LAG Hessen, 18.07.2016 – 16 TaBV 1/16

März 27, 2019

LAG Hessen, 18.07.2016 – 16 TaBV 1/16
Leitsatz:

1.

In Unternehmen mit mehreren Betrieben sind im Bereich des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG regelmäßig die Einzelbetriebsräte für die Regelung der davon erfassten Arbeitszeitfragen zuständig. Dies kann allerdings anders zu beurteilen sein, wenn es an einer zu verteilenden betrieblichen Arbeitszeit fehlt. Die Regelungsbefugnis des Einzelbetriebsrats setzt aber regelmäßig voraus, dass die Arbeitszeit durch Arbeitsabläufe bestimmt wird, die sich nach den auf den Betrieb beschränkten Vorgaben des Arbeitgebers richten. Wird eine Dienstleistung vom Arbeitgeber in mehreren Betrieben erbracht, entfällt bei einer technisch-organisatorischen Verknüpfung der Arbeitsabläufe eine betriebliche Regelungsmöglichkeit. Fehlt es an einer zu verteilenden betrieblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, ist für die Regelung der Arbeitszeitfragen nach dieser Vorschrift ist der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig.
2.

Die nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG begründete originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zur Regelung einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit ist nicht auf eine Rahmenkompetenz beschränkt. Sofern der Gesamtbetriebsrat für die Behandlung einer Angelegenheit iSv. § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG originär zuständig ist, hat er diese Angelegenheit insgesamt mit dem Arbeitgeber zu regeln.

Tenor:

Auf die Beschwerden des Antragstellers und der Beteiligten zu 6, 7, 9 und 10 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 5. November 2015 – 19 BV 706/14 – abgeändert:

Es wird festgestellt, dass § 8 Absatz 4, 5 und 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Anwendung des EDV5 Systems “Carmen” vom 28. November 2003 unwirksam ist.

Im Übrigen werden die Anträge des Beteiligten zu 7) zurückgewiesen.

Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 10.000,00 EUR (in Worten: Zehntausend und 0/100 Euro) für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, im Falle der Ablehnung der Einsatzpläne durch den Beteiligten zu 1) bzw. den Beteiligten zu 6) die Einigungsstelle, an der der Beteiligte zu 1) bzw. der Beteiligte zu 6) nicht beteiligt sind, anzurufen oder sich an dieser Einigungsstelle zu beteiligen, es sei denn, dass der Gesamtbetriebsrat zuvor mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben ordnungsgemäß nach § 50 Abs. 2 BetrVG durch den Beteiligten zu 1) beauftragt wurde.

Auf den Widerantrag der Beteiligten zu 2) wird festgestellt, dass dem bei der Beteiligten zu 2) gebildete Gesamtbetriebsrat die Zuständigkeit für die Schicht5 und Einsatzplanung für Bordpersonal und Triebfahrzeugführer gem. §§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 50 Abs. 1 BetrVG zusteht.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit von Regelungen einer Gesamtbetriebsvereinbarung und die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Schicht- und Einsatzplanung für Bordpersonal und Triebfahrzeugführer gemäß §§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 50 Abs. 1 BetrVG.

Die Beteiligte zu 2 (Arbeitgeber) ist ein deutschlandweit tätiges Bahnunternehmen, das in 17 Wahlbetriebe untergliedert ist. Antragsteller ist der für den Wahlbetrieb F.I.7 gebildete Betriebsrat. Die übrigen 16 Betriebsräte sind an dem Verfahren beteiligt, ebenso wie der gebildete Gesamtbetriebsrat (Beteiligter zu 19).

Die vom Arbeitgeber betriebenen Züge verkehren bundesweit. Die Schicht- und Einsatzplanung beim Arbeitgeber erfolgt dergestalt, dass zunächst an zentraler Stelle mit dem EDV-System “Carmen” Schichtpläne erstellt werden, die noch nicht mit konkreten Mitarbeitern besetzt sind, die aber bereits vorsehen, auf welchen Zügen zu welchen Zeiten, für welche konkreten Positionen, von welcher Haltestelle bis zu welcher Haltestelle Mitarbeiter eingesetzt werden. Diese Schichtpläne werden an die verschiedenen Einsatzstellen vor Ort weitergegeben. Die Zuteilung von konkreten Mitarbeitern auf eine bestimmte Schicht erfolgt sodann vor Ort durch örtliche Einsatzplaner.

