LAG Hessen, 17.07.2017 – 7 Sa 1352/16

März 25, 2019

LAG Hessen, 17.07.2017 – 7 Sa 1352/16

Leitsatz:

  1. 1.

    Nach § 38 Abs. 3 EStG hat der Arbeitgeber bei Einkünften des Arbeitnehmers aus nichtselbständiger Arbeit die Einkommenssteuer durch Abzug von Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten.

  2. 2.

    Mit dem Abzug und der Abführung von Lohnbestandteilen erfüllt der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer seine Vergütungspflicht. Erfüllt wird erst durch die Abführung nach § 41 a EStG, wobei der Arbeitgeber in einer Art treuhänderischen Stellung für den Steuerfiskus tätig wird (BAG GS v. 07.03.2001 – GS 1/00).

  3. 3.

    Ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers kommt bei einer Abwicklung eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs nur dann in Frage, wenn für den Arbeitgeber aufgrund der für ihn zum Zeitpunkt des Abzugs bekannter Umstände eindeutig erkennbar gewesen ist, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht bestand.

  4. 4.

    Ob der Arbeitgeber in einer Prognose erkennen konnte, dass für das nächste Kalenderjahr kein Entgeltbezug des Arbeitnehmers vorliegen wird, mit der Folge, dass ein Lohnsteuerabzug zu einem früheren Zeitpunkt vorzunehmen ist, um einen Schaden des Arbeitnehmers zu vermeiden, hat der Arbeitnehmer nachvollziehbar darzulegen. Dies gilt auch für die Geltendmachung eines Verzögerungsschadens durch den Arbeitnehmer.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 08.09.2016 – 3 Ca 460/15 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Zahlung eines Geldbetrages anlässlich der Abwicklung eines gerichtlichen Vergleichs.

Die Klägerin war Mitarbeiterin bei der Beklagten. Die Beklagte ist ein Bankunternehmen.

Nach einem gerichtlichen Vergleich der Parteien sollte das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2014 sein Ende finden, die Klägerin wurde von der Arbeitsleistung freigestellt und es sollte eine Abrechnung erfolgen. Des Weiteren sollte das Weihnachtsgeld für das Jahr 2014 bezahlt werden. Nach Ziffer 2 dieses gerichtlichen Vergleichs sollte das Arbeitsverhältnis bis zum 31.12.2014 ordnungsgemäß abgewickelt werden, wobei zwischen den Parteien Einigkeit bestanden hat, dass die Klägerin unter Fortzahlung der Vergütung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt war. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Vergleiches wird auf die Beschlussausfertigung vom 25.111.2014 (Bl. 7 d.A.) Bezug genommen.

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin im Jahr 2014 insgesamt einen Geldzufluss in Höhe von € 26.987,79 zu verzeichnen hatte, während weitere € 10.205,67 brutto der Klägerin im Jahr 2015 ausgezahlt wurden. Des Weiteren hat die Beklagte eine Lohnsteuerbescheinigung dahingehend erteilt, dass der Gesamtbetrag von € 37.184,46 im Kalenderjahr 2014 zugeflossen sei, worauf das Finanzamt eine Lohnsteuerberechnung auf Basis dieses Gesamtbetrages für 2014 vorgenommen hat.

Während des Kalenderjahres 2015 war die Klägerin ohne eine Vergütung aus abhängiger Tätigkeit geblieben. Mit Schreiben vom 16.09.2015 hat die Klägerin die Beklagte darum gebeten, die gezahlten Bezüge korrekt abzurechnen, d.h. einen Zufluss für das Jahr 2014 in Höhe von € 26.978,79 zu testieren, für 2015 den in diesem Kalenderjahr geflossenen Betrag. Dabei hat die Klägerin nicht in Abrede gestellt, dass ihr bereits im Dezember 2014 ein Betrag in Höhe von € 3.500 netto zugeflossen ist. Schließlich sind die oben genannten Beträge tatsächlich von der Beklagten an die Klägerin gezahlt worden.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es stünde ihr der geltend gemachte Zahlungsbetrag zu. Die Vergütung sei nämlich bis zum 31.12.2014 fällig gewesen. Auch dürften für das Kalenderjahr 2014 nur 8 Beschäftigungsmonate zugrunde gelegt werden. Bei einer solchen Berechnungsweise auf der Grundlage von 8 Beschäftigungsmonaten hätte die Klägerin eine geringere Steuerlast gehabt.

