LAG Hessen, 09.05.2014 – 3 Sa 685/13 Jahresurlaubsanspruch d. Kläg. beläuft sich auf 30 Tage nach Anlage 1b zu MTV UKGM und kein erhöhter Urlaubsanspruch d. Kläg. unter dem Gesichtspunkt “Anpassung nach oben” wegen Unwirksamkeit von § 5 Abs. 1 HUrlVO.

Mai 2, 2019

LAG Hessen, 09.05.2014 – 3 Sa 685/13
Jahresurlaubsanspruch d. Kläg. beläuft sich auf 30 Tage nach Anlage 1b zu MTV UKGM und kein erhöhter Urlaubsanspruch d. Kläg. unter dem Gesichtspunkt “Anpassung nach oben” wegen Unwirksamkeit von § 5 Abs. 1 HUrlVO.

§ 5 Abs. 1 HUrlVO ist wirksam, soweit die Vorschriften für über 50-jährige Beschäftigte 3 Urlaubstage mehr vorsieht. Diese Differenzierung ist gerechtfertigt, weil sie dem Schutz älterer Beschäftigter dient, sie gleicht deren erhöhtes Erholungsbedürfnis und ihre längere Regenerationszeit aus.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 22. März 2013 – 10 Ca 358/12 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten auch im Berufungsverfahren über die Frage, ob der Klägerin für die Jahre 2009 bis 2012 jeweils drei weitere Tage Erholungsurlaub nachzugewähren sind.

Die am xx. xx 1959 geborene Klägerin wird auf Basis eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 03. März 1989, welchen sie mit dem Land Hessen geschlossen hatte, in Marburg tätig. Sie war und ist als Angestellte an der “A” beschäftigt, welche ursprünglich zum Fachbereich 20 (Medizin) der Philipps-Universität Marburg gehörte und nunmehr Ausbildungsschule für Pflegeberufe der Beklagten ist. In § 2 des Vertrages ist geregelt, dass das Arbeitsverhältnis sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung bestimmt, wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 20 und 21 d. A. Bezug genommen. Die Klägerin war und ist Mitglied der Gewerkschaft Verdi. Das Land Hessen ist zum 31. März 2004 aus der Tarifgemeinschaft der Länder (TDL) ausgetreten. Es hat unter anderem das B in Marburg zunächst in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts umgewandelt und im Jahre 2005 privatisiert und per Gesetz auf die Beklagte übertragen.

Nach Artikel III § 1 des Tarifvertrages zu § 71 BAT (Besitzstandswahrung) vom 23. Februar 1961 sind für die Dauer des Erholungsurlaubes der Angestellten des Landes Hessen und der Mitglieder des Hessischen Arbeitgeberverbandes der Gemeinden- und Kommunalverbände die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Vorschriften maßgebend. Entsprechend wurde auf das Arbeitsverhältnis bezüglich des Erholungsurlaubs der Klägerin die Urlaubsverordnung für die Beamtinnen und Beamten im Land Hessen (Hessische Urlaubsverordnung) zuletzt in der Fassung vom 12. Dezember 2006 angewendet. Dessen § 5 Abs. 1 hat die konkrete Urlaubsdauer in Staffeln nach Lebensjahren wie folgt bestimmt:
– bis zu 30 Jahren 26 Arbeitstage
– über 30 – 40 Jahre 29 Arbeitstage
– über 40 – 50 Jahre 30 Arbeitstage
– über 50 Jahre 33 Arbeitstage

Nach entsprechenden Tarifverhandlungen in den Jahren 2006 und 2007 hat die Beklagte mit der Gewerkschaft Verdi am 05. Dezember 2007 unter anderem einen Manteltarifvertrag Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH (im Folgenden: MTV UKGM) geschlossen, welcher zum 01. Januar 2008 in Kraft getreten ist, was in der Berufungsverhandlung unstreitig geworden ist. Im MTV UKGM haben die Tarifvertragsparteien in § 29 Regelungen zum Erholungsurlaub getroffen. Dort heißt es:

“1. Der Arbeitnehmer erhält in jedem Kalenderjahr Erholungsurlaub unter Fortzahlung der Urlaubsvergütung.

(…)

3. Die Dauer des Urlaubs richtet sich nach der Urlaubstabelle (Anlage 1 a und b), die Bestandteil dieses Tarifvertrages ist.

(…)

10. Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubes auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. (…) Im Falle der Übertragung muss der Urlaub ab dem Kalenderjahr 2008 in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und angetreten werden.

Kann der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit nicht angetreten werden, muss er in den ersten sechs Monaten des Folgejahres gewährt und angetreten werden. Urlaub, der nicht innerhalb der genannten Fristen angetreten wird, verfällt.

(…)

§ 34

Ausschlussfristen

1. Die Ansprüche aus den zwischen den Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Tarifverträgen müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Für Ansprüche, die bis zum 30. Juni 2008 fällig sind, gilt eine verlängerte Ausschlussfrist von sechs Monaten.

2. Für den gleichen Tatbestand reicht die einmalige Geltendmachung fällig gewordener Ansprüche aus, um die Ausschlussfrist auch für später aus dem gleichen Rechtsgrund fällig werdende Ansprüche unwirksam zu machen.”

