LAG Hessen, 20.04.2015 – 17 Sa 833/14

April 28, 2019

LAG Hessen, 20.04.2015 – 17 Sa 833/14
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 11. April 2014, 2 Ca 308/13, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers nach dem Entgeltrahmenabkommen (ERA) für die hessische Metallindustrie. Wegen des erstinstanzlich unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort zuletzt gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 194 bis 197 d.A.) Bezug genommen. Dies gilt mit folgender Ergänzung: Die Beklagte ist nicht Mitglied im Arbeitgeberverband. Gemäß Anerkennungstarifvertrag vom 9. Februar 1977 und dessen Anlage finden ERA und ERA-ETV Anwendung.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch am 11. April 2014 verkündetes Urteil, 2 Ca 308/13, stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger übe Tätigkeiten aus, die der Entgeltgruppe E 4 des ERA entsprächen. Entsprechend dem Niveaubeispiel rüste der Kläger die von ihm bediente Stanznibbelmaschine nach Plan. Dies folge daraus, dass er diverse Werkzeuge in die Maschine einbaue, nicht nur schlichten Werkzeugwechsel durchführe, sondern die Messwerte der Werkzeuge auch einstelle. Hierbei sei der Vortrag des Klägers zugrunde zu legen, dass er beim Einbau auch die Vorspannung der Feder zu berücksichtigen habe und diese durch Distanzscheiben unter Beachtung des Schnittspiels ausgleichen müsse. Hierbei handele es sich um Rüsten nach Plan. Der Kläger habe ferner Einstelldaten und Einspannung bei der Bearbeitung der Werkstücke zu überwachen und ggf. zu korrigieren, bei Beseitigung von Störungen und Durchführung von Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten dafür Sorge zu tragen, dass Ablaufstörungen der Maschine zu beheben sind bzw. beheben zu lassen, sowie Wartungs- und Reinigungsarbeiten nach Plänen durchzuführen und Instandsetzungs- und Wartungsintervalle zu überwachen. Damit stehe auch fest, dass für die Tätigkeiten des Klägers eine zweijährige fachspezifische Ausbildung erforderlich sei, die er durch seine Ausbildung zum Betriebsschlosser mitbringe. Infolge seiner langjährigen Tätigkeit an der Stanznibbelmaschine sei auch die insofern erforderliche einjährige Berufserfahrung gegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 197 bis 204 d.A.).

Gegen dieses ihr am 3. Juni 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. Juni 2014 Berufung eingelegt und diese am 1. August 2014 begründet.

Sie hält unter Vertiefung ihres Vortrags daran fest, der Kläger sei in Vergütungsgruppe E 2 des § 5 Abs. 4 ERA eingruppiert. Die angefochtene Entscheidung habe nicht berücksichtigt, dass die Eingruppierung kumulativ Ausübung der im einzelnen beschriebenen Tätigkeiten und Erfüllung der Qualifikationserfordernisse bedürfe, sei ohne nähere Prüfung davon ausgegangen, die Tätigkeiten des Klägers erforderten eine zweijährige fachspezifische Ausbildung, und habe verkannt, dass der Vortrag des Klägers zum Qualifikationsgrad unsubstantiiert und unzureichend sei. Die angefochtene Entscheidung habe ferner nicht berücksichtigt, dass eine ganzheitliche Betrachtung der Arbeitsaufgabe vorzunehmen sei, und habe zu Unrecht auf Tätigkeiten abgestellt, bei denen es sich um eher seltene Vorgänge handele. Sie hält daran fest, für die Tätigkeit des Klägers sei nur eine Anlernzeit von bis zu sechs Monaten erforderlich. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 1. August 2014 (Bl. 231 f d.A.) und die Schriftsätze vom 2. Dezember 2014 (Bl. 268 f d.A.) und 31. März 2015 (Bl. 313 f d.A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 11. April 2014, 2 Ca 308/13, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrages. Er führt in diesem Zusammenhang in seiner Berufungserwiderung aus, soweit die Beklagte vortrage, er habe unterschiedliche Werkzeuge, teils bis zu 20 an der Zahl, in einer Schicht 10 bis 12, zu wechseln, sei dies unrichtig und treffe nicht zu. Dies entspricht allerdings seinem eigenen erstinstanzlichen (Schriftsatz vom 7. November 2011, Bl. 114 d.A.) und dort unstreitigem Vorbringen. Er führt aus, er habe während einer Schicht an der Stanznibbelmaschine eine Vielzahl von Werkzeugen zu wechseln. Er führt auch aus, in der Regel werde es in nicht unter sechs Monaten möglich sein, die Stanznibbelmaschine ordnungsgemäß zu bedienen; in der Regel dürfte die Einarbeitung eher bei sechs bis zwölf Monaten liegen. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Berufungsbeantwortung vom 6. Oktober 2014 (Bl. 253 f d.A.) und den Schriftsatz vom 11. Februar 2015 (Bl. 288 f d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe

A. Die Berufung der Beklagte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 11. April 2014, 2 Ca 308/13, ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. b ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.

B. Sie ist auch begründet.

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht nicht Vergütung nach Entgeltgruppe E 4 oder als Minus E 3 nach § 5 Abs. 4 ERA zu. Er ist vielmehr in Entgeltgruppe E 2 eingruppiert. Der hierfür darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat nicht dargelegt, in Entgeltgruppe E 4 oder als Minus in Entgeltgruppe E 3 eingruppiert zu sein. Im Einzelnen:

1. Die hier maßgeblichen aufeinander aufbauenden Entgeltgruppen E 1 bis E 4 des § 5 Abs. 4 lauten:

E 1: Einfache Tätigkeiten, die nach einer zweckgerichteten Einarbeitung und Übung von bis zu 4 Wochen verrichtet werden können. Es ist keine berufliche Vorbildung erforderlich.

E 2: Tätigkeiten, deren Ablauf und Ausführung weitgehend festgelegt sind. Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch ein systematisches Anlernen von bis zu 6 Monaten erworben werden.

E 3: Tätigkeiten, deren Ablauf und Ausführung überwiegend festgelegt sind. Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch ein systematisches Anlernen von mehr als 6 Monaten erworben werden.

E 4: Tätigkeiten, deren Ablauf und Ausführung teilweise festgelegt sind. Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch eine mindestens 2-jährige fachspezifische Ausbildung erworben werden.

Hierbei ist Grundlage der Eingruppierung die übertragene und auszuführende Arbeitsaufgabe, die ganzheitlich zu betrachten ist und die alle übertragenen und auszuführenden Tätigkeiten umfasst, § 3 Abschnitt I. Abs. 1 ERA, wobei dann, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft mehrere Tätigkeiten ausführt, die in verschiedenen Entgeltgruppen beschrieben sind, die Eingruppierung in die Gruppe erfolgt, die der gesamten Tätigkeit das Gepräge gibt, § 3 Abschnitt I. Abs. 2 ERA. Außerdem dienen gemäß § 5 Abs. 6 ERA als zusätzliche Informations-, Orientierungs- und Entscheidungshilfe bei der Bewertung und Zuordnung der übertragenen und auszuführenden Arbeitsaufgabe bzw. Arbeitsaufgaben die tariflichen Niveaubeispiele gemäß Anhang C. Die hier maßgebenden tariflichen Niveaubeispiele lauten:

2. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, in Entgeltgruppe E 4 oder auch in Entgeltgruppe E 3 nach § 5 Abs. 4 ERA eingruppiert zu sein.

