteil hat der Kläger innerhalb der zu Protokoll der Berufungsverhandlung vom 08. Oktober 2014 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt. Der Kläger meint, schon aus seinem bisherigen Vortrag sei der sichere Rückschluss zulässig, dass er richtigerweise in die Entgeltgruppe E11 einzugruppieren sei. Das Verständnis des Begriffs „Aufgabenbereich“ dergestalt, dass damit Tätigkeiten umschrieben würden, die verschiedene Arbeitsaufgaben, die nicht in sachlichem Zusammenhang stehen, sei abzulehnen. Vom Wortlaut bzw. der Systematik des ERA ausgehend sei vielmehr eine Unterscheidung sinnvoll, die dem Aufgabengebiet enger gefasste, klar abgrenzbare Aufgaben zuweise, wohingegen der Aufgabenbereich weiter gefasst sei und nicht klar abgrenzbar Aufgaben umfasse, ohne dass der Frage nach einem sachlichen Zusammenhang dabei Bedeutung zukomme. Dies korrespondiere auch mit den weiteren Tatbestandsmerkmalen „im Rahmen von bestimmten Richtlinien“ (E8), „im Rahmen von Richtlinien“ (E9), „im Rahmen von allgemeinen Richtlinien“ (E10) und „teilweise im Rahmen von Richtlinien“ (E11). Da, wo ein Aufgabenbereich zu bearbeiten sei, bestünden keine konkreten Richtlinien, da auch neue Aufgaben, die der Stelle zugeordnet werden müssen, auftauchen, was im Vorfeld nicht absehbar ist. Der Aufgabenbereich des Klägers bestehe darin, dass er jedes Problem, das bei ihm aufschlage, zu lösen habe. Er habe sich um jeden Fahrzeugtyp und jedes Modell zu kümmern, und zwar europaweit und dabei alle erdenklichen Problemlösungsalternativen in Erwägung zu ziehen. Er habe aus dem Einzelfall Rückschlüsse auf mögliche weitere Problemfälle zu ziehen und entsprechend zu handeln. Dabei müsse er eine große Vielzahl von Vorgängen anstoßen. Insbesondere bei Entnahmen von Teilen etwa aus der Produktion müsse beachtet werden, dass im Produktionsprozess nicht neue „Löcher“ gerissen werden. Der Aufgabenbereich sei auch als erweitert anzusehen, wenn er nur teilweise im Rahmen von Richtlinien zu erledigen sei. Die vom Kläger zu beachtenden Richtlinien seien äußerst vage und allgemein gehalten. Sie bestünden im Grunde allein in den in der Stellenbeschreibung beschriebenen Entscheidungsspielräumen. Der Kläger meint, jedenfalls aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folge sein Eingruppierungsanspruch. Anhand der mit dem Berufungsbegründungsschriftsatz vorgelegten zahlreichen Stellenausschreibungen sei ersichtlich, dass die Beklagte neben der tariflichen Eingruppierung ein eigenes Eingruppierungssystem anwende, bei dem wohl aus Gründen des Arbeitsmarktes in den Entgeltgruppen E9 – E11 eine Abgrenzung zwischen den Eingruppierungsmerkmalen „Arbeitsgebiet“ und „Arbeitsbereich“ nicht vorgenommen werde.
10

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 19. November 2013 – 3 Ca 308/13 – abzuändern und

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Entgelt nach der Vergütungsgruppe E11 des Entgeltrahmenabkommens der Metall- und Elektroindustrie Hessen, abgeschlossen zwischen dem Verband der Metall- und Elektrounternehmen Hessen e.V. einerseits und der Industriegewerkschaft Metall Bezirksleitung Frankfurt andererseits, zu zahlen;

2. hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag Ziffer 1 festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Entgelt nach der Vergütungsgruppe E10 des Entgeltrahmenabkommens für die Metall- und Elektroindustrie Hessen, abgeschlossen zwischen dem Verband der Metall- und Elektrounternehmen Hessen e.V. einerseits und der Industriegewerkschaft Metall Bezirksleitung Frankfurt andererseits, zu zahlen;

3. hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen Ziffer 1 und 2 festzustellen, dass der Kläger von der Beklagten in die Vergütungsgruppe E11 Entgeltrahmenabkommens der Metall- und Elektroindustrie Hessen einzugruppieren ist bzw. einzustufen ist;

hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen Ziffer 1, 2 und 3 festzustellen, dass der Kläger von der Beklagten in die Vergütungsgruppe E11 des Entgeltrahmenabkommens der Metall- und Elektroindustrie Hessen einzugruppieren ist bzw. einzustufen ist;

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 39.951,48 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, aus jeweils 1.720,00 EUR seit dem 01.12.2011, 01.01.2012, 01.02.2012, 01.03.2012, 01.04.2012, 01.05.2012, 01.06.2012, 01.07.2012, 01.08.2012, 01.09.2012, 01.10.2012, 01.11.2012, 01.12.2012, 01.01.2013, 01.02.2013, 01.03.2013, 01.04.2013, 01.05.2013 und aus jeweils 1.498,20 EUR seit dem 01.06.2013, 01.07.2013, 01.08.2013, 01.09.2013, 01.10.2013 und 01.11.2013 zu zahlen.

11

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

12

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Die arbeitsgerichtliche Entscheidung basiere auf der aktuellen Rechtsprechung des Hessischen Landesarbeitsgerichts in Form der Entscheidung vom 12. August 2010 – 5 TaBV 25/10 -. Die Auslegung, welche der Kläger insofern für sich in Anspruch nehmen möchte, sei ergebnisorientiert, aber keinesfalls zwingend. Sie basiere auf unzutreffenden Annahmen. Tatsachenvortrag zu fachlichen und/oder organisatorischen Kriterien für die Abgrenzung zwischen Aufgabengebiet und Aufgabenbereich trage der Kläger nach wie vor nicht vor. Es sei nicht erkennbar, dass der Kläger unterschiedliche Fachgebiete abzudecken habe. Ferner sei seinem Vorbringen nicht zu entnehmen, dass er organisatorisch getrennte Aufgabenstellungen abdecke. Die Beklagte meint weiter, der Kläger könne sich auch nicht auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes berufen. Zudem würden die vorgelegten Stellenausschreibungen nicht den endgültigen Tätigkeiten entsprechen, die Interessierten später angeboten bzw. zugewiesen werden. Grundlage für die spätere Eingruppierung sei allein das, was der Bewerber, für den sich die Beklagte entscheidet, auf seinem Arbeitsplatz konkret tut und somit der Tätigkeit das Gepräge im Sinne von § 3 ERA verleiht.
13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
14

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Darmstadt vom 19. November 2013 – 3 Ca 308/13 – ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG). Der Kläger hat es auch form- und fristgerecht eingelegt (§§ 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG).
15

In der Sache ist die Berufung des Klägers jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
16

