LAG Hessen, 12.09.2014 – 14 Sa 138/14

April 30, 2019

LAG Hessen, 12.09.2014 – 14 Sa 138/14

1. Ein Antrag ist unzulässig, wenn über den mit ihm zur Entscheidung gestellten Streitgegenstand zwischen den gleichen Prozessparteien bereits rechtskräftig entschieden wurde.
2. Ein Antrag ist unbegründet, wenn der mit ihm zur Entscheidung gestellte Streitgegenstand einen anderen Streitgegenstand vollständig umfasst, über den bereits ein klageabweisendes rechtskräftiges Urteil ergangen ist. In dem zweiten Prozess ist von Amts wegen die bindende Entscheidung derjenigen Vorfragen zu beachten, deren Bejahung Voraussetzung für den Erfolg beider Anträge wäre, die aber verneint wurde.
3. Hat ein Gericht bereits rechtskräftig entschieden, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch eines Bewerbers im öffentlichen Dienst nach Art. 33 Abs. 2 GG untergegangen ist, weil die fragliche Stelle endgültig besetzt ist, steht dies der materiell-rechtlichen Prüfung in einem neuen Prozess entgegen, ob der übergangene Bewerber einen Anspruch auf Einstellung – d. h. auf Abschluss eines Arbeitsvertrags durch Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung – betreffend diese Stelle hat.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 2013 – 3 Ca 5761/13 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1

Die Parteien streiten um die Frage, ob die Beklagte dem Kläger einen geänderten Arbeitsvertrag mit dem Arbeitsort Büro Großmarkt in A anbieten muss sowie um Schadensersatzansprüche wegen der unterlassenen Ausschreibung einer Stelle.
2

Der Kläger ist seit 1983 als Bürokaufmann bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TVÖD-Bund Anwendung. Der Kläger ist in die Entgeltgruppe 9 TVÖD- Bund eingruppiert.
3

Im Zusammenhang mit Umstrukturierungen wurde sein Arbeitsplatz zum 1. Januar 1995 von A nach B verlegt. Um seine Mutter pflegen zu können, lebt der Kläger mit dieser zusammen in einem gemeinsamen Haushalt in A, hat jedoch eine Zweitwohnung in B und muss deshalb zwischen A und B pendeln. Für die Fahrten sowie für den Unterhalt der Zweitwohnung entstehen dem Kläger monatliche Kosten in Höhe von 980,00 EUR.
4

Der Kläger führte gegen die Beklagte in der Vergangenheit bereits mehrere Verfahren, die den von ihm gewünschten Arbeitsplatzwechsel von B nach A sowie den Ausgleich seiner finanziellen Nachteile zum Gegenstand hatten. Mit einer im Jahr 2007 vor dem Arbeitsgericht B erhobenen Klage (3 Ca 3179/07) hatte der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu leisten, weil sie die seiner Ansicht nach bestehenden Verpflichtung, ihn nach A zu versetzen, verletzt habe. Als Schaden machte der Kläger seine Fahrtkosten sowie die Kosten für die Zweitwohnung in B, insgesamt 980 Euro monatlich geltend. Die Klage wurde durch das Arbeitsgericht Bonn durch rechtskräftiges Urteil vom 19. Juni 2008 – 3 Ca 3179/07 – abgewiesen.
5

Mit Urteil vom 4. Juni 2010 (19 Sa 1947/09) hat das Hessische Landesarbeitsgericht ua. rechtskräftig entschieden, dass dem Kläger kein Anspruch gegen die Beklagte zusteht, in A im Büro für Aufgaben der Qualitätskontrolle Großmarkthalle bei ansonsten unveränderten Bedingungen beschäftigt zu werden und dass er auch nicht den Abschluss eines geänderten Arbeitsvertrags mit Arbeitsort A mit im Übrigen unveränderten Bedingungen verlangen kann. Es hat schließlich einen Schadensersatzanspruch hinsichtlich der Pendel – Kosten des Klägers nicht zuerkannt, weil es angenommen hat, das Arbeitsgericht Bonn habe die Vorfrage der Schadensersatzpflicht im Verfahren 3 Ca 3179/07 bindend rechtskräftig entschieden.
6

