LAG Hessen, 17.10.2014 – 3 Sa 1540/13

April 30, 2019

LAG Hessen, 17.10.2014 – 3 Sa 1540/13

Anschluss an BAG 7 AZR 360/12:

Jedenfalls die erstmalige Inanspruchnahme der in § 14 Abs. 3, Sätze 1 und 2 TzBfG eröffnete Befristungsmöglichkeit zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien ist unionsrechtskonform.(Anschluss an BAG 7 AZR 360/12)
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 20. November 2013 – 7 Ca 3475/13 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis in Folge Befristung mit Ablauf des 30. April 2013 geendet hat und ob der Kläger darüber hinaus einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens hat.

Die Beklagte hat den im Juli 1956 geborenen Kläger beginnend mit dem 02. Juni 2008 zunächst bis zum 31. Dezember 2010 im Rahmen von insgesamt vier befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt. Hierzu haben die Parteien zunächst am 23. Mai 2008 für die Zeit von 02. Juni bis 31. Dezember 2008 einen befristeten Arbeitsvertrag ohne Sachgrund geschlossen (wegen dessen Einzelheiten wird auf Bl. 9 – 13 d. A. Bezug genommen). Den drei anschließenden befristeten Arbeitsverträgen lagen jeweils Sachgrundbefristungen zu Grunde (wegen der Einzelheiten der Arbeitsverträge nebst jeweiliger Vermerke vom 23. November 2008 wird auf Bl. 14 – 16, vom 01. Dezember 2009 wird auf Bl. 17 – 19 und vom 28. Mai 2010 wird auf Bl. 20 – 22 d. A. Bezug genommen). Der Kläger war zunächst als Datenerfasser für das Projekt Digitale Dienstkarte und sodann als Assistent Finanzen im Internen Service tätig.

Ab 01. Januar 2011 war der Kläger zunächst bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt und sodann vier Monate bis zum 22. März 2012 arbeitslos.

In der Zeit vom 23. März 2012 bis 30. April 2013 hat die Beklagte den Kläger auf der Grundlage von insgesamt drei befristeten Arbeitsverträgen als Teamassistent im internen Service zu einer Bruttomonatsvergütung von 2.322,16 Euro beschäftigt.

Im Einzelnen gab es dazu folgende Schreiben und schriftliche Vereinbarungen zwischen den Parteien:

– am 19. März 2012 haben die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 23. März bis zum 22. September 2012 geschlossen. In dessen § 8 heißt es: “Der Beschäftigte versichert, unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) III gewesen zu sein bzw. Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem SGB II oder SGB III teilgenommen zu haben”. Nach einem von beiden Seiten unterschriebenen Vermerk ist diese Befristung auf § 14 Abs. 3 TzBfG gestützt gewesen (insoweit wird auf Bl. 23 -25 d. A. Bezug genommen).

– Mit Änderungsvereinbarungen vom 29. August 2012 (Bl. 26 d. A.) und 17. Dezember 2012 (Bl. 28 d. A.) haben die Parteien die Befristung aus dem Vertrag vom 19. März 2012 zunächst bis zum 31. Dezember 2012 und schließlich bis zum 30. April 2013 verlängert. In den jeweiligen schriftlichen Vermerken dazu wurde die Befristung auf § 14 Abs. 3 TzBfG gestützt (Bl. 27 und 29 d. A.).

Seit dem 01. Mai 2013 hat die Beklagte den Kläger nicht mehr beschäftigt.

Mit seiner am 14. Mai 2013 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen und der Beklagten am 24. Mai 2013 zugestellten Klage hat der Kläger die Wirksamkeit der Befristung seines Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2013 angegriffen.

Wegen des streitigen Vortrages der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 20. November 2013 (Seite 2 – 5 des Urteils, Bl. 61 – 62 RS d. A.) gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. November 2013 abgewiesen. Es hat dies damit begründet, dass die bis zum 30. April 2013 vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 3 TzBfG ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig sei. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 TzBfG seien unstreitig erfüllt. Der Kläger sei im Zeitpunkt der letzten Verlängerung am 01. Januar 2013 älter als 52 Jahre gewesen und davor mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III.