Im Unternehmen des Arbeitgebers besteht die Gesamtbetriebsvereinbarung zur “Anwendung des EDV-Systems Carmen”; insoweit wird auf Bl. 34-40 der Akten Bezug genommen. Deren § 8 regelt das Mitbestimmungsverfahren bei der Schicht- und Einsatzplanung im Rahmen unterjähriger Anpassungen. Nach § 8 Abs. 4 ist im Falle einer Verweigerung der Zustimmung zu den erstellten Einsatzplänen durch den örtlichen Betriebsrat unverzüglich die Einigungsstelle Carmen anzurufen, deren Beisitzer auf Arbeitnehmerseite nach § 8 Abs. 5 vom Gesamtbetriebsrat benannt werden. Gemäß § 8 Abs. 6 werden die Einsatzpläne spätestens 6 Arbeitstage vor Inkrafttreten bzw. bei Anrufung der Einigungsstelle unverzüglich nach deren Entscheidung den Mitarbeitern bekannt gegeben.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Einsatzpläne den örtlichen Betriebsräten zusteht.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I der Gründe (Bl. 256-259R der Akten) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. § 8 Abs. 416 der Gesamtbetriebsvereinbarung “Carmen” sei nicht unwirksam. Das Mitbestimmungsrecht bei der Schicht- und Einsatzplanung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG stehe gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG dem Gesamtbetriebsrat zu. Die vom Arbeitgeber betriebenen Züge verliefen durch die Gebiete verschiedener Wahlbetriebe. Aufgrund dieser arbeitsorganisatorischen Verknüpfung müsse die Schichteinteilung betriebsübergreifend erfolgen. Eine Änderung des Schichtplans in einem Wahlbetrieb, der Schichten enthalte, im Rahmen derer Mitarbeiter eines oder mehrerer anderer Wahlbetriebe tätig werden, habe zwangsläufig Auswirkungen auf die Schichtpläne anderer Wahlbetriebe. Es fehle daher an einer rein betrieblich zu verteilenden Arbeitszeit. Die Einbeziehung der örtlichen Betriebsräte in die Aufstellung der Einsatzpläne trage dem Umstand Rechnung, dass diese mit den örtlichen Gegebenheiten besser als der Gesamtbetriebsrat vertraut seien. Dies ändere jedoch nichts an der grundsätzlichen Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats. Deshalb sei die Einigungsstelle zutreffend auf der Ebene des Gesamtbetriebsrats gebildet.

Dieser Beschluss wurde dem Vertreter des Beteiligten zu 6 am 10. Dezember 2015, dem des Antragstellers und des Beteiligten zu 9 sowie dem Vertreter des Beteiligten zu 7 am 14. Dezember 2015 und dem Vertreter des Beteiligten zu 10 am 15. Dezember 2015 zugestellt. Die Beschwerdebegründungsfrist wurde für den Beteiligten zu 6 bis 10. März 2016, für die Beteiligten zu 1 und 9 bis 29. Februar 2016 und für den Beteiligten zu 7 bis 15. März 2016 verlängert. Die Beschwerdebegründung des Beteiligten zu 10 ist am 12. Februar 2016 eingegangen, die der Beteiligten zu 1 und 9 am 12. Februar 2016, die des Beteiligten zu 6 am 10. März und die des Beteiligten zu 7 am 14. März 2016.

Die Beschwerden des Vertreters des Beteiligten zu 6 und die des Vertreters des Antragstellers und des Beteiligten zu 9 sind am 11. Januar 2016 (Montag) eingegangen, die des Vertreters des Beteiligten zu 10 am 12. Januar 2016 und die des Vertreters des Beteiligten zu 7 am 13. Januar 2016.

