LAG Hessen, 17.07.2015 – 14 Sa 977/14

April 22, 2019

LAG Hessen, 17.07.2015 – 14 Sa 977/14
Leitsatz:

1.

Hat das Arbeitsgericht rechtskräftig entschieden, dass eine außerordentliche, fristlose Kündigung mangels wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB und wegen Verstoßes gegen § 626 Abs. 2 BGB unwirksam ist, ist dies präjudiziell betreffend eine in erster Instanz nicht geprüfte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist, die am gleichen Tag ausgesprochen wurde und mit den gleichen Gründen begründet wurde.
2.

Der Personalrat ist nicht ordnungsgemäß angehört, wenn ihm keine Tatsachen mitgeteilt worden sind, die ihn in Stand setzen, zu prüfen, ob die Kündigungserklärungsfrist gem. § 626 Abs. 2 BGB mit der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung noch eingehalten werden kann.
3.

Wird der Personalrat zu einem Kündigungssachverhalt objektiv wahrheitswidrig angehört und liegt eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers diesen Sachverhalt betreffend nicht vor, führt dies auch dann zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 108 Abs. 2 BPersVG, wenn die fehlerhafte Anhörung nicht vorsätzlich erfolgte. Dies gilt auch dann, wenn der Personalrat noch zu anderen Kündigungsgründen angehört wurde, jedenfalls, wenn die objektiv falsche Tatsachenmitteilung potentiell die Willensbildung des Personalrats beeinflusst hat (kein tragender Entscheidungsgrund).

Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 18. Juni 2014 – 5 Ca 428/13 – wird teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 10. Oktober 2013 noch durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten mit sozialer Auslauffrist vom 5. September 2013 aufgelöst worden ist.

Es wird festgestellt, dass die Änderung derArbeitsbedingungen durch die hilfsweise ausgesprocheneaußerordentliche Änderungskündigung mit Auslauffrist vom 5. September 2013 unwirksam ist.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen außerordentlichen fristlosen Kündigung, einer arbeitgeberseitigen außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist und einer hilfsweise außerordentlichen Änderungskündigung mit Auslauffrist.

Die beklagte Stadt betreibt eine Musikschule. Sie ist Mitglied beim kommunalen Arbeitgeberverband und wendet auf die bei ihr bestehenden Arbeitsverhältnisse die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes an. Bei ihr ist ein Personalrat gebildet.

Der am xx. xx 1954 geborene Kläger ist aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrags vom 2. November 1988 (Bl. 5 ff d.A.) seit dem 1. Januar 1989 bei der Beklagten als Leiter der Musikschule zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von zuletzt ca. 4.100,00 EUR brutto beschäftigt. Er unterrichtete im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beklagte u.a. an der A-Schule (künftig: A). Neben seiner Tätigkeit als Leiter der Musikschule und außerhalb seines Arbeitsvertrags mit der Beklagten erteilte der Kläger mit Unterbrechungen seit vielen Jahren als Honorarkraft Musikunterricht an der B-Schule (künftig: B).

Bereits im Frühjahr 1991 war der Kläger von dem damaligen Bürgermeister der Beklagten ermahnt worden, dass er seine Nebentätigkeiten genehmigen lassen müsse. Im Mai 1994 zeigte der Kläger der Beklagten an, dass er im Rahmen eines Europaschulprojekts einer Unterrichtsstätigkeit an der B nachgehe (Bl. 73 d.A.). Auf Nachfrage der Beklagten aus dem Jahr 1996 betreffend ausgeübte Nebentätigkeiten erklärte der Kläger, ausschließlich die bereits bekannte Nebentätigkeit bei der B auszuüben.

Auch in der Folgezeit wurde der Kläger mehrfach schriftlich aufgefordert, ausgeübte Nebentätigkeiten anzuzeigen. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2004 (Bl. 88, 89 d.A.) beantragte er die Genehmigung für seine musikalische Arbeit in einer Band und die ehrenamtliche Tätigkeit im C (C) als Landesvorsitzender. Er gab hierbei an, weitere genehmigungspflichtige oder anzeigepflichtige Nebentätigkeiten, die im selben Zeitraum lägen, übe er nicht aus.

Mit Schreiben vom 9. Februar 2005 (Bl. 90 d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass beide Nebentätigkeiten – musikalische Arbeit in einer Band und ehrenamtliche Tätigkeit im C – nicht genehmigungspflichtig seien, er seiner Anzeigepflicht mit dem Schreiben vom 13. Dezember 2004 aber genügt habe.

Mit Schreiben vom 10. August 2005 (Bl. 93,94 d.A.) untersagte die Beklagte dem Kläger die Nebentätigkeit beim C, weil er diese Tätigkeit betreffende Aufgaben während seiner Arbeitszeit als Leiter der Musikschule wahrgenommen habe.

Der Kläger schloss am 1. September 2006 mit dem Förderverein der B einen “Honorarvertrag Gitarren AG” für die Schuljahre 2006 und 2007 ab.

Unter dem 10. April 2008 erfolgte eine allgemein gehaltene Nebentätigkeitsanzeige des Klägers für “Projekte an D Schulen”. Das Hauptamt der Beklagten teilte dem Kläger mit Schreiben vom 10. Mai 2008 mit, der Antrag könne mangels konkreter Angaben nicht bearbeitet werden. Eine Reaktion des Klägers hierauf erfolgte nicht.

Auch für die Schuljahre 2008/2009, 2010/2011, 2011/2012 und 2012/2013 schloss der Kläger Honorarverträge mit der B, ohne dies der Beklagten anzuzeigen.

Mit Schreiben vom 30. September 2013 (Bl. 68 d.A.) übersendete die B an die Beklagte Unterlagen die Nebentätigkeit des Klägers bei ihr betreffend, nämlich Honorarverträge seit dem Schuljahr 2006/2007, Stundenzettel und Abrechnungen.

Der Text des Schreibens lautet:

” (…) anbei erhalten Sie die gewünschten Unterlagen.”

Der Dienststellenleitung der Beklagten wurden Kooperationsverträge vom 6. Juni 2012, vom 20. Juni 2012 und vom 10. Oktober 2012 bekannt, die der Kläger mit verschiedenen Schulen im Rahmen des Projekts “Jedem Kind ein Instrument (Jeki) 2.0.” (künftig: Jeki 2.0.) geschlossen hatte. Mit diesen Verträgen ging der Kläger zulasten des Budgets der Musikschule Unterrichtsverpflichtungen ein.