Der Wirksamkeit der letzten Befristung stehe nicht entgegen, dass der Kläger bereits im Zeitraum vom 02. Juni 2008 bis zum 31. Dezember 2010 auf der Grundlage von vier befristeten Arbeitsverträgen bei der Beklagten tätig gewesen sei. Ein Vorbeschäftigungsverbot ergebe sich weder aus dem Wortlaut von § 14 Abs. 3 TzBfG noch aus der Gesetzeshistorie. Nach der bis zum 30. April 2007 gültigen Fassung von § 14 Abs. 3 TzBfG (nachfolgend: § 14 Abs. 3 TzBfG aF) habe eine Vorbeschäftigung unter bestimmten Umständen einer erneuten befristeten Einstellung entgegenstehen können. Nachdem § 14 Abs. 3 TzBfG aF nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Mangold/Held vom 22. November 2005 C-144/04, für europarechtswidrig erklärt worden sei, habe sich der Gesetzgeber entschlossen, in der nunmehr geltenden Nachfolgeregelung ausschließlich auf die Voraussetzung der viermonatigen Beschäftigungslosigkeit zu setzen. Damit habe der Gesetzgeber bei § 14 Abs. 3 TzBfG, im Gegensatz zu § 14 Abs. 2 TzBfG, bewusst auf ein Anschlussverbot verzichtet. Entsprechend gehe auch die Begründung des Gesetzentwurfes als Grundlage der Gesetzesänderung zum 01. Mai 2007, ausdrücklich davon aus, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 TzBfG ein Arbeitnehmer von demselben Arbeitgeber erneut befristet beschäftigt werden könne.

Die teilweise in der Literatur angeführten Gründe für eine einschränkende Auslegung von § 14 Abs. 3 TzBfG führten vorliegend nicht zu einem anderen Ergebnis. Insoweit knüpften die Literaturmeinungen an Fallkonstellationen an, die vorliegend ersichtlich nicht gegeben seien.

Auch läge der Befristung vom 01. Januar bis 30. April 2013 keine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung zugrunde. Diese liege z.B. vor, wenn ein Vertragspartner eine an sich rechtlich mögliche Gestaltung in einer mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarenden Weise nur dazu verwende, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm und des Rechtsinstitutes nicht vorgesehen seien. Die Ausnutzung der durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten könne etwa dann rechtsmissbräuchlich sein, wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem Arbeitnehmer aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge ausschließlich deshalb schließen, um auf diese Weise über die nach § 14 Abs. 2 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können. In diesem Zusammenhang seien unionsrechtliche Vorgaben, insbesondere die Befristungsrichtlinie zur EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 zu beachten. Vorliegend bestehe kein Anlass, die sachgrundlose Befristung zwischen den Parteien als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass die Beklagte mit dem Kläger vor dem 23. März 2013 deshalb keinen erneuten befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen habe, weil erst ab diesem Tag die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 TzBfG vorgelegen hätten. Auch habe die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie den Kläger nicht wieder eingestellt hätte, wenn nicht die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 TzBfG erfüllt gewesen wären. Dies begründe nicht die Annahme, dass die Beklagte mit ihrer Handhabung ausschließlich den Zweck verfolgt habe, sich zum Nachteil des Klägers Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm nicht vorgesehen seien. Bereits der Gesetzgeber habe bei Ablösung des Vorabbeschäftigungsverbotes durch das Erfordernis der viermonatigen Beschäftigungslosigkeit bewusst in Kauf genommen, dass auch die mehrmalige (befristete) Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch denselben Arbeitgeber möglich werde. Auch sei der Kläger zwischen beiden Befristungsphasen unter anderem bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt gewesen. Auch der Kläger behaupte nicht, dass die fehlende Weiterbeschäftigung bei diesem Arbeitgeber in irgendeiner Weise auf die Beklagte zurückzuführen sei. Zwischen beiden Befristungsphasen habe kein von der Beklagten verursachter Kausalzusammenhang bestanden, so dass nicht ersichtlich sei, weshalb die erneute Befristung im Zeitraum vom 01. Januar 2013 rechtsmissbräuchlich erfolgt sein solle. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird auf dessen Seiten 5 – 13 (Bl. 62 RS – 66 RS d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil, dass dem Kläger am 06. Dezember 2013 zugestellt worden ist, hat er mit am 20. Dezember 2013 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 06. Februar 2014 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger vertritt weiterhin die Rechtsauffassung, das Arbeitsverhältnis der Parteien bestünde unbefristet fort, weil die letzte Befristung unwirksam sei. Bei der Prüfung des § 14 Abs. 3 TzBfG sei als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal das Verbot der Vorbeschäftigung zu berücksichtigen. Angesichts der Vorbeschäftigung des Klägers sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen, diesen nach § 14 Abs. 3 TzBfG erneut befristet einzustellen. Mit der von Dr. Bader in: NZA 2007, Seite 713 ff vertretenen Auffassung sei davon auszugehen, dass nach Ausschöpfung des Fünfjahreszeitraums und viermonatiger Nichtbeschäftigung eine erneute Befristung unzulässig sei, ebenso wie eine bewusst geplante Lehrphase vor Beschäftigungsabschluss. Nichts anderes könne im vorliegenden Fall gelten. Denn obwohl der Beschäftigungsbedarf bereits vorher bestanden habe, habe die Beklagte den Kläger unstreitig nur im Hinblick auf die vorherige Arbeitslosigkeit und sein Lebensalter zum 23. März 2012 nicht zu einem früheren Datum eingestellt. Da die Beklagte den Kläger bereits aus einer Vorbeschäftigung kenne, habe sie nicht auf die Möglichkeit der Befristung nach § 14 Abs. 3 TzBfG zurückgreifen können. Die Rechtsmissbräuchlichkeit ergebe sich gerade daraus, dass die Beklagte trotz dieser Kenntnis auf den Tag genau die gesetzlich notwendige “Lehrphase” abgewartet habe, um dem Kläger erneut einen befristeten Vertrag anzubieten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 20. November 2013 – 7 Ca 3475/13 – abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der Befristungsvereinbarung vom 17. Dezember 2012 am 30. April 2013 geendet hat und

