LAG Hessen, 19.08.2014 – 1 Ta 142/14

April 30, 2019

LAG Hessen, 19.08.2014 – 1 Ta 142/14

Auch wenn das Arbeitsverhältnis noch keine 6 Monate bestanden hat, bemisst sich der Wert für die Kündigungsschutzklage auf das Vierteljahreseinkommen, außer aus der Klage und ihrer Begründung ergibt sich, dass der Fortbestand nur für einen kürzeren Zeitraum geltend gemacht werden soll.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. Februar 2014 – 19 Ca 8503/13 – aufgehoben.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 33 RVG wird für das Verfahren 20.213,18 und für den Vergleich auf € 20.348,18 festgesetzt.

Im Übrigen werden die Beschwerde der Bezirksrevisorin und die Beschwerde der Klägervertreter zurückgewiesen.

Die Klägervertreter haben die Beschwerdegebühr zu tragen.
Gründe
1

I.

Der Kläger hatte seit 1. Oktober 2013 bei der Beklagten zu einem Bruttomonatsgehalt von € 1.639,35 gearbeitet. Im schriftlichen Arbeitsvertrag haben die Parteien die Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. September 2014 vereinbart. Unter dem 5. November 2013 hat die Beklagte eine ordentliche Kündigung innerhalb der Probezeit ausgesprochen. Gegen diese Kündigung hat die Klägerin Kündigungsschutzklage erhoben, verbunden mit einem allgemeinen Feststellungsantrag, einem Weiterbeschäftigungsantrag, einem Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der monatlichen Vergütung von € 1.639,35 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und einem Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses (Bl. 1 f. d.A.). Im Gütetermin vom 16. Dezember 2013 haben die Parteien einen Vergleich mit dem sich aus Bl. 20 d.A. ergebenden Inhalt geschlossen.
2

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger teilweise Prozesskostenhilfe bewilligt. Weiterhin hat es nach vorheriger Anhörung des Klägers und seiner Prozessbevollmächtigten mit Beschluss vom 26. Februar 2014 den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit für das Verfahren auf € 27.868,95 und für den Vergleich auf € 28.003,95 festgesetzt. Gegen diesen, ihnen am 28. Februar 2014 zugestellten Beschluss haben die Klägervertreter mit einem am 14. März 2014 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingereicht (Bl. 36 d.A.), der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat (Bl. 37 d.A.). Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen in der Beschwerdeschrift (Bl. 36 d.A.) und im Schriftsatz vom 17. Juli 2014 (Bl. 53 f. d.A.) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 23. Juni 2014 hat die bisher im Wertfestsetzungsverfahren nicht beteiligte Bezirksrevisorin Beschwerde gegen den Wertfestsetzungsbeschluss vom 26. Februar 2014 eingereicht, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 25. Juni 2014 (Bl. 47 d.A.) ebenfalls nicht abgeholfen hat. Wegen der Begründung dieser Beschwerde wird auf die Ausführungen in der Beschwerdeschrift Bl. 44 d.A. Bezug genommen.
3

II.

Die Beschwerde der Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse ist teilweise begründet. Die Beschwerde der Klägervertreter hat keinen Erfolg.
4

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren ist auf € 20.213,18 zu bemessen. Dieser Betrag ermittelt sich wie folgt:
5

Klageantrag zu 1): 3 Gehälter á € 1.639,35:
6

Auch wenn das Arbeitsverhältnis der Parteien noch keine 6 Monate bestanden hat, bemisst sich der Wert für die Kündigungsschutzklage auf das Vierteljahreseinkommen. Weder aus dem Klageantrag noch aus der Klagebegründung ergibt sich, dass der Kläger in Kenntnis der Bestandsdauer des Arbeitsverhältnisses und der sich hieraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen nur einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses von unter 3 Monaten geltend machen wollte. Diese Auffassung stützt die Beschwerdekammer auf den von der Streitwertkommission der Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalog, an dem sie sich im Interesse einer möglichst einheitlichen Wertrechtsprechung in arbeitsgerichtlichen Verfahren nunmehr orientiert, und der hinsichtlich der Wertermittlung keine Unterscheidung mehr zwischen Kündigung innerhalb der ersten 6 Monate des Bestehens des Arbeitsverhältnisses und danach macht (siehe Streitwertkatalog 2014 veröffentlicht auf der Internetseite des Hessischen Landesarbeitsgerichts unter Service/Wertfestsetzung, abgedruckt in NZA 2014, 745 ff., dort I. Nr. 19). Dabei verkennt die Beschwerdekammer nicht, dass der von der Streitwertkommission erarbeitete Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte nicht bindend ist. Sie orientiert ihre Rechtsprechung jedoch im Interesse einer möglichst einheitlichen Gestaltung der Streitwertbemessung für bestimmte, typische Fallkonstellationen an diesem Katalog (vgl. auch LAG Nürnberg vom 12. Dezember 2013 – 4 Ta 133/13, BeckRS 2014, 03679 und vom 21. Juni 2013 – 7 Ta 41/13, BeckRS 2013, 7121; LAG Sachsen vom 28. Oktober 2013 – 4 Ta 172/13, BeckRS 2014, 67070).
7

Klageantrag zu 2): 3 Gehälter:
8

Es handelt sich vorliegend nicht um einen allgemeinen Feststellungsantrag in Form eines Schleppnetzantrags, der zu keiner zusätzlichen Bewertung führt (siehe Streitwertkatalog 2014 I. Nr. 17.2; vgl. Hess. LaG vom 30. Juli 2014 -1 Ta 23/14, zur Veröffentlichung vorgesehen. Der Kläger hat mit dem Klageantrag zu 2) ausweislicher seiner Begründung die Befristung im Arbeitsvertrag vom 25. September 2013 angegriffen und damit einen Beendigungstatbestand zur gerichtlichen Überprüfung gestellt, der zu einer Veränderung des Beendigungszeitpunktes gegenüber der Kündigung von mehr als 3 Monaten führen würde.
9

Klageantrag zu 3):1 Gehalt:
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Für den Weiterbeschäftigungsantrag ist der Betrag einer Monatsvergütung in Ansatz zu bringen (siehe Streitwertkatalog 2014 I. Nr. 24).
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Klageantrag zu 4): 10,33 Gehälter:
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Im Hinblick auf den geltend gemachten Zeitraum bemisst sich dieser Antrag im Umfang der Vergütungsansprüche, die bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge der Befristung anfallen würden.
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Klageantrag zu 5): 1 Gehalt:
14

Der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses ist mit einer Monatsvergütung zu bemessen, auch wenn es sich vorliegend nur um ein kurzes Arbeitsverhältnis gehandelt hat (siehe I. Nr. 25.3 i.V.m. Nr. 25.2 Streitwertkatalog 2014).
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Gleichwohl bemisst sich der Gesamtwert für das Verfahren nur auf € 20.213,18. Wird in einer Bestandsstreitigkeit im Wege der Klagehäufung fällige Annahmeverzugsvergütung geltend gemacht, bei der die Vergütung vom streitigen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängt, ist nach dem Beendigungszeitpunkt eine wirtschaftliche Identität zwischen Bestandsstreit und Annahmeverzug anzunehmen. Deshalb findet nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG keine Wertaddition statt, sondern der höhere Wert ist maßgeblich. Auch insofern folgt die Beschwerdekammer dem von der Streitwertkommission der Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalog (dort I. Nr. 6).
16

In diesem Sinne besteht hinsichtlich der Klageanträge zu 1), 2) und 4) eine wirtschaftliche Identität, mit der Folge, dass keine Wertaddition dieser Anträge stattfindet, sondern vielmehr der höhere Wert, dh. der des Klageantrags zu 4) für diese drei Anträge in Ansatz zu bringen ist.
17

Im Hinblick auf die Regelung in Ziff. 2 des Vergleichs erhöht sich der Vergleichswert um den Betrag von € 135,00 auf € 20.348,18, da insoweit von keinem Beteiligten Einwendungen erhoben worden sind.
18

Da die Beschwerde der Klägervertreter keinen Erfolg hatte, haben sie als Beschwerdeführer die Beschwerdegebühr zu tragen (Nr. 8614 des Kostenverzeichnisses zum GKG). Eine weitergehende Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da Kosten nicht erstattet werden (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG).
19

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht möglich.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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