Der Antragsteller und der Beteiligte zu 9 tragen vor, der Arbeitgeber nehme zunächst die Verteilung der Arbeitsleistung auf die einzelnen Betriebsstätten (Einsatzstellen) vor, von denen aus der Personaleinsatz erfolgt. Dies geschehe auf der Grundlage des Personalbestandes und damit der verfügbaren Arbeitsstunden zum Wahlbetrieb. Das Arbeitsvolumen, das durch den Wahlbetrieb erbracht werden muss, stehe daher fest und werde mit einer Leistungszuweisung unterstützt. Die Betriebsräte seien in dieser Phase nur informatorisch beteiligt. Der Arbeitgeber erstelle danach auf zentraler Ebene als Untersetzung der zu verteilenden Arbeitsleistung Schichtpläne, die als PAC-Schichten der Planungsabteilung des jeweiligen Betriebes übergeben werden. Die Schichtpläne enthielten nur grob geplante Arbeitsleistungen und noch keine personelle Zuordnung. Sie dienten als Grundlage für die weitere Planung in den Wahlbetrieben. Die Planer im Wahlbetrieb bearbeiteten sodann diese Schichten, um sie den örtlichen Gegebenheiten anzupassen und dem Betriebsrat vorlegen zu können. Dies entspreche § 8 Abs. 1 der Gesamtbetriebsvereinbarung. Die mitbestimmten Dienstschichten seien Grundlage für die Einsatzpläne. Erst dann werde bestimmt, wann welcher Mitarbeiter welche Arbeitsleistung ausführe. Für diese Einsatzpläne gebe es keine zentralen Vorgaben. Sie würden auf der Grundlage der mitbestimmten Dienstschichten durch Zuweisung der in Frage kommenden Mitarbeiter auf betrieblicher Ebene erstellt und dem örtlichen Betriebsrat zur Mitbestimmung vorgelegt. Die Beschlussfassung des Betriebsrats ergebe sich aus § 8 Abs. 3 der Gesamtbetriebsvereinbarung. Da es im Arbeitsablauf ständig Änderungen bei der Durchführung von Schichten und Einsatzplänen gäbe, würden diese nicht zentral, sondern auf betrieblicher Ebene geplant. Der Betrieb erhalte Änderungen der Zugleistung vorgegeben und plane daraufhin die Veränderung der Schichten und der Einsatzplanung anhand des eigenen verfügbaren Personalbestandes. Diese Änderungen würden sodann dem örtlichen Betriebsrat zur Mitbestimmung vorgelegt. Dieser Ablauf zeige, dass die Dienstschichten und Einsatzpläne ausschließlich auf betrieblicher Ebene erstellt und vom Betriebsrat mitbestimmt werden. Zwar sei es richtig, dass es zentrale Vorgaben geben müsse, um eine Zugleistung überregional planen zu können. Die Zentrale des Konzerns sei aber lediglich an den Vorgaben für die Dienstschichten in Form eines groben Rasters, nicht aber an deren endgültiger Fertigstellung und überhaupt nicht an der Erstellung von Einsatzplänen beteiligt. Dies sei auch nicht notwendig, denn sobald die Dienstschichten abschließend geplant und mitbestimmt sind, sei es für den Unternehmenszweck gleichgültig, welcher Mitarbeiter des Betriebes diese Schicht fährt. Die Schnittstellen zu den anderen Wahlbetrieben stünden mit der Schichtplanung fest. Erst auf dieser Grundlage würden die Einsatzpläne erstellt. Der Gesamtbetriebsrat habe keinen persönlichen Kontakt zu den Mitarbeitern und Planern des Betriebs und könne deshalb diese Aufgabe nicht sachgerecht ausführen. Eine Organisationsentscheidung des Arbeitgebers, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer betriebsübergreifend zu planen, so dass es letztlich keine betrieblich zu verteilende Arbeitszeit gebe, existiere nicht. Die konkrete Schicht- und Einsatzplanung erfolge in den jeweiligen Wahlbetrieben des Fernverkehrs. Gerade das sei Gegenstand der erzwingbaren Mitbestimmung in § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Dem Betriebsrat sei kein praktisches Beispiel bekannt, bei dem jemals eine Zugleistung nicht durchgeführt werden konnte, weil örtliche Betriebsräte widersprechende Entscheidungen getroffen hätten. Mit der Leistungsverteilung an die einzelnen Wahlbetriebe stehe nämlich fest, welcher Betrieb welche Leistungen durchzuführen hat. Die Verteilung der Arbeitszeit, die Bestimmung von deren Beginn und Ende, die Lage der Pausen und die Verteilung auf die einzelnen Wochentage erfolge ausschließlich auf örtlicher Ebene im Wahlbetrieb. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, der Gesamtbetriebsrat habe sein Mitbestimmungsrecht dergestalt ausgeübt, dass er mit dem Arbeitgeber vereinbart hat, dass die Einsatzpläne zunächst den örtlichen Betriebsräten vorgelegt werden und für den Fall, dass von diesen keine Einwendungen erhoben werden, die Einsatzpläne als genehmigt gelten, sei rechtlich nicht haltbar. Die Übertragung von Mitbestimmungsrechten des Gesamtbetriebsrats auf den Betriebsrat sei gesetzlich nicht vorgesehen. Der Gesamtbetriebsrat sei nicht befugt, über Angelegenheiten der örtlichen Betriebsräte zu befinden, sofern diese ihn nicht ausdrücklich gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG dazu ermächtigt haben.

Der Beteiligte zu 6 ist der Auffassung, das Arbeitsgericht unterstelle ein geteiltes Mitbestimmungsrecht. Ein solches bestehe nicht und sei auch gesetzlich nicht vorgesehen. Auch nach Auffassung des Gesamtbetriebsrats könne nur der jeweils örtliche Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht bei der Erstellung der Schicht1 und Einsatzpläne ausüben. Im Falle einer nicht erfolgten Zustimmung der örtlichen Betriebsräte gehe das Mitbestimmungsrecht auf die ständige Einigungsstelle “Carmen” über. Dies stehe in Widerspruch zu § 87 Abs. 1 BetrVG. Die Rechte des Betriebsrats im Einigungsstellenverfahren stünden demjenigen Betriebsrat zu, dessen erzwingbares Mitbestimmungsrecht betroffen sei. Der Gesamtbetriebsrat sei nicht nach § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig.