die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Teamassistenten im internen Service am Standort A bis zum rechtskräftigen Abschluss des Befristungsrechtsstreites weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Sie vertritt weiterhin die Rechtsauffassung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Grund wirksamer Befristung gem. § 14 Abs. 3 TzBfG zum 30. April 2013 sein Ende gefunden habe. Die Befristung nach § 14 Abs. 3 TzBfG scheitere nicht an einer etwaigen Vorbeschäftigung. Auch stelle die Regelung des § 14 Abs. 3 TzBfG keine unzulässige Diskriminierung älterer Arbeitnehmer dar und der letzten Befristung läge keine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung zugrunde. Schließlich sei § 14 Abs. 3 TzBfG europarechtskonform. Insoweit bezieht sich die Beklagte auf eine Entscheidung des sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 23. Februar 2012 – 9 Sa 448/11.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze vom 06. Februar 2014 und 06. März 2014 und die Sitzungsniederschrift vom 17. Oktober 2014 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

A. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main ist als Rechtsmittel in einem Rechtsstreit über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft, § 64 Abs. 2 c ArbGG. Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtszeitig und ordnungsgemäß begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, und insgesamt zulässig.

B. In der Sache ist die Berufung unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die rechtzeitig erhobene Befristungskontrollklage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete auf Grund der in der letzten Änderungsvereinbarung vom 17. Dezember 2012 getroffenen Befristungsabrede mit Ablauf des 30. April 2013. Die Wirksamkeit der Befristungsabrede ergibt sich aus § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG in seiner aktuellen Fassung. Diese Neuregelung ist – jedenfalls bei erstmaliger Inanspruchnahme durch denselben Arbeitgeber – unionsrechtskonform.

I. Das Berufungsgericht schließt sich dem angefochtenen Urteil an. Das Berufungsgericht verweist in vollem Umfang auf die entsprechende Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils, macht sich dessen Entscheidungsgründe zu Eigen und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf sie (Seite 5 – 13 des Urteils, Bl. 62 RS – 66 RS d. A.).

Auch das Berufungsvorbringen ändert an dem gefundenen Ergebnis nichts.

II. Das Berufungsvorbringen gibt Anlass zu folgenden Ergänzungen und Klarstellungen:

1. Zunächst ist § 14 Abs. 3 TzBfG in der hier vorliegenden Fallkonstellation – nämlich der erstmaligen Befristung und mehrfachen Verlängerung nach § 14 Abs. 3 TzBfG, nachdem bereits zuvor zwischen denselben Parteien nicht auf § 14 Abs. 3 TzBfG gestützte befristete Arbeitsverträge bestanden- nicht unionsrechtswidrig.

a) Insofern geht die Berufungskammer mit dem Bundesarbeitsgericht davon aus, dass § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG in Fallgestaltungen, in denen es bereits zuvor befristete – nicht auf § 14 Abs. 3 TzBfG gestützte – Arbeitsverträge gab oder in denen es gem. § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG um die mehrfache Verlängerung eines nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG befristeten Vertrages geht, jedenfalls die erstmalige Inanspruchnahme der in dieser Bestimmung eröffneten Befristungsmöglichkeit durch denselben Arbeitgeber unionsrechtskonform ist. Unter dieser Prämisse ist die Regelung sowohl mit der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 (in Folgenden Rahmenvereinbarung) als auch mit der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Folgenden Richtlinie 2000/78/EG) vereinbar (insoweit wird Bezug genommen auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Mai 2014 – 7 AZR 360/12 – zitiert nach , vorgesehen zur Veröffentlichung in BAGE).

b) Eine solche erstmalige Anwendung der Befristungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 3 Sätze 1 und 2 TzBfG ist zwischen den Parteien gegeben.

Der Kläger hat die Wirksamkeit der letzten Befristungsabrede zum 30. April 2013 angegriffen, bei der es sich gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG um die zweite Verlängerung der ursprünglich zwischen den Parteien für die Zeit vom 23. März bis 22. September 21013 vereinbarten Befristung handelt. Mit dieser ursprüngliche Befristungsvereinbarung haben die Parteien erstmalige von der in § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG eröffneten Befristungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Denn die zwischen den Parteien zuvor im Zeitraum vom 2. Juni 2008 bis 31. Dezember 2010 geschlossenen vier Befristungsvereinbarungen stützten sich auf § 14 Abs. 2 TzBfG (nämlich der erste Vertrag vom 23. Mai 2008) oder auf § 14 Abs. 1 TzBfG (die weiteren drei Verträge vom 23. November 2008, 1. Dezember 2009 und 28. Mai 2010), aber nicht auf § 14 Abs. 3 TzBfG.

2. Zutreffend geht das Arbeitsgericht davon aus, das Gegenstand der rechtzeitig erhobenen Befristungskontrollklage ausschließlich die letzte Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses für den Zeitraum vom 01. Januar 2013 bis 30. April 2013 ist. Die Beschränkung der Kontrolle auf die zuletzt geschlossene Befristungsabrede schließt es nicht aus, dass bei Prüfung der Rechtswirksamkeit dieser Befristung, insbesondere bei der unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmenden Missbrauchskontrolle auch die vorangegangenen befristeten Verträge zu berücksichtigen sind.

3. Die von den Parteien zuletzt vereinbarte Befristung für die Dauer vom 01. Januar 2013 bis 30. April 2013 ist nach § 14 Abs. 3 TzBfG ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig. Hiervon geht auch das Arbeitsgericht zutreffend aus.

a) Zwischen den Parteien ist weiterhin unstreitig, dass die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 TzBfG erfüllt sind.

Der Kläger wurde im Juli 1956 geboren und war somit sowohl im Zeitpunkt des Beginns der letzten Befristung im Januar 2013 als auch zu Beginn des mit Änderungsvereinbarung vom 17. Dezember 2012 geänderten ursprünglichen Arbeitsvertrages vom 19. März 2012, am 23. März 2012 älter als 52. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Auch wurde mit der letzten Befristung auf Grund Änderungsvereinbarung vom 12. Dezember 2012 nicht die maximale Gesamtbeschäftigungsdauer von fünf Jahre überschritten, § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG.

b) Entgegen der vom Kläger auch im Berufungsverfahren geäußerten Rechtsauffassung steht der Wirksamkeit der Befristung nicht entgegen, dass der Kläger im Zeitraum vom 02. Juni 2008 bis zum 31. Dezember 2010 bei der Beklagten bereits auf Basis von insgesamt vier befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt war.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren die Rechtsauffassung äußert, dass bei Prüfung des § 14 Abs. 3 TzBfG als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal das Verbot der Vorbeschäftigung zu berücksichtigen sei, vermag sich das Berufungsgericht dem nicht anzuschließen. Zunächst macht sich das Berufungsgericht nochmals die Ausführungen des Arbeitsgerichts zum fehlenden Vorbeschäftigungsverbot in § 14 Abs. 3 TzBfG zu Eigen und verweist auf diese.