Die maßgebliche Anlage 1b, Urlaubstabelle für Arbeitnehmer ohne Anspruch auf Zusatzurlaub sowie Schüler in der Gesundheits- und Krankenpflege und Auszubildende, sieht vor:
Beschäftigungsjahr 1. – 3. 4. – 7. ab 8.
Urlaubstage 26 28 30

Weiter heißt es:

“Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages am 01.01.2008 einen höheren Urlaubsanspruch als nach obiger Tabelle haben, wird dieser Urlaubsanspruch weiter gewährt. Gleiches gilt für diejenigen Arbeitnehmer, die zum obigen Zeitpunkt nach der hessischen Urlaubsverordnung (HUrlVO) vom 12. Dezember 2006 (GVBL. I Seite 671) einen höheren Urlaubsanspruch gem. § 5 HUrlVO bzw. § 13 HUrlVO hatten”.

Wegen der Einzelheiten des Wortlautes der § 29 und 34 des MTV UKGM und der Anlage 1b sowie der übrigen Vorschriften wird auf den MTV UKGM, Inhalt Bl. 194 d. A., Bezug genommen.

In der Berufungsverhandlung haben die Parteien übereinstimmend erklärt, dass die hier maßgeblichen Vorschriften zwischen der ursprünglichen Fassung vom 05. Dezember 2007 und der zu den Gerichtsakten gereichten Fassung vom 17. April 2009 unverändert geblieben sind.

Die Klägerin hat von der Beklagten die Mitteilung erhalten, dass mit der Umsetzung des MTV UKGM für sie der jährliche Erholungsurlaub ab 01. Januar 2008 30 Arbeitstage beträgt.

Zusammen mit anderen Mitarbeitern hat die Klägerin mit Schreiben vom 24. Juni 2008 gegenüber der Personalabteilung der Beklagten ihre Ungleichbehandlung gegenüber Mitarbeitern über 50 Jahren im Zusammenhang mit dem Urlaub beanstandet. In dem Schreiben heißt es:

“Als langjährige Mitarbeiterinnen der B, möchten wir nach der Zustellung des hauseigenen Tarifvertrags zu einer Ungleichbehandlung Stellung nehmen. Bislang galt die Vereinbarung, für alle Mitarbeiter, die das 50. Lebensjahr erreicht haben, ein zusätzliches Jahresurlaubskontingent von drei Tagen in Anspruch nehmen zu dürfen. Mit der neuen tariflichen Regelung betrifft dies nur noch Mitarbeiter, die vor 2009 das 50. Lebensjahr erreichen. Für alle Mitarbeiter, die das 50. Lebensjahr später erreichen, ist dieses zusätzliche Urlaubskontingent ersatzlos gestrichen. Wir empfinden dies als Ungleichbehandlung, da nicht nachvollziehbar ist, weshalb einige Mitarbeiter diese drei Tage bekommen und andere hingegen nicht. Im Zuge der Gleichbehandlung plädieren wir für eine Lösung, die allen Mitarbeitern mit 50+ dieses zusätzliche Urlaubskontingent zuspricht.

Dabei ist uns auch unklar, ob diese Regelung der zuvor zugesicherten “Besitzstandswahrung” entspricht” (wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Bl. 23 d. A. Bezug genommen).

In den Jahren 2009 bis einschließlich 2012 hat die Beklagte der Klägerin jeweils 30 Tage Urlaub gewährt.

Mit am 24. August 2012 bei Gericht eingegangener Klage hat die Klägerin die Nachgewährung von jeweils drei Tagen Erholungsurlaub für die Jahre 2009 bis 2012 begehrt.

Die Klägerin hat die Rechtsauffassung vertreten, dass ihr zum Stichtag 01. Januar 2008 ein jährlicher Urlaubsanspruch von 33 Arbeitstagen zugestanden habe. Entsprechend seien ihr für die Jahre 2009 bis 2012 jeweils drei Urlaubstage nachzugewähren. Die nach Lebensalter gestaffelte Urlaubsregelung des § 5 der Hessischen Urlaubsverordnung sei rechtsunwirksam. Diese Regelung verstoße gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nach den §§ 1 und 3 Abs. 2 AGG und stelle keine zulässige Ausnahme oder sachliche Differenzierung nach § 10 AGG dar. Auch die Entwicklung der Urlaubsstaffel nach der Hessischen Urlaubsverordnung zeige, dass es dem Verordnungsgeber nicht darum gegangen sei, die Urlaubsdauer gerade für die über 50 Jahre alten Beamten (und Angestellten) zu erhöhen. In Folge der Rechtsunwirksamkeit der Altersstaffelung sei deshalb allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und damit auch der Klägerin zum Stichtag 01. Januar 2008 der Höchsturlaubsanspruch von 33 Tagen pro Jahr zu gewähren gewesen. Dieser Anspruch habe sich entsprechend der Besitzstandsregelung in der Anlage 1b zu § 29 Ziff. 3 des MTV UKGM gegenüber der Beklagten im Arbeitsverhältnis fortgesetzt und die Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin ab 2009 den erhöhten Urlaubsanspruch zu gewähren.