Die Beklagte mahnte den Kläger im Laufe des Arbeitsverhältnisses mehrfach wegen unterschiedlicher Sachverhalte ab. Unter dem Datum des 3. Dezember 2012 erteilte sie dem Kläger eine Abmahnung wegen Verstoßes gegen seine Rücksichtnahme- und Treuepflichten im Zusammenhang mit einer öffentlichen Äußerung des Klägers zur Erhöhung der Musikschulgebühren. Wegen des Inhalts der Abmahnung wird auf Bl. 62,63 d.A. Bezug genommen.

Der Kläger nimmt wegen seiner unterschiedlichen Einsatzorte nicht an einer automatischen Zeiterfassung der Beklagten teil, sondern fertigt selbstständig Arbeitszeitaufzeichnungen auf Monatsformularen der Beklagten, die auch für die Feststellung etwa seiner Überstunden und den diese betreffenden Freizeitausgleich maßgeblich sind. Insofern wurden von der Beklagten mehrfach Vorwürfe erhoben und auch Abmahnungen erteilt, die die Frage der ordnungsgemäßen Arbeitszeiterfassung betrafen.

Im Rahmen dieser Aufzeichnungen berücksichtigte der Kläger jedenfalls im Jahr 2011/2012 die Fahrtzeit von etwa 10 Minuten (einfache Fahrt) zu seiner Nebentätigkeit bei der B nicht als die Arbeitszeit mindernd, sondern stellte sie unzutreffend als Arbeitszeit für die Beklagte dar.

Die B-Schulleitung benannte der Beklagten als Unterrichtszeit des Klägers bei ihr im Schuljahr 2011/2012 die Zeit von 13.35 bis 15.15 montags. Unter dem 6. Mai 2014 (Bl. 440 d.A.) bestätigte die A schriftlich, dass der Kläger im Schuljahr 2011/2012 montags in der Zeit von 13.30 bis 15.00 und donnerstags in der Zeit von 13.30 bis 15.00 bei ihr Gitarrenunterricht erteilt hat und dass die Anmeldung und Vertragsgestaltung insofern ausschließlich über die Musikschule der Beklagten ablief.

Der Kläger notierte in seiner Arbeitszeiterfassung auch diejenigen Unterrichtsstunden für die Beklagte als Arbeitszeit, die nicht stattfanden, weil der Schüler nicht erschien.

Am 2. August 2013 stellte sich bei einem Gespräch zwischen dem Amtsleiter der Beklagten E und der Musikschullehrerin F heraus, dass Frau F 63,90 EUR Auslagenersatz für Schulmaterialien noch nicht vom Kläger erstattet erhalten hatte, obgleich diesem der entsprechende Betrag auf seine Anmeldung hin bereits am 15. März 2013 von der Stadtkasse ausgezahlt worden war. Als der Kläger auf diesen Sachverhalt angesprochen wurde, entschuldigte er sich, er habe die Zahlung an Frau F vergessen und gab das Geld an diese weiter.

Der Kläger wurde am 27. August 2013 vom Dienst suspendiert.

Unter dem 3. September 2013 unterrichtete die Beklagte den Personalrat und die Frauenbeauftragte über die beabsichtigte außerordentliche fristlose, hilfsweise mit Auslauffrist auszusprechende Kündigung des Klägers sowie über die geplante äußerst hilfsweise außerordentliche Änderungskündigung mit Auslauffrist. Wegen des Inhalts des Unterrichtungsschreibens an den Personalrat wird auf Bl. 283 d.A. Bezug genommen. Die Frauenbeauftragte stimmte den beabsichtigen Beendigungskündigungen mit Schreiben vom 5. September 2013 (Bl. 64 d.A.) zu und erhob gegen die geplante äußerst hilfsweise Änderungskündigung Bedenken. Der Personalrat erklärte mit Schreiben vom 5. September 2013 (Bl. 65 d.A.), er erhebe keine Bedenken gegen die außerordentliche fristlose Kündigung des Klägers und stimme einer hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist sowie einer äußerst hilfsweisen außerordentlichen Änderungskündigung zu.

Mit Schreiben vom 5. September 2013, dem Kläger zugegangen am folgenden Tag, kündigte die Beklagte dem Kläger das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. März 2014 und sprach äußerst hilfsweise eine außerordentliche Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31. März 2014 aus. Das Änderungsangebot war auf den Wegfall der Leitungsfunktion und eine Herabgruppierung in die Entgeltgruppe 9 TVÖD gerichtet.

Das Kündigungsschreiben lautet auszugsweise:

“(…) Sie unterrichten zumindest seit Schuljahr 2011/2012 heimlich an der B-Schule (-B-) als freie Honorarkraft gegen Entgelt (während der üblichen Arbeitszeit Ihrer Musikschule). (…)”

Wegen der Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Abschrift des Kündigungsschreibens verwiesen (Bl. 7 ff. d.A.).

Der Kläger nahm das im Zusammenhang mit der Änderungskündigung ausgesprochene Angebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung mit Schreiben vom 20. September 2013 an (Bl. 12 d.A).

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2013 hörte die Beklagte den Personalrat zu einer beabsichtigten weiteren außerordentlichen fristlosen Kündigung des Klägers an. Als Kündigungsgrund waren dort ua. nicht genehmigte Nebentätigkeiten des Klägers in Form des Gitarrenunterrichts an der B ab 2006 genannt, die der Kläger in wirtschaftlicher Konkurrenz zu der Beklagten ausgeführt habe.

Die Anhörung lautet auf Seite 3 auszugsweise:

“(…) Es stellte sich jedoch heraus, dass er selbst bereits seit Schuljahr 2006/2007 heimlich an der B-Schule (-B1) als freie Honorarkraft gegen Entgelt unterrichtet (während der üblichen Arbeitszeit für seine Musikschule). Das Geld für die wöchentlichen Unterrichtsstunden vereinnahmte er vollständig für sich. (…)”

Im Folgenden enthält die Anhörung eine Tabelle, die für die Schuljahre 2006/2007 bis 2012/2013 jeweils die Honorarverträge, das Stundenhonorar, die Form der Bezahlung und das Gesamthonorar aufführt. Wann, wie und aufgrund welcher Nachforschungen die Beklagte von dieser Nebentätigkeit erfuhr, ist der Anhörung nicht zu entnehmen.

Als weiteren Kündigungsgrund nennt die Anhörung vom 8. Oktober 2013 Arbeitszeitbetrug des Klägers durch dienstliches Geltendmachen von privater An-/Abfahrtszeit für die unangemeldete Nebentätigkeit an der B und von Honorartätigkeit. Neben der Auflistung von jeweils 20 Minuten Fahrzeit pro an der B geleisteter Unterrichtsstunde, die der Kläger sich auf seinem Arbeitskonto für die Beklagte gut geschrieben habe, habe dieser im Jahr 2011/2012 auch bei der B geleistete Unterrichtsstunden als dienstliche Unterrichtszeit bei der Beklagten erfasst, woraus sich ein weiterer Arbeitszeitbetrug im Umfang von 2981 Minuten ergebe.

