LAG Hessen, 16.07.2015 – 12 Ta 510/14

April 22, 2019

LAG Hessen, 16.07.2015 – 12 Ta 510/14

Wurde eine Mitarbeiterin zunächst als angestellte Steuerberaterin beschäftigt und dann für mehrere Jahre zur Geschäftsführerin der Steuerberatungsgesellschaft ernannt und verpflichtet sich die Schuldnerin durch Anerkenntnisurteil nach Beendigung der gesamten Tätigkeit ohne Nennung eines konkreten Zeitraums dazu, ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen, dann ist der entsprechende Titel so auszulegen, dass der Schuldnerin die Verpflichtung auferlegt wurde, das Zeugnis für die gesamte Dauer der Mitarbeit – unabhängig von jeweiligen vertraglichen Status – zu erteilen.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 09.09.2014 – 11 Ca 9304/13 – aufgehoben.

Gegen die Schuldnerin wird zur Erzwingung der Verpflichtung aus dem Teil-Anerkenntnisurteil vom 18.02.2014 – Az.: 11 Ca 9304/13, nämlich der Gläubigerin ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis auszustellen und zu übersenden ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 € verhängt.

Für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, wird für je 250,3 € ein Tag Zwangshaft festgesetzt, zu vollziehen an dem Geschäftsführer A.

Die Vollstreckung der Zwangsmittel entfällt, sobald die Schuldnerin der Verpflichtung nachkommt.

Die Schuldnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Gläubigerin wendet sich mit ihrer am 12.09.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen einen ihr am 10.09.2014 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 09.09.2014, mit dem ihr Antrag, die Schuldnerin zur Erfüllung der mit rechtskräftigem Anerkenntnisurteil vom 18.02.2014 ausgesprochenen Verpflichtung zur Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten Zeugnisses durch Verhängung eines Zwangsgeldes anzuhalten, zurückgewiesen worden ist.

Die Gläubigerin stand zur Schuldnerin unstreitig vom 01.10.2004 bis zum 24.02.2009, zuletzt als angestellte Steuerberaterin, in einem Arbeitsverhältnis. Dann wurde sie zur Geschäftsführerin der GmbH. Der vorbereitete Geschäftsführervertrag wurde nie unterzeichnet. Die Gläubigerin beendete das Rechtsverhältnis durch Eigenkündigung zum 28.02.2013. Am 07.03.2013 wurde sie laut Handelsregister als Geschäftsführerin abberufen. Am 20.12.2013 hat die Gläubigerin beim Arbeitsgericht Frankfurt Klage erhoben, mit der sie neben dem Zeugnisanspruch verschiedene Zahlungsansprüche geltend macht. Dort wird – derzeit in der Beschwerde – noch über den richtigen Rechtsweg für die Durchsetzung der Zahlungsansprüche gestritten.

Die Schuldnerin hat nach Erlass des Anerkenntnisurteils der Gläubigerin zunächst unter dem 18.07.2014 ein auf den 24.02.2009 datiertes Endzeugnis übersandt, in dem sie am Ende darauf hinweist, dass die Gläubigerin das Zeugnis anlässlich ihrer Bestellung zur Geschäftsführerin der Steuerberatungsgesellschaft erhalte. Mit Anschreiben vom 04.08.2014 übersandte die Schuldnerin ein weiteres Zeugnis, das in seinem Eingangssatz ergänzend den Hinweis enthielt, dass die Gläubigerin bis zum 24.02.2009 als angestellte Steuerberaterin tätig war.

Die Gläubigerin ist der Ansicht, dass erteilte Zeugnis erfülle die titulierte Verpflichtung nicht. Sie sei unstreitig vom 01.10.2004 bis zum 28.02.2013 bei der Schuldnerin beschäftigt gewesen. Das Zeugnis habe den gesamten Beschäftigungszeitraum abzudecken. Das sei notwendiger Bestandteil eines jeden Zeugnisses. Die Schuldnerin habe den Anspruch ohne jede zeitliche Einschränkung anerkannt und müsse ihn daher im Zeugnis berichtigen. Aus dem gleichen Grund komme es auch auf die rechtliche Qualität des Beschäftigungsverhältnisses seit der Geschäftsführerbestellung nicht an.