Die umgehende Geltendmachung dieses Anspruchs sei jedenfalls nach Kenntnis des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 20. März 2012 erfolgt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin/dem Kläger für das Jahr 2009, drei Tage Erholungsurlaub nachzugewähren, für das Jahr 2010, drei Tage Erholungsurlaub nachzugewähren, für das Jahr 2011, drei Tage Erholungsurlaub nachzugewähren und für das Jahr 2012 ebenfalls drei Tage Erholungsurlaub zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Rechtsauffassung vertreten, dass ein erhöhter Urlaubsanspruch der Klägerin nicht bestehe. Nach der Anlage 1b des MTV UKGM gelte die Hessische Urlaubsverordnung nicht fort, sondern es sei lediglich eine Besitzstandswahrung bezüglich des Stichtages 01. Januar 2008 vereinbart worden. Nur diejenigen Arbeitnehmer, die zum Stichtag 01. Januar 2008 tatsächlich mehr Urlaub erhalten hätten, sollten diesen beibehalten.

Jedenfalls sei § 5 der Hessischen Urlaubsverordnung nicht unwirksam, denn es handele sich um eine Rechtsnorm, so dass § 134 BGB nicht gelte. Darüber hinaus sei der erhöhte Urlaubsanspruch für die über 50 Jährigen durch sachliche Gründe gem. § 10 AGG gerechtfertigt, weil dies dem gesteigerten Erholungsbedürfnis mit zunehmenden Lebensalter Rechnung trage.

Auch wenn § 5 Hessische Urlaubsverordnung unwirksam sei, könne die Klägerin daraus keine Anpassung des Urlaubsanspruchs nach oben ableiten.

Eventuelle zusätzliche Urlaubsansprüche der Klägerin für die Jahre 2009 bis 2012 seien spätestens zum 31. März des Folgejahres verfallen, weil die Urlaubsjahre abgelaufen und Übertragungsgründe nicht vorhanden gewesen seien.

Auch Urlaubsersatzansprüche als Schadensersatzansprüche kämen nicht in Betracht, mangels konkreter Geltendmachung der Urlaubsansprüche durch die Klägerin vor dem jeweiligen Verfallszeitpunkt.

Im Übrigen hat sich die Beklagte auf die Ausschlussfrist des § 34 Ziff. 1 MTV UKGM berufen.

Das Arbeitsgericht Gießen hat mit seinem Urteil vom 22. März 2013 die Klage abgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass der Klägerin zum Stichtag 01. Januar 2008 kein erhöhter Urlaubsanspruch zugestanden habe. Nach § 29 Ziff. 3 MTV UKGM i. V. m. der Anlage 1b und den Anmerkungen zu dieser Anlage stehe fest, dass die Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Urlaubsdauer eine Besitzstandswahrung für die Mitarbeiter der Beklagten ab 01. Januar 2008 vereinbart hätten. Nur für diese Arbeitnehmer solle der höhere Urlaubsanspruch weiter gelten. Dabei geht das Arbeitsgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. März 2012 – 9 AZR 529/10 – davon aus, dass § 5 Hessische Urlaubsverordnung keine unzulässige Altersdiskriminierung enthalte, soweit den über 50-Jährigen ein Urlaubsanspruch von 33 Tagen eingeräumt werde. Die Steigerung um drei Urlaubstage pro Jahr für die über 50-Jährigen sei sachlich gerechtfertigt nach § 10 Ziff. 2 ArbGG und im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG wegen des gesteigerten Erholungsbedürfnisses und der erhöhten Regenerationszeiten älterer Beschäftigter. Hinsichtlich der Urlaubsstaffelung der Hessischen Urlaubsverordnung für die Mitarbeiter unter 30, zwischen 30 und 40 und zwischen 40 und 50 sei die Hessische Urlaubsverordnung teilnichtig, wohingegen der zusätzliche Urlaub für ältere Arbeitnehmer über 50 Jahren rechtmäßig und rechtswirksam sei.

Darüber hinaus seien etwaige Ansprüche der Klägerin auf Mehrurlaub von drei Tagen pro Jahr auch für die Jahre 2009 bis 2011 verfallen. Nach § 29 Ziff. 10 MTV UKGM müsse der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf die ersten drei Monate des folgenden Kalenderjahres sei nur im Ausnahmefall zulässig. Auch sei ein etwaiger zusätzlicher Urlaubsanspruch der Klägerin bis 2011 nach der Ausschlussfrist des § 34 Ziff. 1 MTV UKGM verfallen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird auf dessen Seiten 9 bis 15 (Bl. 122 – 128 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil, dass der Klägerin am 30. April 2013 zugestellt worden ist, hat sie mit am 29. Mai 2013 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf rechtzeitigen Antrag hin, mit am 30. Juli 2013 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie hält das Urteil des Arbeitsgerichts für unzutreffend und meint, ihr seien für die Jahre 2009 bis 2012 jeweils drei Tage Urlaub als Schadenersatz nachzugewähren. Die Stichtagsregelung in der Anlage 1b zu § 29 Abs. 3 MTV UKGM stelle die Altersdiskriminierung dar, weil sie Arbeitnehmer die erst nach dem Kalenderjahr 2008 das 50. Lebensjahr vollende(te)n von dem Vorteil der zusätzlichen Urlaubstage allein wegen des Alters ohne sachliche Rechtfertigung ausnehme. Die Ausführungen der Beklagten zu § 5 HUrlVO würden deshalb neben der Sache liegen. Die Ansprüche für 2009 bis 2011 seien nicht verfallen. Die Ausschlussfrist des § 34 MTV UKGM sei insoweit nicht einschlägig und das Fristenregime des § 29 Ziff 10 MTV UKGM sei eingehalten. Jedenfalls für 2008 habe die Klägerin drei weitere Urlaubstage verlangt und mit der Beklagten erörtert. Dem sei die Beklagte entgegengetreten und eine weitere Geltendmachung von der Klägerin nicht zu verlangen. Jedenfalls für 2012 sei der Anspruch auf Nachgewährung nicht verfallen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 22. März 2013 -10 Ca 358/12-abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die Jahre 2009, 2010, 2011 und 2012 jeweils drei Tage Erholungsurlaub nachzugewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Die Urlaubsansprüche seien bereits nach § 29 Abs. 10 MTV UKGM verfallen, weil die Urlaubs/Kalenderjahre 2009 bis 2012 bereits abgelaufen und zu Übertragungstatbeständen nichts vorgetragen sei. Urlaubsersatzansprüche bestünden mangels rechtzeitiger Geltendmachung des Urlaubs ebenfalls nicht. Auch sei die Ausschlussfrist des § 34 Abs. 1 MTV nicht gewahrt. Ein zusätzlicher Urlaubsanspruch der Klägerin ergebe sich auch nicht aus einer vermeintlichen Unwirksamkeit von § 5 HUrlVO. Entgegen der Ansicht der Klägerin gelte § 5 HUrlVO nicht gemäß der Anlage 1b des MTV UKGM fort, sondern es handele sich lediglich um eine Übergangsregelung, die daran anknüpfe, wer bei Inkrafttreten des MTV UKGM tatsächlich mehr Urlaub erhalten habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 9. Mai 2014 (Bl. 202 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

A. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 22. März 2013 ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft, § 64 Abs. 2b ArbGG. Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten frist- und formgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, und insgesamt zulässig.

B. Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Gießen die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Nachgewährung von jeweils drei Tagen Urlaub für die Jahre 2009 bis 2012 gegen die Beklagte zu.

I. Der Klägerin steht für die Jahre 2009 bis 2012 über den gewährten Urlaub von je 30 Urlaubstagen kein Anspruch auf Nachgewährung von jeweils drei Urlaubstagen als originärer Urlaubsanspruch aus dem Arbeitsvertrag i.V.m. dem MTV UKGM zu.

1. Der MTV UKGM ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien im Hinblick auf §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG seit seinem Inkrafttreten am 1. Januar 2008 anwendbar.

2. Es kann zunächst dahinstehen, ob der Klägerin nach ihrem Arbeitsvertrag i.V.m. dem MTV UKGM über den in den Jahren 2009 bis 2012 bereits gewährten Urlaub hinaus ein weiterer Urlaubsanspruch zusteht. Denn ein darüber hinausgehender Urlaubsanspruch für die Jahre 2009 bis 2012 wäre als originärer Urlaubsanspruch aus dem MTV UKGM jedenfalls erloschen. Nach § 29 Ziff 10 MTV UKGM ist der Urlaubsanspruch auf das Urlaubsjahr und ggfl. den Übertragungszeitraum begrenzt. Spätestens nach Ablauf des Übertragungszeitraums erlischt der Urlaubsanspruch. Vorliegend sind sowohl die Urlaubsjahre als auch evtl. Übertragungszeiträume für die Jahre 2009 bis 2012 jeweils abgelaufen und damit evtl. weitere originäre Urlaubsansprüche der Klägerin erloschen.

II. Der Klägerin steht für die Jahre 2009 bis 2012 über den bereits gewährten Urlaub in Höhe von jeweils 30 Tagen kein weiterer Urlaubsanspruch in Form eines Anspruchs auf Ersatzurlaub gem. §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, 287 Satz 2, 249 Abs. 1 BGB zu. Dies würde voraussetzen, dass sich die Beklagte mit der Gewährung der beanspruchten Urlaubstage für 2009 bis 2012 in Verzug befunden hat, als der originäre Urlaubsanspruch gem. § 29 Ziff 10 MTV UKGM untergegangen ist. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, weil der Klägerin (1.) ein entsprechender Anspruch auf drei weitere Urlaubstage pro Jahr nicht zustand. Der jährliche Urlaubsanspruch der Klägerin betrug 2009 bis 2012 lediglich 30 Urlaubstage. Diesen Anspruch hat die Beklagte unstreitig erfüllt. Darüber hinaus hat die Klägerin (2.) in den Jahren 2009 bis 2010 auch einen weiteren Urlaubsanspruch vor Ablauf des Urlaubsjahres nicht geltend gemacht hat, so dass ihr auch unter diesem Aspekt kein Urlaubsersatzanspruch zusteht.

1. Ein Anspruch auf weitere drei Urlaubstage für die Jahre 2009 bis 2012 stand der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

a) Aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit dem MTV UKGM ergibt sich kein Anspruch der Klägerin auf mehr als 30 Urlaubstage pro Jahr.

aa) Der MTV UKGM ist seit seinem Inkrafttreten am 1. Januar 2008 nach § 4 Abs. 1 TVG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar.

bb) Aus § 29 Abs. 3 MTV UKGM i.V.m. der einschlägigen Urlaubstabelle in Anlage 1b ergibt sich für die Klägerin ab dem 8. Beschäftigungsjahr lediglich ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen pro Jahr.

cc) Ein um drei Tage höherer Urlaubsanspruch ergibt sich auch nicht aus der Anknüpfung an die HUrlVO vom 12. Dezember 2006 in der Anmerkung im Anschluss an die Urlaubstabelle in Anlage 1 b zu § 29 Abs. 3 MTV UKGM.

