LAG Hessen, 20.10.2015 – 8 Sa 1822/14

April 17, 2019

LAG Hessen, 20.10.2015 – 8 Sa 1822/14
Orientierungssatz:

Eingruppierung von Gesundheitspflegern einer psychiatrischen Klinik in die Entgeltgruppe 8 AVR.DW-EKD

Besitzstandsregelung

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 06.08.2014 – 15 Ca 1571/14 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung und Differenzlohnansprüche nach den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR.DW-EKD).

Die Beklagte betreibt ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in A. Sie ist in mehrere medizinische Abteilungen unterteilt. Die Abteilung Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie verfügt über 102 Betten. Die Abteilung Psychotherapie und Psychosomatik verfügt über 102 Betten. Die Abteilung Sozialpsychiatrie, Suchtmedizin und Psychotherapie verfügt über 36 stationäre Betten. Weiter gehören zu dieser Abteilung die ambulanten (psychiatrische Institutsambulanz) und teilstationären (Tagesklinik und Tagesreha) Einrichtungen.

Die Klägerin ist bei der Beklagten auf der Grundlage des Dienstvertrages vom 2. Oktober 1995 (Bl. 28 f. d. A.) seit dem 1. Oktober 1995 als Krankenschwester tätig. Derzeit wird sie auf der Station B 5 der Abteilung Psychotherapie und Psychosomatik beschäftigt. Das Behandlungskonzept dieser Abteilung beinhaltet schwerpunktmäßig tiefenpsychologisch fundierte Einzel- und Gruppentherapie. Die Behandlungsangebote umfassen die Behandlung von Depressionen, Essstörungen, Burnout, Borderline-Persönlichkeitsstörungen, Trauma, Angst- und Zwangserkrankungen, schweren Partnerkonflikten und tiefsitzenden Störungen des Selbstwertgefühls.

In § 2 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Dienstvertrages ist geregelt, dass für das Dienstverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung gelten. Die Klägerin wurde mit der Novellierung der AVR.DW-EKD zum 1. Juli 2007 in die Entgeltgruppe 7, Sonderstufe AVR übergeleitet. Mit Änderung der AVR im Jahr 2012 wurde sie von der Sonderstufe in die Erfahrungsstufe 2 übergeleitet, sodass sie zuletzt Entgelt nach der Entgeltgruppe 7, Erfahrungsstufe 2 AVR.DW-EKD bezog. Ihr durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen betrug zuletzt € 2.184,00 einschließlich Zulagen, Zuschlägen und Sonderzahlungen.

§ 12 AVR.DW-EKD lautet bzw. lautete nach seiner Novellierung zum 1. Juli 2007 wie folgt:

Ҥ 12 Eingruppierung

(1) Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter ist nach den Merkmalen der übertragenen Tätigkeiten in die Entgeltgruppe gemäß der Anlage 1 eingruppiert. Die Tätigkeiten müssen ausdrücklich übertragen sein (z. B. im Rahmen von Aufgaben- oder Stellenbeschreibungen). Der Mitarbeiter erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in die er eingruppiert ist. ,

(2) Die Eingruppierung der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters erfolgt in die Entgeltgruppe, deren Tätigkeitsmerkmale sie bzw. er erfüllt und die der Tätigkeit das Gepräge geben. Gepräge bedeutet, dass die entsprechende Tätigkeit unverzichtbarer Bestandteil des Arbeitsauftrages ist.

(3) Für die Eingruppierung ist nicht die berufliche Ausbildung, sondern allein die Tätigkeit der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters maßgebend. Entscheidend ist die für die Ausübung der beschriebenen Tätigkeit in der Regel erforderliche Qualifikation, nicht die formale Qualifikation der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters.

Überleitungsregelung zu § 12:

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die am 30. Juni 2007 in einem Dienstverhältnis stehen, das am 1. Juli 2007 fortbesteht und die nach den Vorschriften des bis zum 30. Juni 2007 geltenden § 12 eingruppiert sind, sind mit Wirkung ab 1. Juli 2007 in den Eingruppierungskatalog gemäß der Anlage 1 einzugruppieren.”

Anlage 1 der AVR.DW-EKD vom 1. November 2007 lautet auszugsweise wie folgt:

“Entgeltgruppe 7 (Anm. 5, 6, 11, 15)

A. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraussetzen.

Hierzu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

1. mit eigenständiger Wahrnehmung von Aufgaben (Anm. 6) in den Tätigkeitsbereichen

a. Pflege / Betreuung / Erziehung,

2. …

Richtbeispiele:

Alten-, Gesundheits- und Krankenpflegerin,

Entgeltgruppe 8 (Anm. 6, 7, 10, 11, 14)

A. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die vertieftes oder erweitertes Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraussetzen.

