LAG Hessen, 09.06.2015 – 15 Sa 766/14 Die arbeitsvertragliche Vereinbarung der Zahlung einer monatlich verstetigten Vergütung in Höhe des jeweils gültgen tariflichen Stundensatzes nebst Zulage multipliziert mit der vertraglich vereinbarten individuellen regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit sichert die Erfüllung eines etwaigen Anspruchs des Leiharbeitnehmers auf Vergütung wegen Annahmeverzugs.

April 28, 2019

LAG Hessen, 09.06.2015 – 15 Sa 766/14
Die arbeitsvertragliche Vereinbarung der Zahlung einer monatlich verstetigten Vergütung in Höhe des jeweils gültgen tariflichen Stundensatzes nebst Zulage multipliziert mit der vertraglich vereinbarten individuellen regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit sichert die Erfüllung eines etwaigen Anspruchs des Leiharbeitnehmers auf Vergütung wegen Annahmeverzugs.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird – unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im Übrigen – (1) das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 5. März 2014 – 22 Ca 4856/13 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger € 437,50 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. März 2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 38% (2)62% und die Beklagte 62%(3)38% zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug um die vom Kläger begehrte Abgeltung für 59,2 mit Stand zum 1. März 2013 auf seinem Arbeitszeitkonto verbuchte Plusstunden in Höhe von € 740,00 brutto sowie um den Ausgleich eines von der Beklagten mit der Abrechnung für den Juni 2013 vorgenommenen Abzugs für 35 Minusstunden aus dem Arbeitszeitkonto des Klägers in Höhe von € 437,50 brutto.

Die Beklagte ist ein von der A lizensiertes Personaldienstleistungsunternehmen.

Der Kläger war seit dem 20. Januar 2012 bei der Beklagten als Zeitarbeitnehmer im kaufmännischen Bereich mit einer Bruttostundenvergütung von Höhe von € 12,50 -zusammengesetzt aus dem jeweiligen Tarifstundenlohn zuzüglich einer übertariflichen Zulage – beschäftigt. Gezahlt erhielt der Kläger monatlich eine verstetigte Bruttovergütung in Höhe von jeweils € 2.031,26. Dies entspricht bei der mit dem Kläger im Arbeitsvertrag vereinbarten individuellen regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit pro Monat von 162,5 Stunden der in § 13.1 MTV BZA/DGB enthaltenen Regelung. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund der Eigenkündigung des Klägers zum 30. Juni 2013. In dem dem Arbeitsvertragsverhältnis zugrunde liegenden Formulararbeitsvertrag (Bl. 19 – 23 d.A.) heißt es auszugsweise in den “Grundlagen”:

“Tarifgeltung: Für diesen Arbeitsvertrag gelten die am 22. Juli 2003 zwischen dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. (BAP) – mit Übergang aller Rechte und Pflichten als Gesamtrechtsnachfolger des Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen e.V. (BZA), einschließlich der zwischen BZA und Tarifgemeinschafts DGB Zeitarbeit geschlossenen Tarifverträge – und den unterzeichneten Mitgliedsgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) getroffenen Vereinbarungen des Mantel- (MTV), Entgeltrahmen-(ERTV) und Entgelttarifvertrages (ETV) nebst Ergänzungen in der jeweils gültigen Fassung. …”

§ 3 des Arbeitsvertrages hat folgenden Wortlaut – soweit für die Berufung von Belang:

“Arbeitszeit: Dauer, Verteilung, Flexibilisierung

Die individuelle regelmäßige durchschnittliche Arbeitszeit beträgt pro Monat 162,50 Stunden. Die individuelle regelmäßige Monatsarbeitszeit richtet sich nach Zahl der Arbeitstage. Sie beträgt in Monaten mit 20 Arbeitstagen 150,00 Stunden 21 Arbeitstagen 157,50 Stunden 22 Arbeitstagen 165,00 Stunden 23 Arbeitstagen 172,50 Stunden

Die tatsächliche Lage der Arbeitszeit wird an die des Kundenbetriebs angepasst. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage richten sich nach den im jeweiligen Kundenbetrieb gültigen Regelungen und Anforderungen.