Dort heißt es: “Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages am 01.01.2008 einen höheren Urlaubsanspruch als nach obiger Tabelle haben, wird dieser Urlaubsanspruch weiter gewährt. Gleiches gilt für diejenigen Arbeitnehmer, die zum obigen Zeitpunkt nach der hessischen Urlaubsverordnung (HUrlVO) vom 12. Dezember 2006 (GVBL. I Seite 671) einen höheren Urlaubsanspruch gem. § 5 HUrlVO bzw. § 13 HUrlVO hatten”.

Damit kommt es für die Klägerin nach dem Wortlaut der Vorschrift maßgeblich darauf an, ob ihr nach § 5 HUrlVO am 1. Januar 2008 ein höherer Urlaubsanspruch als 30 Tage zustand. Dies war nicht der Fall. Denn nach § 5 HUrlVO standen erst den über 50-Jährigen 33 Urlaubstage und den zwischen 40- und 50-Jährigen 30 Urlaubstage zu. Da die Klägerin am 1. Januar 2008 das 50te Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, sondern erst am 8. Juni 2009, stand ihr im Zeitpunkt des Inkrafttretens des MTV UKGM nach der HUrlVO kein höherer Urlaubsanspruch zu, so dass es bei der Regelung gemäß der Anlage 1b zu § 29 MTV UKGM mit 30 Urlaubstagen pro Jahr blieb.

b) Der Klägerin steht ein auf 33 Tage erhöhter Urlaubsanspruch pro Jahr auch nicht unter dem Gesichtspunkt der “Anpassung nach oben” wegen Unwirksamkeit der in § 5 Abs. 1 HUrlVO 2006 geregelten Staffelung der Urlaubstage abhängig vom Alter der Beschäftigten zu. Die dort vorgenommene Differenzierung zwischen über und unter 50-Jährigen ist wirksam. Auf die Frage, ob auch die anderen in der Vorschrift vorgenommenen Staffelungen wirksam sind, kommt es nicht an. Die Regelung eines um drei Tage erhöhten Urlaubsanspruchs in § 5 Abs. 1 HUrlVO 2006 für über 50-Jährige verstößt nicht gegen höherrangiges nationales Recht in Form des Verbots der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG, weil sie gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt ist. Sie ist auch mit Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) vereinbar. Dazu hat bereits die Kammer 14 des Hessischen Landesarbeitsgerichts in einer Entscheidung vom 17. Januar 2014 (Az.: 14 SA 646/13) ausgeführt:

“aa) Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass § 5 Abs. 1 HUrlVO 2006 schon deshalb an den höherrangigen Vorschriften des AGG zu messen ist, weil gem. § 33 AGG mögliche Benachteiligungen des Beschäftigten wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, die zeitlich nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 8. August 2006 stattgefunden haben, nach den Regeln des AGG zu beurteilen sind (BAG in std. Rechtspr. etwa 20.03.2012 – 9 AZR 529/10 m.w.N. – NZA 2012, 803 [BAG 20.03.2012 – 9 AZR 529/10]), es also auf den Zeitpunkt des erstmaligen Inkrafttretens der Verordnung nicht ankommt.

bb) Die in § 5 Abs. 1 HUrlVO 2006 geregelte Gewährung von nur 30 statt 33 Urlaubstagen für unter 50-jährige Arbeitnehmer benachteiligt diese gegenüber über 50-jährigen Arbeitnehmern iSd. § 3 Abs. 1 AGG unmittelbar. Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, wobei die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen muss (BAG 14. August 2007 – 9 AZR 943/06- BAGE 123, 358). Diese Voraussetzung ist bei einer an das Alter geknüpften Staffelung des Urlaubsanspruchs erfüllt.

cc) Die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung folgt aber aus § 10 AGG. Hiernach ist eine unterschiedliche Behandlung von Beschäftigten wegen ihres Alters ungeachtet der Voraussetzungen des § 8 AGG zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein.

(1) Mit § 10 AGG hat der Gesetzgeber Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG in nationales Recht umgesetzt. Die Vorschrift ist ihrerseits gemeinschaftsrechtskonform. Dies ergibt sich schon daraus, dass der nationale Gesetzgeber Art. 6 Abs. 1 a) der RL 2000/78/EG nahezu unverändert übernommen hat (vgl. für Art. 6 Abs. 2 der RL 2000/78/EG; BAG 12. Februar 2013 – 3 AZR 100/11 – NZA 2010, 408). Die Prüfung der Zulässigkeit einer auf dem Alter beruhenden unterschiedlichen Behandlung nach § 10 AGG hat allerdings unter Beachtung der RL 2000/78/EG und der zu ihrer Auslegung ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu erfolgen (BAG 05.03. 2013 – 1 AZR 417/12 – ; BAG 12.06. 2013 – 7 AZR 917/11 – ). Es ist also zu prüfen, ob mit der Gewährung eines höheren Urlaubsanspruchs für die über 50-jährigen Beschäftigten nach § 5 Abs. 1 HUrlVO 2006 legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG verfolgt werden und die Mittel hierzu angemessen und erforderlich sind.

(2) Der in § 5 HUrlVO 2006 vorgesehene erhöhte Urlaubsanspruch für Beschäftigte über 50 Jahren stellt eine Festlegung von Beschäftigungsbedingungen iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dar, die dem Gesundheitsschutz älterer Beschäftigter und damit einem legitimen Ziel dient und den europarechtlichen Vorgaben nach Art. 6 RL 2000/78/EG entspricht.

(a) Zwar nennt die Vorschrift nicht das Ziel, dass mit der Ungleichbehandlung verfolgt wird. Dies ist jedoch unschädlich, wenn aus dem Kontext der die Ungleichbehandlung vorsehenden Regelung Anhaltspunkte abgeleitet werden können, die die Feststellung des hinter der Regelung stehenden Ziels ermöglichen, um dessen Legitimität und die Eignung und Angemessenheit der gewählten Mittel zur Erreichung des Ziels überprüfen zu können (BAG 20.03.2012 – 9 AZR 529/10 – NZA 2012, 803). Bei einer Staffelung des Urlaubsanspruch nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer liegt nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 20.03.2012 – 9 AZR 529/10 -a.a.O.), der sich die Kammer anschließt, die Vermutung nahe, es habe damit dem erhöhten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden sollen. Allerdings ist diese Annahme vor dem Hintergrund der tatsächlich in der Regelung vorgenommenen Altersstaffelung zu überprüfen. Insoweit ist das Bundesarbeitsgericht in der zitierten Entscheidung davon ausgegangen, § 26 Abs. 1 TVÖD vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008, der eine Staffelung des Urlaubsanspruchs dergestalt vorsah, dass bis zum vollendeten 30. Lebensjahr 26 Tage, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr 29 Arbeitstage und nach dem vollendeten 40.Lebensjahr 30 Arbeitstage Urlaub zu gewähren waren, rechtfertige eine solche Annahme nicht. Es begründet dies damit, dass die Tarifvorschrift Beschäftigten bereits ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage einräume und ihnen letztmalig ab Vollendung des 40. Lebensjahrs nur einen weiteren Urlaubstag gewähre. Eine Urlaubsstaffelung dürfe nicht schon auf die Vollendung des 40. Lebensjahres abstellen, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wolle.

(b) Diese zutreffenden Erwägungen greifen im Hinblick auf den hier vorgesehenen um 10% erhöhten Urlaubsanspruch für Beschäftigte über 50 Jahren nicht. Es spricht vielmehr alles dafür, dass der Verordnungsgeber mit der Zubilligung zusätzlicher drei Urlaubstage für über 50-Jährige deren höherem Erholungsbedürfnis und ihrer längeren Regenerationszeit Rechnung tragen und damit dem Gesundheitsschutz dienen wollte. Ein anderes Motiv für die Differenzierung zwischen über – und unter 50-jährigen Beschäftigten ist im Anwendungsbereich der HUrlVO 2006 kaum denkbar. Auch das Bundesarbeitsgericht geht in der Entscheidung vom 20.03.2012 (9 AZR 529/10-NZA 2012, 803) davon aus, wenn die jeweilige Regelung dem Gesundheitsschutz älterer Arbeitnehmer Rechnung tragen wolle, liege es nahe, die Dauer des Erholungsurlaubs für die über 50- oder über 60jährigen Beschäftigten zu verlängern, weil bei dieser Personengruppe ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis nachvollziehbar sei. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass hier eine angenommene Zunahme familiärer Verpflichtungen oder eine vermutete längere Beschäftigungszeit, die zusätzlich entlohnt werden soll, den Grund für die Erhöhung des Urlaubsanspruchs bildet. Die familiären Verpflichtungen im Bereich der Kinderbetreuung und -erziehung gehen bei den über 50jährigen typischerweise eher zurück. Hinsichtlich der Beschäftigungsdauer kann auch bei typisierender Betrachtung nicht angenommen werden, dass die von über 50jährigen Beschäftigten, auf die die Vorschrift Anwendung findet, länger ist, als die von unter 50-Jährigen; während ein 50 Jahre alter Richter zu diesem Zeitpunkt höchstens 23 Jahre als solcher beschäftigt sein wird, u.U. aber auch deutlich kürzer, kann etwa ein 50-jähriger Polizeibeamter bereits seit über 30 Jahren im Dienst sein. Schließlich spricht für die Annahme, Ziel der Regelung eines erhöhten Urlaubsanspruchs für die über 50-jährigen Beschäftigten in § 5 Abs. 1 HUrlVO 2006 sei der Gesundheitsschutzschutz auch der Vergleich mit § 13 Abs. 1 HUrlVO 2006; hiernach konnte auch der Beamtin oder dem Beamten bei einem nicht nur vorübergehenden Grad der Behinderung von wenigstens fünfundzwanzig wegen einer durch die Behinderung bedingten Erholungsbedürftigkeit Zusatzurlaub von bis zu drei Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt werden.

