LAG Hessen, 20.03.2017 – 10 Ta 68/17

März 25, 2019

LAG Hessen, 20.03.2017 – 10 Ta 68/17

Leitsatz:

Die Einlegung der sofortigen Beschwerde ist ein bestimmender Schriftsatz nach § 130 Nr. 6 ZPO. Das Rechtsmittel ist daher nur dann formgerecht eingelegt, wenn es eine Unterschrift des Beschwerdeführers aufweist.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Fulda vom 9. Februar 2017 – 2 Ca 170/16 – wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Zur Klarstellung wird ausgesprochen, dass der Zwangsgeldbeschluss vom 16. Januar 2017 gegenstandslos ist.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Beteiligten streiten zuletzt noch um die Kostentragungspflicht in einem Zwangsvollstreckungsverfahren, mit dem der Gläubiger die Erteilung eines Zeugnisses bezweckt.

Der Gläubiger einigte sich mit der Schuldnerin vor dem Arbeitsgericht Fulda am 22. September 2016 – 2 Ca 170/16 – in einem gerichtlichen Vergleich auf die Erteilung eines qualifizierten Arbeitsverhältnisses mit einem bestimmten Inhalt. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2016 beantragte der Gläubiger die Festsetzung eines Zwangsgelds zur Durchsetzung der im Vergleich festgesetzten Verpflichtung. Die Schuldnerin erteilte unter dem 13. Mai 2016 ein Zeugnis, das eine Vielzahl von Rechtschreibfehlern enthielt und welches der Gläubiger nicht als genügend anerkannte.

Das Arbeitsgericht hat am 16. Januar 2017 ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro festgesetzt (Bl. 27 bis 28 der Akte). Dieser Beschluss ist der Schuldnerin am 20. Januar 2017 zugestellt worden. Am 23. Januar 2017 hat sich die Schuldnerin mit Schriftsatz vom 19. Januar 2017, der im Betreff mit “sofortige Beschwerde” bezeichnet war, an das Arbeitsgericht gewandt und geltend gemacht, dass der Beschluss ungerecht und abzulehnen sei.

Die Schuldnerin änderte das Zeugnis inhaltlich ab, datierte das Zeugnis auf den 9. Januar 2017 und übersandte es erneut an den Gläubiger.

Die Schuldnerin erstellte sodann ein neues Zeugnis, diesmal datierend auf den 13. Mai 2016 (Bl. 40 der Akte), welches dem Gläubiger am 26. Januar 2017 zuging.

Mit Schriftsatz vom 6. Februar 2017 erklärte der Gläubiger das Verfahren für erledigt.

Mit Beschluss vom 9. Februar 2017 hat das Arbeitsgericht der Schuldnerin die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens auferlegt. Dieser Beschluss ist der Schuldnerin am 15. Februar 2017 zugestellt worden. Mit bei Gericht am 20. Februar 2017 eingegangenem Schreiben, welches nicht unterschrieben war, hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, dass sie nicht verstehen könne, weshalb sie die Kosten des Verfahrens tragen solle.

Mit Beschluss vom 20. Februar 2017 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist bereits unzulässig, sie hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg.

1. Die sofortige Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht in der vorgesehenen Form gemäß der §§ 569 Abs. 2 i.V.m. 130 Nr. 6 ZPO eingelegt worden ist. Außerdem ist der für Kostensachen in § 567 Abs. 2 ZPO vorgesehene Beschwerdewert von 200 Euro nicht erreicht.

a) Die sofortige Beschwerde ist nicht formgerecht eingereicht worden.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss die Rechtmittelbegründungsschrift als bestimmender Schriftsatz grundsätzlich von der den Schriftsatz abfassenden Person eigenhändig unterschrieben sein (§ 130 Nr. 6 ZPO). Die Unterschrift soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen (vgl. BGH 26. April 2012 – VII ZB 83/10 – Rn. 7, NJW-RR 2012, 1139 [BGH 26.04.2012 – VII ZB 83/10]). Zugleich soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (vgl. BGH 26. April 2012 – VII ZB 83/10 – Rn. 7, NJW-RR 2012, 1139 [BGH 26.04.2012 – VII ZB 83/10]).

In der Literatur wird teilweise geltend gemacht, es dürften an das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift im Sinne von § 130 Nr. 6 ZPO keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Vielmehr müsse ausreichen, dass sich die Person des Ausstellers des bestimmenden Schriftsatzes aus sonstigen Umständen ergibt (vgl. Zöller/Greger ZPO 31. Aufl. § 130 Rn. 21; Zöller/Heßler ZPO 31. Aufl. § 569 Rn. 7). Das Bundesarbeitsgericht hat sich bereits im Jahre 2009 ausführlich mit dem Argument auseinandergesetzt, dass der Zugang zu den Gerichten nicht durch einen zu strengen Formalismus angesichts moderner Kommunikationsmöglichkeiten eingeschränkt werden dürfe. Gleichwohl hat es an dem Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift im Sinne von § 130 Nr. 6 ZPO festgehalten (vgl. BAG 5. August 2009 – 10 AZR 692/08 – Rn. 17 ff., NZA 2009, 1165 [BAG 05.08.2009 – 10 AZR 692/08]; zuletzt für die Berufungsschrift BAG 25. Februar 2015 – 5 AZR 849/13 – Rn. 17, Juris). Dem schließt sich die erkennende Kammer – jedenfalls für die Einlegung von Rechtsmitteln – an. Die Einlegung eines Rechtsmittels, und dazu zählt auch die sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO, erfordert einen bestimmenden Schriftsatz im Sinne von § 130 Nr. 6 ZPO, der von ganz besonderem Gewicht ist. Es erschließt sich nicht, weshalb ausgerechnet bei einem solch grundlegenden Schriftsatz von dem gesetzlich vorgesehenen Formerfordernis abgesehen werden soll (vgl. für die Form der Einlegung der Beschwerde LAG Rheinland-Pfalz 31. Oktober 2007 – 11 Ta 233/07 – Rn. 16, Juris; GMP/Müller-Glöge ArbGG 8. Aufl. § 78 Rn. 21; Lohmann in Prütting/Gehrlein § 569 ZPO Rn. 6).