Im Büro der Beklagten am Großmarkt in A wird als Bürokraft die Angestellte C beschäftigt. Sie wurde zunächst nach der Entgeltgruppe 6 TVöD- Bund vergütet. Nachdem sie mit Wirkung vom 4. Januar 2010 Teilaufgaben vom Leiter des Büros D übernommen hatte, erfolgte zum 15. Februar 2010 die Höhergruppierung von Frau C in die Entgeltgruppe 8 TVöD – Bund. Eine Ausschreibung für diese Stelle fand nicht statt.
7

Der Kläger hat daraufhin am 1. April 2011 erneut Klage erhoben und begehrt, die Beklagte zu verpflichten, die Stelle am Großmarkt neu auszuschreiben und seine Bewerbung zu berücksichtigen. Ferner hat er im Rahmen dieser Klage Schadensersatz betreffend die Kosten gefordert, die ihm in Folge der fehlenden Ausschreibung der Stelle am Großmarkt entstanden sind. Insoweit hat er für die Zeit vor dem 1. Mai 2011 rückwirkend 12.740,00 EUR Schadensersatz gefordert sowie für die Zeit ab dem 1. Mai 2011 zukünftig die Zahlung von 980,00 EUR monatlich für die ihm entstehenden Kosten für die Zweitwohnung und die Fahrtkosten. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat diese Klage abgewiesen, weil eine Ausschreibungspflicht der Beklagten nicht festgestellt werden könne. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung mit Urteil vom 28. Juni 2012 (– 9 Sa 1456/11–, Bl. 71- 76 d.A.) im Ergebnis, nicht aber in der Begründung bestätigt. Das Hessische Landesarbeitsgericht führt in der genannten Entscheidung auszugsweise aus:

„Der Antrag, die Stelle Büro Großmarkt in A neu auszuschreiben und den Kläger bei der Besetzung zu berücksichtigen, ist unbegründet. Es trifft zwar zu, dass Dienstposten auch dann ausgeschrieben werden müssen, wenn sie nicht neu geschaffen werden müssen, sondern vorhanden sind, aber in Folge zusätzlicher Tätigkeiten höher bewertet werden (Hamb. OVG Beschluss vom 13. März 1991 – Bs PB 13/89 – Juris). Der subjektive Anspruch eines Bewerbers auf chancengleiche Berücksichtigung seiner Bewerbung im Auswahlverfahren ist jedoch erschöpft, wenn die ausgeschriebene oder nicht ausgeschriebene Stelle dem Mitarbeiter übertragen worden ist. Das Bewerbungsverfahren nach Art. 33 Abs. 2 GG endet mit der endgültigen Übertragung des Amts auf den ausgewählten Bewerber. Dem verfahrensfehlerhaft zurückgewiesenen Bewerber stehen allenfalls Schadensersatzansprüche zu, wenn ihm die Stelle hätte übertragen werden müssen (BAG, Urteil vom 19. Februar 2008 – 9 AZR 70/07–EZA Art. 33 GG Nr. 34; BAG, Urteil vom 18. September 2007 – 9 AZR 672/06–EZA Art. 33 GG Nr. 33; LAG Hamm, Urteil vom 11. Oktober 2005 – 12 Sa 769/05– Juris). Der benachteiligte Bewerber hat in der Regel nur das Recht, dass seine Bewerbung neu zu beurteilen ist, dies gilt ebenso, wenn die Stelle nicht ausgeschrieben worden ist und der Bewerber sich deshalb nicht bewerben konnte. Der Anspruch des übergegangenen Bewerbers kommt nur solange in Betracht, wie es ein öffentliches Amt gibt das noch nicht besetzt ist. Ist die Stelle verbindlich anderweitig vergeben, kann das Amt nicht mehr besetzt werden (BAG a. a. O.; LAG Hamm a. a. O.). Hier ist die höher bewertete Stelle durch die Angestellte C besetzt worden.“