Die Klägerin hat behauptet, dass sie aufgrund der Tatsache, dass sie im Jahr 2015 nicht beschäftigt gewesen sei, sie keine Lohnsteuer hätte zahlen müssen. Deshalb sei der Klägerin der geltend gemachte Differenzbetrag nachzuzahlen. Wegen der Einzelheiten des tatsächlichen Vorbringens der Klägerin hierzu wird auf Bl. 6 der Klageschrift (Bl. 6 R d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die nachgezahlte Vergütung auf einem Vergleich beruhe, dies seien aber keine regelmäßigen wiederkehrenden Leistungen. Die Nachzahlung sei nämlich auch auf einmal vorgenommen worden. Zusammenfassend hat die Klägerin in der ersten Instanz Zahlung aufgrund einer falschen steuerlichen Behandlung des geschuldeten Nettobetrages begehrt. Dies, so hat die Klägerin es vertreten, sei ein Erfüllungsanspruch.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 3.432,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2015 zu zahlen,

hilfsweise

Zug um Zug gegen Abtretung der Steuererstattungsansprüche der Klägerin aus dem Kalenderjahr 2014.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Klägerin einkommensteuerrechtlich laufenden Arbeitslohn bis zum 31.12.2014 gehabt habe. Der Arbeitslohn sei der Klägerin deshalb im Kalenderjahr 2014 zugeflossen.

Die Beklagte hat darauf abgestellt, dass der Klägerin noch im Jahr 2014 eine Abschlagszahlung in Höhe von € 3.500 zugeflossen. Dies sei auch zwischen den Parteien unstreitig. Außerdem hätten die Parteien keine Nettolohnabrede getroffen.

Die Beklagte hat zusammenfassend die Auffassung vertreten, sie habe die Steuerbeträge korrekt an das Finanzamt gezahlt. Deswegen sei im Verhältnis zur Klägerin Erfüllungswirkung eingetreten und ein Schadensersatzanspruch komme nicht in Frage.

Mit seinem am 08.09.2016 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht Kassel – 3 Ca 460/15 – die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht Kassel hat dies damit begründet, dass der Klägerin kein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Nettovergütung zustehen könne. Auch etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin scheiterten bereits daran, dass die Beklagte sich vertragsgemäß, insbesondere entsprechend dem gerichtlichen Vergleich verhalten habe. Die Klägerin sei nämlich so gestellt worden, als hätte sie in 2014 jeweils ihre monatlichen Vergütungen inklusive der Sonderzahlungen erhalten.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel – 3 Ca 460/15 – hat die Klägerin innerhalb der zu Protokoll der Berufungsverhandlung am 17.07.2017 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass der Rechtsgrund für ihr Zahlungsbegehren der gerichtliche Vergleich sei. Es hätte vom Arbeitsgericht festgestellt werden müssen, ob die Abrechnung korrekt sei. Die in der Abrechnung enthaltenen Beträge seien der Lohnsteuer für das Jahr 2015 zu unterwerfen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 08.09.2016 – 3 Ca 460/15 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.432,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2015 zu zahlen,

hilfsweise

Zug um Zug gegen Abtretung der Steuererstattungsansprüche der Klägerin aus dem Kalenderjahr 2014 gegenüber dem Finanzamt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, sie habe den Nettolohn für die Klägerin zutreffend ausbezahlt und berechnet. Der Lohnzahlungszeitraum habe nämlich zum 31.12.2014 geendet. Außerdem habe die Klägerin für das Jahr 2014 eine Abschlagszahlung von € 3.500 netto erhalten.

Gründe

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 08.09.2016 – 3 Ca 460/15 – ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 b ArbGG). Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm §§ 517, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

In der Sache ist die Berufung der Klägerin jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist unbegründet, weil der Klägerin ein Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten nicht zusteht. Die Beklagte hat den Vergütungsanspruch erfüllt, § 362 BGB. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig, auch wenn unterschiedliche Auffassungen über den zutreffenden Zeitpunkt bestehen. Jedenfalls könnte die Klägerin wegen einer fehlerhaften steuerrechtlichen Behandlung keine Vergütungsklage führen.