1. eigenständiger Wahrnehmung (Anm. 6) von schwierigen (Anm. 14) Aufgaben in den Tätigkeitsbereichen

Hierzu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit

a. Pflege / Betreuung / Erziehung, ,

2. …

Richtbeispiele:

Gesundheitspflegerin im OP-Dienst, in der Intensivpflege oder Psychiatrie, Erzieherin mit entsprechenden Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen,

B. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Entgeltgruppe 7

1. mit eigenständiger Wahrnehmung von Aufgaben (Anm. 6) und Leitungsaufgaben (Anm. 11) in den Tätigkeitsbereichen

a. Pflege/Betreuung/Erziehung,

b. …

2. …

Richtbeispiele:

Stationsleiterin,

Wohnbereichsleiterin,

…”

Die Klägerin stellte mit Schreiben an die Beklagte vom 12. März 2013 (Bl. 30 d. A.) einen Antrag auf Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 8 der AVR.DW-EKD. Die Beklagte teilte ihr mit Schreiben vom 19. März 2013 mit, ihr Interesse sei es, zunächst zu prüfen, inwieweit die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Juni 2012-4 AZR 438/10 – auch die für sie geltenden Arbeitsvertragsrichtlinien betreffe.

Der Schlichtungsausschuss der Arbeitsrechtlichen Kommission (ARK) beschloss in seiner Sitzung am 21. Oktober 2013 die Änderung der AVR.DW-EKD. Dieser Beschluss wurde in einem Rundschreiben des ARK vom 24. Oktober 2013 veröffentlicht. In dem Rundschreiben, wegen dessen Einzelheiten im Übrigen auf Bl. 32 ff. d. A. verwiesen wird, heißt es hierzu auszugsweise:

“…

Mehrheitsbeschluss des Schlichtungsausschusses der Kommission des Diakonischen Werkes der EKD am 21. Oktober 2013

1. Anlage 1 B. Eingruppierungskatalog

a) Das in Entgeltgruppe 8 A an erster Stelle aufgeführte Richtbeispiel erhält zur Klarstellung nachfolgende Fassung:

“Gesundheits- und Krankenpfleger/in im OP-Dienst und in der Intensivpflege; Fachpflegekräfte in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit oder Gesundheits- und Krankenpfleger/in mit vergleichbaren Aufgaben,”

b) Gesundheitspfleger/innen in der Psychiatrie, die am 31. Oktober 2013 in die Entgeltgruppe 8 A eingruppiert sind, wird für die Dauer ihres Arbeitsverhältnisses ein dynamischer Besitzstand garantiert.

c) Die geänderte Fassung tritt am 01. November 2013 in Kraft.

II. Erläuterungen des Beschlusses

Die Änderung der Formulierung gegenüber der bisherigen Formulierung des Richtbeispiels der Entgeltgruppe 8 betrifft die Eingruppierung der Gesundheitspfleger/innen in der Psychiatrie. In der EG 8 sind einzugruppieren: Fachpflegekräfte in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit oder Gesundheits- und Krankenpfleger/in mit vergleichbaren Aufgaben. Die neue Formulierung des Richtbeispiels orientiert sich dabei an § 12. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nach den Merkmalen der (ausdrücklich) übertragenen Tätigkeit in die Entgeltgruppen gemäß der Anlage 1 einzugruppieren. Die Eingruppierung erfolgt in die Entgeltgruppe, deren Tätigkeitsmerkmale erfüllt sind und die der Tätigkeit das Gepräge geben. In der EG 8 sind Pflegekräfte in psychiatrischen Einrichtungen mit fachspezifischer Tätigkeit eingruppiert. Entscheidend ist die Art der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit, nicht die fachspezifische Ausbildung oder formale Qualifikation.