Schließlich führt die Anhörung als Kündigungsgrund die Eintragung nichtgehaltenen Unterrichts in der G-Schule als Arbeitszeit am 28. August 2013, dem Tag der Suspendierung des Klägers, auf.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Anhörung wird auf Bl. 292 d.A. Bezug genommen.

Der Personalrat erklärte nach der Erörterung der Kündigung im Monatsgespräch mit der Dienststellenleitung am 10. Oktober 2013 dem Bürgermeister der Beklagten, er erhebe keine Bedenken gegen die beabsichtigte Kündigung.

Mit Schreiben vom 10. Oktober 2013, das dem Kläger am folgenden Tag zuging, sprach die Beklagte dem Kläger gegenüber eine weitere fristlose außerordentliche Beendigungskündigung aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Abschrift des Kündigungsschreibens verwiesen (Bl. 28 ff. d.A.).

Mit Schriftsatz vom 20. September 2013, bei dem Arbeitsgericht Darmstadt eingegangen am 24. September 2013 und der Beklagten zugestellt am 2. Oktober 2013, erhob der Kläger Kündigungsschutzklage gegen die Kündigungen vom 5. September 2013. Mit am 30. Oktober 2013 beim Arbeitsgericht eingegangener Klagerweiterung, der Beklagten zugestellt am 4. November 2013, wendete sich der Kläger auch gegen die Kündigung vom 10. Oktober 2013.

Der Kläger hat die ausgesprochenen Kündigungen für unwirksam gehalten. Er hat behauptet, er habe weder eine ungenehmigte Nebentätigkeit ausgeübt noch stelle sich die von ihm ausgeübte Nebentätigkeit als Konkurrenztätigkeit dar. Insbesondere sei er an der B nicht “heimlich” tätig gewesen, sondern seine Unterrichtserteilung dort sei der Beklagten bekannt und auch in ihrem Sinne gewesen. Eine wirtschaftlich sinnvolle Unterrichtserteilung an der B über die Beklagte selbst sei nicht möglich gewesen, weshalb diese von seinem Engagement dort eher profitiert habe.

Der Kläger hat betreffend die von ihm abgeschlossenen Kooperationsverträge im Hinblick auf das Projekt “Jeki 2.0.” behauptet, er habe er keine Kompetenzen überschritten. Zudem sei keine Vermögensgefährdung eingetreten.

Er habe auch keinen Arbeitszeitbetrug und keine Unterschlagung begangen. Soweit er in den Arbeitszeitaufzeichnungen – unstreitig – seine Fahrtzeit an die B als Arbeitszeit dargestellt habe, sei dies aus Unachtsamkeit erfolgt. Er habe jedoch keine an der B erteilten Unterrichtsstunden als Arbeitszeit für die Beklagte verbucht. Soweit die Beklagte dies für das Jahr 2011/2012 annehme, beruhe dies offenbar darauf, dass sie die Arbeitszeiten an der A mit denen an der B verwechselt habe. Dies betreffe die Montagsunterrichte, für die er daher auch zu Recht die Wegezeiten in seine Arbeitszeitaufzeichnung übernommen habe. Tatsächlich beschränke sich sein Fehler bei der Arbeitszeitaufzeichnung auf 590 Minuten. Im Übrigen seien auch der Beklagten vielfältige Fehler bei seiner Arbeitszeiterfassung unterlaufen, für die er dieser auch keinen Vorsatz unterstelle. Da alle Lehrer, auch er selbst, nach Deputatsstunden vergütetet würden, sei es auch korrekt, dass er Unterrichtsstunden, zu denen keiner erschien, als Arbeitszeit dargestellt habe.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei durch die Beklagte auch betreffend die Kündigung vom 10. Oktober 2013 nicht eingehalten worden. Insoweit handele es sich bei ihrem Beweisangebot auf Seite 3 ihres Schriftsatzes vom 12. Dezember 2013 um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis.

Der Kläger hat beantragt,

1.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche fristlose Beendigungskündigung der Beklagten vom 5. September 2013 nicht beendet ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;
2.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Beendigungskündigung mit sozialer Auslauffrist vom 5. September 2013 nicht zum 31. März 2014 beendet worden ist, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;
3.

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die “äußerst hilfsweise” außerordentliche Änderungskündigung vom 5. September 2013 mit sozialer Auslauffrist unwirksam und im Übrigen sozial ungerechtfertigt ist und das Arbeitsverhältnis der Parteien über den Ablauf der Auslauffrist am 31. März 2014 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;
4.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 10. Oktober 2013 – zugegangen beim ihm am 11. Oktober 2013 – beendet ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die außerordentlichen fristlosen, jedenfalls aber die hilfsweise mit Ausschlussfrist ausgesprochene Beendigungskündigung für wirksam gehalten. Sie hat die Meinung vertreten, die Nebentätigkeit des Klägers an der B habe Konkurrenztätigkeit dargestellt, da der von ihm abgehaltene Musikschulunterricht auch über die Musikschule hätte abgewickelt werden können.

Sie hat behauptet, der Kläger habe teilweise – etwa im Schuljahr 2011/2012 – die Zeit, die er mit Nebentätigkeiten verbracht habe, in seinen Arbeitszeitaufzeichnungen als Arbeitszeit für die Beklagte verbucht. Im Rahmen des Projektes “Jeki 2.0.”, von dem sie keine Kenntnis gehabt habe, sei der Kläger in Überschreitung seiner Kompetenzen und ohne die entsprechenden Genehmigungen tätig geworden, habe ihr Vermögen gefährdet und damit das in ihn gesetzte Vertrauen missbraucht. Weiter hat sie die Ansicht vertreten, im Zusammenhang mit dem nicht an Frau F weitergeleiteten Geld habe der Kläger eine versuchte Unterschlagung begangen.

Jedenfalls hält die Beklagte die äußerst hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung für wirksam, da ihr zumindest die Beschäftigung des Klägers als Leiter der Musikschule nicht mehr zumutbar sei.