Die Beklagte hat durch die Zahlung der im gerichtlichen Vergleich vereinbarten Summe den Anspruch der Klägerin erfüllt. Auch wenn dies im Jahre 2015 geschehen sein sollte, so ist gem. § 362 Abs. 1 BGB Erfüllung eingetreten, weil die Klägerin den nach dem Vergleich geschuldeten Arbeitslohn oder das Entgelt aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs erhalten hat. Dies hat die Klägerin auch nicht in Abrede gestellt.

Sollte auf der Grundlage einer verspäteten Zahlung im Jahr 2015 aus dem Gesichtspunkt des Steuerrechts es zu einer Schlechterstellung der Klägerin gekommen sein, so gilt folgendes:

Der Arbeitgeber ist zum Einbehalt und Abzug der Lohnsteuer verpflichtet. Nach § 38 Abs. 3 S. 1 EStG hat der Arbeitgeber bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit Einkommenssteuer durch Abzug vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten. Der Arbeitgeber kann zudem gem. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB iVm § 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG die Erstattung nach entrichteter Lohnsteuer vom Arbeitnehmer verlangen, wenn er zu wenig Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt hat (BAG vom 30.04.2008 – 5 AZR 725/07 -; BAG vom 21.12.2016 – 5 AZR 266/16-).

Mit dem Abzug und der Abführung von Lohnbestandteilen erfüllt der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer seine Vergütungspflicht. Die Abführung begründet einen besonderen Erfüllungseinwand. Es bedarf keiner Aufrechnung. Der Einbehalt des Arbeitgebers für Rechnung des Arbeitnehmers (§ 38 Abs. 3 S. 1 EStG) dient der Vorbereitung der Abführung. Erfüllt wird erst durch die Abführung nach § 41 a EStG, wobei der Arbeitgeber in einer Art treuhänderischen Stellung für den Steuerfiskus tätig wird (BAG GS vom 07.03.2001 – GS 1/00 -; BAG vom 30.04.2008 – 5 AZR 725/17-).

Daraus ergibt sich aber zu gleich folgendes:

Die Gerichte für Arbeitssachen sind grundsätzlich nicht befugt, die Berechtigung der Abzüge für Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge zu überprüfen. Der Arbeitgeber erfüllt beim Lohnsteuerabzug öffentlich-rechtliche Aufgaben, die allein ihm obliegen. Er ist Steuerentrichtungspflichtiger im Sinne von § 43 S. 2 AO (BAG vom 30.04.2008 – 5 AZR 725/17-; BAG vom 21.12.2016 – 5 AZR 266/16-).

Legt deshalb der Arbeitgeber nachvollziehbar dar, dass er bestimmte Abzüge für Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge einbehalten und abgeführt hat, kann der Arbeitnehmer die nach seiner Auffassung unberechtigt einbehaltenen und abgeführten Beträge nicht erfolgreich mit einer Vergütungsklage geltend machen. Er ist vielmehr auf die steuer- und sozialrechtlichen Rechtsbehelfe beschränkt, es sei denn, für den Arbeitgeber wäre aufgrund der für ihn zum Zeitpunkt des Abzugs bekannten Umstände eindeutig erkennbar gewesen, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht bestand. Andernfalls tritt die Erfüllungswirkung ein (BAG vom 30.04.2008 – 5 AZR 725/17-; BGH vom 12.05.2005 – VII ZR 97/04-; BAG vom 21.12.2016 – 5 AZR 266/16-).