8

Die auf die Leistung von Schadensersatz gerichteten Zahlungsanträge hat das Hessische Landesarbeitsgericht in der genannten Entscheidung als unzulässig zurückgewiesen, weil über diesen Streitgegenstand bereits durch das Arbeitsgericht Bonn durch Urteil vom 19. Juni 2008 – 3 Ca 3179/07 – rechtskräftig entschieden worden sei. Auch hier sei es darum gegangen, ob dem Kläger Schadensersatz zu leisten sei, weil die Beklagte eine Verpflichtung zur Versetzung des Klägers nach A verletzt habe. Werde die auf Feststellung einer Forderung gerichtete Klage rechtskräftig als unbegründet abgewiesen, so stehe die ausgesprochene Rechtsfolge dem sachlichen Erfolg einer später auf diese Forderung gestützte Leistungsklage entgegen. Die gegen die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Juni 2012 erhobene Nichtzulassungsbeschwerde (9 AZN 2390/12) ist vom Bundesarbeitsgericht als unzulässig verworfen worden.
9

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Rechtskraft der Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Juni 2012 (9 Sa 1456/11) stehe seiner neuerlichen Klage nicht entgegen. Jetzt stehe lediglich rechtskräftig fest, dass er keinen Anspruch auf Neuausschreibung der Stelle am Großmarkt habe und deren Freimachung nicht verlangen könne. Dagegen sei klärungsbedürftig, ob er einen Anspruch auf Doppelbesetzung der Stelle habe. Da das Hessische Landesarbeitsgericht in der genannten Entscheidung festgestellt habe, dass pflichtwidrig eine Ausschreibung der Position unterblieben sei, sei ihm rechtswidrig die Möglichkeit genommen worden, sich auf die Stelle zu bewerben. Damit habe die Beklagte gegen das Gebot des effektiven Rechtsschutzes verstoßen. Diese mutwillige Vereitelung seines Justizgewährungsanspruchs müsse dazu führen, dass die Beklagte ihm ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages auf der von Frau C eingenommenen Stelle anbieten müsse, obwohl diese Stelle bereits besetzt sei. Hierbei handelt es sich um einen anderen Streitgegenstand als den, der durch das Hessische Landesarbeitsgericht bereits rechtskräftig entschieden worden sei.
10

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, mit ihm einen Arbeitsvertrag für die derzeit von Frau C inne gehaltene Stelle im Büro Großmarkt in A entsprechend den Arbeitsbedingungen von Frau C unter Anrechnung seiner Vordienstzeit ab dem 23. Dezember 1983 und mit einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 TVöD abzuschließen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.960,00 EUR Schadensersatz zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn monatlich 980,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Fälligkeit zum jeweiligen Monatsende zu zahlen, solange er in Bonn beschäftigt ist.

11

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Die Beklagte hat die Klage bereits für unzulässig gehalten. Sie hat die Ansicht vertreten, soweit der Kläger mit seiner am 28. Juni 2012 vom Hessischen Landesarbeitsgericht abgewiesenen Klage gefordert habe, die Stelle neu auszuschreiben und ihn bei der Besetzung zu berücksichtigen, habe es sich bereits um das Begehren des Abschlusses eines Arbeitsvertrags gehandelt. Der Streitgegenstand sei deshalb identisch mit dem des vorliegenden Verfahrens. Im Übrigen stehe mit der Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts rechtskräftig fest, das hier gerade kein Fall der mutwilligen Vereitelung des Justizgewährungsanspruchs vorliege, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Ausnahmefällen dazu führt, dass der Anspruch des Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG trotz erfolgter Besetzung der Stelle nicht untergeht. Die Klageanträge zu 2. und 3. hat die Beklagte ebenfalls für unzulässig gehalten, weil ihnen die Rechtskraft der Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Juni 2012 entgegenstehe. Dieses habe festgestellt, dass über den in diesem Verfahren geltend gemachten Schadensersatzanspruch bereits durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn vom 19. Juni 2008 – 3 Ca 3179/07 – rechtskräftig entschieden worden sei. Aber auch die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 4. Juni 2010 stehe der Zulässigkeit dieser Anträge entgegen.
13