Nummer 1 Buchstabe c) des Beschlusses regelt einen Bestandsschutz für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die als Gesundheitspfleger in der Psychiatrie tätig sind und am 31. Oktober 2013 in der Entgeltgruppe 8 eingruppiert sind. Ihnen muss für die Dauer ihres Arbeitsverhältnisses ein dynamischer Besitzstand garantiert werden. Dies betrifft auch alle zukünftigen Entgeltsteigerungen und die Zahlung von Zulagen, Zuschlägen etc. Die Umsetzung dieser Gleichstellung bleibt den Parteien vor Ort überlassen. Sie kann in Form einer dauerhaften Eingruppierung in die EG 8 erfolgen, aber auch durch Zahlung des Unterschiedsbetrages zwischen der EG 7 und der EG 8″.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei vor dem 1. November 2013 als Krankenschwester in der Psychiatrie jedenfalls in die Entgeltgruppe 8 einzugruppieren gewesen. In Anwendung der Eingruppierungsgrundsätze des § 12 AVR sei davon auszugehen, dass ihr die geltend gemachte Eingruppierung bereits deshalb zustehe, weil ihr die Tätigkeit als Krankenschwester in der Psychiatrie übertragen worden sei und die Tätigkeit einer Krankenschwester in der Psychiatrie als Richtbeispiel in der Entgeltgruppe 8 der Anlage 1 AVR aufgeführt gewesen sei. Unerheblich für die Eingruppierung vor dem 1. November 2013 sei, ob sie über eine Fachweiterbildung zur Psychiatriekrankenschwester verfügt habe oder nicht. Bei der Beklagten handele es sich jedenfalls um eine psychiatrische Einrichtung im Sinne der AVR.DW-EKD aF. Sie erbringe auch diejenigen Tätigkeiten, die von einer Krankenschwester in der Psychiatrie gefordert und von allen bei der Beklagten tätigen Krankenschwestern – sei es mit Fachweiterbildung oder ohne – erbracht würden. Die Tätigkeiten einer “psychiatrischen Krankenpflege” im Sinne der Entgeltgruppe 8 seien ihr von der Beklagten übertragen worden. Wegen der Einzelheiten der von der Klägerin diesbezüglich in Bezug genommenen Stellenbeschreibung für Pflegefachkräfte (Gesundheits- und Krankenpflegerinnen sowie Altenpfleger/-innen), die von der Beklagten im Jahr 2003 erstellt wurde, und des von der Beklagten im Jahr 2005 erstellten Anforderungsprofils für die Aufgaben in der psychiatrischen Pflege wird auf die Anlagen K5 und K6 der Klageschrift verwiesen (Bl. 35 ff. d. A.). Zwischen “normaler” und psychiatrischer Pflege könne nicht unterschieden werden, da ein Pflegeplan nur einheitlich erstellt werden könne. Da es sich bei der Beklagten um eine psychiatrische Pflegeeinrichtung handele, beziehe sich der jeweilige Pflegeplan eines Patienten auf psychiatrische Pflegeprobleme. Die Ansprüche, die ihr bei einer ordnungsgemäßen Überleitung in die Entgeltgruppe 8 AVR.DW-EKD bereits zum 1. Juli 2007 zustünden, betrügen für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2013 insgesamt € 1.964,40 brutto. Wegen der Einzelheiten ihrer Berechnung wird auf die tabellarische Übersicht auf Bl. 24 d. A. verwiesen.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Januar 2014 Entgelt nach der Entgeltgruppe 8, Erfahrungsstufe 1 der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR.DW-EKD) in der jeweils geltenden Fassung zu zahlen;
2.

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Januar 2014 den Unterschiedsbetrag zwischen der Entgeltgruppe 7, Sonderstufe, ab dem 1. Oktober 2012 Entgeltgruppe 7, Erfahrungsstufe 2, und der Entgeltgruppe 8, Erfahrungsstufe 1 der AVR.DW-EKD in der jeweils geltenden Fassung zu zahlen;
3.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie ab dem 1. Februar 2014 und für die Zukunft Entgelt nach der Entgeltgruppe 8, Erfahrungsstufe 2 der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR.DW-EKD) in der jeweils geltenden Fassung zu zahlen;
4.

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie ab dem 1. Februar 2014 und für die Zukunft den Unterschiedsbetrag zwischen der Entgeltgruppe 7, Erfahrungsstufe 2, und der Entgeltgruppe 8, Erfahrungsstufe 2 der AVR.DW-EKD in der jeweils geltenden Fassung zu zahlen;
5.

