LAG Hessen, 10.07.2015 – 1 Ta 113/15 Auch wenn in der Regel bei Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung die Zeugnisregelung im Vergleich mit inhaltlichen Festlegungen nur mit dem Titulierungsinteresse von 20% des Gegenstandswerts in Ansatz gebracht werden kann, rechtfertigen konkrete im Verfahren vorgebrachte Leistungsmängel bzw. Mängel im Führungsverhalten die Bewertung mit dem vollen Bruttomonatsgehalt.

April 22, 2019

LAG Hessen, 10.07.2015 – 1 Ta 113/15
Auch wenn in der Regel bei Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung die Zeugnisregelung im Vergleich mit inhaltlichen Festlegungen nur mit dem Titulierungsinteresse von 20% des Gegenstandswerts in Ansatz gebracht werden kann, rechtfertigen konkrete im Verfahren vorgebrachte Leistungsmängel bzw. Mängel im Führungsverhalten die Bewertung mit dem vollen Bruttomonatsgehalt.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägervertreters wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 25. Februar 2015 – 4 Ca 1923/14 – aufgehoben.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 33 RVG wird für

das Verfahren auf € 8.742,50

für den Vergleich auf € 11.656,67

festgesetzt.
Gründe

I.

Die Beschwerde des Klägervertreters hat Erfolg.

Mit der Klage hat sich der Kläger gegen die ordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 13. November 2014 gewandt. Sein Bruttomonatsgehalt bei der Beklagten hatte € 2.914,17 betragen. Im Termin vom 9. Februar 2015 schlossen die Parteien einen Vergleich, wegen dessen Inhalt auf die Sitzungsniederschrift Bl. 44 d.A. Bezug genommen wird.

Nach vorheriger Anhörung setzte das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 25. Februar 2015 den Gegenstandswert für das Verfahren und den Vergleich auf jeweils € 8.742,50 fest (Bl. 49 .A.). Gegen diesen, ihm am 6. März 2015 zugestellten Beschluss hat der Klägervertreter mit einem an diesem Tag beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz (Bl. 55758 d.A.) Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 9. März 2015 nicht abgeholfen hat. Wegen der Beschwerdebegründung wird auf die Ausführungen in der Beschwerdeschrift und im Schriftsatz vom 5. Juni 2014 (Bl. 65 f. d.A.) verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Klägervertreters ist begründet.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für den Vergleich – auf den sich die Beschwerde allein bezieht – ist auf € 11.566,67 festzusetzen.

Hierbei ist für die im hiesigen Verfahren angegriffene Kündigung die Vergütung für ein Vierteljahr in Ansatz zu bringen (§ 42 Abs. 2 GKG). Entsprechend erfolgte die Festsetzung des Verfahrenswerts durch das Arbeitsgericht.

Der Vergleichsmehrwert beläuft sich darüber hinaus auf einen Betrag von € 2.914,67.

Die in Ziffer 4 des Vergleichs geregelte Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger ein Arbeitszeugnis mit einer festgelegten Leistungs- und Führungsbewertung und bestimmten Abschlussformulierungen zu erteilen, stellt einen Vergleichsmehrwert dar.

Nach der von der Beschwerdekammer vertretenen Auffassung, gestützt auf den von der Streitwertkommission der Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalog 2014 (der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit in der überarbeiteten Fassung vom 9. Juli 2014 ist veröffentlicht auf der Internetseite des Hessischen Landesarbeitsgerichts unter Service/Wertfestsetzung und abgedruckt in NZA 2014, 745 ff.), wird ein Vergleichsmehrwert bei unstreitigen und gewissen Ansprüchen, deren Durchsetzung jedoch ungewiss ist, für das Titulierungsinteresse mit 20% des Wertes des Anspruchs angenommen (siehe Streitwertkatalog 2014 I. Nr. 22.2). Anderes gilt, wenn durch den Vergleichsschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Dann ist der Vergleichsmehrwert mit dem Wert des Hauptsacheanspruchs zu bewerten (vgl. Streitwertkatalog I. Nr. 22.1). Dies wird beispielshaft angenommen, wenn im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung eine Regelung zum Arbeitszeugnis mit inhaltlichen Festlegungen in dem Vergleich aufgenommen wird.

Dabei verkennt die Beschwerdekammer nicht, dass der von der Streitwertkommission erarbeitete Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte nicht bindend ist. Sie orientiert ihre Rechtsprechung jedoch im Interesse einer möglichst einheitlichen Gestaltung der Streitwertbemessung für bestimmte, typische Fallkonstellationen an diesem Katalog (vgl. auch LAG Nürnberg vom 12. Dezember 2013 – 4 Ta 133/13, BeckRS 2014, 03679 und vom 21. Juni 2013 – 7 Ta 41/13, BeckRS 2013, 7121; LAG Sachsen vom 28. Oktober 2013 – 4 Ta 172/13, BeckRS 2014, 67070).

Nach dem Vorbringen des Klägervertreters sind die Voraussetzungen, unter denen die Zeugnisregelung im Vergleich werterhöhend im Umfang des Gegenstandswerts nach Nr. 25.2 berücksichtigt werden kann, gegeben.

Zwar kommt es nicht darauf an, dass streitig ist, ob eine Dankes- und Bedauernsformel in ein Arbeitszeugnis aufzunehmen ist. Dies wäre nur dann entscheidend, wenn vorliegend um diesen Punkt unterschiedliche Auffassungen von den Parteien geäußert worden sind. Im Übrigen ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass das dem Kläger mit der Bewertungsnote “sehr gut” erteilte Zwischenzeugnis bereits entsprechende Schlussformulierungen enthalten hat. Allerdings hat der Klägervertreter, ohne dass dem von Seiten des Klägers entgegengetreten worden ist, behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe mitgeteilt, der Kläger habe im Falle seiner Versetzung nach A eine Krankschreibung angekündigt.

Damit könnten Verhaltensdefizite des Klägers vorliegen, die unschwer in einer Drohung gegenüber dem Arbeitgeber mit einer Krankschreibung zu sehen sind, die Einfluss auf die Führungsbewertung des Klägers hätten. Somit ist die Lage vergleichbar der, dass im Falle einer auf verhaltensbedingte Gründe gestützten Kündigung Regelungen zum Inhalt des Arbeitszeugnisses getroffen werden, die den Streit über die Arbeitsleistung bzw. das Führungsverhalten und ihre bzw. seine Bewertung beseitigen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da Kosten nicht erstattet werden (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG) und eine Beschwerdegebühr aufgrund des Erfolgs der Beschwerde nicht erhoben wird.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht möglich.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

a very tall building with a moon in the sky

Ist Mobbing strafbar?

März 13, 2024
Von RA und Notar Krau:Mobbing kann je nach den Umständen strafbar sein, aber nicht immer.Es gibt kein spezifisches Gesetz, das Mobbing al…
filling cans with freshly brewed beers

Tarifliche Nachtarbeitszuschläge – Gleichheitssatz – BAG 10 AZR 473/21

Februar 4, 2024
Tarifliche Nachtarbeitszuschläge – Gleichheitssatz – BAG 10 AZR 473/21 – Urteil vom 15.11.2023 – Nachtarbeit im Rahmen von Wechselschichtarbeit…
man holding orange electric grass cutter on lawn

Annahmeverzug – Anderweitiger Verdienst aus einer Geschäftsführertätigkeit – BAG 5 AZR 331/22

Februar 4, 2024
Annahmeverzug – Anderweitiger Verdienst aus einer Geschäftsführertätigkeit – BAG 5 AZR 331/22 – Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes …