LAG Hessen, 15.04.2015 – 3 Sa 537/14 Berechnung des “ununterbrochenen Einsatz im jeweiligen Kundenbetrieb” nach “§ 2 TV BZ Chemie

April 28, 2019

LAG Hessen, 15.04.2015 – 3 Sa 537/14
Berechnung des “ununterbrochenen Einsatz im jeweiligen Kundenbetrieb” nach “§ 2 TV BZ Chemie
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 01. April 2014 – 3 Ca 528/13 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten auch im Berufungsverfahren darüber, ob der Klägerin für die Zeit von September bis November 2013 ein höherer Branchenzuschlag zusteht.

Die Beklagte bietet Personaldienstleistungen an. Die Klägerin ist bei ihr seit dem 12. September 2008 als Produktionshelferin beschäftigt. Ihr Bruttomonatsgehalt hat zuletzt etwa 1.609,00 Euro betragen. Wegen der Einzelheiten des zwischen den Parteien geschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrages und zweier Änderungsvereinbarungen wird auf Bl. 38 – 44 d. A. Bezug genommen.

In der Berufungsverhandlung am 20. Februar 2015 haben die Parteien übereinstimmend erklärt, dass der Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der chemischen Industrie des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister e.V. vom Oktober 2012 (im Folgenden: TV BZ Chemie) seit seinem Inkrafttreten am 01. November 2012 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien angewendet wird.

In der Zeit von Juli 2012 bis November 2013 war die Klägerin von der Beklagten bei verschiedenen Kundenunternehmen eingesetzt. Unter anderem war sie vom 28. Juli bis 02. September 2012 und vom 19. Oktober bis 31. Oktober 2012 bei A eingesetzt. An dieses Unternehmen hat die Beklagte die Klägerin auch in folgenden Zeiten entliehen:

– 01. und 02. November 2012,

– 12. November 2012 – 17. Januar 2013,

– 26. März – 12. April 2013,

– 15. Mai – 29. Mai 2013,

– 04. Juni – 20. Juni 2013,

– 26. Juni – 05. Juli 2013,

– 05. August – 13. September 2013,

– 24. September – 19. Oktober 2013,

– 25. Oktober und 26. Oktober 2013,

– ab 04. November 2013,

wegen der weiteren Einzelheiten der Einsatzzeiten der Klägerin wird auf Bl. 47 d. A. Bezug genommen.

Nachdem die Beklagte im Berufungstermin am 20. Februar 2015 klargestellt hat, dass es sich bei den Eintragungen in der Einsatzliste der Klägerin (Bl. 47 d. A.) bei dem Kunden “B” und “C” um dasselbe Unternehmen handelt, wird im Folgenden einheitlich von A gesprochen. Bei A hat es sich um einen Kundenbetrieb der chemischen Industrie gehandelt.

Der tarifvertragliche Stundenlohn der Klägerin nach Entgeltgruppe 1 hat 8,19 Euro brutto im Kalenderjahr 2013 bei 151,67 Stunden pro Monat betragen. Die Beklagte hat an die Klägerin im Zeitraum zwischen dem 27. August und 18. November 2013 einen Zuschlag von 30% auf die Einsatzstunden der Klägerin bei A nach dem TV BZ Chemie gezahlt und zwar in Höhe von 2,46 Euro brutto pro Stunde.

Entsprechend der Vereinbarung zwischen der Beklagten und A war der Einsatz der Klägerin im dortigen Betrieb bis zum 13. September 2013 vorgesehen. Mangels Anforderung durch den Kunden hat die Beklagte den Einsatz der Klägerin in Absprache mit A zum 13. September 2013 beendet, ab dem 24. September 2013 wurde die Klägerin von A wieder angefordert und insoweit ein neuer Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit der Beklagten geschlossen. Die Klägerin war im Zeitraum vom 09. September – 20. September 2013 arbeitsunfähig erkrankt. Für den September 2013 hat die Beklagte unter anderem 86,38 Arbeitsstunden mit 8,19 Euro brutto abgerechnet und darüber hinaus für diese Stunden den Branchenzuschlag 3. Stufe von 30%, nämlich 2,46 Euro abgerechnet und ausgezahlt. Darüber hinaus hat die Beklagte für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zwischen dem 16. und 20. September 2013 35 Stunden mit einem Bruttostundenlohn von 8,19 Euro abgerechnet und ohne Branchenzuschlag ausgezahlt, wegen der Einzelheiten der Abrechnung der Beklagten für September 2013 wird auf Bl. 48 d. A. Bezug genommen.

Für den Monat Oktober 2013 hat die Beklagte für 109,87 Stunden den Branchenzuschlag 3. Stufe von von 30%, nämlich 2,46 Euro brutto pro Stunde, abgerechnet und ausgezahlt. Wegen der Einzelheiten der Abrechnung wird auf Bl. 49 d. A. Bezug genommen.

Für November 2013 hat die Beklagte bis 18. November 2013 für 94,21 Stunden ebenfalls den Branchenzuschlag der Stufe 3 nach dem TV BZ Chemie von 2,46 Euro brutto pro Stunde und für die Zeit ab 19. November 2013 für 84,30 Stunden einen Zuschlag der Stufe 4 nach dem TV BZ Chemie von 3,69 Euro pro Stunde abgerechnet und ausgezahlt. Wegen der Einzelheiten der Abrechnung wird auf Bl. 50 d. A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 23. Oktober 2013 hat sich der Klägervertreter an die Beklagte gewendet und um Erläuterung der Abrechnung für September 2013 gebeten (insoweit wird auf Bl. 139 d. A. Bezug genommen). Darüber hinaus hat sich der Klägervertreter mit Schreiben vom 13. November 2013 (Bl. 140 f. d. A.) an die Beklagte gewendet und um Korrektur der Abrechnungen für die letzten drei Monate hinsichtlich des Zuschlages gebeten.

Mit am 19. Dezember 2013 beim Arbeitsgericht Darmstadt eingegangener Klage hat die Klägerin von der Beklagten die Auszahlung der Differenz zwischen dem gezahlten 30%igen Branchenzuschlag und dem von ihr begehrten 50%igen Branchenzuschlag für die Monate September bis 18. November 2013 begehrt.

Wegen der Einzelheiten des streitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteiles Bezug genommen (Seite 3 und 4 des Urteils, Bl. 107 RS und 108 d. A.).

Das Arbeitsgericht Darmstadt hat die Klage mit Urteil vom 01. April 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung eines höheren Branchenzuschlages als den bereits geleisteten in den Monaten September bis November 2013 habe. Ein solcher Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aus § 2 TV BZ Chemie. Danach und unter Berücksichtigung der Einsatzzeiten der Klägerin habe diese erst am 19. November 2013 den 9. Monat im Kundenunternehmen A vollendet und erst ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf einen Branchenzuschlag in Höhe von 45%. Dagegen habe sie in den Monaten September bis einschließlich 18. November 2013 lediglich Anspruch auf den bereits gezahlten Branchenzuschlag in Höhe von 30%. Nach § 2 Abs. 2 TV BZ Chemie werde der Branchenzuschlag nur für den ununterbrochenen Einsatz “im jeweiligen Kundenbetrieb” gezahlt. Entsprechend sei die Einsatzdauer bei verschiedenen Kundenunternehmen nicht zu addieren, sondern separat zu betrachten. Die Einsatzzeiten der Klägerin zwischen Juli 2012 und 31. Oktober 2012 bei B und ab November 2013 bei der C seien gesondert zu betrachten, weil nicht erkennbar und von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden sei, dass es sich um das gleiche Unternehmen handele. Nach § 2 Abs. 2 TV BZ Chemie seien für die Frage, wann die nächst höheren Stufe des Branchenzuschlages erreicht werde, lediglich die tatsächlichen Einsatztage im jeweiligen Kundenbetrieb zu addieren und nicht, wie die Klägerin meine, der gesamte Zeitraum ab ihrem erstmaligen Einsatz im Kundenbetrieb. Dies ergebe die Auslegung des Tarifvertrages unter Berücksichtigung der Protokollnotiz Nummer 2. Nach dieser Protokollnotiz würden Unterbrechungszeiten von weniger als drei Monaten nicht zu einer Erhöhung der Einsatzdauer führen. Diese Regelung sei dahin zu verstehen, dass einerseits Unterbrechungszeiten über drei Monaten bei einem Kundenbetrieb dazu führen, dass die Einsatzzeiten des Arbeitnehmers in diesem Kundenbetrieb nicht addiert würden, sondern im Fall eines erneuten Einsatzes bei null anfingen. Bei Unterbrechungszeiten von weniger als drei Monaten, wie sie auch die Klägerin ausweislich der Einsatzliste aufweise, würden Einsatztage im jeweiligen Kundenbetrieb dagegen addiert. Hingegen würden Zeiträume in denen die Klägerin unproduktiv bzw. an ein anderes Unternehmen entliehen sei, nicht bei den Einsatzzeiten für A zu berücksichtigen seien. Das Vorbringen der Klägerin, sie habe in den Zeiträumen, in denen sie laut Einsatzliste “unproduktiv” gewesen sei, tatsächlich bei A eingesetzt werden können, sei unerheblich. Einerseits habe die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen, dass sie von A tatsächlich angefordert worden sei, zum anderen sei nicht erkennbar, inwiefern sich die bloße Möglichkeit eines Einsatzes im jeweiligen Kundenbetrieb auf die Berechnung des Branchenzuschlages auswirken könne.