Der Mitarbeiter ist verpflichtet, im zumutbaren und rechtlich zulässigen Umfang Mehrarbeit im Sinne von § 8 MTV zu leisten. …

Zum Ausgleich der monatlichen Abweichungen zwischen der vereinbarten individuellen regelmäßigen Arbeitszeit des Mitarbeiters und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit wird nach § 4 MTV ein Arbeitszeitkonto mit einzustellenden Plus- und Minusstunden eingerichtet. Der Ausgleich des Arbeitszeitkontos erfolgt entsprechend der tarifvertraglichen Regelung (siehe Anlage 1). “

§ 2 MTV BZA/DGB lautet:

“Dauer der Arbeitszeit/Vollzeitarbeit

“Die individuelle regelmäßige Arbeitszeit beträgt 151,67 Stunden; dies entspricht einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden. Diese muss im Durchschnitt von 12 Kalendermonaten nach Maßgabe des § 4 erreicht werden.

In den Fällen, in denen ein Mitarbeiter dauerhaft in einem Unternehmen mit längerer Arbeitszeitdauer überlassen wird, können die Arbeitsvertragsparteien eine entsprechend längere Arbeitszeit (max. 40 Stunden/Woche) vereinbaren. Die Vergütung wird in diesem Fall entsprechend angepasst.

Die individuelle regelmäßige jährliche Arbeitszeit ergibt sich aus der monatlichen Arbeitszeit gem. Satz 1 multipliziert mit 12.”

§ 4 MTV BZA/DGB lautet:

“Verteilung der Arbeitszeit/Flexibilisierung

§ 4.1 Die tatsächliche Lage der Arbeitszeit wird an die des Kundenbetriebes angepasst. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage richten sich nach dem im jeweiligen Kundenbetrieb gültigen Regelungen bzw. Anforderungen des Kundenbetriebes.

§ 4.2 Zum Ausgleich der monatlichen Abweichungen zwischen der nach § 2 /§ 3 vereinbarten individuellen regelmäßigen Arbeitszeit des Mitarbeiters und der tatsächlichen Arbeitszeit nach § 4.1 wird ein Arbeitszeitkonto eingerichtet. In das Arbeitszeitkonto können Plus- und Minusstunden eingestellt werden.

§ 4.3 Plusstunden sind die über die individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit hinaus entstandenen Arbeitsstunden. Minusstunden sind die unter der individuellen regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit liegenden Arbeitsstunden.

§ 4.5 Der Ausgleich der Zeitkonten erfolgt in der Regel durch Freizeitentnahme nach folgenden Maßgaben:

a) Nach Vereinbarung mit dem Mitarbeiter ist jederzeit ein Ausgleich der Plusstunden durch Freizeit möglich.

b) Der Mitarbeiter kann verlangen, während der Einsatzzeit beim Kunden je 35 Plusstunden einen Arbeitstag aus dem Zeitkonto in Freizeit zu erhalten. Dieser Anspruch kann nur einmal im Kalendermonat für max. zwei Arbeitstage geltend gemacht werden. Voraussetzung für diesen Anspruch ist die Einhaltung einer Ankündigungsfrist von einer Woche.

Der Arbeitgeber ist berechtigt, dem Freizeitverlangen aus dringenden betrieblichen Gründen zu widersprechen. Als dringender betrieblicher Grund in diesem Sinne gilt die Ablehnung des Kundenbetriebes, soweit kein Ersatzmitarbeiter zur Verfügung steht.

Im Falle der Ablehnung des Freistellungsantrags hat der Mitarbeiter Anspruch auf eine verbindliche Vereinbarung über die spätere Lage der beantragten Freistellungstage.

c) Aufgrund einer Vereinbarung zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber können weitere Freistellungstage in einem Monat festgelegt oder Freistellungstage mehrere Monate zusammengefasst werden.

d) Durch Vereinbarung zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber können im Ausgleichszeitraum bis zu 70 Stunden aus dem Zeitkonto in Geld ausgeglichen werden.