Der Beteiligte zu 7 ist der Ansicht, eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bestehe nur dann, wenn es um die Behandlung von Angelegenheiten gehe, die das Unternehmen zumindest in mehreren Betrieben so betreffe, dass die Einzelbetriebsräte die Angelegenheiten innerhalb ihrer Betriebe nicht regeln könnten. Dies sei hier nicht der Fall. Die Betriebsräte bekämen von der Arbeitgeberin eine zentrale Leistungszuweisung, also das Arbeitskontingent, welches von dem jeweiligen Betrieb geleistet werden soll, vorgegeben. Diese Schichtplanvorgabe werde vom Arbeitgeber den einzelnen Teilbetrieben weitergeleitet. Dabei handele es sich um Grobschichten, die dann von den Planern auf Arbeitgeberseite an die betrieblichen Gegebenheiten angepasst und danach als Schichtplanung zur Mitbestimmung dem Betriebsrat vorgelegt würden. Der Betriebsrat prüfe diese und beschließe hierüber. Bis dahin seien die Schichten noch keinem Mitarbeiter der Betriebe zugeordnet, sondern nur als Planbausteine geplant. Anschließend bestimme die lokale Planerabteilung, welche Mitarbeiter letztlich welche Schichten fahren. Hierbei handele es sich um die Mitarbeitereinsatzpläne. Diese würden sodann dem Betriebsrat zur Mitbestimmung vorgelegt. Im Falle der Verweigerung der Zustimmung solle nach der Gesamtbetriebsvereinbarung “Carmen” die Einigungsstelle entscheiden, an der der Betriebsrat nicht beteiligt ist. Dies verstoße gegen die Grundsätze des § 76 BetrVG. Die von den lokalen Betriebsräten mitbestimmten Schichten und Einsatzpläne seien keine betriebsübergreifende Angelegenheit. Im Übrigen könne der Gesamtbetriebsrat die regionalen Belange nicht berücksichtigen. Ferner stelle sich die Frage, ob eine Verlagerung eines Teils des Mitbestimmungsrechts auf den Gesamtbetriebsrat überhaupt möglich sei. Eine Abweichung von § 50 BetrVG sei nicht zulässig.

Der Antragsteller und der Beteiligte zu 9 beantragen,

in Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. November 2015 -19 BV 706/14-

1.

festzustellen, dass § 8 Abs. 4 und Abs. 5 der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Anwendung des EDV-Systems “Carmen” vom 28. November 2003 unwirksam sind und die Einigungsstelle “Carmen” nicht für Streitigkeiten zwischen den Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 2 bezüglich der mit dem EDV-System “Carmen” erstellten Einsatzpläne zuständig ist,
2.

festzustellen, dass § 8 Abs. 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Anwendung des EDV Systems “Carmen” vom 28. November 2003 unwirksam ist.
3.

Hilfsweise zu den Anträgen zu 1 und 2:
3.1

es wird festgestellt, dass dem Beteiligten zu 1 und nicht dem Beteiligten zu 19 bei der Festlegung von Erstellung, Änderung und Ergänzung von Einsatzplänen im EDV-System “Carmen” im Betrieb der Beteiligten zu 2 ein Mitbestimmungsrecht zusteht,
3.2

es wird festgestellt, dass ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten durch die Anrufung der so genannten Einigungsstelle “Carmen” gemäß der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 28. November 2003 nicht begründet wird 1 es sei denn, dass der Gesamtbetriebsrat zuvor mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG durch den Beteiligten zu 1 beauftragt wurde,

sowie als Hauptantrag
4.

der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von 10.000 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, im Falle der Ablehnung der Einsatzpläne durch den Beteiligten zu 1 die Einigungsstelle “Carmen” , an der der Beteiligte zu 1 nicht beteiligt ist, anzurufen oder sich an dieser Einigungsstelle zu beteiligen, es sei denn, dass der Gesamtbetriebsrat zuvor mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben ordnungsgemäß nach § 50 Abs. 2 BetrVG durch den Beteiligten zu 1 beauftragt wurde.

Der Beteiligte zu 6 beantragt,

in Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. November 2015 -19 BV 706/14-

1.

festzustellen, dass § 8 Abs. 4 und Abs. 5 der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Anwendung des EDV-Systems “Carmen” vom 28. November 2003 unwirksam sind und die Einigungsstelle “Carmen” nicht für Streitigkeiten zwischen den Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 2 bezüglich der mit dem EDV-System “Carmen” erstellten Einsatzpläne zuständig ist,
2.

festzustellen, dass § 8 Abs. 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Anwendung des EDV Systems “Carmen” vom 28. November 2003 unwirksam ist.
3.

Hilfsweise zu den Anträgen zu 1 und 2:
3.1

es wird festgestellt, dass dem Beteiligten zu 6 und nicht dem Beteiligten zu 19 bei der Festlegung von Erstellung, Änderung und Ergänzung von Einsatzplänen im EDV-System “Carmen” im Betrieb der Beteiligten zu 2 ein Mitbestimmungsrecht zusteht,
3.2

es wird festgestellt, dass ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten durch die Anrufung der so genannten Einigungsstelle “Carmen” gemäß der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 28. November 2003 nicht begründet wird 1 es sei denn, dass der Gesamtbetriebsrat zuvor mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG durch den Beteiligten zu 6 beauftragt wurde,

sowie als Hauptantrag
4.

der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von 10.000 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, im Falle der Ablehnung der Einsatzpläne durch den Beteiligten zu 1 die Einigungsstelle “Carmen” , an der der Beteiligte zu 6 nicht beteiligt ist, anzurufen oder sich an dieser Einigungsstelle zu beteiligen, es sei denn, dass der Gesamtbetriebsrat zuvor mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben ordnungsgemäß nach § 50 Abs. 2 BetrVG durch den Beteiligten zu 9 beauftragt wurde.