Darüber hinaus hat die Beklagte die Klage auch für unbegründet gehalten. Sie hat die Meinung vertreten, unabhängig von der bindenden Entscheidung der rechtlichen relevanten Vorfragen durch das Hessische Landesarbeitsgericht habe die Beklagte an Frau C auch keine ausschreibungspflichtige Stelle vergeben. Dadurch, dass die von ihr eingenommene Stelle tariflich höher bewertet worden sei, sei keine neue Stelle beschaffen worden.
14

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien, das vom Arbeitsgerichts festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
15

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch Urteil vom 28. November 2013 – 3 Ca 5761/13 – abgewiesen. Es hat dies damit begründet, dass die Rechtskraft der Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Juni 2012 der Klage entgegenstehe. Hinsichtlich der Zahlungsklage hat sich das Arbeitsgericht der Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Juni 2012 angeschlossen und vertreten, die Anträge seien unzulässig, weil ihnen die Rechtskraft des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 19. Juni 2008 (3 Ca 3179/07), das sich über den gleichen Klagegegenstand verhalte, entgegenstehe. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
16

Gegen das ihm am 13. Januar 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. Februar 2014 Berufung eingelegt und diese mit am 10. März 2014 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangener Berufungsbegründungsschrift begründet.
17

Der Kläger vertritt unverändert die Auffassung, ihm stehe ein Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrags gegen die Beklagte zu, der seine Beschäftigung auf der von Frau C inne gehaltenen Stelle im Büro Großmarkt in A zum Gegenstand habe, weil die Beklagte seinen Justizgewährungsanspruch vereitelt habe. Dem stehe die Rechtskraft des Urteils des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Juni 2012 nicht entgegen, weil es hier darum gegangen sei, ob die Beklagte die Stelle am Großmarkt in A neu habe ausschreiben und ihn im Rahmen des Stellenbesetzungsverfahrens habe berücksichtigen müssen. Nun aber akzeptiere er die endgültige Besetzung der umstrittenen Stelle durch Frau C und begehre, dass er zusätzlich auf dieser Stelle eingestellt werde. Seiner Schadensersatzklage stehe die rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn nicht entgegen, weil der Sachverhalt zum Zeitpunkt dieser Entscheidung ein anderer gewesen sei. Zum Zeitpunkt dieses Urteils sei nicht bekannt gewesen, dass Frau C die streitige Stelle in der Großmarkthalle besetzt und dass diese Stelle später durch Höhergruppierung ausschreibungspflichtig geworden sei. Hinsichtlich der Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Berufungsbegründungsschrift Bezug genommen.
18

Der Kläger beantragt zuletzt nach richterlichem Hinweis,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 2013 – 3 Ca 5761/13 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen

1. ihm ein Vertragsangebot für einen Arbeitsvertrag für eine Stelle als Sachbearbeiter mit den Aufgaben „Qualitätskontrolle“, „Markt- und Preisberichtserstattung“ sowie mit allgemeinen Verwaltungstätigkeiten im Büro Großmarkt A unter Anrechnung seiner Vordienstzeiten ab dem 23.12.1983 und mit einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 TVöD zu unterbreiten;

2. an ihn 1.960,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.08.2013 zu zahlen;

3. an ihn ab September 2013 bis zum Abschluss eines Arbeitsvertrags zu den Konditionen im Antrag zu 1) monatlich 980,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Fälligkeit zum jeweiligen Monatsende zu zahlen.