bb) Das bedeutet im vorliegenden Fall, dass die sofortige Beschwerde der Schuldnerin unzulässig ist. Das Schreiben vom 16. Februar 2017 enthält keine Originalunterschrift. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich lediglich um einen Entwurf handelt.

b) Ferner ist die Kostenbeschwer in Höhe von 200 Euro im vorliegenden Fall nicht erreicht.

Der Streitwert orientiert sich an der Höhe des festgesetzen Zwangsgelds, hier von 1.000 Euro. Nach der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3, Abschn. 3, Unterabschn. 3 Nr. 3309 entsteht für den Rechtsanwalt eine Verfahrensgebühr von 3/10. Nach der Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG beträgt die Gebühr 80 Euro, 3/10 hiervon wären 24 Euro. Diesem Betrag sind die Kostenpauschale in Höhe von 20 Euro und die Mehrwertsteuer von 19 % hinzuzurechnen, ergibt 52,36 Euro. Die gerichtliche Gebühr beträgt nach der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG, Teil 2 Hauptabschn. 1, Absch. 1 Nr. 2111 20 Euro. Zusammen machen die Gebühren damit nicht mehr als 200 Euro aus.

2. Materiell-rechtlich ist es auch zutreffend, wenn das Arbeitsgericht die Kosten der Schuldnerin auferlegt hat. Der Zwangsgeldantrag nach § 888 ZPO des Gläubigers war ursprünglich zulässig und begründet und ist erst im Laufe des Zwangsgeldverfahrens durch Erteilung eines nach dem gerichtlichen Vergleich geschuldeten Zeugnisses erledigt worden. In dem gerichtlichen Vergleich vom 22. September 2016 hat sich die Beklagte verpflichtet, ein Zeugnis mit einem genau beschriebenen Inhalt zu erteilen, wobei das Zeugnis das Datum des 13. Mai 2016 aufweisen sollte. Das erste Zeugnis stellte keine ordnungsgemäße Erfüllung dar, weil es eine Vielzahl von Rechtschreibfehlern aufwies. Das sodann erteilte Zeugnis datierte vom 9. Januar 2017. Erst dass dem Gläubiger am 26. Januar 2017 übersandte Zeugnis entsprach den Festlegungen in dem gerichtlichen Vergleich. Es bestand daher ursprünglich ein Anlass, das Zwangsgeldverfahren zu betreiben.

Vor diesem Hintergrund spielt es keine Rolle mehr, dass das Arbeitsgericht auf einem verfahrensrechtlich fehlerhaften Weg zu seinem Ergebnis gelangt ist. Das Arbeitsgericht hätte nach Eingang der Erledigungserklärung des Gläubigers nach § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO verfahren und dem Gegner Gelegenheit geben müssen, sich zu der Erledigungserklärung zu erklären. Im Grunde lag im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Gericht nur eine einseitige Erledigungserklärung vor.

Verfahrensfehlerhaft war es auch, dass das Arbeitsgericht nach Erlass des Zwangsgeldbeschlusses vom 16. Januar 2017 einen Kostenbeschluss fasste. Die Schuldnerin hat sich mit Schreiben vom 19. Januar 2017 gegen die Festsetzung des Zwangsgeldes gewandt und “sofortige Beschwerde” eingereicht. Wenn man dies als Einlegung eines Rechtsmittels wertete, wäre der Zwangsgeldbeschluss nicht in Rechtskraft erwachsen. Eine Erledigungserklärung ist grundsätzlich auch zwischen den Instanzen denkbar, doch gilt dies nur für die übereinstimmende Erledigungserklärung, nicht für die einseitige Erledigungserklärung (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 31. Aufl. § 91a Rn. 38). Die “sofortige Beschwerde” gegen den Zwangsgeldbeschluss vom 16. Januar 2017 hat sich in jedem Fall überholt, da das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 9. Februar 2017 eine Kostenentscheidung aufgrund Erledigung nach § 91a ZPO getroffen hat. Zur Klarstellung ist es im vorliegenden Fall geboten, nach § 269 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 ZPO analog auszusprechen, dass der Zwangsgeldbeschluss vom 16. Januar 2017 wirkungslos ist.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Schuldnerin hat die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

Ein Grund, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegt nicht vor (§§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG).

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

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Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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