Der Kläger hat zunächst keinen Anspruch auf Eingruppierung bzw. Vergütung nach den Entgeltgruppen E10 bzw. E11 aus dem Tarifvertrag. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die von ihm ausgeübte Tätigkeit die Eingruppierungsmerkmale dieser Entgeltgruppen erfüllt. Dabei ist – wie schon das Arbeitsgericht angenommen hat – entscheidend, ob der Kläger ein Aufgabengebiet oder einen Aufgabenbereich innehat. Bei der Bestimmung dieser beiden Begriffe folgt die Kammer 6 des Hessischen Landesarbeitsgerichtes der Entscheidung der Kammer 5 des Hessischen Landesarbeitsgerichtes, wonach bei einem Aufgabengebiet es sich um mehrere verschiedene Aufgaben handelt, die sachlich zusammenhängen, während ein Aufgabenbereich demgegenüber verschiedene Arbeitsaufgaben umfasst, die sich nicht alle sachlich zusammenfassen lassen. Insoweit wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf den Beschluss der Kammer 5 des Hessischen Landesarbeitsgerichtes vom 12. August 2010 – 5 TaBV 25/10 – verwiesen. Darüber hinaus ist jedoch festzustellen, dass der Sachvortrag des Klägers auch unter Zugrundelegung seiner Definition eines Aufgabenbereiches nicht erkennen lässt, dass dem Kläger nicht klar abgrenzbare Aufgaben zugewiesen sind. Der Kläger hat eine klar abgrenzbare Arbeitsaufgabe hinsichtlich der europaweiten Beschaffung von „Vehicle Offroad“-Teilen (VOR-Teilen), die auf normalem Beschaffungsweg nicht beschaffbar sind. Dies mag eine hochspezialisierte Arbeitsaufgabe sein, aber sie ist gleichwohl auf ein Aufgabengebiet beschränkt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger für alle Fahrzeugtypen und jedes Modell zuständig ist, ebenso wenig wie der Umstand, dass er europaweit tätig wird. Auch der Umstand, dass der Kläger alle Problemlösungsalternativen ausschöpfen muss, macht aus diesem klar abgrenzbaren Arbeitsgebiet noch keinen Arbeitsbereich, ebenso wenig wie der Umstand, dass er eine Vielzahl von Vorgängen anstoßen muss. Wobei hier der Beklagten zuzugeben ist, dass diese Einlassung des Klägers höchst unsubstantiiert ist. Nicht richtig ist es auch, wenn der Kläger meint, aus dem Fehlen von bestimmten Richtlinien darauf schließen zu können, er habe einen Aufgabenbereich inne. Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Richtlinien in E8 – E11 handelt es sich um ein zusätzliches Eingruppierungsmerkmal, welches neben dem Merkmal „Aufgabenbereich“ erfüllt sein muss. Jedenfalls ist eine Auslegung dahingehend, dass bei Erfüllen eines Eingruppierungsmerkmales auch das weitere Eingruppierungsmerkmal erfüllt ist, unzulässig.
17

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die begehrte Eingruppierung aus dem arbeitsvertraglichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Richtig zitiert der Kläger selbst schon, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers nur dort eingreift, wo dieser auch durch eigenes gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk oder eine eigene Ordnung schafft, nicht hingegen beim bloßen – auch vermeintlichen – Normenvollzug (BAG, Urteil vom 23,.10.2012 – 4 AZR 48/11 -). Es ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass vorliegend die Beklagte eigene von ERA abweichende Eingruppierungsregelungen geschaffen hat, auch wenn feststellbar sein sollte, dass Eingruppierungen entsprechend den vorgelegten Stellenausschreibungen erfolgt sind, bei denen das hier auch von der Beklagten vertretene Abgrenzungskriterium zwischen Aufgabengebiet und Aufgabenbereich nicht erfüllt war. Daraus zu schließen, dass die Beklagte eine neue (ungeschriebene) Vergütungsordnung neben dem bestehenden Vergütungssystem (hier ERA) schaffen wollte, ist nicht gerechtfertigt. Ohnehin könnte der Arbeitgeber nicht zu Lasten des Arbeitnehmers eine unterwertige Eingruppierung vornehmen. Erkennbar will der Arbeitgeber aber in der Regel auch keine Rechtsansprüche auf eine überbewertete Eingruppierung schaffen, jedenfalls nicht als abstrakte Regelung für alle Beschäftigten des Betriebes oder für eine größere Gruppe von Arbeitnehmern. Ansonsten könnte er dies nämlich auch problemlos in einer Betriebsvereinbarung regeln. Wenn sich gleichwohl Muster bilden, nach denen der Arbeitgeber bestimmte Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern zu hoch eingruppiert, kann dies jedenfalls keinen Rechtsanspruch anderer Arbeitnehmer auf ebenfalls falsche Eingruppierung auslösen. Anderenfalls würde die betriebliche Eingruppierungspraxis und nicht die Vergütungsordnung zur Anspruchsgrundlage für die Eingruppierung des Arbeitnehmers und damit würden fehlerhafte Eingruppierungen festgeschrieben und sogar noch potenziert. Eine verlässliche schriftlich niedergelegte Vergütungsordnung gäbe es dann nicht mehr. Eine (fehlerhafte) Eingruppierungspraxis ist demnach kein Regelwerk des Arbeitgebers, aus dem der Arbeitnehmer über Gleichbehandlung Rechte herleiten kann.
18

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen.
19

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision besteht nicht.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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