Gegen dieses Urteil, dass der Klägerin am 10. April 2014 zugestellt worden ist, hat sie mit am 16. April 2014 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Klägerin trägt vor, das Arbeitsgericht sei der Auffassung, dass jeder einzelne Arbeitstag, der bei einem Kundenbetrieb der chemischen Industrie gearbeitet worden sei, einzeln zu berechnen sei, hiergegen richte sich die Berufung. Sie vertritt die Rechtsauffassung, dass sich aus dem Tarifvertrag nicht ergebe, dass taggenau abgerechnet werden solle oder müsse. Das Arbeitsgericht sei sich bei der Auslegung des Tarifvertrages unsicher gewesen. Obwohl das Bundesarbeitsgericht, zum Beispiel in einer Entscheidung vom 19. September 2007, 4 AZR 670/06, festgestellt habe, dass Protokollnotizen nicht Bestandteil des Tarifvertrages seien, habe das Arbeitsgericht seine Auffassung, dass taggenau abgerechnet werden müsse, aus der Protokollnotiz Nummer 2 hergeleitet. Dies sei unzutreffend, deshalb sei das Arbeitsgericht zu einem falschen Ergebnis gekommen. Bei zutreffender Auslegung und Anwendung des TV BZ Chemie habe die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen dem gezahlten 30%igen und dem geschuldeten 50%igen Branchenaufschlag von 1,23 Euro brutto pro Stunde für 86,38 Stunden im September 2013, für 109,87 Stunden im Oktober 2013 und für 94,21 Stunden im November 2013. Darüber hinaus schulde die Beklagte für “35 Stunden Krankheitslohn” den kompletten 50%igen Branchenaufschlag von 3,69 Euro brutto pro Stunde für den September 2013.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 01. April 2014 – 3 Ca 528/13 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 486,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06. Januar 2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Unter Hinweis darauf, dass der TV BZ Chemie erst zum 01. November 2012 in Kraft getreten ist, vertritt sie die Auffassung, dass auch erst ab diesem Zeitpunkt die Einsatzzeiten in einem Kundenunternehmen für die Berechnung des Erreichens der einzelnen Stufen des Branchenzuschlages nach dem TV BZ Chemie erheblich seien. In der angeführten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. September 2007 werde nicht festgestellt, dass Protokollnotizen nicht Bestandteil eines Tarifvertrages seien. Nach dem TV BZ Chemie sei für den Branchenzuschlag und seine einzelnen Stufen der Einsatz im jeweiligen Betrieb maßgeblich, wobei die Betriebsbezogenheit singulär ausgestaltet sei, so dass beim Wechsel eines Einsatzbetriebes die Einsatzdauer erneut zu laufen beginne. Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien würden die Branchenzuschläge dazu dienen, den längeren Verbleib der Arbeitnehmer eines Zeitarbeitsunternehmens in einem Einsatzbetrieb, mit einer sukzessiv höheren Vergütung der Vergütung der Stammmitarbeiter jenes Kundenbetriebes anzunähern, um so das Equal Pay Gebot des AÜG auch bei Anwendung der die Abweichung hiervon zulassenden Tarifverträge zumindest teilweise zu gewährleisten. Im September 2013 sei der Arbeitsunfähigkeitszeitraum der Klägerin vom 16. – 20. September 2013 nicht branchenzuschlagspflichtig, weil der Einsatz der Klägerin, entsprechend der Absprache zwischen der Beklagten und dem Kundenbetrieb A, zum 13. September 2013 beendet worden sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und insbesondere die Sitzungsniederschrift vom 20. Februar 2015 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

A. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 01. April 2014 ist auf Grund ihrer Zulassung im Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt statthaft, § 64 Abs. 2 a ArbGG. Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG.

Insgesamt ist die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts nach den Anforderungen der §§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG an die Berufungsbegründung noch zulässig. Mit der Berufungsbegründungsschrift ist die erstinstanzliche Entscheidung noch ausreichend angegriffen worden.

I. Zu den Anforderungen an die Berufungsbegründung hat der 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts ausgeführt: “Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (ständige Rechtsprechung, vgl. unter anderem BAG 15. März 2011 – 9 AZR 813/09 – Rn. 11, NZA 2011, 767 [BAG 15.03.2011 – 9 AZR 813/09]; 28. Mai 2009 – 2 AZR 223/08 – Rn. 14, AP ZPO § 520 Nr. 2; 06. März 2003 – 2 AZR 596/02 – BAGE 105, 200). Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden (BAG 28. Mai 2009 – 2 AZR 223/08 – a.a.O.). Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (BAG 17. Januar 2007 – 7 AZR 20/06 – Rn. 11 mit weiteren Nachweisen, BAGE 121, 18; 25. April 2007 – 6 AZR 436/05 – Rn. 14 mit weiteren Nachweisen, BAGE 122, 190). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 15. März 2011 – 9 AZR 813/09 – a.a.O.; 25. April 2007 – 6 AZR 436/05 – a.a.O.)” so wörtlich BAG 18. Mai 2011 – 4 AZR 549/09 – Rn. 14, EZA Nr. 139 zu § 4 TVG Metallindustrie. Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Berufungskammer an.

II. Diesen dargestellten Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Klägerin mit Schriftsatz vom 14. April 2014 noch.

In ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 14. April 2014 setzt sich die Klägerin mit verschiedenen Aspekten, die Grundlage der arbeitsgerichtlichen Entscheidung waren, auseinander. Damit macht sie noch hinreichend deutlich, aus welchen Gründen das angefochtene Urteil aus ihrer Sicht fehlerhaft ist. In ihrer Auseinandersetzung mit einzelnen Aspekten der Urteilsgründe, insbesondere zur Auslegung des § 2 TV BZ Chemie, unter überwiegend wiederholendem Vortrag von bereits erstinstanzlich vorgetragenen Tatsachen, liegt eine zumindest konkludente und damit gerade noch ausreichende Auseinandersetzung mit dem Urteil des Arbeitsgerichts.

B. In der Sache ist die Berufung jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Offenbach die Klage abgewiesen. Der von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch gegen die Beklagte ergibt sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere nicht aus § 2 TV BZ Chemie.

I. Das Berufungsgericht macht sich die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung zu Eigen und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG (Seite 5 – 8 des Urteils, Bl. 108RS – 110 d. A.). Alleine soweit das Arbeitsgericht davon ausgegangen ist, dass die Einsatzzeiten der Klägerin vom 28. Juli bis 2. September 2012 und 19. bis 31. Oktober 2012 bei A bei Berechnung des Branchenzuschlages nicht zu berücksichtigen sind, folgt die Berufungskammer zwar dem Ergebnis des Arbeitsgerichts, nicht aber seiner Begründung (dazu unter B II 2) der Entscheidungsgründe).