Das Arbeitsgericht Darmstadt hat der Klage durch Urteil vom 14. Juni 2014 insoweit stattgegeben, als es festgestellt hat, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 5. September 2013 nicht aufgelöst worden. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Das Arbeitsgericht hat angenommen, die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 5. September 2013 könne nicht auf eine nicht angezeigte Neben- und Konkurrenztätigkeit des Klägers bei der B seit dem Schuljahr 2011/2012 gestützt werden, weil insofern nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten habe. Die von der Beklagten angenommene versuchte Unterschlagung im Hinblick auf den Auslagenersatz für Frau B stelle keinen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB dar, weil die unterbliebene Weitergabe des Geldes ebenso gut auf fahrlässigem Verhalten beruhen habe könne. Auch der Vorwurf der Beklagten des eigenmächtigen Verhaltens des Klägers im Hinblick auf das Projekt “Jeki 2.0.” reiche nicht aus, einen wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Dies begründet das Arbeitsgericht damit, dass gar nicht absehbar sei, ob der Beklagten durch das Verhalten des Klägers ein Schaden entstanden sei. Es fehle aber zudem an einer einschlägigen Abmahnung. Schließlich habe der Beklagten das mildere Mittel einer Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist zur Verfügung gestanden. Deren Wirksamkeit hat das Arbeitsgericht offengelassen und dies damit begründet, das Arbeitsverhältnis sei jedenfalls durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10. Oktober 2013 zum 11. Oktober 2013 aufgelöst worden. Ein wichtiger Grund liege insoweit vor, weil der Kläger bereits in der Zeit von 2006 bis zum Schuljahr 2010/2011 Privatunterricht im Rahmen der Gitarren-AG an der B erteilt habe. Dies vermöge die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen, weil der Kläger zuvor im Schreiben vom 13. Dezember 2004 ausdrücklich mitgeteilt habe, keine andere Nebentätigkeit als die dort angezeigte auszuüben und die Beklagte daher nicht mit Blick auf ihr Schreiben vom 1994 davon habe ausgehen müssen, der Kläger sei weiterhin an der B tätig.

Wegen der Begründung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung und des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die angegriffene Entscheidung verwiesen (Bl. 460 – 463 d.A.).

Der Kläger hat gegen das ihm am 25. Juni 2014 zugestellte Urteil am 24. Juli 2014 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25. September 2014 mit am 25. September 2014 eingegangener Berufungsbegründungsschrift begründet.

Der Kläger rügt, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass betreffend die Kündigung vom 10. Oktober 2013 die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 und Abs. 2 BGB erfüllt seien. Es habe übersehen, dass sich die Kündigung vom 5. September 2013 hinsichtlich der Nebentätigkeit bei der B auch auf den vor dem Schuljahr 2011/2012 liegenden Zeitraum beziehe, wenn es dort heißt, der Kläger sei “mindestens seit 2011/2012” dort tätig gewesen. Dementsprechend sei für den Gesamtkomplex “Konkurrenztätigkeit” die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB längst verstrichen gewesen, als die Kündigung vom 10. Oktober 2013 ausgesprochen worden sei. Weiterhin ist der Kläger unverändert der Ansicht, es habe sich bei der Tätigkeit des Klägers für die B nicht um Konkurrenztätigkeit gehandelt und er habe diese Nebentätigkeit auch keineswegs heimlich durchgeführt, sondern sie als genehmigt angesehen. Jedenfalls aber sei aufgrund der durchzuführenden Interessenabwägung angesichts seiner langen Beschäftigungsdauer und seiner Verdienste für die Musikschule die ausgesprochene Kündigung vom 10. Oktober 2013 als unwirksam anzusehen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 18. Juni 2014 – 5 Ca 428/13 – teilweise abzuändern und

1.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 10. Oktober 2013 noch durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten mit sozialer Auslauffrist vom 5. September 2013 aufgelöst worden ist;
2.

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die hilfsweise ausgesprochene außerordentliche Änderungskündigung vom 5. September 2013 unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Dabei vertritt sie die Ansicht, das Arbeitsgericht habe zutreffend einen die außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB angenommen. Es habe sich bei der Tätigkeit für die B um Konkurrenztätigkeit gehandelt und der Kläger habe auch nicht davon ausgehen können, dass sie mit dieser einverstanden sei. Das Arbeitsgericht habe die Interessenabwägung korrekt vorgenommen, da mit dem Kläger zwar ein langjähriges, aber kein unbelastetes Arbeitsverhältnis bestehe. Die Kündigungserklärungsfrist sei nicht verletzt, weil die Kündigungen vom 5. September 2013 und vom 10. Oktober 2013 auf einem unterschiedlichen Kenntnisstand ihrerseits die Nebentätigkeit des Klägers an der B betreffend beruht hätten und sie von den Honorarverträgen seit 2006 erst durch das Schreiben der B vom 30. September 2013 erfahren habe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Formulierung “zumindest seit Schuljahr 2011/2012” im Kündigungsschreiben vom 5. September 2013. Ein einheitlicher Kündigungssachverhalt liege den jeweils ausgesprochenen Kündigungen im Hinblick auf die Nebentätigkeit des Klägers nicht zugrunde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 5. Juni 2015 verwiesen.
Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Klägers ist statthaft, §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 c) ArbGG, 511 ZPO. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.

II.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1.

Die Beendigungsschutzklage ist zulässig und begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 10. Oktober 2013 noch durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten mit sozialer Auslauffrist vom 5. September 2013 aufgelöst worden.

a) Die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 10. Oktober 2013 ist gem. § 626 Abs. 2 BGB und gem. § 78 Abs. 2 HPVG iVm. § 108 Abs. 2 BPersVG unwirksam.

aa) Die Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist zu prüfen, da der Kläger innerhalb der Dreiwochenfrist der §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben hat und diese demnächst iSd. § 167 ZPO zugestellt worden ist. Gleiches gilt für die Frage der ordnungsgemäßen Personalratsanhörung.

bb) Hinsichtlich des Kündigungsvorwurfs der Nebentätigkeit des Klägers seit dem Jahr 2006 für die B ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten hat.

(1) Die Frist § 626 Abs. 2 BGB beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (BAG 20. März 2014 – 2 AZR 1037/12 – mwN, Juris).

(2) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist der Kündigungsberechtigte für die Einhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB darlegungs- und beweispflichtig (vgl. BAG 1. Februar 2007 – 2 AZR 333/06 -mwN, NZA 2007, 744 [BAG 01.02.2007 – 2 AZR 333/06]). Derjenige, der eine Kündigung aus wichtigem Grund ausspricht, muss darlegen und ggf. beweisen, dass er von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erst innerhalb der letzten zwei Wochen vor ihrem Ausspruch erfahren hat. Hierzu genügt es nicht, wenn der Kündigende allgemein vorträgt, er kenne die Kündigungsgründe nicht länger als zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung. Er muss vielmehr die Umstände schildern, aus denen sich ergibt, wann und wodurch er von den maßgebenden Tatsachen erfahren hat. Um den Zeitpunkt, in dem der Wissensstand des Kündigungsberechtigten ausreicht, bestimmen zu können, und um es dem Gekündigten zu ermöglichen, die behauptete Schilderung zu überprüfen und gegebenenfalls qualifiziert zu bestreiten, muss grundsätzlich angegeben werden, wie es zu der Aufdeckung des Kündigungsgrundes gekommen sein soll. Hat der Kündigungsberechtigte noch Ermittlungen durchgeführt, muss er hierzu weiter darlegen, welche Tatsachenbehauptungen unklar und daher ermittlungsbedürftig waren, und welche – sei es auch nur aus damaliger Sicht – nötigen weiteren Ermittlungen er zur Klärung der Zweifel angestellt hat (BAG 1. Februar 2007 – 2 AZR 333/06 -a.a.O.).