Der Beteiligte zu 7 beantragt,

in Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. November 2015 -19 BV 706/14-

1.

festzustellen, dass § 8 Abs. 4 und Abs. 5 der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Anwendung des EDV-Systems “Carmen” vom 28. November 2003 unwirksam sind,
2.

festzustellen, dass § 8 Abs. 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Anwendung des EDV Systems “Carmen” vom 28. November 2003 unwirksam ist,
3.

festzustellen, dass die Einigungsstelle “Carmen” nicht für Streitigkeiten zwischen den Beteiligten, insbesondere nicht für Streitigkeiten zwischen den Beteiligten zu 2 und 7 bezüglich der mit dem EDV-System “Carmen” erstellten Einsatzpläne zuständig ist,
4.

festzustellen, dass dem Beteiligten zu 7 als örtlichem Betriebsrat das Mitbestimmungsrecht bezüglich des Beginns und Endes der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie bei der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage bei der Erstellung von Einsatzplänen mit dem EDV-System “Carmen” zusteht, soweit es um Einsatzpläne geht, die Mitarbeiter des Wahlbetriebs der Beteiligten zu 7 betreffen.

Der Beteiligte zu 10 beantragt,

in Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. November 2015 -19 BV 706/14-

1.

festzustellen, dass § 8 Abs. 4, 5 und 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Anwendung des EDV-Systems “Carmen” vom 28. November 2003 unwirksam ist und die Einigungsstelle “Carmen” nicht für Streitigkeiten über die mit den EDV-System “Carmen” erstellten Einsatzpläne zwischen dem Beteiligten zu 10 und der Beteiligten zu 2 zuständig ist,

für den Fall der vom Gericht festzustellenden Unzulässigkeit des angekündigten Antrags vorsorglich:
2.

festzustellen, dass der örtlich zuständige Betriebsrat und nicht der Gesamtbetriebsrat bei der Erstellung der jeweiligen Einsatzpläne durch die Beteiligte zu 2 zur Wahrnehmung der sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ergebenden Mitbestimmungsrechte einschließlich des sich aus § 87 Abs. 2 BetrVG ergebenden Rechts zur Anrufung der Einigungsstelle berufen ist,
3.

der Beteiligten zu 2 aufzugeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von wenigstens 10.000 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, im Falle der Ablehnung der Einsatzpläne durch den örtlich zuständigen Betriebsrat die Einigungsstelle “Carmen” oder eine andere zentrale Einigungsstelle, an der dieser nicht beteiligt ist, anzurufen, es sei denn, dass der Gesamtbetriebsrat ordnungsgemäß nach § 50 Abs. 2 BetrVG vom örtlich zuständigen Betriebsrat beauftragt wurde.

Der Arbeitgeber beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen,

festzustellen, dass dem bei der Beteiligten zu 2 gebildeten Gesamtbetriebsrat die Zuständigkeit für die Schicht- und Einsatzplanung für Bordpersonal und Triebfahrzeugführer gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2, § 50 Abs. 1 BetrVG zusteht.

Der Antragsteller und die Beteiligten zu 6, 7, 9 und 10 beantragen,

den Widerantrag des Arbeitgebers zurückzuweisen.

Der Arbeitgeber ist der Auffassung, das Bundesarbeitsgericht habe in seiner Entscheidung vom 19. Juni 2012 -1 ABR 19/11- in einem vergleichbaren Fall die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bejaht. Beginn und Ende der Schichten ergäben sich bereits aus der zentralen Schichtplanung. Sodann würden die Schichten durch die örtlichen Planer konkret mit Mitarbeitern unterlegt und dem Betriebsrat gemäß § 8 Abs. 3 Gesamtbetriebsvereinbarung “Carmen” vorgelegt. Die zentrale Schichtplanung sei für den Arbeitgeber zwingend, weil das Streckennetz betriebsübergreifend ist. Deshalb fehle es an einer betrieblich zu verteilenden Arbeitszeit. Es erfolge auch keine Trennung des Mitbestimmungsrechts. Vorliegend habe der Gesamtbetriebsrat die Fragen der Schicht- und Einsatzplanung in der Gesamtbetriebsvereinbarung “Carmen” umfassend geregelt. Er sei nicht gehindert, sich im Rahmen seiner Entscheidungen an den Stellungnahmen der örtlichen Betriebsräte zu orientieren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anhörungsprotokolle Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerden sind statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurden, § 87 Abs. 2 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG, § 594 ZPO.

2. Die Beschwerden sind überwiegend begründet. Der Antrag des Arbeitgebers ist begründet.

Die Anträge zu 1 und 2 des Antragstellers und des Beteiligten zu 9, des Beteiligten zu 6 und des Beteiligten zu 7 sowie der Antrag zu 1 des Beteiligten zu 10 sind zulässig. Eine Auslegung des Antrags zu 1 des Antragstellers und des Beteiligten zu 9 sowie des Beteiligten zu 6 und 10 ergibt, dass es sich bei dem 2. Halbsatz um ein Begründungselement und nicht um einen eigenständigen Feststellungsantrag handelt. Dies folgt aus der sprachlichen Verknüpfung mit dem vorangegangenen Halbsatz. Im Übrigen wäre ein eigenständiger Antrag, gerichtet auf Feststellung der Unzuständigkeit einer Einigungsstelle, unzulässig, da er eine rechtliche Vorfrage aber kein Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO betrifft (GK-ArbGG-Ahrendt, § 81 Rn. 23).