Auch das Berufungsvorbringen ändert nichts an dem gefundenen Ergebnis.

II. Die aufgeworfenen Rechtsfragen und das Vorbringen der Klägerin in zweiter Instanz geben Anlass zu folgenden Ergänzungen und Klarstellungen:

1. Zunächst kann zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der TV BZ Chemie anwendbar ist.

Aus Sicht des Berufungsgerichts kann dahinstehen, ob sich die Anwendbarkeit des TV BZ Chemie aus der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages ergibt oder im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung, denn in beiden Fällen, ist der klägerische Anspruch jedenfalls im Ergebnis nicht begründet. Von der Anwendbarkeit des TV BZ Chemie sind offensichtlich auch die Parteien ausgegangen und die Beklagte wendet ihn -seit seinem Inkrafttreten am 1. November 2012- auf das Arbeitsverhältnis an.

a) Zunächst haben die Parteien in § 2 des Arbeitsvertrages mit der Formulierung “für das Arbeitsverhältnis gelten die von dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V. (BZA) mit den unterzeichnenden Mitgliedsgewerkschaften des E für Zeitarbeit abgeschlossenen Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung” eine zeitdynamische Bezugnahme auf die zwischen den bezeichneten Verbänden abgeschlossenen Tarifverträge vereinbart. Dagegen ist die Bezugnahme nicht inhaltsdynamisch ausgestaltet, denn die Parteien haben den Zusatz “und ersetzende Tarifverträge” nicht aufgenommen (vgl. z.B. BAG 10. November 2010 – 5 AZR 633/09- Rn. 15, ZTR 2011, 150 [BAG 10.11.2010 – 5 AZR 633/09]; BAG 19. Mai 2010 – 4 AZR 796/08- Rn. 16ff, DB 2010, 1888 [BAG 19.05.2010 – 4 AZR 796/08]).

b) Nachdem der TV BZ Chemie nicht vom BZA abgeschlossen wurde – sondern einerseits vom Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e. V. (BAP) und vom Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ) und andererseits der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE)- ist fraglich, ob sich dessen Geltung für das Arbeitsverhältnis der Parteien aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel oder aus ergänzender Vertragsauslegung ergibt. Eine Entscheidung kann vorliegend dahinstehen, da der Klägerin auch bei Anwendung der TV BZ Chemie der geltend gemacht Anspruch in keinem Fall zusteht.

2. Im Ergebnis zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Einsatzzeiten der Klägerin vom 28. Juli bis 2. September 2012 und vom 19. bis 31. Oktober 2012 bei A bei Berechnung der Einsatzdauer nach § 2 Abs. 3 TV BZ Chemie nicht zu berücksichtigen sind.

a) Die Nichtberücksichtigung der Einsatzzeiten der Klägerin bei A vor dem 31. Oktober 2012 ergibt sich allerdings nicht daraus, dass die Klägerin vor und nach dem 31. Oktober 2012 bei unterschiedlichen Kundenunternehmen eingesetzt gewesen wäre. Denn insoweit hat die Beklagte in der Berufungsverhandlung am 20. Februar 2015 klargestellt, dass es sich bei den in der Einsatzliste eingetragenen Kunden “B” und “C” um dasselbe Unternehmen handelte.

b) Dagegen ergibt sich die Nichtberücksichtigung der Einsatzzeiten der Klägerin bei A vor dem 31. Oktober 2012 grundsätzlich daraus, dass der TV BZ Chemie erst zum 1. November 2012 in Kraft getreten ist und Einsatzzeiten für die Berechnung des Branchenzuschlages im jeweiligen Kundenbetrieb zu diesem Zeitpunkt beginnen neu zu laufen. Dies entspricht der Regelung in § 6 Abs. 1 TV BZ Chemie.

c) Ein anderes Ergebnis rechtfertigt sich auch nicht im Hinblick auf § 6 Abs. 2 TV BZ Chemie.