19

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

20

Insoweit vertritt sie nach wie vor die Auffassung, die Rechtskraft der bereits ergangenen Urteile des Arbeitsgerichts Bonn und des Hessischen Landesarbeitsgerichts stünden der Zulässigkeit der vorliegenden Klage entgegen. Zudem hält sie die Anträge materiell-rechtlich für unbegründet. Insbesondere habe sie keinen Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers mutwillig vereitelt, sie sei vielmehr gar nicht verpflichtet gewesen, die Stelle auszuschreiben.
21

Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 12. September 2014 (Bl. 171 d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
22

I.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 lit. b ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.
23

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
24

1.

Der Antrag zu 1. ist zwar zulässig, aber unbegründet.
25

a. Er ist zunächst hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er ist nach der erfolgten Klarstellung erkennbar auf die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe eines Angebots zum Abschluss eines Arbeitsvertrags mit dem Kläger gerichtet. Dabei ist der Inhalt des anzubietenden Arbeitsvertrags hinreichend konkretisiert. Sowohl die vom Kläger geschuldete Tätigkeit als auch der Arbeitsort und die zu zahlende Vergütung sind klar bestimmt. Zwar ist der Zeitpunkt der Wirkung der Abgabe des Angebots nicht genannt. Der Kläger hat jedoch klargestellt, der Antrag beziehe sich auf die Zeit ab September 2013.
26

b. Dem Antrag fehlt es auch nicht an Rechtschutzbedürfnis im Hinblick darauf, dass der Kläger auf die Abgabe eines Angebots durch die Beklagte klagt und nicht darauf, dass die Beklagte ein in seinem Antrag liegendes Angebot annimmt. Dies gilt insbesondere deshalb, weil ein einseitiges Lösungsrecht des Arbeitnehmers vom Vertrag fehlt (vgl. BAG 9. Februar 2011 – 7 AZR 91/10– AP BGB § 307 Nr. 52; BAG 19. Oktober 2011 – 7 AZR 672/10– AP Nr. 58 zu § 307 BGB). Der Kläger kann nicht abschätzen, wann die Rechtskraft des Urteils eintritt und damit ein Vertrag nach § 894 ZPO zustande käme, wenn er auf Annahme seines Angebots klagte.
27

c. Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht entgegen, dass der Kläger nach der dargelegten Auslegung die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe eines Vertragsangebots für die Vergangenheit begehrt. Eine § 306 BGB a.F. entsprechende Vorschrift gibt es seit dem 1. Januar 2002 nicht mehr. Nach § 311 a BGB steht es der Wirksamkeit des Vertrags nicht entgegen, dass der Schuldner nach § 275 Abs. 1 3 BGB nichts zu leisten braucht und das Leistungshindernis schon bei Vertragsbeginn vorliegt. Damit ist auch der rückwirkende Abschluss eines Arbeitsvertrags rechtlich zulässig (BAG 27. April 2004 – 9 AZR 522/03– AP TZBfG § 8 Nr. 12; BAG 27. Juli 2005 – 7 AZR 488/04– AP Nr. 2 zu § 308 BGB).
28

d. Der Antrag ist schließlich nicht deswegen unzulässig, weil ihm die Rechtskraft der Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Juni 2012 (9 Sa 1456/11) entgegenstünde. Zwar hindert die materielle Rechtskraftwirkung von Urteilen nach § 322 Abs. 1 ZPO, dass bei Identität der Beteiligten und des Sachverhalts die bereits rechtskräftige entschiedene Frage den Gerichten zu erneuten Entscheidung unterbreitet werden kann. Dies ist als negative Prozessvoraussetzung auch in der Berufungseinstanz von Amts wegen zu beachten. Der Begriff des Anspruchs in § 322 Abs. 1 ZPO bezeichnet aber den prozessualen Anspruch im Sinne der Streitgegenstandslehre. Die objektiven Grenzen der Rechtskraft werden dabei durch den Streitgegenstand des vorangegangenen Verfahrens bestimmt. Dieser richtet sich nach dem zur Entscheidung gestellten Antrag und dem zugehörigen Lebenssachverhalt, aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird (vgl. BAG 19. Januar 2010 – 1 ABR 55/08– BAGE 133, 75; BAG 5. März 2013 – 1 ABR 75/11– DB 2013, 14 23). Der Streitgegenstand des Antrags zu 1. ist mit dem, über den das Hessische Landesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 28. Juni 2012 entschieden hat, nicht identisch. Mit seiner vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht am 28. Juni 2012 entschiedenen Klage hatte der Kläger begehrt, die Beklagte zu verurteilen, eine neue Ausschreibung der Stelle am Großmarkt in A vorzunehmen und ihn dabei zu berücksichtigen. Dieser Antrag war nicht auf die Abgabe einer Willenserklärung der Beklagten nach § 894 ZPO gerichtet, sondern auf die Vornahme einer unvertretbaren Handlung.
29