Die so verstandenen Anträge zu 1 und 2 sind auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. Streiten die Betriebsparteien über den Bestand, den Inhalt oder den Umfang von Mitbestimmungsrechten oder über die Wirksamkeit einer noch geltenden Betriebsvereinbarung, streiten sie damit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines entsprechenden Rechtsverhältnisses. Dieser Streit kann im Wege des Feststellungsverfahrens geklärt werden (Bundesarbeitsgericht 18. Februar 2003 11 ABR 2/021 AP § 611 BGB-Arbeitsbereitschaft Nr. 12, zu II der Gründe). Darum geht es hier. Mit dem Feststellungsantrag soll die Wirksamkeit einzelner Normen der Gesamtbetriebsvereinbarung “Carmen” geklärt werden.

Die Beschwerdeführer sind antragsbefugt. Zwar kann der Betriebsrat die Unwirksamkeit einer von einer anderen Arbeitnehmervertretung abgeschlossenen Betriebsvereinbarung nur im Hinblick auf eine Verletzung gerade seiner Regelungsbefugnis geltend machen (Bundesarbeitsgericht 5. März 2013 -1 ABR 75/11- Rn. 18). Dies ist hier der Fall. Die Beschwerdeführer machen geltend, dass ihnen – und nicht dem Gesamtbetriebsrat – das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zusteht.

Die Anträge zu 1 und 2 des Antragstellers und des Beteiligten zu 9, des Beteiligten zu 6 und des Beteiligten zu 7 sowie der Antrag zu 1 des Beteiligten zu 10 sind begründet. § 8 Abs. 4, 5 und 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung “Carmen” sind unwirksam.

Der Gesamtbetriebsrat ist für die Schicht- und Einsatzplanung nach § 50 Absatz 1 S. 1 BetrVG zuständig.

Die Ausübung der Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz obliegt grundsätzlich dem von den Arbeitnehmern unmittelbar gewählten Betriebsrat. Dem Gesamtbetriebsrat ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur die Behandlung von Angelegenheiten zugewiesen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Erforderlich ist, dass es sich zum einen um eine mehrere Betriebe betreffende Angelegenheit handelt und zum anderen objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung besteht. Das Vorliegen eines zwingenden Erfordernisses bestimmt sich nach Inhalt und Zweck des Mitbestimmungstatbestands, der einer zu regelnden Angelegenheit zugrunde liegt (BAG 15. Januar 2002 – 1 ABR 10/01 – zu B III 3 a bb [2] der Gründe, BAGE 100, 157; 16. Juni 1998 – 1 ABR 68/97 – zu B II der Gründe, BAGE 89, 139). Maßgeblich sind stets die konkreten Umstände des Unternehmens und der einzelnen Betriebe. Allein der Wunsch des Arbeitgebers nach einer unternehmenseinheitlichen oder betriebsübergreifenden Regelung, sein Kosten- oder Koordinierungsinteresse sowie reine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte genügen nicht, um in Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zustimmung des Gesamtbetriebsrats zu begründen (BAG 14. November 2006 – 1 ABR 4/06 – Rn. 22, BAGE 120, 146). In Unternehmen mit mehreren Betrieben sind im Bereich des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG regelmäßig die Einzelbetriebsräte für die Regelung der davon erfassten Arbeitszeitfragen zuständig (vgl. BAG 9. Dezember 2003 – 1 ABR 49/02 – zu B II 1 a der Gründe, BAGE 109, 71). Dies kann allerdings anders zu beurteilen sein, wenn es an einer zu verteilenden betrieblichen Arbeitszeit fehlt. Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG soll die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens mit den betrieblichen Belangen des Arbeitgebers zu einem angemessenen Ausgleich bringen (BAG 28. Mai 2002 – 1 ABR 40/01 – zu B II 1 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 96 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 65). Dessen betriebliche Interessen werden durch die im Betrieb zu erledigenden Aufgaben bestimmt. Diese richten sich grundsätzlich nach der vom Arbeitgeber getroffenen Organisationsentscheidung, durch die Art und Umfang der im Betrieb zu erledigenden Arbeiten festgelegt werden. Die Regelungsbefugnis des Einzelbetriebsrats setzt aber regelmäßig voraus, dass die Arbeitszeit durch Arbeitsabläufe bestimmt wird, die sich nach den auf den Betrieb beschränkten Vorgaben des Arbeitgebers richten. Wird eine Dienstleistung vom Arbeitgeber in mehreren Betrieben erbracht, entfällt bei einer technisch-organisatorischen Verknüpfung der Arbeitsabläufe eine betriebliche Regelungsmöglichkeit. Die von den Betriebsparteien zu berücksichtigenden betrieblichen Belange betreffen sämtliche von der Organisationsentscheidung des Arbeitgebers erfassten Betriebsstätten. Es fehlt an einer zu verteilenden betrieblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Für die Regelung der Arbeitszeitfragen nach dieser Vorschrift ist dann der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig (Bundesarbeitsgericht 19. Juni 2012 -1 ABR 19/11- Rn. 21, 22).