(c) Der Annahme, dass der um drei Tage erhöhte Urlaubsanspruch für über 50-Jährige dem Gesundheitsschutz älterer Beamter dienen soll, steht auch nicht entgegen, dass § 5 Abs. 1 HUrlVO 2006 bereits den über 30-Jährigen einen um drei Tage erhöhten Urlaubsanspruch einräumt. Zwar kann insofern nicht davon ausgegangen werden, dass dies den Gesundheitsschutz älterer Arbeitnehmer zum Ziel hat (ebenso für § 26 TVöD a.F. BAG 20.03.2012 – 9 AZR 529/10 -NZA 2012, 803). Darauf kommt es aber nicht an. Es kann nämlich nicht unterstellt werden, der Verordnungsgeber habe mit jeder vorgenommenen Altersstaffelung dasselbe Ziel verfolgt. Es ist bei der hier vorgenommenen Staffelung eher naheliegend, dass er den jeweils vermuteten unterschiedlichen Belastungen eines bestimmten Lebensabschnitts Rechnung tragen wollte – bei den über 30-Jährigen etwa in diesem Lebensabschnitt als typisch angenommenen familiären Verpflichtungen. Dafür spricht auch, dass der Verordnungsgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht zu § 26 TVÖD a.F. bei der Änderung der HUrlVO mit § 17 HUrlVO in der aktuellen Fassung eine Übergangsregelung dergestalt geschaffen hat, dass es für Beamtinnen und Beamte bis einschließlich des Geburtsjahrgangs 1969 bei dem Urlaubsanspruch von 33 Arbeitstagen ab Vollendung des 50. Lebensjahres verbleibt, während die unter 50-jährigen Beamten gem. § 5 HUrlVO nunmehr einheitlich einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen haben.

(3) Die Zuerkennung eines erhöhten Urlaubsanspruchs ab dem vollendeten 50. Lebensjahr ist auch objektiv und angemessen, § 10 Satz 1 AGG. Eine gesetzliche oder tarifliche Regelung ist dann objektiv, wenn sie auf tatsächlichen und nachvollziehbaren Erwägungen beruht und die Ungleichbehandlung nicht nur aufgrund von bloßen Vermutungen oder subjektiven Einschätzungen vorgenommen wird (BAG 22.01.2009 – 8 AZR 906/07 – AP Nr. 1 zu § 15 AGG).

(a) Soweit der Verordnungsgeber an eine Altersgrenze von 50 Jahren anknüpft begegnet dies keinen Bedenken. Generell gilt ein gerichtlicher Erfahrungssatz, dass die physische Belastbarkeit eines Menschen mit zunehmendem Alter abnimmt (BAG 13.10.2009 – 9 AZR 722/08 – NZA 2010, 327; LAG Rheinland-Pfalz 07.09. 2010 – 6 Sa 741/ 11 – , Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, Waltermann NJW 2008, 2519). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (BAG 06.11. 2008 – 2 AZR 523/07 – NZA 2009, 361). Das Bundesarbeitsgericht (BAG 20.03.2012 – 9 AZR 529/10 – NZA 2012, 803) geht davon aus, dass sich zwar keine genaue Schwelle für die Zuordnung zur Gruppe der “älteren Arbeitnehmer” festlegen lässt, sondern diese anhand des jeweils verfolgten Ziels festzustellen ist. Es nimmt aber an, das Beschäftigte über 50 Jahren dieser Gruppe grundsätzlich zuzuordnen sind. Unter Berücksichtigung des Ziels -Ausgleich einer geringeren Belastbarkeit, eines erhöhtes Erholungsbedürfnisses und einer längeren Regenerationszeit – ergibt sich bei der gebotenen typisierenden Betrachtung nichts anderes. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Prozess des Alterns individuell unterschiedlich verläuft und dass das Altern nicht nur mit Einbußen der Leistungsfähigkeit einhergeht, sondern auch punktuell mit deren Anstieg, etwa im Bereich des Erfahrungswissens. Gleichwohl ist es bei typisierender Betrachtung gerechtfertigt, bei über 50-jährigen Beschäftigten aufgrund Skelett-, Muskel-, Lungen-, Herz- und Sinnesfunktionseinbußen von einer abnehmenden Belastbarkeit und als Folge hiervon von einem höheren Regenerationsbedürfnis auszugehen (LAG Rheinland-Pfalz 07.09. 2010 – 6 Sa 741/ 11 – m.w.N. , das darauf verweist, dass die WHO-Studiengruppe Altern und Arbeit 1991 aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr annahm, WHO Technical Report Series 835 Aging and Working Capacity – dt. Übersetzung Altern und Arbeit 1994 S. 9 f.). Weitere sachverständige Aufklärung dieses allgemeinen Befundes ist nach Einschätzung der Kammer für den ausgeführten Erfahrungssatz nicht geboten (ebenso Bayerischer VGH 24. 10. 2011 – 3 ZB 08.721 – ; LAG Rheinland-Pfalz 07.09. 2010 – 6 Sa 741/ 11 – m.w.N. ).

(b) Die Gewährung eines höheren Urlaubsanspruchs ist unproblematisch objektiv geeignet, einem erhöhten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen und damit dem Gesundheitsschutz zu dienen. Insoweit bestehen auch vor dem Hintergrund der RL 2000/78/EG keine Bedenken. Die verlängerte Urlaubsgewährung als solche verhilft älteren Beschäftigten bei genereller Betrachtung zur Absicherung ihrer Erwerbsfähigkeit (LAG Rheinland-Pfalz 07.09. 2010 – 6 Sa 741/ 11 – ). Es entspricht arbeitsmedizinischer Einschätzung, dass “langdauernde physische Überforderung” und “chronischer Zeitdruck” zu den “Killern” älterer Mitarbeiter zählen (Dunkel-Benz NZA-Beil 1 2008 S. 25).