Es ist zwischen den Parteien im Ausgangspunkt unstreitig, dass die Beklagte die im gerichtlichen Vergleich übernommenen Zahlungsverpflichtungen, insbesondere die Abwicklung und die Zahlung von Arbeitsentgelt aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges sowie für das Weihnachtsgeld bezogen auf das Jahr 2014 ordnungsgemäß vorgenommen hat und die übrigen Beträge an die Klägerin ausgezahlt hat. Die Beklagte hat damit korrekt abgerechnet und die sich daraus ergebenden Zahlungspflichten erfüllt. Sollte in der Höhe der Beträge, die die Beklagte an das Finanzamt abgeführt hat, etwas zu monieren sein, so wäre die Klägerin auf die Rechtsbehelfe bezogen auf das Steuerrecht angewiesen und darauf zu verweisen. Die Berufungskammer hat keinerlei Anhaltspunkte, dass die Parteien diesen Weg, noch dazu vor anderen Gerichten, eingeschlagen hätten. Die Beklagte hat abgerechnet und im Jahr 2015 gezahlt. Nach der vorzitierten Rechtsprechung kommt dann eine Vergütungsklage nicht mehr in Betracht.

Die Klage ist unbegründet, weil der Klägerin ein Schadensersatzanspruch nicht zusteht.

Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch zu, weil eine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 BGB oder von § 282 BGB nicht ersichtlich ist. Des Weiteren kann die Berufungskammer, obwohl hierüber das Rechtsgespräch in der Berufungsverhandlung geführt wurde, nicht die Höhe des Schadens bestimmen. Insoweit ist die Klägerin darlegungsfällig geblieben.

Von einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung der Beklagten kann nicht ausgegangen werden. Eine Pflichtverletzung ist allenfalls für den vorliegenden Zusammenhang dann anzunehmen, wenn für den Arbeitgeber aufgrund der für ihn zum Zeitpunkt des Abzugs bekannten Umstände eindeutig erkennbar gewesen ist, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht bestand (BAG vom 30.04.2008 – 5 AZR 725/07-; BAG vom 21.12.2016 – 5 AZR 266/16-).

Dabei hat sich die Beklagte aber korrekt verhalten. Die Beklagte hat nach der Beschlussausfertigung des Arbeitsgerichts Kassel am 25.11.2014 eine Zahlungsverpflichtung übernommen. Gem. Ziffer 2 sollte die Beklagte das Arbeitsverhältnis bis zum 31.12.2014 ordnungsgemäß abwickeln. Desweitern wurde die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt, nämlich zum 31.12.2014, von der Arbeitsleistung freigestellt unter Fortzahlung der Arbeitsvergütung. Würde man nun § 614 BGB zur Anwendung kommen lassen, so wäre der Arbeitsentgeltanspruch oder aber der ersatzweise an seine Stelle getretene Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs gem. § 615 S. 1 BGB zum 31.12.2014 fällig gewesen. Wenn nun die Beklagte im Jahr 2015 die erforderlichen Abrechnungen durchführt, die Zahlungsbeträge ermittelt und im Jahr 2015 den Nettobetrag an die Klägerin auszahlt, so verhält sie sich arbeitsvertragskonform und hält sich an die übernommenen Verpflichtungen aus dem Vergleich.

Des Weiteren konnte die Beklagte zu diesem Zeitpunkt auch nicht absehen, dass der Abzug an Einkommenssteuer oder Lohnsteuer deswegen zu hoch ausfallen würde, weil die Klägerin keine Anschlussbeschäftigung mehr finden würde. Nach der vorzitierten Rechtsprechung ist ein Schadensersatzanspruch für die Klägerin und eine Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis durch die Beklagte überhaupt nur anzunehmen, wenn aufgrund der für die Beklagte im Zeitpunkt des Abzugs bekannten Umstände eindeutig erkennbar gewesen ist, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht bestanden haben kann. Die Beklagte konnte aber zum Zeitpunkt der Abrechnung des Arbeitsentgelts, so wie im gerichtlichen Vergleich vereinbart, nicht absehen, dass ihre Zahlung im Jahr 2015 zu einem erhöhten Lohnsteuerabzug führen würde. Eine Pflichtverletzung scheidet dann aus.

Ein weiterer Umstand, der gegen eine Pflichtverletzung der Beklagten spricht, kommt hinzu.