(3) Legt man diese Maßstäbe zugrunde, reicht der Vortrag der Beklagten hinsichtlich ihrer Kenntniserlangung betreffend die Nebentätigkeit des Klägers an der B seit dem Schuljahr 2006 entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht aus. Die Kammer kann nicht feststellen, dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB erst am 30. September 2013 zu laufen begann, weil die Beklagte davor aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchgeführt hat, die ihr eine umfassende Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Die Beklagte hat zwar mitgeteilt, von der Nebentätigkeit des Klägers durch das Schreiben der B vom 30. September 2013 erfahren zu haben. Sie hat jedoch auch vorgetragen, ihre Nachforschungen im Vorfeld der Kündigung vom 5. September 2013 hätten bereits ergeben, dass der Kläger “zumindest seit dem Schuljahr 2011/2012” als freie Honorarkraft gegen Entgelt bei der B als Musiklehrer tätig war. Dies entspricht ihren Angaben im Kündigungsschreiben und in der Personalratsanhörung. Wann die Beklagte von der Nebentätigkeit des Klägers als Honorarkraft bei der B betreffend das Schuljahr 2011/2012 erfahren hat, ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen. Sie ist deshalb hinsichtlich der fristlosen Kündigung vom 5. September 2013 vor dem Arbeitsgericht unterlegen, weil dieses von einer Verletzung der Kündigungserklärungsfrist ausgegangen ist. Hiergegen hat sich die Beklagten nicht gewendet. Insofern muss die Kammer davon ausgehen, dass der Beklagten bereits deutlich vor dem Zugang der ersten Kündigung vom 5. September 2013, jedenfalls aber am 5. September 2013 Hinweise darauf vorlagen, dass der Kläger bereits vor dem Schuljahr 2011/2012 an der B tätig war. Welche Ermittlungen sie daraufhin wann angestellt hat und aufgrund welcher Aktivitäten der Beklagten es zu der Übersendung des Schreibens durch die B vom 30. September 2013 kam, hat die Beklagte nicht dargelegt. Diesem Schreiben ist jedoch zu entnehmen, dass sich die Beklagten an die B gewandt und um die Übersendung der Unterlagen gebeten hatte. Auch dies zeigt, dass ein entsprechender konkreter Verdacht bereits vor dem 30. September 2013 bestand.

Ein gerichtlicher Hinweis auf den fehlenden Vortrag der Beklagten zur Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist betreffend die Nebentätigkeit des Klägers seit dem Jahr 2006 gem. § 139 ZPO war nicht erforderlich, nachdem der Kläger den Vortrag der Beklagten zu den angestellten Nachforschungen bereits erstinstanzlich als unzureichend gerügt und geltend gemacht hat, das diesbezügliche Beweisangebot verbiete sich als Ausforschungsbeweis und in der Berufung erneut gerügt hat, die Ausschlussfrist sei auch betreffend die Nebentätigkeit ab dem Jahr 2006 nicht eingehalten.

cc) Auch im Hinblick auf den Kündigungsgrund der fehlerhaften Aufzeichnung der Arbeitszeit durch den Kläger, weil er in seinem Arbeitszeitnachweis die Fahrtzeiten zur B als Arbeitszeit verbucht hat, hat die Beklagte keine Tatsachen vorgetragen, die es ermöglichen, zu überprüfen, ob die Frist nach § 626 Abs. 2 BGB eingehalten wurde. Wie und wann die Beklagte Hinweise darauf hatte, dass der Kläger ab dem Jahr 2006 eine Nebentätigkeit ausübte und die insofern anfallenden Fahrtzeiten nicht bei seiner Arbeitszeiterfassung berücksichtigte, hat sie nicht vorgetragen.

dd) Die Kündigung ist auch nicht im Hinblick auf den Arbeitsnachweis des Klägers betreffend den 28. August 2013 wirksam, weil der Kläger dort Arbeitszeit an der G-Schule in seine Stundenaufstellung eintrug, die er in Wirklichkeit nicht geleistet hat.

(1) Insoweit fehlt es schon an einem wichtigen Grund iSd § 34 Abs. 2 TVÖD i.V.m. § 626 Abs. 1 BGB. Der Kläger hat seine Arbeitsleistung an diesem Tag nicht erbracht, weil er suspendiert worden war. Abgesehen davon, dass die Beklagte nicht behauptet hat, dass die Eintragung der Arbeitsstunden nach der Suspendierung erfolgt ist, der Kläger also wissentlich nicht gehaltenen Unterricht nachträglich eingetragen hat, befand sich die Beklagte insofern in Annahmeverzug, so dass die fraglichen Stunden ohnehin zu vergüten waren und ein Arbeitszeitbetrug insofern nicht vorlag.

(2) Zudem muss die Kammer auch insoweit davon ausgehen, dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten wurde. Die Beklagte hat nicht dargelegt, wann sie von der Eintragung der Arbeitszeit durch den Kläger Kenntnis erlangt hat.

ee) Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 10. Oktober 2013 ist zudem wegen fehlerhafter Anhörung des Personalrats gemäß § 78 HPVG Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 108 Abs. 2 BPersVG unwirksam. Eine ordnungsgemäße Anhörung ist zu keinem der in der Anhörung genannten Kündigungsgründe erfolgt, weil dem Personalrat nicht mitgeteilt wurde, wann der Kündigungsberechtigte von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Zudem ist die Anhörung insgesamt fehlerhaft, weil sie inhaltlich unzutreffende Vorwürfe erhebt, die von erheblichem Gewicht sind und die Entscheidung des Personalrats potentiell beeinflusst haben können.