a) Sein Vorbringen ist hinsichtlich der Entgeltgruppe E 4 bereits deshalb unschlüssig, weil er ausführt, die Einarbeitung für die von ihm bediente Maschine dürfte bei sechs bis zwölf Monaten liegen. Damit sind nach seinem eigenen Vorbringen bereits hinsichtlich des erforderlichen Qualifikationsgrades die tarifvertraglichen Voraussetzungen der Eingruppierung in Entgeltgruppe E 4 des § 5 Abs. 4 ERA nicht erfüllt. Dieser erfordert, dass der Arbeitnehmer für die Tätigkeit Kenntnisse und Fertigkeiten benötigt, wie sie in der Regel durch eine mindestens 2-jährige fachspezifische Ausbildung erworben werden. Hierbei handelt es sich um eine kumulative Voraussetzung (vgl. Hessisches LAG 22. August 2013 – 5 Sa1673/12 – n.v.; Hessisches LAG 13. August 2008 – 18 Sa 1618/07 – n.v., ) zu der weiteren Voraussetzung der Erledigung von Tätigkeiten, deren Ablauf und Ausführung teilweise festgelegt sind.

b) Konkreter Vortrag, anhand dessen sich überprüfen ließe, Ablauf und Ausführung der dem Kläger übertragenen Tätigkeiten seien nur teilweise festgelegt (E 4) oder zumindest nur überwiegend festgelegt (E 3) anstatt weitgehend festgelegt, liegt nicht vor.

c) Auch der Rückgriff auf die tariflichen Niveaubeispiele begründet keine Eingruppierung in Entgeltgruppe E 4 oder E 3 nach § 5 Abs. 4 ERA. Denn auch unter Berücksichtigung der Niveaubeispiele ist die Erfüllung der Voraussetzungen einer Eingruppierung in Entgeltgruppe E 4 oder auch E 3 nicht dargelegt.

aa) Die Entgeltgruppen E 1 bis E 4 nach § 5 Abs. 4 ERA bauen aufeinander auf. Auch unter Berücksichtigung der Niveaubeispiele sind die Heraushebungsmerkmale der Entgeltgruppen E 3 oder E 4 nicht dargelegt, wobei angesichts des Vorbringens der Parteien davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger zumindest die Voraussetzungen der Entgeltgruppe E 2 erfüllt, so dass insoweit eine pauschale rechtliche Überprüfung ausreicht (BAG 16. Oktober 2002 – 4 AZR 579/01 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 294).

Bei einem auf eine Aufbaufallgruppe gestützten Vergütungsanspruch ist nach der Prüfung, ob die Anforderungen der Ausgangsfallgruppe erfüllt werden, zu prüfen, ob die qualifizierenden Merkmale der höheren Vergütungsgruppe vorliegen (BAG 21. März 2012 – 4 AZR 292/10 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 322; BAG 19. Mai 2010 – 4 AZR 912/08 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 314) . Der Kläger hat hierbei die Tatsachen darzulegen und ggf. nachzuweisen, aus denen der rechtliche Schluss möglich ist, dass er die tariflichen Tätigkeitsmerkmale unter Einschluss der darin vorgesehenen Qualifzierungen erfüllt. Zu einem schlüssigen Vortrag genügt eine genaue Darstellung der eigenen Tätigkeit dann nicht, wenn ein Heraushebungsmerkmal in Anspruch genommen wird. Der Tatsachenvortrag muss vielmehr erkennen lassen, warum sich eine bestimmte Tätigkeit aus der in der Ausgangsfallgruppe erfassten Grundtätigkeit heraushebt und einen wertenden Vergleich mit diesen nicht unter das Heraushebungsmerkmal fallenden Tätigkeiten erlauben (BAG 21. März 2012 – 4 AZR 292/10 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 322; BAG 19. Mai 2010 – 4 AZR 912/08 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 314).

bb) Ausgehend von Tätigkeiten der Entgeltgruppe 2 und unter Berücksichtigung der tariflichen Niveaubeispiele sind keine die Eingruppierung in die Entgeltgruppen E 3 oder gar E 4 begründenden Heraushebungsmerkmale dargelegt. Da bereits eine Eingruppierung in Entgeltgruppe E 3 nicht dargelegt ist, scheidet eine Erfüllung der Voraussetzungen der Entgeltgruppe E 4 auch insoweit von vornherein aus. Im Einzelnen:

(1) Bereitstellen von Teilen und Maschinen: Das Niveaubeispiel für die Entgeltgruppe E 3 hebt sich gegenüber dem für die Entgeltgruppe E 2 dadurch hervor, dass zum Vorbereiten von Maschinen in Serienfertigung anstelle des Bedienens auch das Bereitstellen von Teilen und Materialien gehört. Der Vortrag des Klägers hierzu beschränkt sich darauf, es gehöre zu seinen Aufgaben, Materialien mittels PC im Lager rechtzeitig zu bestellen. Die Materialien und Teile würden dann in seine Abteilung geliefert, seien von ihm auf Massen und Maße zu kontrollieren, die Lieferung sei mit der Bestellung abzugleichen und diese dann zur Weiterberarbeitung bereitzustellen. Damit schildert der Kläger keinen Vorgang des Bereitstellens, sondern des Bestellens. Bereitstellen heißt: Zur Verfügung bereithalten; für die Bereitstellung verantwortlich sein (Brockhaus/Wahrig, Bd. 1, 1980, S. 611). Bestellen heißt: Verlangen, dass etwas gebracht wird (Brockhaus/Wahrig, a.a.O, Bd. 1, S. 646). Eine Kontrolle auf Maße, Massen und Vollständigkeit hat mit Bereitstellen nichts zu tun. In welcher Form welche Materialien und welche Teile dann zur Weiterverarbeitung bereitzustellen seien und von ihm bereitgestellt würden, trägt der Kläger nicht vor. Bereitstellen von Teilen und Materialien im Sinne des Niveaubeispiels für E 3 ist damit nicht dargelegt.

(2) Vorbereiten von Werkzeugen: Das Niveaubeispiel hebt sich hinsichtlich des Vorbereitens von Maschinen in Serienfertigung ferner dadurch hervor, dass nicht nur das Wechseln, sondern auch das Vorbereiten von Werkzeugen erfolgt. Hierzu trägt der Kläger auf die Auflage vom 15. Dezember 2014 vor, zum Ausrichten des Stempels zur Matrize seien Werkzeughaken und Matrizenhalter in die Justiervorrichtung zu klemmen, der Stempel sei auf die Matrize zu drücken, der Stempel justiere sich durch die eingefräste Rundung,el und schildert Anziehen und Lösen von Schrauben beim Austausch des Stempels. Der Kläger schildert damit den Wechsel von Werkzeugen, aber nicht deren Vorbereitung. Der Wechsel von Werkzeugen entspricht bereits dem Niveaubeispiel der Entgeltgruppe E 2. Vorbereitung von Werkzeugen im Sinne des Niveaubeispiels für E 3 ist nicht dargelegt.

(3) Einstellen von Schnittwerten und Werkzeugen nach eindeutigen Vorgaben: Der Kläger hat insoweit auf die Auflage lediglich vorgetragen, an der Stanznibbelmaschine würden Bleche unterschiedlicher Stärke bearbeitet, wobei er die Schnittwerte zu ermitteln und in das CNC-Fertigungsprogramm einzugeben habe; dann seien für das Werkzeug (Stempel und Matrize) die Werte zu ermitteln und einzugeben. Dieser Vortrag ist unsubstantiiert, wiederholt im Ergebnis nur den Inhalt des tariflichen Niveaubeispiels und ist mangels konkret mitgeteilter Tatsachen nicht überprüfbar. Soweit der Kläger im Verhandlungstermin ergänzend vortragen ließ, die Schnittwerte seien anhand eines Höhenmessers und eines Messschiebers zu ermitteln und dann in das CNC-Programm zu übertragen ist dies – auch angesichts des Vorbringens der Beklagten – unsubstantiiert. Nicht dargelegt ist, wie Schnittwerte und Werkzeuge eingestellt werden, welche Vorgaben hierfür existieren; nicht Stellung genommen ist zum Vorbringen der Beklagten, wonach Einstellen und Verändern von Schnittwerten durch Programmanpassung erfolgt. Einstellen von Schnittwerten und Werkzeugen im Sinne des Niveaubeispiels für E 3 ist nicht dargelegt.

(4) Fertigung und Abnehmenlassen von Probeteilen: Nach dem Vorbringen beider Parteien auf die Auflage vom 15. Dezember 214 erbringt der Kläger unstreitig diese nach dem Niveaubeispiel für E 3 genannte Tätigkeit.

(5) Korrigieren von Einstelldaten und Schnittwerten: Der Vortrag des Klägers hierzu beschränkt sich darauf, für den Fall, dass die Fertigung der Teile nicht mehr den vorgegeben Merkmalen entspräche, seien Einstelldaten und Schnittwerte zu korrigieren und das Werkzeug nach Verschleiß zu überprüfen und ggf. zu ersetzen. Der Vortrag erscheint zwar ebenfalls pauschal. Allerdings räumt die Beklagte selbst ein, dass der Kläger diese Tätigkeiten ausführt. Dies ist damit für die Entscheidung des Rechtsstreits unstreitig. Unstreitig ist allerdings auch der hierfür anfallende zeitliche Aufwand von zweimal wöchentlich ca. zwei Minuten, nachdem der Kläger dem entsprechenden Vortrag der Beklagten nicht entgegentritt.

(6) Ausrichten von Werkstücken: Gemeint ist ein Vorgang, der über das bloße Einlegen und Einspannen der Werkstücke in die Maschine hinausgeht. Dies zeigt der Vergleich zwischen den Niveaubeispielen für E 2 und E 3. Für Ausrichten ist nichts konkret dargelegt.

(7) Unterbrechen des Maschinenlaufs: Nach unbestrittener Darstellung des Klägers gehört es zu seinen Aufgaben auch, den Maschinenlauf zu unterbrechen, falls während der Fertigung an der Stanznibbelmaschine Störungen oder Fehler auftreten. In diesem Zusammenhang wird der Auffassung der Beklagten nicht gefolgt, diesem Aspekt könne kein Differenzierungswert zukommen, weil dies auch zu den Aufgaben eines in Entgeltgruppe E 2 eingruppierten Arbeitnehmers gehöre. Ein Unterschied besteht darin, dass nach dem Niveaubeispiels für E 2 auf Unterbrechung des Maschinenlaufs ausschließlich bei Störungen abgestellt wird, ein weiterer Unterschied besteht in den auf die Störungsfeststellungen folgenden Reaktionsmöglichkeiten.

(8) Prüfen von Teilen auf Beschaffenheit: Der Vortrag des Klägers beschränkt sich darauf, er habe die gefertigten Teile auf Beschaffenheit hin zu prüfen. Damit wiederholt er lediglich den Wortlaut des Niveaubeispiels und der Auflage vom 15. Dezember 2014, ohne konkret darzulegen, wie und was wer woran überprüft. Der weitere Vortrag, das erste gefertigte Teil einer Serie auf Maßhaltigkeit und Formhaltigkeit zu prüfen ist gleichermaßen unsubstantiiert. Er ist gleichzeitig rechtlich ohne Bedeutung, denn die Prüfung auf Maßhaltigkeit ist bereits Gegenstand des Niveaubeispiels für E 2 und Prüfung auf Formhaltigkeit wird an keiner Stelle genannt. Gleichzeitig ist allerdings auch die Argumentation der Beklagten unzutreffend, ein sog. Maschinenvorbereiter habe genauso zu prüfen wie der sog. Maschinenbediener. Das Gegenteil ist der Fall. Das Heraushebungsmerkmal besteht in der Prüfung auch auf Beschaffenheit, die vom Kläger allerdings nicht dargelegt wird.

(9) Korrigieren von Einspannung: Der Kläger trägt hierzu vor, er habe die Stanznibbelmaschine mit dem Grundmaterial zu bestücken und hierbei das Material mittels Spannpratzen nach Vorgabe des Arbeitsplanes auf der Maschine zu fixieren. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei dem Merkmal um ein potentielles Abgrenzungskriterium. Denn nach dem Niveaubeispiels für E 2 sind ggf. Einstelldaten zu korrigieren, nach dem für E 3 Einstelldaten und Einspannung. Die Heraushebung besteht damit in der Korrektur von Einspannung. Der vom Kläger geschilderte Vorgang gibt allerdings keine Korrektur wieder, sondern Bestückung der Maschine mit dem Grundmaterial. Korrektur von Einspannung im Sinne des Niveaubeispiels für E 3 ist damit nicht dargelegt.