Der zivilrechtliche Entgeltanspruch des Arbeitnehmers unterliegt einem öffentlich-rechtlichen Pflichtengefüge, dass beide Parteien des Arbeitsvertrages trifft (BAG GS vom 07.03.2001 – GS1-00; BAG vom 30.04.2008 – 5 AZR 725/07; BAG vom 21.12.2016 – 5 AZR 273/16-). Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit unterliegen der Einkommenssteuer gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG, deren Schuldner der Arbeitnehmer ist, § 38 Abs. 2 EStG. Der Arbeitgeber muss dann als ihm obliegende öffentlich-rechtlich Verpflichtung die Einkommenssteuer, die als Lohnsteuer durch Abzug vom Arbeitsentgelt erhoben wird, § 38 Abs. 1 S.1 EStG, für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Entgeltzahlung vom Arbeitsentgelt einbehalten, (§ 38 Abs. 3 S. 1 EStG) und den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zahlen, § 38 e Abs. 1 S.1 SGB IV. Der auf Einkommensteuern und Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags entfallene Teil ist zwar Bestandteil des Bruttoentgeltanspruchs, sodass mit dessen Einbehalt und Abführung an die zuständigen Stellen der Arbeitgeber auch seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer erfüllt (BAG vom 09.08.2016 – 9 AZR 417/15-; BAG vom 21.12.2016 – 5 AZR 273/16-). Der Arbeitnehmer hat dann wegen des entgegenstehenden öffentlichen Rechts keinen Anspruch auf Auszahlung, der Entgeltanspruch ist insoweit nur auf ein Einbehalt und Abführung gerichtet (BAG vom 30.04.2008 – 5 AZR 725/07-: BGH vom 22.01.2004 – IX ZR 39/03 -; BAG vom 21.12.2016 – 5 AZR 273/16-). Die Bestandteile der Einkommenssteuer und des Gesamtsozialversicherungsbeitrages verbleiben nicht nur nicht beim Arbeitnehmer, sie sind nicht einmal zur Auszahlung an diesen bestimmt.

Vor dem Hintergrund dieses öffentlich-rechtlichen Pflichtengefüges ergibt sich dann aber folgendes:

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte die Einkommenssteuer einbehalten hat. Dass dies in der Höhe zu Unrecht geschehen sein sollte, hat die Klägerin nicht behauptet. Die Klägerin hat nur behauptet und dargelegt, dass sie für das Jahr 2015 keinerlei Einkünfte mehr gehabt habe, sodass die Zahlung der Beklagten für das Jahr 2014 zu spät vorgenommen worden sei, und dass hierdurch eine höhere Einkommenssteuerpflicht entstanden wäre. Dies bedeutet aber nicht, das die Klägerin konkret dargelegt hätte, dass die Beklagte zum Zeitpunkt ihrer Zahlung an das Finanzamt einen zu hohen Betrag an dieses abgeführt hätte. Nach dem Vortrag der Klägerin, hätte die Beklagte früher berechnen und zahlen müssen. Dies bedeutet aber nicht, dass Anzweifeln der Höhe der Zahlung der Beklagten an das Finanzamt durch die Klägerin. Deshalb ist Erfüllungswirkung eingetreten, § 362 BGB. Von einer Pflichtverletzung dahingehend kann deswegen nicht ausgegangen werden.

Auch ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus dem Gesichtspunkt einer verspäteten Zahlung, nämlich des Eintritts des Verzuges, scheidet aus.

Gem. § 280 Abs. 2 BGB kann der Gläubiger Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 286 BGB verlangen.

Danach tritt Verzug des Schuldners auf der Grundlage einer Mahnung des Gläubigers ein. Leistet nämlich der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Von einer Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 286 Abs. 2 BGB kann nach dem Tatsachenvortrag der Klägerin nicht ausgegangen werden. Es ist auf der Grundlage des gerichtlichen Vergleichs so, dass von einer Fälligkeit der Leistung erst zum 31.12.2014 oder einen Tag danach auszugehen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand das Arbeitsverhältnis, die Klägerin wurde unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt. Das Arbeitsentgelt wird bei fehlender Fälligkeitsbestimmung aber erst zum Monatsende fällig, § 614 BGB. Wenn die Beklagte dann eine Abrechnung im Jahr 2015 vornimmt, so ist die Mahnung nicht entbehrlich gewesen. Von einer ernsthaften oder endgültigen Verweigerung der Zahlung des Arbeitsentgeltes gehen beide Parteien ersichtlich nicht aus. Das ein besonderer Grund unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Eintritt des Verzugs gerechtfertigt hätte, lässt sich dem Tatsachenvortrag beider Parteien nicht entnehmen. Die Voraussetzungen, wie sie § 280 Abs. 2 BGB für die Annahme einer Pflichtverletzung wegen einer verspäteten Leistung fordert, können deswegen nicht angenommen werden.