(1) Gem. § 78 Abs. 2 Satz 1 HPVG ist der Personalrat vor außerordentlichen Kündigungen anzuhören. Wird die Personalvertretung nicht entsprechend der in den Landespersonalvertretungsgesetzen getroffenen Regelungen beteiligt, ist die Kündigung unwirksam. Der dies bestimmende § 108 Abs. 2 BPersVG ist unmittelbar in den Ländern anwendbar (BAG 27. Januar 2011 – 2 AZR 744/09 – EzA § 108 BPersVG Nr 6; BAG 27. November 2008 – 2 AZR 98/07 – NZA 2009, 604). Unwirksam ist die Kündigung dabei nicht nur, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Personalrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt, etwa nicht ordnungsgemäß informiert hat (BAG 27. November 2008 – 2 AZR 98/07 – a.a.O.; BAG 5. Februar 1981 – 2 AZR 1135/78 – EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 47; LAG Rheinland-Pfalz 3. Juli 2014 – 2 Sa 425/13 -Juris). Insoweit gelten die zur Betriebsratsanhörung gem. § 102 Abs. 1 BetrVG entwickelten Grundsätze in gleicher Weise im Rahmen des personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahrens (BAG 26. September 2002 – 2 AZR 424/01 – AP Nr. 37 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG 5. Februar 1981 -2 AZR 1135/78 – EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 47; LAG Nürnberg 22. Juni 2010 – 5 Sa 820/08 – Juris; LAG Schleswig-Holstein 19. Januar 2010 – 5 Sa 210/09 – Juris).

(2) Zur ordnungsgemäßen Anhörung des Mitbestimmungsorgans bei einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung hat der Arbeitgeber auch diejenigen Tatsachen mitzuteilen, die dieses benötigt, um zu beurteilen, ob die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB hinsichtlich der beabsichtigten Kündigung möglich ist (LAG Hamm 29. Mai 2009 – 13 Sa 1452/08 – Juris; LAG Hamm 19. Mai 2008 – 8 Sa 288/08 – Juris; zu § 103 BetrVG: Hess. LAG 28. August 2008 – 20 TaBV 244/07 – Juris; APS-Koch § 102 BetrVG Rz. 129), insbesondere also den Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund. Der Personalrat muss die Möglichkeit haben, gem. § 78 Abs. 2 Satz 3 HPVG Bedenken gegen die Wirksamkeit einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung zu äußern, wenn die Kündigungserklärungsfrist nicht mehr eingehalten werden kann, was voraussetzt, dass er vorab die entsprechenden Informationen erhalten hat (zur Anhörung nach § 102 BetrVGLAG Hamm 29. Mai 2009 – 13 Sa 1452/08 – Juris). Außerdem kann das Wissen betreffend den Zeitpunkt der Kenntniserlangung den Personalrat davon abhalten, vor Fristablauf eine abschließende Stellungnahme abzugeben und dem Arbeitgeber damit den Ausspruch der Kündigung innerhalb der Kündigungserklärungsfrist unwissentlich erst zu ermöglichen.

(3) Der schriftlichen Personalratsanhörung vom 8. Oktober 2013 ist betreffend keinen der dort genannten Kündigungsgründe zu entnehmen, wann der seitens der Beklagten Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Dass dem Personalrat eine entsprechende Mitteilung außerhalb der schriftlichen Personalratsanhörung gemacht wurde, hat die Beklagte nicht, auch nicht auf entsprechenden richterlichen Hinweis nach § 139 ZPO im Berufungstermin hin, behauptet.

(4) Die Personalratsanhörung vom 8. Oktober 2013 ist aber darüber hinaus inhaltlich teilweise unzutreffend. Die Beklagte gibt in ihr objektiv wahrheitswidrig an, der Kläger habe im Schuljahr 2011/2012 die Zeit, die er tatsächlich mit seiner Nebentätigkeit bei der B zugebracht hat, in seinen Arbeitszeitaufzeichnungen als Arbeitszeit angegeben und dem Personalrat damit eine schwerwiegende und uU. strafrechtlich relevante Pflichtverletzung des Klägers mitgeteilt, die der Kläger tatsächlich nicht begangen hat. Dies führt zur Unwirksamkeit der gesamten Anhörung.

(a) Die Behauptung, der Kläger habe in dem fraglichen Zeitraum montags auf eigene Rechung an der B unterrichtet, hat die Beklagte in zweiter Instanz nicht aufrechterhalten, nachdem der Kläger die Bestätigung der A vorgelegt hat, derzufolge er in diesem Zeitfenster bei dieser Unterricht auf Rechnung der Beklagten erteilt hat. Sie hat im Berufungstermin auch ausdrücklich erklärt, dem Kläger insoweit keinen Arbeitszeitbetrug mehr vorzuwerfen, was sich aus dem protokollierten Hinweis der Kammer ergibt.

(b) Die insofern falsche Unterrichtung des Personalrats führt zur Unwirksamkeit der Anhörung. Dabei kommt es nach Auffassung der Kammer nicht darauf an, ob die falsche Unterrichtung vorsätzlich erfolgte. Vielmehr gilt, dass – unabhängig von der Konstellation bewusst unrichtiger Darstellungen – nicht mehr von einer ordnungsgemäßen Anhörung gesprochen werden kann, wenn Gegenstand der Anhörung Mitteilungen sind, die aus Sicht des Arbeitgebers zum Kündigungsgrund gehören, aber nicht den objektiven Tatsachen entsprechen (LAG Hamm 5. August 2014 -7 Sa 206/14 – Juris). Soweit das Bundesarbeitsgericht darauf abstellt, bei nur vermeidbarer, nicht aber bewusster Fehlinformation des Betriebsrats sei der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit des § 2 Abs. 1 BetrVG nicht verletzt (BAG22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 86), mag dies zwar zutreffen. Aus dem fehlenden Unwerturteil über den Arbeitgeber jedoch die Unschädlichkeit der falschen Information für die Wirksamkeit der Kündigung abzuleiten, vermag nicht zu überzeugen. § 108 BPersVG bezweckt ebenso wie § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nicht die Sanktion unredlichen Verhaltens, sondern spricht eine Rechtsfolge für den Fall aus, dass das Mitbestimmungsorgan zu der beabsichtigten Kündigung mangels entsprechender Informationen nicht wie gesetzlich vorgesehen Stellung nehmen kann (auf den Zweck des § 102 BetrVG abstellend etwa auch Bader, FS J-H Bauer, S. 58). Der Zweck der Anhörung wird aber unabhängig davon vereitelt, ob der Arbeitgeber dem Mitbestimmungsorgan bewusst oder versehentlich eine falsche Tatsachengrundlage für seine Stellungnahme verschafft hat (so auch HaKo-Nägele § 102 BetrVG Rz. 173, wohl auch KR-Etzel § 102 BetrVG Rz. 107a: Verschulden ist für die Frage der Wirksamkeit unerheblich). Entscheidend ist der Schutz der Willensbildung des Mitbestimmungsorgans vor falscher Information. Dabei kann das Risiko der nicht bewussten Falschinformation von Betriebsrat oder Personalrat nicht bei dem zu kündigenden Arbeitnehmer verortet werden, der hierauf keinen Einfluss hat, sondern muss bei demjenigen verortet werden, der die Überprüfung und Weitergabe von Informationen in der Hand hat – dem Arbeitgeber. Auch bei gänzlich unterbliebener Information wird zurecht nicht darauf abgestellt, ob diese bewusst unterblieben ist; insofern stellt es einen Wertungswiderspruch dar, wenn einerseits die Unterrichtung des Mitbestimmungsorgans trotz objektiver Fehlerhaftigkeit ordnungsgemäß sein soll, wenn sich der Arbeitgeber auf einen Irrtum beruft, es aber andererseits bei fehlender Angabe der entscheidenden Tatsachen nicht darauf ankommen soll, warum diese unterblieben ist (Bader/Bram-Nungeßer § 102 BetrVG Rz. 47a). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesarbeitsgericht etwa bei der Frage der unzureichenden Anhörung des Betriebsrats zu einer Verdachtskündigung bei unterbliebener Information über entlastende Tatsachen nicht darauf abstellt, ob diese bewusst unterlassen wurde (BAG 20. Juni 2013 – 2 AZR 546/12 – BAGE 145; BAG 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 86; BAG 2. November 1983 – 7 AZR 65/82 – EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 53).