Nach diesen Grundsätzen besteht ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder jedenfalls betriebsübergreifende Regelung. Die Züge des Arbeitgebers verkehren nicht nur innerhalb einzelner Wahlbezirke, sondern bundesweit. Dementsprechend erfolgt die Schichtplanung betriebsübergreifend. Dies hat zur Folge, dass es an einer zu verteilenden betrieblichen Arbeitszeit fehlt. Der Arbeitgeber erbringt eine einheitliche Dienstleistung, indem seine Züge bundesweit verkehren. Daher wird die Arbeitszeit gerade nicht durch Arbeitsabläufe bestimmt, die sich nach den auf den Betrieb beschränkten Vorgaben des Arbeitgebers richten. Die auf seinen Zügen zu verrichtenden Dienste lassen sich nur betriebsübergreifend planen. Hierbei wird zunächst zentral und damit betriebsübergreifend die Zugbesetzung für den jeweiligen Tag und den betreffenden Zug festgelegt. Dies ist Bestandteil und notwendige Voraussetzung der mitbestimmungspflichtigen Schichtplanung. Dass es sodann auf einer 2. Stufe eine örtliche Einsatzplanung gibt, auf der festgelegt wird, welcher Mitarbeiter des Betriebs die auf dem betriebsübergreifend verkehrenden Zug vorgesehenen Dienste verrichtet, ändert daran nichts. Denn das Mitbestimmungsrecht bezieht sich bereits auf die zentrale Planung des Rahmens der zu erbringenden Dienstleistung. Hieraus folgt die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 BetrVG.

Gleichwohl sind die Regelungen des § 8 Abs. 4, 5 und 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung “Carmen” unwirksam.

Die nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG begründete originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zur Regelung einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit ist nicht auf eine Rahmenkompetenz beschränkt. Ihre Reichweite ergibt sich vielmehr aus dem konkreten Mitbestimmungstatbestand. Fällt eine bestimmte “Angelegenheit” iSv. § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats, so kann und muss er diese gemeinsam mit dem Arbeitgeber regeln. Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber müssen sich in einem solchen Fall nicht auf die Aufstellung von Rahmenvorschriften beschränken, die Raum für ausgestaltende Regelungen durch die örtlichen Betriebsräte lassen (so im Ergebnis auch BAG 11. November 1998 – 7 ABR 47/97 – AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 19 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 17, zu B I 4 d der Gründe; ausdrücklich offen gelassen dagegen in BAG 31. Januar 1989 – 1 ABR 60/87 – AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 12 = EzA ArbGG 1979 § 81 Nr. 14, zu B II 5 b der Gründe) . Im Bereich der zwingenden Mitbestimmung gilt für das Verhältnis der betriebsverfassungsrechtlichen Organe der Grundsatz der Zuständigkeitstrennung. Hier sind ausschließlich entweder die einzelnen Betriebsräte oder der Gesamtbetriebsrat oder der Konzernbetriebsrat zuständig. Die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung ist zwingend und unabdingbar (BAG 9. Dezember 2003 – 1 ABR 49/02 – BAGE 109, 71, zu B II 1 b aa der Gründe mwN; 21. Januar 2003 – 3 ABR 26/02 – EzA BetrVG 2001 § 50 Nr. 2, zu B I 3 der Gründe).

Eine Beschränkung der originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats auf eine bloße Rahmenkompetenz ist mit dem Grundsatz der Zuständigkeitstrennung nicht vereinbar. Sofern der Gesamtbetriebsrat für die Behandlung einer Angelegenheit iSv. § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG originär zuständig ist, hat er diese Angelegenheit insgesamt mit dem Arbeitgeber zu regeln. Allerdings wird es bei betriebsübergreifenden Angelegenheiten häufig Detailfragen geben, die für mehrere Betriebe unterschiedlich geregelt werden könnten. Gleichwohl kann in derartigen Fällen eine einheitliche mitbestimmungspflichtige Angelegenheit nicht nach Regelungsinhalten aufgespalten werden in Teile, die in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats fallen und solche, für die die örtlichen Betriebsräte zuständig sind. Gerechtfertigt und geboten ist eine Differenzierung der Zuständigkeiten nur dann, wenn es sich um unterschiedliche Mitbestimmungstatbestände handelt (vgl. zur unterschiedlichen betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeit für Interessenausgleich und Sozialplan zuletzt BAG 3. Mai 2006 – 1 ABR 15/05 – ZIP 2006, 1596, zu B III der Gründe). Innerhalb eines Mitbestimmungstatbestands ist dagegen eine Aufspaltung der Zuständigkeiten auf mehrere betriebsverfassungsrechtliche Organe nicht möglich. Sie wäre mit den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht vereinbar. Insbesondere wäre innerhalb eines Mitbestimmungstatbestands häufig eine Abgrenzung der Regelungen mit unterschiedlichen Zuständigkeiten kaum zuverlässig möglich. Auch stehen bei der Regelung einer mitbestimmten Angelegenheit die Detailregelungen regelmäßig in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis und sind in einer Weise verzahnt, die eine gleichzeitige Regelung der betriebsübergreifenden allgemeinen und der auf einzelne Betriebe bezogenen Detailfragen erforderlich macht. Selbst wenn der Gesamtbetriebsrat mit dem Arbeitgeber im Bereich seiner originären Zuständigkeit noch keine abschließende Regelung getroffen hat, verbleibt die Regelungskompetenz bei ihm. Er kann diese grundsätzlich auch nicht auf die örtlichen Betriebsräte delegieren (BAG 21. Januar 2003 – 3 ABR 26/02 – EzA BetrVG 2001 § 50 Nr. 2, zu B I 3 der Gründe; 14. November 2006 -1 ABR 4/06 Rn. 33-35).