§ 4.6 Im Falle des Ausscheidens des Mitarbeiters ist der Saldo auf dem Arbeitszeitkonto wie folgt auszugleichen: Plusstunden werden abgegolten, Minusstunden werden bei Eigenkündigung des Mitarbeiters bzw. außerordentlicher Kündigung bis zu 35 Stunden verrechnet, soweit eine Nacharbeit betrieblich nicht möglich ist.”

Die Beklagte richtete ein Arbeitszeitkonto für den Kläger ein. Am 1. März 2013 waren darauf 59,2 Plusstunden eingestellt.

Im März 2013 beschäftigte die Beklagte den Kläger mit 127,32 Stunden, im April 2013 mit 123,33 Stunden im Mai 2013 mit 93,37 Stunden und im Juni mit 102 Stunden. Die Beklagte konnte den Kläger darüber hinaus nicht einsetzen. Sie stellte – gemessen an der arbeitsvertraglich vereinbarten individuellen regelmäßigen durchschnittlichen monatlichen Arbeitszeit des Klägers in Höhe von 162,50 Stunden – entsprechende Minusstunden in den jeweiligen Monaten in das Arbeitszeitkonto des Klägers ein. Daraus resultierte mit Ablauf der Kündigungsfrist am 30. Juni 2013 ein Saldo von 144,84 Minusstunden. Wegen eines Anteils von 35 Stunden zog die Beklagte von der Vergütung des Klägers für Juni 2013 € 437,50 brutto ab (vgl. Bl. 31 d.A.).

Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2013 hat der Kläger Klage erhoben und diese in der Folgezeit mehrfach geändert und erweitert (Bl. 1, 30, 33, 88 d.A.).

Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhaltes, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 5. März 2014 – 22 Ca 4856/13 – (Bl. 91 . 94 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit vorgenanntem Urteil abgewiesen. Es hat angenommen, ein Verstoß gegen § 11 Abs. 4 AÜG liege nicht vor. Durch die Einstellung von Minusstunden in das Arbeitszeitkonto des Klägers wegen einsatzfreier Zeiten werde der Vergütungsanspruch nicht abbedungen, weil der Kläger eine regelmäßige verstetigte Vergütung auf der Basis der mit ihm vereinbarten individuellen regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit von 162,50 Stunden pro Monat gezahlt erhalte. Diese Zahlung bedeute gleichzeitig, dass die Beklagte in einsatzfreien Zeiten nicht in Annahmeverzug geraten sei und das grundsätzliche Risiko für alle im Minusbereich liegenden Stunden trage, mit Ausnahme der 35 Minusstunden, für die § 4.6 MTV eine gesonderte Regelung enthalte.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 12. Mai 2015 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Der Kläger vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht habe die Bedeutung des § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG verkannt. Durch das Einstellen von Minusstunden, in denen die Beklagte ihm keine Arbeit habe zuweisen können, in sein Arbeitszeitkonto werde § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG umgangen. Durch die einseitige Möglichkeit, verleihfreie Zeiten in das Arbeitszeitkonto einstellen zu können, werde das vom Arbeitgeber zu tragende Beschäftigungsrisiko auf den Arbeitnehmer abgewälzt. Dies sei eine andere Situation, als wenn wegen der tatsächlichen Lage der Arbeitszeit beim Entleiher entstehende Minusstunden in das Arbeitszeitkonto eingestellt würden. Im Ergebnis führe die Verrechnung von erarbeiteten Plusstunden mit Minusstunden aus verleihfreien Zeiten dazu, dass in Höhe der Plusstunden der Verzugslohn für verleihfreie Nichteinsatzzeiten wieder abgezogen werde.