Etwas anders folgt auch nach Überzeugung der Kammer nicht aus dem Grundsatz der subjektiven Determination (so aber etwa BAG 12. Februar 2015 – 6 AZR 845/13 – Juris). Die subjektive Determination betrifft nur die Auswahl des Lebenssachverhalts, auf den der Arbeitgeber die Kündigung stützen will, nicht aber den Inhalt der Anhörung zu diesem Sachverhalt (dazu: LAG Hamm 30. September 1999 – 16 Sa 2598/98 – EzA-SD 2000 Nr. 1, 11, ebenso wohl Bader, FS J-H Bauer, S. 52). Ebensowenig wie eine unvollständige ist eine inhaltlich falsche Information durch den Grundsatz der subjektiven Determination gedeckt (LAG Rheinland-Pfalz 20. Februar 2014 – 2 Sa 120/13 – Juris; LAG Hamm 5. August 2014 – 7 Sa 206/14 – Juris). Die Mitteilung fehlerhafter Tatsachen hat im Ergebnis nichts mit dem Grundsatz der subjektiven Determinierung zu tun (LAG Hamm 5. August 2014 – 7 Sa 206/14 – a.a.O.).

(c) Die fehlerhafte Anhörung des Personalrats im Hinblick auf den dem Kläger vorgeworfenen Arbeitszeitbetrug führt auch zur Unwirksamkeit der Anhörung betreffend die anderen in ihr enthaltenen Kündigungsvorwürfe. Trägt der Arbeitgeber mehrere Gründe vor, auf die er seine Kündigung stützt, und enthält der Vortrag zu einem der angegebenen Kündigungsgründe fehlerhafte oder unwahre Tatsachen, ist die Anhörung insgesamt nicht ordnungsgemäß erfolgt (LAG Hamm 5. August 2014 – 7 Sa 206/14 – Juris; vgl hierzu insgesamt auch Bader/Bram-Nungeßer § 102 BetrVG Rz. 49b). Dies gilt bei der Personalratsanhörung in besonderer Weise. Andernfalls könnte die dort erforderliche Zustimmung zur ordentlichen Kündigung, die vom Personalrat wegen eines tatsächlich gar nicht vorliegenden Kündigungsgrundes erteilt wurde, für den Ausspruch einer Kündigung aus anderen in der Anhörung dargelegten Gründen “umgewidmet” werden, obwohl sie wegen dieser Gründe gerade nicht erteilt worden wäre. Dies schaffte einen Anreiz für den Arbeitgeber, den Personalrat zu besonders schweren Kündigungssachverhalten anzuhören, obwohl diese betreffend keine gesicherten Kenntnisse vorliegen, da damit nur Chancen jedoch keine Risiken verbunden wären, solange die Anhörung nicht vorsätzlich falsch ist.

Ob deshalb etwas anders gilt, wenn sicher davon ausgegangen werden kann, dass der unzutreffend mitgeteilte Kündigungsgrund in der Willensbildung des Mitbestimmungsorgans keine Rolle gespielt hat, kann hier offen bleiben. Zweifel hierüber gingen jedenfalls zu Lasten des Arbeitgebers – dieser hat es in der Hand, dem Personalrat nur die Kündigungsgründe mitzuteilen, die er auch im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses darlegen und beweisen kann. Vorliegend kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die falsche Information hinsichtlich eines Arbeitsbetrugs des Klägers in ganz erheblichem Umfang und in einer Weise, die nicht mit Unachtsamkeit erklärt werden kann, den Personalrat in seiner Willensbildung beeinflusst hat. Die Angabe von privaten Fahrtzeiten als Arbeitszeit im Rahmen der Arbeitszeitaufzeichnung des Arbeitnehmers hat bei weitem nicht das gleiche Gewicht wie die Angabe von Zeiten, die der Arbeitnehmer mit einer ungenehmigten potentiellen Konkurenztätigkeit auf eigene Rechnung verbracht hat.

b) Die außerordentliche Kündigung der Beklagten mit sozialer Auslauffrist vom 5. September 2013 ist unwirksam, weil der Beklagten kein wichtiger Grund im Sinne von § 34 Abs. 2 Satz 1 TVÖD § 626 Abs. 1 BGB zur Seite steht.

aa) Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist zu prüfen, da der Kläger auch insofern innerhalb der Dreiwochenfrist der §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben hat und diese demnächst iSd. § 167 ZPO zugestellt worden ist.

bb) Ein wichtiger Grund für die Kündigung iSd. § 34 Abs. 2 Satz 1 TVÖD iVm. 626 Abs. 1 BGB liegt weder im Hinblick auf eine nicht angezeigte Neben- und Konkurrenztätigkeit des Klägers bei der B seit dem Schuljahr 2011/2012 noch im Hinblick auf die von der Beklagten angenommene versuchte Unterschlagung wegen des Auslagenersatzes noch wegen eigenmächtigen Verhaltens des Klägers im Hinblick auf das Projekt “Jeki 2.0.” vor. Hinsichtlich derjenigen Kündigungsgründe, zu denen der Personalrat gehört wurde, ist das rechtskräftige Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt betreffend die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 5. September 2013 präjudiziell. Eine materielle Überprüfung durch das Berufungsgericht, ob die jeweiligen Sachverhalte entgegen der Wertung des Arbeitsgerichts einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen vermögen, verbietet sich auch im Rahmen einer weiteren, hilfsweise von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung. Mögliche andere im Verlauf des Verfahrens vorgetragene Kündigungsgründe unterliegen mangels hierzu erfolgter Personalratsanhörung einem personalverfassungsrechtlichen Verwertungsverbot.