Allein die Bezugnahme des Klägers in der Berufungsbegründung auf den Aufsatz von Bader: “Sachgrundlose Befristungen mit älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern neu geregelt (§ 14 Abs. 3 TzBfG)”, in: NZA 2007, 713 f, vermag die gegenteilige Auffassung des Klägers nicht zu rechtfertigen. Die darin genannten Fäle einer einschränkenden Anwendung von § 14 Abs. 3 TzBfG sind hier nicht gegeben. In dem genannten Aufsatz geht auch Bader davon aus, dass § 14 Abs. 3 TzBfG ein Verbot der Vorbeschäftigung ebenso wenig enthält, wie eine Anrechnung von früheren Beschäftigungszeiten beim selben Arbeitgeber. Allerdings spreche viel dafür, § 14 Abs. 3 TzBfG dann aus europarechtlichen Gründen nicht mehr anzuwenden, wenn derselbe Arbeitgeber nach Ausschöpfung des § 14 Abs. 3 TzBfG und viermonatiger Beschäftigungslosigkeit (oder dieser gleich gestellten Tatbeständen) wiederum von § 14 Abs. 3 TzBfG zu Gebrauch machen wolle. Auch müsse man im Hinblick auf § 5 Nr. 1 der europäischen Rahmenverordnung § 14 Abs. 3 TzBfG neue Fassung einschränkend interpretieren, wenn derselbe Arbeitgeber nach dem Ende des bislang bestehenden befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnisses und einer bewusst geplanten “Leerphase” von vier Monaten eine Befristung gem. § 14 Abs. 3 TzBfG neue Fassung vereinbaren wolle.

Bereits in erster Instanz ist zwischen den Parteien unstreitig gewesen, dass zwischen den Parteien weder die wiederholte Befristung auf Basis von § 14 Abs. 3 TzBfG, noch die erstmalige Befristung nach § 14 Abs. 3 TzBfG nach einer bewusst geplanten “Leerphase” in Rede stehen. Hierauf hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend verwiesen. Dazu hat der Kläger auch im Berufungsverfahren keinerlei neue Tatsachen vorgetragen. Entsprechend bleibt es dabei, dass keine Fallkonstellation gegeben ist, die für eine einschränkende Anwendung von § 14 Abs. 3 TzBfG aus europarechtlichen Gründen spricht.

c) Zutreffend geht das Arbeitsgericht davon aus, dass der Klage auch nicht aus anderem Grund entsprochen werden kann und Anhaltspunkte dafür, dass die Befristungsabrede aus Gründen des institutionellen Rechtsmissbrauchs für unwirksam zu erachten wäre, nicht bestehen (vgl. zum institutionellen Rechtsmissbrauch BAG 18. Juli 2012 – 7 AZR 443/09 – BAGE 142, 308). Auch insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen werden.

An einen nur ausnahmsweise anzunehmenden Rechtsmissbrauch sind hohe Anforderungen zu stellen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Gesamtdauer und Anzahl der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge zu berücksichtigen. Hier war der Kläger bei der Beklagten in der Zeit vom 02. Juni 2008 bis insgesamt zum 30. April 2013 etwas länger als viereinhalb Jahre auf der Grundlage von insgesamt fünf befristeten Arbeitsverträgen und zwei Änderungsvereinbarungen beschäftigt. Zwischen der letzten Sachgrundbefristung bis zum 31. Dezember 2010 und dem Beginn des ersten auf Basis des § 14 Abs. 3 TzBfG befristeten Vertrages am 23. März 2012 lagen über 14 Monate, in denen der Kläger zunächst bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt war und dann vier Monate beschäftigungslos im Sinne von § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gewesen ist. Hiernach gibt es keinen ausreichenden Hinweis auf das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs.

C. Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels hat der Kläger zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Schlagworte

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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