die Beklagte zu verurteilen, an sie € 1.964,40 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2014 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Klägerin seien keine spezifischen Aufgaben der psychiatrischen Krankenpflege übertragen; vielmehr handele es sich dabei im Wesentlichen um Regelaufgaben der “allgemeinen” Krankenpflege, wie sie in der Psychiatrie-Personalverordnung (PsychPV) aufgeführt seien. Des Weiteren seien der Klägerin keine spezifischen Aufgaben in der Bezugspflege neben den allgemeinen, von Krankenpflege-Fachkräften zu erfüllenden Aufgaben übertragen worden, die ihrer Tätigkeit das spezielle Gepräge einer “psychiatrischen” Pflege geben würden.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei zutreffend in Entgeltgruppe 7 eingruppiert. Die von ihr beschriebenen Tätigkeiten einer Pflegefachkraft seien nicht solche, die speziell “in der Psychiatrie” überwiegend wahrgenommen würden. Vielmehr seien diese Bestandteil der “allgemeinen” Pflege, wie eine Gegenüberstellung zur “Stellenbeschreibung” im “Handbuch für Qualitätsmanagement” betreffend die -“allgemeine” – Fachkraft im Pflegedienst unter dem Titel “Stb-Pflegefachkraft-PD” (Bl. 184 ff. d. A.) ergebe. Die in der PsychPV festgehaltenen Minutenwerte bezüglich der auf drei Teilgebieten (allgemeine Psychiatrie, Abhängigkeitskranke, Gerontopsychiatrie) und sechs unterschiedlichen Ebenen (Regelbehandlung, Intensivbehandlung, rehabilitative Behandlung, lang andauernde Erkrankung Schwer- und Mehrfachkranker, Psychotherapie, tagesklinische Behandlung) wahrgenommenen Tätigkeiten verdeutliche, dass in der Summe die allgemeine und die somatische Pflege unter Einbeziehung der mittelbar patientenbezogenen Tätigkeiten überwiege. Die jetzige Formulierung des Richtbeispiels der Entgeltgruppe 8 habe – wie sowohl in dem Beschluss des ARK als auch in einer Mitteilung des Verbands Diakonischer Dienstgeber in Deutschland vom 22. Oktober 2013 ausdrücklich klargestellt worden sei – nur klarstellende Funktion dahingehend gehabt, dass es auf die übertragene Tätigkeit und nicht von vornherein auf eine institutionelle Fokussierung des Richtbeispiels “in der Psychiatrie” ankomme. Dies ergebe auch die Auslegung der Regelungen insbesondere unter den Aspekten der Genese der AVR und des systematischen Zusammenhangs unter Einbeziehung des Wortlauts. Zur Genese des ehemaligen Richtbeispiels der Entgeltgruppe 8 AVR.DW-EKD “Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie” könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass bereits in der Arbeitsgruppe “Novellierung der AVR” unter dem Titel “Festlegung der Richtbeispiele” beschlossen worden sei, dass die Richtbeispiele einen “Katalog der typischen Tätigkeiten aus der betrieblichen Realität” abbildeten und die einzelnen Tätigkeiten zueinander ins Verhältnis setzten und gleich zu bewertende Tätigkeiten eine gemeinsame Gruppe bilden sollten. Die Beklagte verweist diesbezüglich auf ein Protokoll der vorerwähnten Arbeitsgruppe vom 9. Februar 2004 und eines vom 10. Mai 2004, aus dem sich ergebe, dass in der Arbeitsgruppe auf die Tätigkeit und nicht auf die Einrichtung abgestellt worden sei. Der Schlichtungsausschuss der Arbeitsrechtlichen Kommission habe mit der Neuformulierung klargestellt, dass die bisherige Formulierung des Richtbeispiels in Entgeltgruppe 8 dem Regelungswillen bei der Reform der AVR nicht entsprochen habe. Ziel der Reformbemühungen sei es bereits seinerzeit gewesen, eine tätigkeits- bzw. aufgabenspezifische Eingruppierung und diesbezügliche Stellenbeschreibung zu installieren. Auf den Ort der Tätigkeit habe es dabei gerade nicht ankommen sollen. Im Übrigen könne sich die Klägerin nicht auf das genannte Richtbeispiel in der früheren Fassung der AVR berufen, da es sich bei der von ihr, der Beklagten, betriebenen Einrichtung nicht um eine “rein psychiatrische Einrichtung” handele und sie als “normale” Gesundheitspflegerin in dem überwiegenden Bereich der allgemeinen und somatischen Pflege beschäftigt sei. Bei der Orientierung an dem Richtbeispiel “in der Psychiatrie” sei zu berücksichtigen, dass auch die PsychPV die in “Psychiatrischen Krankenhäusern” befindlichen Patienten bestimmten Behandlungsbereichen zuordne und dabei nicht auf die pauschalierte Institution abstelle, sondern auf die Tätigkeit getrennt nach psychiatrischer und nicht-psychiatrischer Pflege.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat mit am 6. August 2014 verkündetem Urteil die Klageanträge zu 1. bis 3. abgewiesen und der Klage im Übrigen stattgegeben. Es hat zur Begründung – soweit für die Berufung von Interesse – ausgeführt, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch darauf habe, so vergütet zu werden, als sei sie in Entgeltgruppe 8, Erfahrungsstufe 2 der AVR.DW-EKD in der jeweils geltenden Fassung eingruppiert. Dieser Anspruch ergebe sich aufgrund der dynamischen Besitzstandsregelung, die der ARK am 21. Oktober 2013 beschlossen habe. Danach seien Gesundheitspfleger/-innen in der Psychiatrie, die am 31. Oktober 2013 in die Entgeltgruppe 8 A eingruppiert gewesen seien, für die Dauer ihres Arbeitsverhältnisses ein dynamischer Besitzstand garantiert. Die Voraussetzungen dieser Besitzstandsregelung seien erfüllt, da die Klägerin am 31. Oktober 2013 als Krankenschwester und damit als Gesundheitspflegerin in die Entgeltgruppe 8 eingruppiert gewesen sei. Die Klägerin berufe sich zu Recht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Juni 2012 – 4 AZR 438/10 -, der hinsichtlich der Regelungen zu den Entgeltgruppen 7 und 8 im Wortlaut identische Arbeitsvertragsrichtlinien eines Diakonischen Werks zugrunde gelegen hätten und mit der das Bundesarbeitsgericht die Eingruppierung eines Gesundheitspflegers in einem psychiatrischen Pflegeheim in Entgeltgruppe 8 als zutreffend erachtet habe. Mit dieser Entscheidung seien die auch für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fragen bereits als höchstrichterlich geklärt zu betrachten. Dies betreffe sowohl die Frage, ob die Auslegung der der Eingruppierungsregelungen eine institutionelle Fokussierung des Richtbeispiels “in der Psychiatrie” verbiete, als auch die Frage, welche Einrichtungen unter den Begriff “Psychiatrie” fielen. Der Begriff der “Psychiatrie” sei weit auszulegen.

Gegen das Urteil vom 6. August 2014, das der Beklagten am 23. Dezember 2014 zugestellt worden ist, hat sie mit am 24. Dezember 2014 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf rechtzeitigen Antrag hin durch am 23. Februar 2015 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte macht mit der Berufung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, der Beschluss des ARK vom 21. Oktober 2013 unterstreiche letztlich, dass nur eine tätigkeitsorientierte Auslegung der AVR.DW-EKD zu der Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 führen könne. Der Begriff der “Psychiatrie” sei nicht eindeutig, sondern auslegungsbedürftig. Die Grenzen zu den benachbarten Fachgebieten seien fließend. Der Terminus “Psychiatrie” lasse sich in eingruppierungsrechtlicher Hinsicht nicht von der somatischen Behandlung abgrenzen. Er könne nicht institutionalisiert betrachtet werden. Auch unter dem Aspekt der Abteilungsstruktur und Bettenverteilung in der von ihr, der Beklagten, betriebenen Klinik B ergäben sich keine abteilungsübergreifenden Gesichtspunkte, welche die Einrichtung als “Psychiatrie” kennzeichnen könnten. Denn die Behandlungsschwerpunkte in den verschiedenen Abteilungen, die von dem Bereich der Rehabilitation über Stationen Psychotherapie und Psychosomatik, Entgiftungs- und Motivationsstation bis hin zu Stationen, in denen Patienten wegen affektiver Störungen behandelt würden, reichten, ließen eine einheitliche Subsumtion der Einrichtung unter den Terminus “Psychiatrie” nicht bewerkstelligen.

Die Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. August 2014 2014-15 Ca 1571/14 – teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie ist der Auffassung, ihr Anspruch ergebe sich aufgrund einer dynamischen Besitzstandsregelung. Den Entgeltgruppen zu den AVR.DW-EKD aF. seien explizit Richtbeispiele zugeordnet. Ein Richtbeispiel der Entgeltgruppe 8 AVR.DW-EKD aF. habe unstreitig bis zum 31. Oktober 2013 “Gesundheitspfleger/in in der Psychiatrie” gelautet. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin unstreitig auch schon bei der Beklagten beschäftigt worden. Das Therapieziel und die Schwerpunktbehandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus unterschieden sich in Gänze von dem Therapieziel und der Schwerpunktbehandlung einer somatischen Klinik. Gerade der intensive, lang andauernde Kontakt zu den Bezugspatienten mit den entsprechenden Wahrnehmungen und den daraus resultierenden Handlungsmöglichkeiten und Therapien führte dazu, dass die Tätigkeiten der Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie schwierige Tätigkeiten im Sinne der AVR seien.

Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und auch zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1, 3 und 5 ZPO. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, den Unterschiedsbetrag zwischen der Entgeltgruppe 7 und der Entgeltgruppe 8 AVR.DW-EKD zu leisten. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Einrichtung, die der Psychiatrie zuzuordnen ist. Im Einzelnen:

I.

Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben. Die Berufung der Beklagten gibt lediglich Anlass zu folgenden Ergänzungen:

1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Zulässigkeit des Feststellungsantrags bejaht. Die Klägerin war nicht daran gehindert, das Feststellungsbegehren auf die Verpflichtung zur Zahlung des Unterschiedsbetrags zwischen Entgeltgruppe 7 und Entgeltgruppe 8 zu richten.

Der Feststellungsantrag umfasst zukunftsoffen auch Zeiträume die mangels Fälligkeit für die Zukunft nicht von einem Leistungsantrag hätten umfasst sein können. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse der Klägerin liegt in dieser weitgehend zukunftsgerichteten Verpflichtung der Beklagten zur weiteren Zahlung des Unterschiedsbetrages, der nach der Besitzstandsregelung in der zum 1. November 2013 geänderten Fassung der Anlage 1 des Eingruppierungskatalogs zu dynamisieren ist und schon deshalb nicht abschließend beziffert werden kann (vgl. zur Zulässigkeit auch BAG 18. April 2007 – 4 AZR 253/06 – EzA-SD 2007 Nr. 20, 14-15 und BAG 14. April 1971 – 4 AZR 168/70 – ZPO § 256 Nr. 47). Die Rechtskraft der vorliegend begehrten Entscheidung ist im Übrigen geeignet, weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex auszuschließen. Denn es besteht erkennbar kein Streit über weitere Faktoren, welche die Vergütungshöhe bestimmen (vgl. zum Feststellungsinteresse BAG 17. Oktober 2007 – 4 AZR 1005/06 – AP TVG § 1 Nr. 40).