e. Der Antrag zu 1) ist jedoch unbegründet. Insofern hat die Kammer davon auszugehen, dass die Besetzung der vom Kläger begehrten Stelle durch Frau C seiner Einstellung auf dieser Stelle und damit dem Abschluss eines entsprechenden Arbeitsvertrags entgegensteht. Zwar gibt es Fallgestaltungen, in denen der öffentlich rechtliche Arbeitgeber gehindert ist, dem Bewerber die erfolgte endgültige Besetzung der Stelle entgegenzuhalten. Einem zu Unrecht übergangenen Bewerber kann ausnahmsweise einen Anspruch auf Wiederherstellung zustehen, wenn durch das Verhalten der Verwaltung ein effektiver Rechtsschutz verhindert worden ist oder wenn ein öffentlicher Arbeitgeber und ein eingestellter Bewerber kollusiv zusammenwirken (BAG 24. März 2009 – 9 AZR 277/08– BAGE 130, 107; BAG 18. September 2007 – 9 AZR 672/06– BAGE 124, 80; BAG 28. Mai 2002 – 9 AZR 751/00– BAGE 101, 153). Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 162 BGB.
30

Hier hat jedoch die Neunte Kammer des Hessischen Landesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 28. Juni 2012 mit bindender Wirkung entschieden, dass der Beklagten nicht versagt ist, sich auf die bereits erfolgte Besetzung der Stelle zu berufen, sondern sich der Kläger diese entgegenhalten lassen muss. Zwar nehmen einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die getroffene Entscheidung aufbaut, grundsätzlich nicht an der Rechtskraft teil (BGH 26. Juni 2003 – 1 ZR 269/00 – NJW 2003 3058 [BGH 26.06.2003 – I ZR 269/00]; BAG 20. November 2012 – 1 AZR 611/11– BAGE 144, 1). Es besteht jedoch eine von Amts wegen zu berücksichtigende Bindungswirkung, wenn der Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung zum Tatbestand der im neuen Prozess geltend gemachten Rechtsfolge gehört. Das Gericht hat die im ersten Prozess rechtskräftig entschieden Rechtsfolge im zweiten Verfahren zugrunde zu legen, wenn diese eine Vorfrage darstellt. Bei einer klageabweisenden Entscheidung ist der aus der Begründung zu ermittelnde, die Rechtsfolge bestimmende ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung (BGH 24. Juni 1993 – III ZR 43/92– NJW 1993, 3204; BAG 20. November 2012 – 1 AZR 611/11– a. a. O.).
31