Er beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 5. März 2014 – 22 Ca 4856/14 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 1.177,50 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. März 2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und ist der Meinung, bei der individuellen regelmäßigen durchschnittlichen Monatsarbeitszeit des Klägers handele es sich um eine frei vereinbarte fiktive Berechnungsgröße. Deren Zweck sei es zum einen, die verstetigte monatliche Vergütung berechnen zu können und feststellen zu können, ob Plus- oder Minusstunden angefallen seien. Ein Beschäftigungsanspruch resultiere aus der Vereinbarung einer individuellen regelmäßigen durchschnittlichen Monatsarbeitszeit nicht. Der Sinn und Zweck des § 615 BGB werde auch überhaupt nicht berührt, denn sie trage das in ihrer Sphäre liegende Beschäftigungsrisiko in voller Höhe. Im Übrigen handele es sich bei der Regelung zur Einrichtung eines Arbeitszeitkontos um eine Maßnahme zur Beschäftigungssicherung, damit bei saisonalen Schwankungen mit der Folge einsatzfreier Zeiten Kündigungen vermieden werden könnten.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes sowie wegen des vollständigen Vortrags der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 119 – 123 d.A.) und den Schriftsatz des Klägers vom 30. Dezember 2014 (Bl. 149 – 152 d.A.) sowie die Berufungserwiderung (Bl. 134 – 141 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

A) Die Berufung des Klägers gegen das am 5. März 2014 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG). Der Kläger hat es auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 519 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG).

B) Die Berufung ist auch zum Teil begründet. Ein Anspruch des Klägers in Höhe von € 740,00 brutto nebst Zinsen für ein am 1. März 2013 eingestelltes Positivsaldo in seinem Arbeitszeitkonto über 59,2 Stunden besteht nicht. Dagegen hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von € 437,50 brutto nebst Zinsen gemäß § 611 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag. Der Abzug, den die Beklagte in dieser Höhe vom Vergütungsanspruch des Klägers im Juni 2013 wegen des Negativsaldos im Arbeitszeitkonto des Klägers für 35 Stunden vorgenommen hat, ist unberechtigt.

I. Ein Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von € 740,00 brutto nebst Zinsen besteht nicht. Die Beklagte hat zu Recht das diesem Betrag entsprechende zum 1. März 2013 in Höhe von 59,2 Stunden bestehende Positivsaldo auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers mit den sich in den Monaten März bis einschließlich Juni 2013 ihrer Höhe nach unstreitig ergebenden Minusstunden verrechnet. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Verstoß gegen § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG.

Gemäß § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG kann das Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug, § 615 S. 1 BGB, nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden.

Zunächst sichert die arbeitsvertragliche Vereinbarung der Zahlung der monatlich verstetigten Vergütung in Höhe des jeweils gültigen tariflichen Stundensatzes nebst Zulage multipliziert mit der vertraglich vereinbarten individuellen regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit pro Monat von 162,5 Stunden die Erfüllung eines etwaigen Anspruchs des Leiharbeitnehmers auf Vergütung wegen Annahmeverzugs.

Der Gläubiger gerät gemäß § 293 BGB in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung -hier die Arbeitsleistung des Leiharbeitnehmers – nicht annimmt.

Die Beklagte befand sich mithin in den verleihfreien Zeiten der Monate März bis einschließlich Juni 2013 im Annahmeverzug, weil sie die angebotene Arbeitsleistung des Klägers nicht im vertraglich vereinbarten Umfang angenommen hat. Obwohl die Beklagte verpflichtet war, die Arbeitsleistung des Klägers in den genannten Monaten bis zu 162,5 Stunden jeweils anzunehmen und dies in Höhe der monatlich unstreitigen Stundenzahlen nicht getan hat, hat der Kläger aber in jedem Monat von März bis einschließlich Juni unstreitig 162,5 Stunden vergütet erhalten (den späteren Abzug zunächst außer Acht lassend). Damit hat die Beklagte zunächst den Anspruch des Klägers auf Vergütung wegen Annahmeverzuges in diesen Monaten jeweils erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB.

Auch die arbeitsvertraglich vereinbarte und die in Bezug genommene Einrichtung eines Arbeitszeitkontos mit der ein Ausgleich zwischen der monatlichen Abweichung der vereinbarten individuellen regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit des Klägers und der tatsächlichen Arbeitszeit geschaffen wird, heben das Recht des Klägers auf Vergütung bei Annahmeverzug weder auf, noch beschränken sie dieses Recht.