(4) Schließlich ist die Erhöhung des Urlaubsanspruchs um drei Tage konkret ein angemessenes und erforderliches Mittel, um das Ziel des Gesundheitsschutzes durch Ausgleich eines erhöhten Erholungsbedürfnisses zu erreichen, § 10 Satz 2 AGG. Dies zeigt insbesondere der Vergleich zu § 125 SGB IX, der schwerbehinderten Menschen einen Sonderurlaubsanspruch von fünf Arbeitstagen zubilligt. Die hier vorgenommene Erhöhung des Urlaubsanspruchs um drei Tage ist einerseits für die begünstigten Beschäftigten spürbar, bleibt aber andererseits erheblich unterhalb des Wertes, der für an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft deutlich beeinträchtigte Personen vorgesehen ist. Auch im Verhältnis zu dem Urlaubsanspruch der unter 50 Jährigen iHv. 30 Urlaubstagen begegnet die 10% Erhöhung zum Ausgleich des größeren Erholungsbedürfnisses keinen Bedenken.”

Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an.

c) Soweit die Klägerin in der Berufung die Rechtsauffassung vertritt, die Stichtagsregelung in der Anlage 1b zu § 29 Abs. 3 MTV UKGM stelle die Altersdiskriminierung dar, weil sie Arbeitnehmer die erst nach dem Kalenderjahr 2008 das 50. Lebensjahr vollende(te)n von dem Vorteil der zusätzlichen Urlaubstage allein wegen des Alters ausnehme, ohne dass dies sachlich gerechtfertigt sei, vermag dies nicht zu überzeugen.

Zunächst sind derartige Stichtagsregelungen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts “Typisierungen in der Zeit”. Sie sind Ausdruck einer pauschalisierenden Betrachtung, ohne die insbesondere eine Umstellung von Vergütungssystemen nicht durchführbar wäre. Solche Regelungen sind aus Gründen der Praktikabilität -ungeachtet damit eventuell verbundener Härten- zur Abgrenzung der begünstigten Personenkreise sachlich gerechtfertigt, wenn sich die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiert (vgl. z.B. BAG 17. April 2013 -4 AZR 770/11- Rn. 26, NZA 2014, 335 [BAG 17.04.2013 – 4 AZR 770/11] mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Insbesondere bei der Einführung einer neuen Entgeltordnung wie der des TVöD hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass die Tarifvertragsparteien notwendigerweise generalisieren, pauschalieren und typisieren müssen, ohne dabei jeder Besonderheit gerecht werden zu können. Bei der Regelung von derartigen Massenerscheinungen liegen Randunschärfen in der Natur der Sache (ausführlich:BAG 18. Dezember 2008 -6 AZR 287/07 – Rn. 26, NZA 2009, 391).

Die Stichtagsregelung in der Anlage 1b zu § 29 Abs. 3 MTV UKGM knüpft an den Zeitpunkt des Inkrafttretens des MTV UKGM am 1. Januar 2008 und den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Urlaubsanspruch an. Dies ist aus Sicht des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden.

Unterstellt, die Anlage 1b zu § 29 Abs. 3 MTV UKGM würde mit ihrer Anknüpfung an die HUrlVO an ein diskriminierendes Urlaubssystem anknüpfen (jedenfalls hinsichtlich der Altersstaffelung für die unter 50-Jährigen) und dieses für einen Übergangszeitraum fortbestehen lassen, wäre dies nach der Rechtsprechung des EuGH und der daran anknüpfenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht gerechtfertigt, weil damit für die bereits in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Arbeitnehmer der Übergang zu einem neuen diskriminierungsfreien System ohne “Verluste” gewährleistet werden soll (EuGH 8. September 2011 -C-297/10- NZA 2011, 11 und nachfolgend: BAG 8. Dezember 2011 -6 AZR 319/09- Rn. 22ff, NZA 2012). Denn Zweck der Übergangsregelung ist es gerade, für eine Übergangszeit für die bereits in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Arbeitnehmer den Übergang zum neuen System ohne Verluste bezüglich bisher bestehender Urlaubsansprüche zu gewährleisten.

2. Darüber hinaus hat die Klägerin in den Jahren 2009 bis 2010 einen weiteren Urlaubsanspruch von drei Tagen pro Urlaubsjahr vor Ablauf des Urlaubsjahres nicht geltend gemacht hat, so dass ihr auch unter diesem Aspekt kein Urlaubsersatzanspruch zusteht.

Diesbezüglich hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin in den laufenden Urlaubsjahren jeweils einen etwaigen zusätzlichen Urlaubsanspruch bereits nach ihrem eigenen Vorbringen nicht geltend gemacht hat. Das Schreiben der Klägerin vom 24. Juli 2008 genügt nicht als Schreiben zur Geltendmachung eines bestimmten Urlaubsanspruchs. Denn darin haben die Klägerin und ihre Kollegen lediglich allgemein eine nicht “nachvollziehbare Ungleichbehandlung” bemängelt, ohne allerdings konkrete Urlaubsansprüche für einen bestimmten Zeitraum geltend zu machen.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat die unterlegene Klägerin die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

D. Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

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