Dem Antrag steht auch nicht entgegen, dass nach den Erläuterungen des Mehrheitsbeschlusses des ARK vom 24. März 2013 die Umsetzung des dort verankerten Bestandsschutzes den Parteien vor Ort überlassen bleibt und sowohl in Form einer dauerhaften Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 als auch durch Zahlung des Unterschiedsbetrages zwischen den Entgeltgruppen 7 und 8 erfolgen kann. Ob in den Erläuterungen überhaupt verbindliche Umsetzungsregelungen für die Parteien aufgestellt werden können, kann dahinstehen. Denn die Klägerin verlangt mit der Feststellung der auf den Unterschiedsbetrag gerichteten Zahlungsverpflichtung und damit der Garantie des Besitzstandes in Form der finanziellen Kompensation in jedem Fall ein Weniger gegenüber der Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8. Sie war daher nicht gehalten, einen Antrag zu formulieren, welcher der Beklagten ein Wahlrecht zwischen ihrer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 und der Zahlung eines Unterschiedsbetrages zwischen den Entgeltgruppen 7 und 8 einräumt. Sie war auch nicht verpflichtet, einen Antrag auf Abgabe einer Willenserklärung zu formulieren, der die Zustimmung der Beklagten zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten (Entgelt)Bedingungen nach Ausübung eines dahingehenden Wahlrechts durch die Klägerin selbst zum Inhalt hatte.

2. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Aus dem Arbeitsvertrag der Parteien iVm. § 12 AVR.DW-EKD und Anlage 1 der AVR.DW-EKD folgt ein Anspruch der Klägerin auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 8, den sie schon aufgrund der Besitzstandsregelung des Schlichtungsausschusses der ARK vom 21. Oktober 2013 in Form des Unterschiedsbetrages zwischen der Entgeltgruppe 7 und der Entgeltgruppe 8 für sich beanspruchen kann.

a) Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses und damit auch die zutreffende Eingruppierung der Klägerin richten sich nach den AVR.DW-EKD. Diese sind nach der Verweisungsklausel in § 2 des Dienstvertrages in ihrer jeweils gültigen Fassung anzuwenden. Seit dem 18. August 2015 handelt es sich um die Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die der Diakonie Deutschland angeschlossen sind.

b) Die für die Entscheidung daher maßgeblichen AVR.DW-EKD sind wie Tarifverträge objektiv auszulegen. Bei ihnen handelt es sich um Kollektivvereinbarungen besonderer Art, in denen allgemeine Bedingungen für die Vertragsverhältnisse der bei den Kirchen beschäftigten Arbeitnehmer durch paritätisch zusammengesetzte Arbeitsrechtliche Kommissionen festgelegt werden (BAG 17. Juni 2003 – 3 AZR 310/02 – AP AVR § 1a Diakonisches Werk Nr. 1). Zwar können die AVR nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine normative Wirkung entfalten, sondern nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme – die hier vorliegt – auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung finden (BAG 26. Januar 2005 – 4 AZR 509/03 – nv.). Die Auslegung der AVR erfolgt aber nach den gleichen Grundsätzen, die für die Tarifauslegung gelten (BAG 18. November 2009 – 4 AZR 493/08 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 54; BAG 13. September 2006 – 4 AZR 1/06 – ZMV 2007, 148 ff.; BAG 23. September 2004 – 6 AZR 430/03 – AP AVR Caritasverband § 1a Nr. 1).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung von Tarifverträgen sind die Erfordernisse eines Tätigkeitsmerkmales einer Entgeltgruppe regelmäßig dann als erfüllt anzusehen sind, wenn der Arbeitnehmer eine dem in der Vergütungsgruppe genannten Regel- oder Richtbeispiel entsprechende Tätigkeit ausübt (BAG 19. November 2014 – 4 AZR 996/12 – derzeit nv. juris; BAG 20. Juni 2012 – 4 AZR 438/10 – AP § 12 AVR Diakonisches Werk Nr. 10). Auf die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum TVöD-BT-V/VKA (BAG 13. November 2013 – 4 AZR 53/12 – ZTR 2014, 477 ff.) kommt es mithin nicht an, weil dem dortigen Anlassfall – anders als hier – gerade keine Regel- oder Richtbeispiele zugrunde lagen. Bei Erfüllung eines Regel- oder Richtbeispiels ist ein Rückgriff auf Obersätze aber nicht nur überflüssig, sondern verbietet sich (BAG 20. Juni 2012 – 4 AZR 438/10 – AP § 12 AVR Diakonisches Werk Nr. 10).

Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Tätigkeit der Klägerin als Gesundheitspflegerin auch unter die Entgeltgruppe 8 der Anlage 1 AVR.DW-EKD aF. zu subsumieren. Ihre Einrichtung fällt unter den Begriff der “Psychiatrie”. Die Kammer folgt ebenso wie das Arbeitsgericht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 20. Juni 2012 – 4 AZR 438/10 – AP § 12 AVR Diakonisches Werk Nr. 10), nach welcher der Begriff der “Psychiatrie” nicht notwendig mit dem Begriff der “psychiatrischen Klinik” identisch ist. Eine solche Begrenzung wäre unmittelbar nur aus dem Tatbestandsmerkmal “psychiatrische Klinik” oder aus einer vergleichbar eindeutigen Bezugnahme, etwa auf entsprechende Begriffe im Krankenversicherungsrecht (zB § 118 SGB V), zu folgern. Der Systematik ist lediglich zu entnehmen, dass mit dem Begriff der “Psychiatrie” die Institution gekennzeichnet werden soll, in der die Pflegetätigkeit erbracht wird, nicht dagegen die jeweils konkrete Subsumtion einer speziellen, von einem einzelnen Gesundheitspfleger in einer Einrichtung ausgeübten Pflegetätigkeit. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Einrichtung, in der psychiatrisch erkrankte Menschen behandelt werden. Zwischen den Parteien steht nicht in Streit, dass ihr Angebot ua. die Behandlung von Depressionen, Essstörungen, Burnout, Borderline-Persönlichkeitsstörungen, Trauma, Angst- und Zwangserkrankungen und tiefsitzenden Störungen des Selbstwertgefühls umfasst. In dem Richtbeispiel “Gesundheitspfleger/in in der Psychiatrie” nach Anlage 1 AVR.DW-EKD aF. wird keine Differenzierung nach Art und Schwere der psychischen Erkrankung vorgenommen. Für die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 der Anlage 1 AVR.DW-EKD aF. spielt es danach keine Rolle, ob die Natur der psychischen Erkrankung die Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung gebietet oder ob eine Erkrankung vorliegt, die beispielweise durch den Besuch einer Tagesklinik behandelt werden kann. Maßgeblich ist allein, ob psychiatrisch erkrankte Patienten behandelt werden. Dies ist bei der Beklagten aber durchgehend der Fall.

Nichts anderes ergibt sich schließlich aus dem Umstand, dass in Hessen noch immer das “Gesetz über die Entziehung der Freiheit geisteskranker, geistesschwacher, rauschgift- oder alkoholsüchtiger Personen” vom 19. Mai 1952 Gültigkeit beansprucht. In § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes heißt es zwar, dass “geisteskranke, geistessschwache, rauschgift- oder alkoholsüchtige Personen auch gegen ihren Willen in einer geschlossenen Krankenhausabteilung oder in einer anderen geeigneten Verwahrung unterzubringen sind, wenn aus ihrem Geisteszustand oder ihrer Sucht eine erhebliche Gefahr für ihre Mitmenschen droht und diese nicht anders abgewendet werden kann”. Gleichwohl kann hieraus nicht gefolgert werden, dass das Richtbeispiel der Entgeltgruppe 8 aF. nach dem Willen des ARK als Arbeitsvertrags-Richtliniengeber ausschließlich für die fachpflegerischen Tätigkeiten in einer geschlossenen Institution maßgeblich sein sollte. Zum einen umfasste der Geltungsbereich der AVR.DW-EKD aF. nicht nur hessische, sondern alle der Diakonie Deutschland angeschlossenen Einrichtungen. Das der hessischen Regelung zugrunde liegende Verständnis ist daher nicht entscheidend für die Auslegung der AVR.DW-EKD aF. Zum anderen ist die moderne Psychiatrie auch ganzheitlich ausgerichtet und hat einen deutlich integrativen Charakter. Die frühere strenge Abtrennung bei der Behandlung psychisch Kranker in geschlossenen Abteilungen ist bewusst zugunsten eines flexibleren Systems der psychiatrischen Versorgung aufgegeben worden. Die Einweisungen und die Anordnung der Unterbringung sind deutlich seltener geworden, weil derartige Erkrankungen differenzierter diagnostiziert und behandelt werden. Dementsprechend ist das Behandlungs- und Pflegeangebot differenzierter geworden. Der Begriff “der Psychiatrie” ist deutlich weiter gefächert als früher und erstreckt sich insbesondere weit über geschlossene psychiatrische Kliniken oder Abteilungen hinaus (vgl. BAG 20. Juni 2012 – 4 AZR 438/10 – AP § 12 AVR Diakonisches Werk Nr. 10).