Damit ist das in § 8 Gesamtbetriebsvereinbarung “Carmen” vorgesehene abgestufte System der Mitbestimmung nicht vereinbar. Dort ist in § 8 Abs. 3 geregelt, dass hinsichtlich der Einsatzpläne der Betriebsrat mitbestimmt, im Falle von dessen Verweigerung der Zustimmung zu den Einsatzplänen nach § 8 Abs. 4 S. 1 jedoch die Einigungsstelle Carmen anzurufen ist, deren Beisitzer auf Arbeitnehmerseite gemäß § 8 Abs. 5 S. 1 vom Gesamtbetriebsrat benannt werden. Diese Aufspaltung der Mitbestimmung auf die Ebene des Betriebsrats einerseits und die des Gesamtbetriebsrats andererseits verstößt gegen den Grundsatz der Zuständigkeitstrennung. Dies führt zur Unwirksamkeit der entsprechenden Regelungen des § 8 Abs. 4, 5 und 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung Carmen.

Die vom Antragsteller und den Beteiligten zu 6 und 9 gestellten Hilfsanträge fallen der Kammer nicht zur Entscheidung an, da den Anträgen zu 1 und 2 stattgegeben wurde. Entsprechendes gilt für die vom Beteiligten zu 10 vorsorglich gestellten (und damit als Hilfsanträge auszulegenden) Anträge zu 2 und 3.

Der Antrag zu 3 des Beteiligten zu 7 ist unzulässig. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Beteiligte zu 7 denselben Antrag bereits vorher in dem Verfahren 16 TaBV 3/16 gestellt hat, § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO (dort Bl. 623 d.A.). Er auf die Feststellung, dass die Einigungsstelle “Carmen” nicht für Streitigkeiten zwischen den Beteiligten, insbesondere nicht für Streitigkeiten zwischen den Beteiligten zu 2 und 7, bezüglich der mit dem EDV-System “Carmen” erstellten Einsatzpläne zuständig ist, gerichtet. Ein Antrag, der auf die Feststellung der Zuständigkeit oder Unzuständigkeit einer Einigungsstelle für eine bestimmte Angelegenheit abzielt, betrifft kein Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO, sondern rechtliche Vorfragen und ist daher unzulässig (GK-ArbGG-Ahrendt, § 81 Rn. 23). Auch deshalb ist der Antrag unzulässig. Eine Auslegung des Antrags dahin gehend, dass das umstrittene Mitbestimmungsrecht selbst zur Entscheidung gestellt wird, erübrigt sich, da ein derartiger Antrag als Antrag zu 4 vom Beteiligten zu 7 ausdrücklich gestellt wird.

Der (zulässige) Antrag zu 4 des Beteiligten zu 7 ist unbegründet, da – wie ausgeführt – das Mitbestimmungsrecht bei der Erstellung von Einsatzplänen dem Gesamtbetriebsrat zusteht.

Der Hauptantrag zu 4 des Antragstellers und der Beteiligten zu 6 und 9 ist begründet. Es handelt sich um einen allgemeinen Unterlassungsanspruch. Damit begehrt dieser die Unterlassung der Anrufung der Einigungsstelle Carmen im Falle der Ablehnung der Einsatzpläne durch den örtlichen Betriebsrat. Die in § 8 Abs. 4, 5 und 6 Gesamtbetriebsvereinbarung Carmen vorgesehene Aufspaltung der Mitbestimmung verstößt, wie ausgeführt, gegen den Grundsatz der Zuständigkeitstrennung, so dass diese betrieblichen Regelungen unwirksam sind.

Der Widerantrag des Arbeitgebers ist zulässig. Die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats oder Gesamtbetriebsrats bei einem bestimmten Regelungsgegenstand kann zulässiger Gegenstand eines Feststellungsantrags sein (GK-ArbGG-Ahrendt, § 81 Rn. 25). Der Zulässigkeit des Antrags steht auch nicht entgegen, dass es sich um die bloße kontradiktorische Verneinung des Antrags zu 4 des Beteiligten zu 7 handelte. Dieser bezog sich ausdrücklich auf die Einsatzpläne, während sich der Antrag des Arbeitgebers auf die (gesamte) Schicht- und Einsatzplanung für Bordpersonal und Triebfahrzeugführer bezieht. Er ist daher inhaltlich weitergehend.

Der Antrag ist begründet, da das Mitbestimmungsrecht insoweit -wie ausgeführt- dem Gesamtbetriebsrat zusteht.

III.

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor, § 92 Abs. 1,72 ArbGG.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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