Auch ist die konkrete Höhe eines Verzögerungsschadens auf der Grundlage des Tatsachenvortrages der Klägerin nicht bestimmbar und damit ist der Schadensersatzanspruch auch aus diesem Gesichtspunkt zu verneinen.

Vor dem Hintergrund eines Verzögerungsschadens ist der Berufungskammer nach dem Rechtsgespräch mit den Parteien der konkrete Schadenseintritt und die Höhe des Schadens nicht verbindlich klar geworden. Zum Einen geht die Klägerin davon aus, dass es sich nicht um eine wiederkehrende Leistung handeln würde, die im Vergleich vereinbart worden ist. Zum Anderen geht die Klägerin davon aus, dass nur 8 Beschäftigungsmonate anzusetzen wären. In welcher Höhe nun aufgrund eines Kausalität zwischen einem etwaigen Verzugseintritt und der durch die verzögerte Zahlung durch die Beklagten ein Schaden bei der Klägerin eingetretenen sein könnte, ergibt sich aus diesem Tatsachenvortrag gerade nicht.

Die Kammer hat mit den Parteien auch erörtert, was eingetreten sein könnte, wenn die Beklagte sich rechtmäßig verhalten hätte und den Betrag für das Jahr 2014 noch im Jahr 2014 ausgezahlt hätte. Dies müsste dann bezogen werden auf einen etwaigen Schaden, eine etwaige wirtschaftliche Beeinträchtigung durch eine Verspätung der Auszahlung im Jahr 2015. Noch dazu ist es zwischen den Parteien nahezu unstreitig, dass die Klägerin im Dezember 2014 eine Abschlagszahlung in Höhe von € 3.500 netto erhalten hat. Vor diesem Hintergrund kann ein Verzugsschaden, ein Schaden der durch die verzögerte Leistung durch die Beklagte eingetreten ist, nicht bestimmt werden. Es fehlt, auch wenn man zugunsten der Klägerin einen Verzugseintritt bejahen würde, an einer haftungsausfüllenden Kausalität. Der Schaden ist nicht bestimmbar, die Kammer kann § 249 S. 1 BGB nicht zur Anwendung bringen. Das gleich gilt für § 251 BGB.

Sonstige Anspruchsgrundlagen, die das klägerische Zahlungsbegehren rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Klage ist auch im Hilfsantrag unbegründet. Auch insoweit ist die Berufung zurück zu weisen.

Steht der Klägerin kein Vergütungsanspruch und kein Schadensersatzanspruch wegen des fehlenden Verzugseintritts der Beklagten und wegen der fehlenden Kausalität zwischen Verzug und Schadenshöhe zu, kann auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch nicht bestehen. Die Beklagte hat sich bei der Abrechnung auch im Hinblick auf ihre steuerrechtlichen Verpflichtungen korrekt verhalten.

Es kann dann keine Verpflichtung angenommen werden, dass die Beklagte eine Leistung an die Klägerin erbringt, gegen Abtretung etwaiger Steuererstattungsansprüche der Klägerin. Wenn die Klägerin solche Ansprüche hätte, so wären sie konkret zu beziffern. Außerdem ist ein Rechtsgrund für eine Zug um Zug-Verurteilung wie z.B. nach § 274 BGB nicht ersichtlich. Die Beklagte selbst hat korrekt abgerechnet und hat sich deshalb keiner Erstattungsansprüche berühmt. Würde die Klägerin solche Ansprüche haben, so würde dies Auswirkungen auf die Höhe des Schadens haben. Wenn dies aber zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung von den Parteien nicht bestimmt oder dargelegt wird, muss eine solche Zug um Zug-Verurteilung ausscheiden.

Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen, § 97 ZPO.

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision besteht nicht.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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