Im Übrigen führt auch der Vortrag der Beklagten zur Entstehungsgeschichte zu keiner anderen Auslegung der AVR.DW-EKD aF. Selbst wenn die Dienstgebervertreter bei Beschlussfassung der AVR.DW-EKD aF. davon ausgegangen sein sollten, dass das Richtbeispiel “Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie” bereits eine fachspezifische Tätigkeit mit entsprechenden Kenntnissen und Fähigkeiten erfordere, beeinflusst dies das Auslegungsergebnis nicht. Der Wille der Normgeber kann nur Berücksichtigung finden, soweit er in der Norm selbst zum Ausdruck kommt. Gerade der bewusste Verzicht auf die Aufnahme der zuvor verhandelten Voraussetzungen “mit Zusatzausbildung” oder “Fach-Gesundheitspflegerin” spricht hier dagegen, dass der ARK stillschweigend davon ausgegangen ist, dass das Richtbeispiel fachspezifische Kenntnisse und Fähigkeiten sowie entsprechende Tätigkeiten voraussetzt. Die Auffassung der Beklagten lässt sich auch nicht auf den Spruch des Schlichtungsausschusses vom 21. Oktober 2013 stützen. Richtig ist, dass damit die Formulierung “Gesundheits- und Krankenpflegerin im OP-Dienst und in der Intensivpflege, Fachpflegekräfte in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit oder Gesundheits- und Krankenpfleger/in mit vergleichbaren Aufgaben” an die Stelle der bisherigen Formulierung “Gesundheitspflegerin K in der K Psychiatrie” getreten ist. Naturgemäß kann aber der Beschluss, der weit nach Zustandekommen der Eingruppierungsregelungen der AVR.DW-EKD aF. gefasst worden ist, zu deren Entstehungsgeschichte nichts beitragen. Der Beschluss hat sich nicht auf eine klarstellende Erläuterung beschränkt; er hat vielmehr zu einer Änderung der AVR.DW-EKD aF. geführt. Die einmalige Verwendung des Wortes “Klarstellung” ändert daran nichts. Zum einen kann eine Klarstellung durchaus zukunftsbezogen erfolgen und eine Änderung der bisherigen Regelung, die weitere Fälle erfasst hatte, herbeiführen, indem sie den bisherigen Anwendungsbereich der Vorschrift verengt. So liegt es hier. Dafür spricht, dass die neue Fassung erst ab dem 1. November 2013 gelten sollte und der Beschluss zur Vergangenheit nichts aussagt. Wenn aber vor und nach einem Stichtag dasselbe gelten sollte, wäre der Beschluss überflüssig. Ginge es nur um eine Klarstellung, bedürfte es keiner Änderung, sondern allenfalls einer Anmerkung. Zum anderen ist unter 1 c) ausdrücklich von einer “geänderten” Fassung die Rede. In den Erläuterungen heißt es ebenfalls “Änderung der Formulierung” und nicht “Klarstellung”. Schließlich äußert sich der Beschluss an keiner Stelle zum ursprünglichen Verhandlungsziel der Arbeitsrechtskommission. So lässt sich der Beschluss als Reaktion auf die hier in Bezug genommene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Juni 2012-4 AZR 438/10 – verstehen. Der vom Normgeber erkannten Rechtslage nach dieser Entscheidung sollte für die Zukunft Rechnung getragen werden. Ab dem 1. November 2013 sollten deshalb andere, strengere Eingruppierungsvoraussetzungen gelten. Das belegt die sog. Besitzstandsregelung in 1 b). Einer solchen hätte es nicht bedurft, wenn mit dem Beschluss gar keine Änderung der Rechtslage hätte herbeigeführt werden sollen. Dann hätte nach der Lesart der Beklagten vor dem 1. November 2013 bereits das gegolten, was auch danach galt. Denn die Beklagte geht davon aus, dass auch nach der alten Formulierung des Richtbeispiels nur die Gesundheitspfleger in die Entgeltgruppe 8 aufgrund Tarifautomatik eingruppiert waren, die in psychiatrischen Einrichtungen fachspezifische Tätigkeiten erbracht haben. Warum diesen Mitarbeitern, die vor den 31. Oktober 2013 in die Entgeltgruppe 8 eingruppiert waren, ein Besitzstand für die Zeit danach eingeräumt werden sollte, wäre aber dann nicht nachvollziehbar (LAG Schleswig-Holstein 28. April 2015 – 1 Sa 391a/14 – nv. juris).

c) Die Höhe der den Leistungsantrag betreffenden Zahlungsverpflichtung steht zwischen den Parteien nicht in Streit.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat die Beklagte die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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