(10) Feststellung und Beheben/Behebenlassen von Ablaufstörungen und Weitergabe von Störungsbeschreibungen: Nach dem Vorbringen der Parteien auf die Auflage vom 15. Dezember 2014 erfüllt der Kläger dieses Heraushebungsmerkmal des Niveaubeispiels für E 3. Unstreitig ist, dass der Kläger für den Fall des Eintritts von Ablaufstörungen, und zwar auch im Fall eines defekten Initiators, dies festzustellen hat. In welchem Umfang er selbst die Ablaufstörung behebt oder die Störung an den Schichtleiter zu melden hat, um sie beheben zu lassen, ist unerheblich. Beheben lassen reicht aus. Weitergabe einer Störungsbeschreibung ist ebenfalls unstreitig. Auch nach dem Vortrag der Beklagten hat der Kläger, für den Fall, dass er die Störung nicht selbst beheben kann, ein Störungsprotokoll zu erstellen und an den Schichtleiter weiterzugeben. Diese Tätigkeit des Niveaubeispiels für E 3 wird vom Kläger damit erbracht.

(11) Neueinstellung von Werkzeugen: Nach dem Vortrag des Klägers hat er Werkzeugmaße zu ermitteln und diese in das Programm der Maschine zu übertragen. Nach dem Vortrag der Beklagten hat ein Vorbereiter nach E 3 in gleicher Form wie ein Bediener nach E 2 Einstelldaten bei Maßabweichungen korrigieren. Der Vortrag beider Parteien zu dem genannten Heraushebungsmerkmal ist gleichermaßen unsubstantiiert. Ein Differenzierungskriterium liegt vor. Denn das Niveaubeispiels für E 2 nennt “Werkzeuge neu einstellen” gerade nicht. Allerdings lässt sich aus dem Vortrag des Klägers eine Neueinstellung nicht entnehmen.

(12) Durchführung von Wartungs- oder Reinigungsarbeiten nach Plänen: Der Kläger legt hinreichend substantiiert dar, dass die Stanznibbelmaschine nach vorgegebenen Intervallen gewartet und gereinigt werden muss, und zwar nach einem vorgelegten Wartungsplan. Es besteht nach seinem von der Beklagten nicht konkret bestrittenen Vortrag somit zunächst ein Wartungsplan für tägliche Wartung, außerdem ist eine weitere Wartung im 40-Stunden-Zyklus durchzuführen. Dass der Kläger auch Wartungs- und Reinigungsarbeiten durchzuführen hat, wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Dass Wartungsarbeiten ggf. auch von Schlossern durchgeführt werden, ändert nichts daran, dass jedenfalls auch der Kläger – wenn auch in unterschiedlich dargestellten Umfang – diese Tätigkeiten ausführt. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung, kann ein geeignetes Abgrenzungskriterium vorliegen. Dieses besteht allerdings nicht in der Durchführung von Wartungs- oder Reinigungsarbeiten, sondern darin, ob diese nach Vorgaben (E 2) oder nach Plänen (E 3) durchgeführt werden. Der Kläger führt nach Plänen durch und erfüllt damit dieses Merkmal des Niveaubeispiels für E 3.