Die Schuldnerin ist der Ansicht, sie habe mit den erstellten und übersandten Zeugnissen den titulierten Zeugnisanspruch erfüllt. Die Forderung nach Erteilung eines Zeugnisses, das auch die Zeit als Geschäftsführerin abdeckt, habe inhaltliche Änderungen zum Ziel, die vom Titel nicht erfasst werden.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 62 Abs.2 S.1 ArbGG, 793 ZPO an sich statthaft und wurde gemäß § 569 Abs.1 ZPO innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Zwangsmittelbeschlusses eingelegt.

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Antrag auf Verhängung von Zwangsmitteln nach § 888 ZPO ist begründet, weil die Schuldnerin der Verpflichtung aus dem Anerkenntnis-Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18.02.2014 (11 Ca 9304/13) zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses bis heute nicht vollständig nachgekommen und somit keine Erfüllung (§ 362 BGB) eingetreten ist.

1. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung) liegen vor. Bei der hier titulierten Verpflichtung zur Zeugniserteilung handelt es sich um eine unvertretbare Handlung i. S. d. § 888 ZPO.

Der arbeitsgerichtliche Titel ist zur Vollstreckung auch geeignet. Der Titel vom 18.02.2014 ist dahin auszulegen, dass die Schuldnerin sich zur Erstellung eines Zeugnisses ohne Einschränkung auf einen bestimmten Zeitraum oder eingeschränkt auf die Beschäftigung der Gläubigerin als Arbeitnehmerin bis zum 24.02.2009 verpflichtet hat. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Verpflichtung aus dem Titel den gesamten Zeitraum der Beschäftigung, sei es im Rahmen eines Arbeitsvertrages, sei es im Rahmen eines Dienstvertrages, umfasst. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Gläubigerin nur ein Zeugnis für die Dauer ihrer Tätigkeit als angestellte Steuerberaterin erstreiten wollte. Darüber hinaus verpflichtet der Inhalt des Titels die Schuldnerin in keiner Weise zur Erteilung eines Zeugnisses mit einem bestimmten Inhalt. Das zu erteilende qualifizierte Zeugnis muss lediglich Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit sowie zur Führung und Leistung der Gläubigerin enthalten. Die weitere Formulierung des Zeugnisses ist dem Schuldner überlassen.

Ob die Verpflichtung zur Zeugniserteilung auch für die Zeit der Geschäftsführertätigkeit vom 25.02.2009 bis 28.02.2013 besteht, muss auch nicht erst im Erkenntnisverfahren geprüft werden, denn es bedarf dafür der Feststellung, ob die Gläubigerin in diesem Zeitraum als Arbeitnehmerin oder im Rahmen eines freien Dienstvertrags nach § 611 BGB tätig war, nicht. Auch dem Geschäftsführer einer GmbH steht gleichermaßen ein Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses zu. Dieser folgt zwar nicht, wie für den Arbeitnehmer, aus § 109 GewO, sondern aus § 630 BGB (BAG 13.02.2003 – 8 AZR 654/01 unter Berufung auf BGH 09.11.1967 – II ZR 64/67 – BGHZ 49, 30; Scholz/Schneider GmbH-G § 35 Rz. 244).

2. Die Schuldnerin kann nicht mit Erfolg einwenden, dass sie die Verpflichtung zur Zeugniserteilung bereits erfüllt habe; denn sie ist ihrer Verpflichtung zur Zeugniserteilung für den gesamten Zeitraum der Beschäftigung der Gläubigerin als Geschäftsführerin bislang unstreitig nicht nachgekommen, sondern hat das Zeugnis auf die Dauer der unstreitigen Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschränkt.

Die Schuldnerin hat gem. § 91 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 78 S.2, 72 Abs.2 ArbGG) war nicht ersichtlich.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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