Der ausschlaggebende Abweisungsgrund für den auf Neuausschreibung gerichteten Antrag des Klägers im Verfahren 9 Sa 1456/11 war den Entscheidungsgründen des Urteils Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Juni 2012 nach, dass der Anspruch eines Bewerbers auf Art. 33 Abs. 2 GG mit der Übertragung des Amts auf den ausgewählten Bewerber endet. Die Neunte Kammer führt insofern aus, dass dies auch dann gelte, wenn die Stelle nicht ausgeschrieben worden ist und der Bewerber sich deshalb nicht bewerben konnte. Da die in Frage stehende Stelle hier verbindlich an die Angestellte C vergeben worden sei, könne das Amt nicht mehr besetzt werden. Damit hat das Hessische Landesarbeitsgericht entschieden, dass mit der Besetzung der Stelle im Büro am Großmarkt die Ansprüche des Klägers aus Art. 33 Abs. 2 GG untergegangen sind und nur noch ein Schadensersatzanspruch in Geld in Betracht kommt. Den Ausnahmefall, in dem der übergangene Bewerber trotz verbindlicher Besetzung der Stelle mit einem anderen Bewerber seinen Bewerbungsverfahrensanspruch geltend machen kann, hat die Neunte Kammer damit gerade nicht als gegeben angesehen. Der Kammer ist es deshalb verwehrt, in die Prüfung einzutreten, ob dem Kläger der über Neuausschreibung und Neubescheidung weit hinausgehende Antrag auf Einstellung auf die Stelle am Großmarkt in A zustehen kann.
32

2.

Der Antrag des Klägers, die Beklagte zu Zahlung von 1.960,00 EUR Schadensersatz nebst Zinsen zu verurteilen ist bereits unzulässig. Ihm steht die Rechtskraft der Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Juni 2012 entgegen, § 322 Abs. 1 ZPO. Es hat über den identischen Streitgegenstand bereits entschieden. Der Kläger hat ausdrücklich ausgeführt, seinen Schadensersatzanspruch auf die Pflichtverletzung der Beklagten im Hinblick auf die unterbliebene Ausschreibung der fraglichen Stelle zu stützen. Als Schaden macht er die in den Monaten Juli und August 2013 aufgewendeten Kosten für seine Pendlerwohnung in B sowie seine durch das Pendeln entstandenen Fahrtkosten geltend. Dieser Streitgegenstand ist identisch mit dem des Antrags zu 3) im Verfahren 9 Sa 1456/11, in dem der Kläger ab dem 1. Mai 2011 die Zahlung von monatlich 980,00 EUR als Schadensersatz für die von ihm aufgewendeten Kosten für die Pendlerwohnung in B und die diesbezüglichen Fahrtkosten wegen der unterbliebenen Ausschreibung geltend macht. Ob über diesen Streitgegenstand durch das Arbeitsgericht Bonn durch Urteil vom 19. Juni 2008 – 3 Ca 3179/07 – bereits rechtskräftig entschieden worden ist, hat die Kammer daher nicht zu prüfen. In Rechtskraft erwachsen nämlich auch die Urteile, mit denen eine Klage als unzulässig abgewiesen wird, wenn die Beseitigung des Verfahrenshindernisses unmöglich ist. Die Rechtskraft beschränkt sich dem Umfang nach dann aber auf die vom Gericht entschiedene Prozessfrage. Diese ist hier von der Neunten Kammer des Hessischen Landesarbeitsgerichts dahingehend rechtskräftig entschieden worden, dass die Rechtskraft des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn eine Entscheidung über Schadensersatzansprüche des Klägers im Hinblick auf die Kosten für seine Pendlerwohnung und die Fahrtkosten wegen der Pflichtverletzung der unterbliebenen Ausschreibung der von Frau C besetzten Stelle durch die Beklagte entgegensteht.
33

3.

Die auf die zukünftige Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von monatlich 980,00 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage des Klägers ist ebenfalls unzulässig. Aus den unter 3. aufgeführten Gründen steht der Zulässigkeit auch hier die rechtskräftige Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Juni 2012 entgegen. Der sich auf die Zeit nach September 2013 beziehende Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur zukünftigen Zahlung von Schadensersatz für die dem Kläger entstehenden Pendlerkosten ist vollständig von dem Antrag zu 3. aus dem Verfahren 9 Sa 1456/11 umfasst, der die zukünftige Verurteilung der Beklagten zu entsprechenden Schadensersatzzahlungen seit dem 1. Mai 2011 zum Gegenstand hatte.
34

III.

Die Kosten seiner erfolglosen Berufung hat der Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
35

IV.

Für die Zulassung der Revision besteht mangels grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache keine gesetzlich begründete Veranlassung, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Schlagworte

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