LAG Hessen, 14.08.2014 – 1 Ta 179/14

April 30, 2019

LAG Hessen, 14.08.2014 – 1 Ta 179/14

Bei der Festsetzung des Vergleichsmehrwerts sind miterledigte streitige außergerichtliche Schadenersatzansprüche mit ihrem tatsächlichen Wert in Ansatz zu bringen, auch wenn die Erledigung nur im Wege einer Ausgleichsklausel erfolgt.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägervertreters wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 27. März 2014 – 11 Ca 2/14 – teilweise aufgehoben.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 33 RVG wird für den Vergleich auf € 977.977,42 festgesetzt.
Gründe
1

I.

Die zulässige Beschwerde des Klägervertreters hat im Hinblick auf die Vergleichswertfestsetzung Erfolg.
2

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass der Vergleich im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden 7 Ca 1247/10 vom 20. Mai 2011 wirksam angefochten worden ist, das Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Bedingungen tatsächlich fortbestanden hat und im Übrigen seine Weiterbeschäftigung verlangt. Das monatliche Durchschnittsgehalt des Klägers lag unter Berücksichtigung sämtlicher in die Berechnung einfließender Faktoren bei € 16.032,42. Außergerichtlich hatte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Schaden in Höhe von € 961.945,00 geltend gemacht (Bl. 5-8 d.A.).
3

Mit Beschluss vom 30. Januar 2014 stellte das Gericht das Zustandekommen eines Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 ZPO fest, wobei für den Inhalt des Vergleichs auf Bl. 65 d.A. Bezug genommen wird.
4

Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers setzte das Arbeitsgericht – nach vorheriger Anhörung (Bl. 76 d.A.) – den Gegenstandswert für das Verfahren und den Vergleich durch Beschluss vom 27. März 2014 auf jeweils € 64.129,66 fest (Bl. 62 d.A.). Gegen diesen, ihm am 2. April 2014 zugestellten Beschluss hat der Klägervertreter mit einem am 2. April 2014 (Bl. 128 f. d.A.) beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 8. April 2014 (Bl. 132 d.A.) nicht abgeholfen hat. Wegen der Beschwerdebegründung wird auf die Ausführungen in den Beschwerdeschrift verwiesen.
5

II.

Die Beschwerde, hat – soweit sie sich allein gegen die Festsetzung des Vergleichswertes richtet, wovon das Beschwerdegericht ausgeht – Erfolg. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ist für den Vergleich auf € 977.977,42 festzusetzen.
6

Nach der von der Beschwerdekammer vertretenen Auffassung, gestützt auf den von der Streitwertkommission der Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalog 2014 (veröffentlicht auf der Internetseite des Hessischen Landesarbeitsgerichts unter Service/Wertfestsetzung und abgedruckt in NZA 2014, 745 ff.), an denen sich die Beschwerdekammer im Interesse einer möglichst einheitlichen Wertrechtsprechung in arbeitsgerichtlichen Verfahren nunmehr orientiert, wird ein Vergleichsmehrwert bei unstreitigen und gewissen Ansprüchen, deren Durchsetzung jedoch ungewiss ist, für das Titulierungsinteresse mit 20% des Wertes des Anspruchs angenommen (siehe Streitwertkatalog 2014 I. Nr. 22.2).
7

Auch wenn die Beschwerdekammer nicht verkennt, dass der von der Streitwertkommission erarbeitete Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte nicht bindend ist, orientiert sie sich für ihre Rechtsprechung jedoch im Interesse einer möglichst einheitlichen Gestaltung der Streitwertbemessung für bestimmte, typische Fallkonstellationen an diesem Katalog (vgl. auch LAG Nürnberg vom 12. Dezember 2013 – 4 Ta 133/13, BeckRS 2014, 03679 und vom 21. Juni 2013 – 7 Ta 41/13, BeckRS 2013, 7121; LAG Sachsen vom 28. Oktober 2013 – 4 Ta 172/13, BeckRS 2014, 67070).
8

Haben die Parteien in einem Vergleich aber nicht nur unstreitige Ansprüche im Sinne einer Titulierungsregelung einbezogen, sondern festgehalten, dass streitige außergerichtliche Ansprüche in vollem Umfang mit der vergleichsweisen Regelung abgegolten sind und nicht mehr geltend gemacht werden können, müssen diese Ansprüche bei der Gegenstandswertbemessung für den Vergleich wertmäßig berücksichtigt werden (vgl. Hess. LAG vom 31: Januar 2014 – 1 Ta 275/13 n.v. und vom 31. Januar 2014 – 1 Ta 93/13, n.v.,). Hierbei ist es nur gerechtfertigt, einen Abschlag vorzunehmen, wenn die Realisierung der Forderung zweifelhaft ist (vgl. Bader NZA-RR 2005, 346).
9

Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze sind die außergerichtlich geltend gemachten Schadenersatzansprüche im Gesamtumfang von € 961.945,00 mit ihrem vollen geltend gemachten Wert für den Vergleichsmehrwert in Ansatz zu bringen, auch wenn sie nur im Rahmen der mittelbaren Ausgleichsklausel über Ziffer 2 des Vergleichs vom 30. Januar 2014 in die Vergleichsregelung eingeflossen sind. Es sind keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, aus denen geschlossen werden kann, dass ihre Durchsetzbarkeit problematisch sein könnte. Es kann insoweit nicht auf die Erfolgsaussichten einer möglichen Zahlungsklage abgestellt werden. Bedenken hinsichtlich der Realisierbarkeit der Forderungen sind jedenfalls im Hinblick auf die wirtschaftliche Bonität der Beklagten nicht zu erkennen, so dass im Streitfall ein Abschlag nicht gerechtfertigt ist.
10

Da jedoch aufgrund wirtschaftlicher Identität von fälligen Annahmeverzugsansprüchen, die im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens geltend gemacht werden, keine Wertaddition stattfindet, sondern nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG der höhere Wert maßgeblich ist, verdrängt insoweit der Schadenersatzanspruch wegen entgangener Vergütung den Wert der Kündigungsklage, so dass sich der Vergleichswert auf € 977.977,42 bemisst.
11

Einer weitergehenden Kostenentscheidung bedarf es nicht, da Kosten nicht erstattet werden (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG).
12

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht möglich.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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