Die Kammer schließt sich insoweit ausdrücklich den Entscheidungsgründen des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 16. April 2014 – 5 AZR 483/12 – (dort Rz. 23, zitiert nach ) an, wonach es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, dass Arbeit nicht mit bezahlter Freizeit entgolten werden dürfte und stets in der Abrechnungsperiode, in der sie geleistet wurde, zu vergüten wäre. Sowohl den Arbeitsvertrags- als auch den Tarifvertragsparteien bleibt es unbenommen, über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeitsstunden auf einem Arbeitszeitkonto anzusammeln und in der Folgezeit durch bezahlte Freizeit auszugleichen. Das kommt dem Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers ebenso wie einem verbreiteten Bedürfnis von Arbeitnehmern entgegen.

Gerade dies hat die Beklagte getan, indem sie Plusstunden aus dem Arbeitszeitkonto des Klägers mit Minusstunden aus den Monaten März bis Juni 2013 verrechnet hat und an den Kläger monatlich – unabhängig von der unter 162,5 Stunden zurückbleibenden Menge der geleisteten Arbeitsstunden – Vergütung in der vertraglich geschuldeten Höhe gezahlt hat. Sie hat dem Kläger in den verleihfreien Zeiten bezahlte Freizeit gewährt und damit Arbeit, die der Kläger zuvor über die vertraglich vereinbarte individuelle regelmäßige durchschnittliche Arbeitszeit hinaus geleistet hatte, in einer anderen Abrechnungsperiode entgolten. Anhaltspunkte dafür, dass der konkreten Freizeitgewährung in den Monaten März bis einschließlich Juni 2013 nicht zumindest eine konkludente Vereinbarung der Parteien zugrunde lag, sind nicht erkennbar.

Für eine andere Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Zahlung in Höhe von € 740,00 brutto sind – auch in Ansehung der Tatsache, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien länger als 12 Monate bestanden hat – keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die vertragliche Regelung in § 3 des Formulararbeitsvertrages beinhaltet keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auch dann vor, wenn eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Indessen ist die erkennende Berufungskammer der Auffassung, dass durch die in § 3 des Arbeitsvertrages getroffene Regelung über die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos unter Verweis auf den Manteltarifvertrag keine Intransparenz eingetreten ist. Aus Wortlaut und Gesamtzusammenhang dieses Teils des § 3 des Arbeitsvertrages ergibt sich – auch für den Kläger – eindeutig, dass ein Arbeitszeitkonto eingerichtet werden sollte und dass darin sowohl Plus- als auch Minusstunden erfasst werden sollten. Im Übrigen ist ausdrücklich auf § 4 MTV BZA/DGB verwiesen. Von einer unklaren und nicht verständlichen Regelung kann deshalb nicht gesprochen werden.

II. Ein Zahlungsanspruch besteht jedoch zu Gunsten des Klägers, soweit die Beklagte zum Ende des Arbeitsvertragsverhältnisses aufgrund der Eigenkündigung des Klägers gemäß § 4.6 MTV BZA/DGB einen Abzug in Höhe von € 437,50 brutto für umgerechnet 35 Minusstunden aus dem Arbeitszeitkonto des Klägers vorgenommen hat. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte mit dieser Handhabung das von ihr zu tragende Beschäftigungsrisiko auf den Kläger abgewälzt hat und/oder ob die eine zu Gunsten des Arbeitgebers einseitige Handhabung ermöglichende Regelung ganz oder teilweise unwirksam ist und/oder der Arbeitnehmer aufgrund dieser Regelung unverhältnismäßig in seinem Recht aus Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG eingeschränkt wird. Denn jedenfalls hat die Beklagte die Voraussetzungen der Abzugsberechtigung bereits nicht dargelegt. Sie hat weder erst- noch zweitinstanzlich Tatsachen vorgetragen, aus denen sich entnehmen lässt, dass – wie § 4.6 MTV BZA/DGB verlangt – eine Nacharbeit betrieblich nicht möglich war.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 S. 2, § 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92, 97 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund iSd. § 72 Abs. 2 ArbGG. Die grundsätzliche Rechtsfrage der Vergütung wegen Annahmeverzuges hat das Bundesarbeitsgericht bereits in der Entscheidung vom 16. April 2014 – 5 AZR 483/12 – gefällt. Im Übrigen handelt es sich bei der Entscheidung über den Lohnabzug im Juni 2013 um eine Einzelfallentscheidung.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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