(1) Wurde in einem Kündigungsrechtsstreit entschieden, dass das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, so kann der Arbeitgeber eine erneute Kündigung nicht auf Kündigungsgründe stützen, die er schon zur Begründung der ersten Kündigung vorgebracht hat und die in dem ersten Kündigungsschutzprozess materiell geprüft worden sind, mit dem Ergebnis, dass sie die Kündigung nicht rechtfertigen können. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber noch während des ersten Kündigungsschutzverfahrens für den Fall seines Unterliegens vorsorglich eine oder mehrere Kündigungen mit demselben Kündigungsgrund nachschiebt. Gegen die zweite Kündigung muss der Arbeitnehmer zwar nach §§ 4, 7 KSchG Klage erheben, weil es sich um zwei verschiedene Kündigungserklärungen handelt. Der zweiten rechtzeitig erhobenen Klage ist jedoch ohne weiteres stattzugeben. Das Urteil in dem ersten Prozess ist in der Weise präjudiziell für das zweite Verfahren, dass eine erneute materielle – möglicherweise von dem Ergebnis des ersten Prozesses abweichende – Nachprüfung des zur Stützung der ersten Kündigung verbrauchten Kündigungsgrundes in dem zweiten Verfahren nicht erfolgen darf (vgl. BAG26. August 1993 – 2 AZR 159/93 – BAGE 74, 143; BAG 22. Mai 2003 – 2 AZR 485/02 -, juris; BAG 7. Juli 2005 – 2 AZR 399/04 – NZA 2006, 266; BAG 20. März 2014 – 2 AZR 840/12 – NZA 2014, 1415 [BAG 20.03.2014 – 2 AZR 840/12]).

(2) Nichts anderes gilt, wenn der Arbeitgeber gleichzeitig im Stufenverhältnis stehend zwei außerordentliche Kündigungen aufgrund desselben Kündigungssachverhalts ausspricht, das Arbeitsgericht rechtskräftig die Unwirksamkeit einer dieser außerordentlichen Kündigung mangels wichtigen Grundes festgestellt hat und betreffend eine weitere im gleichen Prozess streitgegenständliche hilfsweise außerordentliche Kündigung keine materielle Prüfung vorgenommen hat. Auch hier darf das Berufungsgericht keine erneute materielle Prüfung dahingehend vornehmen, ob der vom Arbeitsgericht nicht als ausreichend angesehene Kündigungssachverhalt einen wichtigen Grund iSd § 626 Abs. 1 BGB betreffend die vom Arbeitsgericht nicht materiell geprüfte hilfsweise Kündigung darstellt (vgl. hierzu im Rahmen der Frage der Zulässigkeit von Teilurteilen LAG Düsseldorf 8. März 2013 – 5 Sa 684/11 – Juris). Andernfalls bestünde die Gefahr sich widersprechender rechtskräftiger Entscheidungen.

(3) Das Arbeitsgericht hat einen wichtigen Grund für die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 5. September 2013 nicht in den Nebentätigkeiten des Klägers für die B ab dem Schuljahr 2012 gesehen, weil insoweit die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt sei. § 626 Abs. 2 BGB ist ein gesetzlich konkretisierter Verwirkungstatbestand. Dass Arbeitsgericht ist also davon ausgegangen, dass sich die Beklagte betreffend diese Kündigung nicht darauf berufen darf, es habe im Hinblick auf die genannten Nebentätigkeiten ein wichtiger Grund vorgelegen. Dementsprechend ist dem Berufungsgericht verwehrt, zu prüfen, ob der genannte Sachverhalt geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine weitere ebenfalls am 5. September 2013 ausgesprochene außerordentliche Kündigung der Beklagten zu bilden. Das Urteil ist betreffend die Verletzung des § 626 Abs. 2 BGB hinsichtlich dieses Kündigungsgrundes für eine am 5. September 2013 ausgesprochene Kündigung präjudiziell.

(4) Auch hinsichtlich der von der Beklagten angenommenen Unterschlagung des Auslagenersatzes hat das Arbeitsgericht das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSd. § 34 Abs. 2 Satz 1 TVÖD iVm. 626 Abs. 1 BGB geprüft und abgelehnt, weil die unterbliebene Weitergabe des Geldes auch auf Fahrlässigkeit beruht haben könnte.

(5) Schließlich ist es davon ausgegangen, dass das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Projekt “Jeki 2.0.” mangels absehbaren Schadens und mangels einschlägiger Abmahnung nicht geeignet gewesen sei, einen wichtigen Grund iSd. § 34 Abs. 2 Satz 1 TVÖD iVm. 626 Abs. 1 BGB zu bilden.

2.

Auch die außerordentliche Änderungskündigung der Beklagten mit sozialer Auslauffrist vom 5. September 2013 ist mangels wichtigen Grundes im Sinne von § 34 Abs. 2 Satz 1 TVÖD iVm. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam. Auch insoweit ist es dem Berufungsgericht wegen der Präjudizialität der arbeitsgerichtlichen Entscheidung verwehrt, im Hinblick auf eine nicht angezeigte Neben- und Konkurrenztätigkeit des Klägers bei der B seit dem Schuljahr 2011/2012, den nicht weitergeleiteten Aufwendungsersatz oder das Verhaltens des Klägers im Hinblick auf das Projekt “Jeki 2.0.” das Vorliegen eines wichtiges Grundes iSd. § 626 BGB zu überprüfen. Der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Vorliegens eines wichtigen Grundes unterscheidet sich bei der außerordentlichen Änderungskündigung zwar insofern von dem bei der außerordentlichen Beendigungskündigung, als sich hier die Prüfung auf die Änderung der Arbeitsbedingungen und dort auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezieht. Dies führt jedoch nur insofern zu unterschiedlichen Bewertungen hinsichtlich des Vorliegens eines wichtigen Grundes, als bei der Beendigungskündigung auch dessen Verneinung im Hinblick auf die Möglichkeit einer Änderungskündigung in Betracht kommt. Das Arbeitsgericht hat jedoch hinsichtlich der genannten Kündigungssachverhalte das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die außerordentliche fristlose Kündigung vom 5. September 2013 bereits unabhängig von der Möglichkeit einer Änderungskündigung verneint. Insoweit wird auf die obigen Darlegungen verwiesen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte ist vollständig unterlegen.

IV.

Die Zulassung der Revision ist durch keinen der gesetzlich vorgesehenen Gründe veranlasst, § 72 Abs. 2 ArbGG. Soweit die Entscheidung zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts insoweit divergiert, als die Kammer annimmt, dass auch die nicht vorsätzliche Falschinformation des Mitbestimmungsorgans im Rahmen der Anhörung zu einer beabsichtigten Kündigung zu deren Unwirksamkeit führen kann, beruht die Entscheidung nicht auf dieser Divergenz, da es sich nur um eine Hilfsbegründung handelt.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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