(13) Überwachung von Instandsetzungs- und Wartungsintervallen: Nach unbestrittenem Vorbringen des Klägers sind die Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten nach vorgegebenen Intervallen von ihm in den Prüfplänen im Einzelnen zu dokumentieren. Dem tritt die Beklagte nicht substantiiert entgegen, sondern vertritt lediglich die Auffassung, ihre Argumentation zur Durchführung von Wartungs- und Reinigungsarbeiten gelte entsprechend. Insoweit gilt ebenfalls: Ein Abgrenzungskriterium liegt vor. Das Niveaubeispiel für E 2 stellt an keiner Stelle auf Überwachung von Intervallen ab, auch nicht für Instandsetzung und Wartung. Die Durchführung der Instandsetzungsarbeiten selbst wird im Niveaubeispiel für E 3 nicht gefordert, sondern lediglich die Durchführung von Wartungs- bzw. Reinigungsarbeiten nach Plänen (s.o.). Diese Tätigkeit des Niveaubeispiels für E 3 wird damit vom Kläger erbracht.

cc) Für die Kammer steht damit fest, dass der Kläger einige aber eben nicht alle Tätigkeiten erbringt, die im ERA-Niveaubeispiel 08.01.01.12 aufgeführt sind. Die Eingruppierungsmerkmale der Entgeltgruppe E 3 sind damit allerdings noch nicht erfüllt. Damit steht gleichzeitig fest, dass auch die Eingruppierungsmerkmale der hierauf aufbauenden Entgeltgruppe E 4 nicht erfüllt sind

Entscheidend ist hierbei, dass die vom Kläger erfüllten Eingruppierungsmerkmale Nebentätigkeiten wie Störungsbeseitigung, Reinigung und Wartungsarbeiten betreffen, während die Eingruppierungsmerkmale, soweit sie den eigentlichen Produktionsvorgang erfüllen, vom Kläger gerade nicht erfüllt sind. Bei der Beurteilung ist hierbei von einer ganzheitlichen Betrachtung auszugehen, wobei sich die Tätigkeit des Klägers als Mitarbeiter im Produktionsprozess in erster Linie durch die produzierende Tätigkeit definiert und nicht durch Tätigkeiten, die dazu dienen, Störungen des Produktionsprozesses zu beheben oder zu vermeiden. Bei den Aufgaben im eigentlichen Produktionsvorgang, die seiner Tätigkeit das Gepräge geben, erfüllt der Kläger aber gerade nicht die Merkmale des Niveaubeispiels 08.01.01.12 für Entgeltgruppe E 3, sondern des Niveaubeispiels 08.01.01.10 für Entgeltgruppe E 2.

d) Inwieweit die als Anlage vorgelegten sog. ERA XX YY in einer Betriebsvereinbarung niedergelegt sind und ob es sich hierbei tatsächlich um betriebliche Richtbeispiele i.S.d. § 5 Abs. 7 ERA handelt, kann offen bleiben. Denn der Kläger hat nicht dargelegt, die auch insoweit für den Produktionsprozess wesentlichen Tätigkeiten des Vorbereitens von Werkzeugen und des Einstellens der Schnittwerte bzw. Werkzeuge nach eindeutigen Vorgaben zu erbringen.

e) Unabhängig davon, dass die Niveaubeispiele ohnehin nur als zusätzliche Informations-, Orientierungs- und Entscheidungshilfe bei der Bewertung und Zuordnung der Arbeitsaufgaben zu den Entgeltgruppen dienen, § 5 Abs. 6 ERA, erfüllt der Kläger damit weder das Niveaubeispiel 08.01.01.12 noch ist aus sonstigen Umständen nachvollziehbar erkennbar, dass die ihm übertragenen Tätigkeiten Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, wie sie in der Regel durch ein systematisches Anlernen von mehr als sechs Monaten erworben werden. Auf seine tatsächliche Qualifikation kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, sondern auf die von den tatsächlichen Tätigkeiten geforderte. Gegen ein entsprechendes Qualifikationserfordernis spricht im Übrigen auch der vom Kläger nicht in Abrede gestellte Umstand, dass jedenfalls die Arbeitnehmer A, B, C, D und E über keine bzw. über fachfremde Berufsausbildungen verfügen aber dennoch nach einer Einarbeitung von deutlich weniger als sechs Monaten an der Stanznibbelmaschine eingesetzt werden konnten.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund i.S.d. § 72 Abs. 2 ArbGG.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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