Danach gilt für Mitarbeiter, die am 01. November 2012 bereits 6 Wochen oder länger im ununterbrochenen Einsatz im Kundenbetrieb stehen, die erste Stufe nach § 2 Abs. 3 bereits ab dem 1. November 2012 als erfüllt. Diese Voraussetzung war bei der Klägerin am 1. November 2012 nicht erfüllt. Zu diesem Zeitpunkt stand sie in einem ununterbrochenen Einsatz im Kundenbetrieb A erst seit dem 19. Oktober 2012 und damit keine zwei Wochen. Damit war bei der Klägerin die Voraussetzung eines 6-wöchigen oder längeren ununterbrochenen Einsatzes im Kundenbetrieb gerade nicht gegeben.

Nach dem Wortlaut des TV BZ Chemie und der Systematik stellt § 6 Abs. 2 TV BZ Chemie die Ausnahmeregelung zu § 6 Abs. 1 TV BZ Chemie dar und in § 6 TV BZ Chemie haben die Tarifvertragsparteien abschließende Regelungen im Zusammenhang mit der Einführung des Tarifvertrages getroffen.

3. Zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass bei Anwendung der Vorschriften des § 2 TV BZ Chemie nicht erkennbar ist, dass die Klägerin ab dem 28. April 2013 einen Anspruch auf Zahlung eines Branchenzuschlages der Stufe 5 in Höhe von 50% wegen Vollendung des 9. Monats bei einem Kundenunternehmen hat.

a) Die von der Klägerin auch im Berufungsverfahren zur Berechnung des Branchenzuschlages vertretene Auffassung, dass “nicht von einer taggenauen, sondern von einer monatsweisen Abrechnung auszugehen” sei und “dem entsprechend ist auch in einer Monatsangabe, nämlich bei einer Unterbrechung von drei Monaten, nicht als Unterbrechung auszugehen”, findet im TV BZ Chemie keinerlei Stütze. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nochmals auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen, insbesondere auf dessen Seiten 7 und 8. Aufgrund des Berufungsvorbringens sind keine weiteren Ausführungen veranlasst.

b) Auch die Bezugnahme der Klägerin auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. September 2007 – 4 AZR 670/06- rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Denn das Arbeitsgericht hat bei der Auslegung von § 2 Abs. 2 TV BZ Chemie zutreffend die dazu ergangene Protokollnotiz Nr. 2 berücksichtigt.

Aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. September 2007 ergibt sich gerade nicht, dass Protokollnotizen nicht zumindest bei der Auslegung von Tarifverträgen heranzuziehen sind. Inhaltlich beschäftigt sich dieses Urteil mit der Frage, dass die Protokollnotiz zu einem bestimmten Tarifvertrag, die ausdrücklich mit diesem Tarifvertrag gekündigt worden ist, nur dann zum Inhalt des daraufhin später vereinbarten Folgetarifvertrages wird, wenn sie dort Eingang in den Vertragstext gefunden hat oder zumindest eine ausdrückliche Verweisung auf sie erfolgt ist (BAG 19. September 2007 -4 AZR 670/06- Leitsatz 2, BAGE 124, 110). Sowohl aus der zitierten Entscheidung als auch aus weiteren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ergibt sich, dass Protokollnotizen zu einem bestimmten Tarifvertrag eigenständiger Teil des Tarifvertrages im Sinne einer tariflichen Inhaltsnorm nach § 1 Abs. 1 TVG sein können oder lediglich bei der Auslegung der tariflichen Regelung zu berücksichtigen sind (vgl. z.B. BAG 13. November 2014 -6 AZR 1102/12- Rn. 28ff, zitiert nach , zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen; BAG 19. September 2007 -4 AZR 670/06- Rn. 29ff, BAGE 124, 110).

c) Auch soweit die Klägerin weiterhin meint, die Beklagte schulde ihr für September 2012 “für 35 Stunden Krankheitslohn” den 50%igen Branchenzuschlag von 3,69 Euro brutto pro Stunde, vermag sich das Berufungsgericht dem nicht anzuschließen.

Gesonderte Ausführungen des Berufungsgerichts sind dazu -mangels neuer Argumente der Klägerin- nicht veranlasst.

C. Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels hat die Klägerin zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Schlagworte

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